Grenzen der Wirklichkeit in „Avatar“

Überaus interessant finde ich die vielen verschiedenen Ebenen, auf denen ein Blockbuster der Extraklasse wie James Camerons „Avatar“ für Schlagzeilen sorgt. Einerseits reitet nach wie vor die Kritik aus verschiedenen Lagern auf einzelnen Aspekten des Filmspektakels herum. Andererseits beschäftigt mich nach wie vor die Frage, wie soll das denn eigentlich funktionieren – in den Austauschkörper eines Avatars zu schlüpfen? Zu diesem Thema kommt bereits ein zweiter Kinofilm auf den Markt, „Surrogates“ mit Bruce Willis.

KStA. 20.01.2010: Der Avatar-Film in China

Im Kölner Stadt-Anzeiger vom vergangenen Dienstag berichtet Bernhard Bartsch von den Chinesischen Zensoren, die „Avatar“ nur noch in den 3D-Kinos laufen lassen und damit den Großteil der auch im Reich der Mitte überaus erfolgreichen Vorstellungen grundlos streichen. Als Erklärung dient die Einschätzung des berühmten chinesischen Bloggers Han Han, der zu den im Film gezeigten Vorgängen auf dem Planeten Pandora schrieb: „Eine solche brutale Räumung kann nur auf einem anderen Planeten oder in China stattfinden.“ Auch offizielle Meiden hätten die Diskussion aufgenommen, heißt es weiter, wonach der Film für viele Kinogänger „einen bekannten sozialen Konflikt“ wieder spiegele. Dieses Phänomen könnte ich auch „Grenzen der Wirksamkeit“ benennen. Allerdings verhilft ein Verbot – oder wie hier Teilverbot – einer kulturellen Schöpfung nur noch zu mehr Beachtung oder sogar Ruhm.

Welt, 19.01.2010: Weitere Avatar-Kritik

In der Welt vom vergangenen Montag sammelte Hannes Stein noch einmal verschiedene Kritikerstimmen, allen voran die im obigen Titel zitierte des „Movieguide“. Daneben betonten viele konservative Kritiker, dass sie sich aufgrund der Klischees in dem Film so schrecklich gelangweilt hätten – was ich beim besten Willen nicht glauben kann. Der Autor räumt basierend auf der durchaus pro-amerikanischen Einstellung von Karl Marx im 19. Jahrhundert mit der Behauptung auf, bei „Avatar“ handele es sich um einen linken Film. Vielmehr sei er der politischen Romantik zuzuordnen. Beiden Aspekten widmet die FAZ im heutigen Feuilleton einen ausführlichen Artikel: „Avatar, Vorbild Nummer 1“ (in China, inkl. des Dementis der Filmbehörde, dass die Teilabsetzung nichts mit Propaganda zu tun habe) und „James Cameron, Staatsfeind Nummer 1“ (in den USA, vor allem bei den rechten Kritikern).

Zuletzt geht Hannes Stein in der Welt nochmals auf die Kritik von David Brooks in der New York Times ein (ich hatte berichtet) – die Geschichte der Eingeborenen würde entweder von grausamen oder von einem gutmütigen Imperialisten, aber damit immer fremd bestimmt. Hier mögen die Einschränkungen gelten, dass es sich a) um die messianische Geschichten eines Weißen als menschliche Identifiaktionsfigur für das Kinopublikum weltweit handelt, und dass es sich b) nur um eine fiktionale Geschichte handelt, die zudem noch einen überraschenden Schluss bietet (dieser stellt die unverbrüchlich menschliche Natur der Heldenfigur in Frage, um im Sinne des Betrachters zu fragen: „Möchte ich nicht auch viel lieber ein Na’vi sein?“).

Die Welt, 21.01.2010: Ein Bruce Willis ohne jede Falte

Derweil kommt bereits ein nächster Film in die Kinos, der seinen Helden, diesmal Bruce Willis als FBI-Agent, einmal als perfekten Avatar und einmal als schwächelnden Medienkonsumenten seines virtuellen eigenen Lebens zeigt. Die Comic-Verfilmung nach Robert Venditti bietet sicherlich bei weitem nicht so viel Diskussionsbedarf wie Avatar. Aber auch in diesem Film, bei dem es um eine neue Waffe geht, die zusammen mit einem Avataren auch seinen „Originalmenschen tötet, geht es um das Prinzip, einen anderen Körper einzunehmen. Der General-Anzeiger Bonn bezeichnet ihn als eine „manchmal wirklich spannende, aber unzureichend ausformulierte Parabel“.

Im Film „Matrix“ fasste ich die Vorstellung, die Menschen erleben die interaktive Wirklichkeit nur simuliert, während sie als natürliche Batterien in Brutstationen vor sich hinvegetieren, nur als philosophisches Gedankenexperiment auf. Zum „Avatar“-Prinzip werde ich mich jedoch mit den (pseudo-)wissenschaftlichen Grundlagen des Gedankenexperiments eines Körperwechsels  näher beschäftigen müssen (im gleichnamigen Film auch als „Traumwandeln“ bezeichnet): Wie sollte das überhaupt funktionieren? Allenfalls erinnert es noch an religiöse Vorstellungen des Besitzergreifens von Seelen durch Dämonen. Wo liegen hier die Grenzen der Wirklichkeit? Das lässt mir keine Ruhe.

Hier ein kleines Erklärstück aus dem „News Reel“ zum Streifen „Surrogates – Mein zweites Ich“, der heute in deutschen Kinos startet:

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