Archiv für die Kategorie ‘Journalismus’

Neugierde, Nähe, Engagement

Donnerstag, 29. März 2012

Interview mit dem Verleger Alfred Neven DuMont aus Anlass seines 85. Geburtstages. Neben einem Gratulationsschreiben von Amos Schocken, Verleger  und Herausgeber der liberalen israelischen Zeitung „Haaretz“, an der der Verlag M. DuMont Schauberg zu 25 Prozent beteiligt ist, steht im heutigen Kölner Stadt-Anzeiger auch ein Interview mit dem Geehrten, das dpa-Chefredakteur Wolfgang Büchner geführt hat.

Kölner Stadt-Anzeiger, 29.03.12, Letzten Endes zählt einzig Qualität

Sympathisch und nachvollziehbar erklärt der betagte Verleger Neven DuMont, wie sich die Medienwelt aus seiner Sicht entwickeln wird. Manager regieren Verlagshäuser (wie es heute bereits weitgehend der Fall ist), die Zeitungen werden sich eventuell gesund schrumpfen (müssen). Vermutlich spielen dabei digitale Geschäftsmodelle eine wichtige Rolle (paid content).

Dennoch sollte der Verlegerberuf weiterhin Zukunft haben, denn es geht – dem Jubilar zufolge – im Grundsatz darum, kreative Ansätze auszuführen. Überraschende, interessante Inhalte, die ein Leser gerne konsumiert, werden benötigt. Er wagt sogar die Differenzierung, dass sich die Menschen nicht nur nach ihrem Besitzstand in arm und reich unterscheiden, sondern auch nach ihrem Platz in der Kommunikationskette als vornehmlich sendende und vonehmlich empfangende.

In diesem Zusammenhang skizziert er die Grundeigenschaften eines Journalisten: „Das Wichtigste überhaupt ist Neugierde, Interesse. Das ist die Basis von allem. Dann natürlich Bürgernähe, Lesernähe und Engagement für die Sache.“ Dazu kommt nach seinen Worten die „Stetigkeit des Journalisten, am Thema zu bleiben“. Das sind in der Tat die besten Voraussetzungen, um den Beruf auszuüben. Vielleicht fehlt in der Aufführung noch die Fähigkeit den Leser mitzunehmen, mitzureißen oder gar zu fesseln.

Abschließend bemerkt erAlfred Neven DuMont, heute fühle er sich stark als Schriftsteller und dürfe in dieser Funktion träumen. Zugegeben, ein wesentlicher Bestandteil des Dichtens. Die noch größere Herausforderung ist es vielleicht, Konstellationen zu Ende zu denken. Doch letzten Endes, da stimme ich voll zu, zählt auch dabei nur die Qualität.

Astroturfing verzerrt den Wettberwerb

Donnerstag, 22. März 2012

Im Internet herrscht der Wettbewerb um Aufmerksamkeit noch stärker als in der realen Welt. Es geht darum, durch möglichst gute Strategien des Internet-Marketings auf die eigenen Inhalte aufmerksam zu machen. Dabei entscheidet nicht primär der Inhalt, sondern wie stark er sich aufdrängt. Wie im Fernsehen die Quote ist hier die Klickrate das Maß aller Dinge. Das mag bedauerlich erscheinen, letztlich ist es Ausdruck der von uns selbst geschaffen Welt, mithin unserer Mentalität. Dennoch sind auch hierbei klare rechtliche Grenzen gesetzt – von den Grauzonen in diesem Bereich einmal ganz zu schweigen.

Kölner Stadt-Anzeiger, 21.03.12, Diese Kolumne ist super

„Astroturfing“ ist ein Mittel der Wahl, das eine Abmahnung nach sich ziehen dürfte. Darauf weist Rolf Schwartmann im Forum Medien des Kölner Stadt-Anzeigers hin, seines Zeichens FH-Professor und Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht. In seiner „Super-Kolumne“ (noch nicht online) erklärt er, dass es sich beim Astroturfing um das Modell handelt, mehrere so genannte „Geister-Profile“ in sozialen Medien anzulegen, über die dann unisono und mehrfach ein- und dasselbe Produkt beworben wird.

Darüber hianus verbieten einige soziale Medien ausdrücklich die Option, ein privates Profil geschäftlich zu nutzen. In Lehrgängen in Internet-Marketing lernt der findige Selbstvermarkter jedoch, wie er einen Expertenstatus aufbaut und damit Leute an sich bindet, möglichst über die angesagtesten Sozialen Medien wie Facebook, Youtube, Twitter und Xing. Das ist nicht verboten, solange gewisse Regeln befolgt werden.

Natürlich gibt es dennoch auch ganz klar als solche gekennzeichnete Firmenprofile in Sozialen Medien. Da liegt dann aber auch keine Irreführung Verschleierung  oder Verzerrung der Wettbewerbssituation vor. Die Unternehmen haben auch längst erkannt, DASS sie auf die sozialen Meiden reagieren müssen. Sie wollen es auch, wissen aber leider oft noch nicht genau, WIE. Ein Tipp: Verschleierung, Verzerrung und Irreführung sind auch für Unternehmen keine guten Methoden. Grundsätzlich gilt: Holzauge, sei wachsam!

Es hat sich ausgewulfft

Donnerstag, 23. Februar 2012

Das ist ja wirklich mal anderes: Keine Meldungen mehr über den Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff in den Tageszeitungen. Ehrlich gesagt bin ich persönlich froh, dass er endlich seinen Hut genommen hat, wenn auch nur widerwillig und offenbar ohne eigene Einsicht. Ich fand den Mann schon bei der Nominierung nicht eben sympathisch, aber dieses Theater, das er sich da selbst eingebrockt hat, das war schon wirklich peinlich für die Außenwirkung von Deutschland.

Kölner Stadt-Anzeiger, 23.02.2012, Ärgerliche Schelte

Ich stimme auch Marlis Prinzing, der Studiengangleiterin Journalistik an der Kölner Macromedia-Hochschule zu, die im „Forum Medien“ im Kölner Stadt-Anzeiger noch einmal die Lanze für den investigativen Journalismus gebrochen hat (Beitrag noch nicht online verfügbar). Unsäglich finde ich, dass fast jeder Zweite glaubt, der scheidende Bundespräsident sei Opfer einer Hetzkampagne gegen ihn geworden. Er ist vermutlich vielmehr Opfer seiner eigenen Charakterschwäche geworden, indem er nicht, wie mehrfach angekündigt, reinen Tisch gemacht hat, sondern versuchte, das Problem auszusitzen. Ich finde es auch schlimm, dass er bei seinem Rücktritt selbst diesen Eindruck erweckt hat.

 
 
Ich stimme mit der Auffassung der Autorin überein, wir haben es den Medien zu danken, dass sie in der Möglichkeit der freien Meinungsäußerung nicht ihrem Unrechtsempfinden Luft verschafft und nicht locker gelassen haben! Zitat: „Kritische Medien haben, das kann man nicht oft genug wiederholen, eine Schlüsselrolle für eine lebendige Demokratie, ind er die Herrschenden sich nicht wie in Diktaturen alles erlauben können.“ Ebenso bescheiden finde ich die (aus meiner Sicht) beschränkte Sichtweise, bei der von einer „Gleichschaltung der Medien“ oder ähnlichem die Rede ist.

Ich habe im Karneval  mitgelacht, als bei der Proklamation des Klölner Dreigestirns der hofnarr Marc Metzger davon sprach, die vorderen Reihen hätten sich die Karten „erwulfft“, im Sinne von durch gute Beziehungen günstiger erhalten oder gar erschlichen. Diese verschiedentlich gehörte und gelesene Wortschöpfung wird bleiben. Interessant bleibt politisch nun der Ausgang der Frage, wie die Staatsanwaltschaft über den Fall entscheidet, und ob er den von Staatsrechtlern in diesem Fall angeweifelte Ehrensold in Höhe von 199.000 Euro jährlich erhält.  Last not least ist dem Nachfolger Joachim Gauck alles Gute zu wünschen und dass er sich wie ein Vorbild verhalten möge! Die Kanzlerin Angela Merkel erscheint nach dem Hin und Her in ihrer Position doch erheblich geschwächt. Es bleibt also spannend!

Twitters Einfluss auf den Journalismus

Montag, 16. Januar 2012

Der Deutschlandfunk hat Anfang des Jahres eine Tagung zum Thema „Der Ort des Politischen in der digitalen Medienwelt“ durchgeführt. Anlass war das 50-jährige Bestehen des Senders. Teilnehmer der Diskussionsrunde waren unter anderem der preisgekrönte britische Guardian-Redakteur Paul Lewis („Wir müssen die Praxis des Journalismus völlig ändern!“) und der US-Chefredakteur der Internet-Zeitung Politcopor, Tim Grieve („Die Recherche ist die gleiche, wir veröffentlichen nur anders“).

Kölner Stadt-Anzeiger, 09.01.12, Titel: Runter vom hohen Ross

Tim Grieve zufolge hat sich der Journalismus in seiner Arbeitsweise in den vergangenen 75 Jahren nicht geändert. Seiner Meinung nach sollten Journalisten sogar eher auf Meinungsbeiträge verzichten und nur neutral berichten. Denn heute läse jeder nur noch das, was ihm politisch genehm sei. Paul Lewis dagegen hält die transparent als solche gekennzeichnete Meinung von Journalisten für einen immer bedeutenderen Bestandteil der Information, als Orientierungshilfe angesichts einer stark zunehmenden Informationsflut.

Michael Heise berichtet im Kölner Stadt-Anzeiger von der Tagung, wonach Guardian-Mitarbeiter Lewis eine Dominaz des Kurznachrichten-Dienstes Twitter sieht, der bei brisanten politischen Entwicklungen einzig ermögliche eine Übersicht zu erlangen. Die Wahrheit zu finden, könne heute nur mithilfe der Community im Internet gelingen,  es ändere sich entsprechend auch die Zusammensetzung der Leserschaft: Auf knapp 0,3 Mio. Printleser des Guardian kämen 42 Mio. Internetbesucher.

Ariana Klempert von Wikimedia Deutschland erkannte einen deutlichen Rückstand der Deutschen gegenüber Angelsachsen in der Nutzung der digitalen Möglichkeiten und der Deutsche Jan-Hinrik Schmidt vom Paul-Bedow-Intsitut in Hamburg beklagte, dass der Twitter-Stream überhaupt nicht zu bewältigen sei.

Zuletzt kam auch der Preis eines qualitativ hochwertigen Journalismus zur Sprache. „Dass Jopurnalisten im er weniger Geld verdeinen, bedeutet den Todesstoß für die Branche“, sagte Paul Lewis. Dabei dürsteten auch die Massen – die sich für Recherchen wie über das so genannte Crowdsourcing begeistern lassen – nach jemandem, der im Netz Ordnung und Übersicht schafft.

Das Internet, die ungeahnte Herausforderung

Donnerstag, 17. November 2011

Also mal ehrlich: Wer ein wenig auf sich hält, hat seit mindestens 15 Jahren mitbekommen, dass es das Internet gibt. Das dürfte auch den Zeitungsmachern nicht entgangen sein. Etwas erstaunlich dann doch, dass im Kölner Stadt-Anzeiger anlässlich eines Branchentreffens von Zeitungsverlegern tatsächlich eingangs steht: „Das Internet stellt Zeitungen und Verlage vor ungeahnte Herausforderungen.“ Selbst bei viel gutem Willen müsste den Experten klar sein: „Ich wollte es zwar nicht wahr haben, aber geahnt habe ich es schon lange!“ 😉

Kölner Stadt-Anzeiger, 16.11.2011, Titel: Offen für neue Ideen

Beim „Forum Kundenmanagement“ mit dem Titel „Unterwegs in die digitale Zukunft: Die Verlagsbranche erfindet sich neu!“ im Kölner „studio dumont“ sprachen Thomas Breyer-Mayländer, Professor für Medienmanagement an der Hochschule Offenburg, Franz Sommerfeld, Vorstand der Mediengruppe DuMont-Schauberg, und der „Pr-Blogger“ Klaus Eck, den ich auch in meiner Blogroll verlinkt habe. zentrale Aussagen (laut Kurzbericht in der Zeitung): „Es gab schon bessere Zeiten in der Zeitungsbranche, aber auch schon schlechtere Stimmung“ (Breyer-Mayländer), „guter Journalismus bleibt auch in Zukunft eine Grundvoraussetzung“ (Sommerfeld) und „nur in Sozialen Netzwerken erreicht man junge Nutzer“ (Eck).

Zum ersten Zitat: Anders herum wäre es aus ökonomischer Sicht vermutlich besser. Zum zweiten: Das eine Zauberwort heißt Qualitätsjournalismus, das andere „Paid Content“, der in den USA (immer noch als Vorreitermarkt) bereits kurz vor einem Durchbruch steht. Und zum dritten: Man erreicht junge Leute auch reell – nur nicht so häufig. Die Frage ist aber, wie man sie abholt. Sprich, stehen personalisierbare News für mobile Endgeräte bereit, ist das für die online Reputation des Zeitungsverlages schon mal nicht schlecht. Zeitungsleser werden die jungen Menschen deshalb aber noch nicht. Deshalb ist es  ja auch so wichtig – richtig! – offen für neue Ideen zu sein!

Unser aller Rolle bei der Wahrheitssuche

Sonntag, 13. November 2011

Der Wissenschaftsjournalist und Fernsehmoderator Ranga Yogeshwar („Quarks & Co“) hat als Schirmherr der „4. Nacht der Bibliotheken in NRW“ eine Lesung in der Kölner Zentralbibliothek gehalten. Dabei las er einige amüsante und zum Mitdenken anregende Kapitel aus seinen Büchern „Ach so“ und „Sonst noch Fragen?“ vor.

Ranga Yogeshwar liest in der Kölner Stadtbibliothek

In ihrer Ankündigung betonte Hannelore Vogt, die Direktorin der Stadtbibliothek, dass bei der vergangenen Nacht der Bibliotheken vor zwei Jahren mehr als 70.000 Menschen die Veranstaltungen in ganz NRW besucht hätten. Vor vollem Haus präsentierte der Autor Yogeshwar sehr sympathisch Beobachtungen zu Rätseln des Alltags. Er lobte Bibliotheken als „wunderbare Orte, um Gedanken zu transportieren“ und empfahl zum Leidwesen seines Agenten, seine Bücher nur dann zu kaufen, wenn man sie auch lesen wolle.

Seinen Angaben zufolge war sein Großvater Bibliothekar in Indien, der dort eine Öffnung der Bibliotheken rund um die Uhr durchsetzte. Auf die Befürchtung, es würden Bücher gestohlen, hätte der Großvater geantwortet, er würde sie persönlich ersetzen. Aufgrund des vorherrschenden Respekts gegenüber Büchern seien jedoch kaum Bücher gestohlen worden. Übrigens ist Ranga Yogeshwars Großvater jedem Studenten der Bibliothekswissenschaften bekannt, da er Standards in der Systematisierung gesetzt hat, die heute noch gelten.

Ranga Yogeshwar liest in der Stadtbibliothek zu Köln

Er las über die Macht von Vorurteilen, über die Richtung des Strudels ablaufenden Wassers in der Badewanne, über den herrschenden Hang zur Übertreibung und darüber, warum Funklöcher so wohltuend sind. Zwischendurch holte er Kleber und Schere aus der Tasche, um überraschende Bastelarbeiten vorzuführen, und erklärte den Vorzug des nach DIN normierten Papiers. Üblicherweise hätte er immer eine kleine Schere dabei, die ihm an Flughäfen aber oft abgenommen werde. Würde er bei der Kölner Flughafenkontrolle aber sagen,“Die habe ich letztes mal schon dabei gehabt!“, dann dürfe er sie behalten. 

Zuletzt berichtete Ranga Yogeshwar von Schätzwettbewerben, deren Quersumme aller Schätzungen gewöhnlich sehr nahe am tatsächlichen Ergebnis liegt. Seine Schlussfolgerung: „Jeder hat seine besondere Rolle bei der Suche nach der Wahrheit“. Obwohl seine Frau meinte: „Dein Buch braucht kein Mensch“, bezeugten die rund 200 Gäste ihr Gefallen mit anhaltendem Applaus.

Ranga Yogeshwar gab nach der Lesung in der Stadtbibliothek Autogramme

Abschließend nahm er sich Zeit, alle Autogrammwünsche zu bedienen und unterhielt sich mit den zahlreichen Interessierten. Auf meien Frage, welchen Stellenwert das Schreiben für ihn habe, stellte er klar, dass es sich für ihn um die Basis handle, „Gedanken in Worte zu fassen“. Er habe immer schon geschrieben und empfehle jedem, der als Journalist zum Fernsehen wolle, bei einer Zeitung anzufangen.

Automatisierte Nachrichtenmeldungen

Dienstag, 25. Oktober 2011

Die Automatisierung im Internet wird noch weitere, bisher ungeahnte Formen annehmen. Kundentracking und entsprechende Werbeschaltungen auf der Basis der geografischen und soziologischen Verortung sind da nur ein müder Vorgeschmack – zumindest, wenn ich die Meldung aus der Süddeutschen Zeitung richtig verstehe. Demnach wird ein „Data Desk“ der Los Angeles Times mit statistischen Daten unter anderem aus Polizeiberichten gefüttert und erstellt damit weitgehend automatisiert Nachrichtenmeldungen.

Süddeutsche Zeitung, 21.10.11, Titel: Das Biest füttern

Dahinter steckt der Journalist und Webentwickler Ben Welsh, der demnach ein Programm geschrieben hat, das auf der Basis von Polizeistatistiken korrekte formulierte Meldungen entwirft. Damit, so der Entwickler, würde über mehr Straftaten berichtet, als früher möglich gewesen sei. Für immer wiederkehrende Aufgaben (wie das Schreiben entsprechender Berichte) würden Automatismen entwickelt, „um das Biest Internet zu füttern“, wie es heißt – entsprechend dem Anspruch der LA Times, „die schnellsten und trotzdem genau sein“ zu wollen.

Dem Dat Desk gehören dem Bericht von Cornelius Pollmer zufolge acht Redakteure verschiedener Ressorts an, deren Aufgabe es ist, noch mehr solcher Automatismen aufzuspüren und zu definieren. So würde eine Datenbank über alle Soldaten aus Kalifornien, die im Irak gefallen seien, geführt, die automatisch aktualisiert würde und so den aktuellsten Bericht über einen im Irak gefallenen Soldaten aus Kalifornien ermögliche.

Interessant ist allerdings auch der Hintergrund dieser Entwicklung: Die LA Times hat in den vergangenen Jahren rund ein Drittel  ihrer Mitarbeiter entlassen und sich von drei von vier Druckstandorten getrennt. Nun müssen die Redakteure die Titelseite bereits am Nachmittag fertig haben, wobei dort auf Tagesangaben wie gestern oder heute verzichtet werden muss. Cornelius Pollmer weiter: „Auf der Website gibt es eine automatisierte Aufbereitung aller Daten, in der Zeitung werden sie von Menschen analysiert und eingeordnet.“

Die automatiserten Web-News ließen sich vermutlich sehr kostengünstig und eventuell sogar erfolgversprechend als App verkaufen. Haarsträubend klingt die dazu angeblich geplante Idee: Leser bekommen demnach ein Tablet-PC versprochen und müssten dann den normalern Abopreis bezahlen, um die Auto-News per App zu erhalten, während keine gedruckte Zeitung mehr ausgeliefert werden soll. Das ist ein schlechter Witz und steht im Gegensatz etwa zu den Erfolgen, die die New York Times jüngst in Sachen Paid Content mit ihrem Qualitätsjournalismus feiern konnte.

USA: Paid Content vor dem Durchbruch

Montag, 24. Oktober 2011

Die renommierte US-Qualitätszeitung New York Times hat nach Angaben des Handelsblatts innerhalb von nur drei Monaten eine weitere sechstellige Menge zahlender Internetleser geworben. Damit beläuft sich die Summe der digitalen NYT-Abonnenten mittlerweile auf stolze 324.000!

Handeslblatt, 21.10.11, Titel: New York Times wirbt 100.000 neue digitale Leser

Somit lässt sich für die USA ein erster Durchbruch von qualitativ hochwertigen journalistischen Bezahlinhalten festhalten. Das Modell der New York Times sieht vor, dass Erstleser im Internet zwanzig Klicks frei haben und danach aufgefordert werden, ein Abo abzuschließen. Je nach Nutzungsart kostet das 15 bis 35 Dollar je Monat.

Bei der Verbreitung der Bezahlinhalte spielt auch das iPad (als Vorreiter vieler neuer Tablet-PCs) eine große Rolle. Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Quartalszahlen der New York Times-Gruppe gestand Geschäftsführerin Janet Robinson ein, dass sie bei den Umsätzen aus digitalen Abos „entscheidende Fortschritte gemacht“ hätten.

Neben den zahlenden Kunden erhalten weitere 100.000 Nutzer ihren Zugang von Ford gesponsort, was der Popularisierung sicherlich gute Dienste leistet. Zusammen mit den Print-Abonnenten, die ebenfalls über einen Online-Zugang verfügen, beläuft sich die Zahl der NYT-Netzleser nach Unternehmensangaben auf respektable 1,2 Millionen.

Vielen Zeitungsverlagen, egal ob in Deutschland oder in anderen Ländern, fehlt dagegen noch ein funktionierendes Modell für die Vermarktung journalistischer Qualitätsinhalte. Durchgesetzt haben sich Bezahlmodelle bislang lediglich bei Special Interest-Portalen oder den digitalen Ablegern von Fachzeitschriften, die ein gesondertes Interesse verfolgen, das anderswo nirgends bedient wird. Diese Geschäftsmodelle haben jedoch aufgrund der limitierten Zahl der (zahlungskräftigen) Nutzer ebenfalls Überlebensnöte.

Spannend zu beobachten, wann sich in Deutschland die erste überregionale Zeitung mit einem ähnlichen Modell in einen profitablen Bereich bewegt, und welche das wohl sein wird (ich tippe auf die FAZ, wo derzeit noch kostenpflichtige Beiträge einzeln abgerechnet werden).

Nicht-revolutionäre Informations-Vermittlung

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Wenn es um die Reichweite traditioneller Medien geht, dann spielen soziale Netzwerke nach wie vor keine große Rolle. Das hat der jetzt vorgestellte, 14. Jahresbericht der Komission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) ergeben.

Kölner Stadt-Anzeiger, 12.10.11, Titel: Geringer Nutzen durch soziale Netzwerke

Nachdem bereits  mehr als 40 Millionen Bundesbürger Mitglied in einem sozialen Netzwerk sind, stehe „ihre grundsätzliche mediale Wirkungsmächtigkeit“ dabei außer Frage, soziale Netzwerke trügen inzwischen maßgeblich zur Lenkung der Aufmerksamkeit auf professionell-journalistische Webseiten bei. Gleichzeitig aber würden publizistische Leistungen im Netz bislang in erster Linie noch von den Ablegern traditioneller Massenmedien erstellt.

Für die allermeisten Community-Nutzer stellen die Netzwerke damit also eine private Angelegenheit dar. „Vor diesem Hintergrund lässt sich eine Revolution der Informationsvermittlung im Web 2.0 zur Zeit noch nicht feststellen“, wird die KEK-Vorsitzende Insa Sjurts in der Pressemitteilung zitiert. Demnach würden Nachrichten derzeit nach wie vor hauptsächlich auf den Infoportalen der klassischen Medien gesucht und gefunden.

Revolutionär ist die Informationsvermittlung vielleicht noch nicht, wenn es um die Inhalte der traditionellen Medien geht. Das Verhalten in den Sozialen Netzwerken ist an sich aber doch als revolutionär zu bezeichnen, wie es heute auch Oliver Rosenthal, Managing Director von OgilvyOne in Frankurt für das Forum Digitale Kommunikation im Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA) in der FAZ-Beilage Kommunikation vom 13. Oktober 2011 getan hat:

„Social Media revolutioniert die Kommunikation zwischen Menschen: Wir verabreden uns über Facebook, wir machen Schluss via Skype, wir pflegen unser Netzwerk, wir twittern unseren Zustand, wir sagen uns die Meinung im Forum, wir finden uns im Netz, wir googeln einen neuen Bekannten.“

Non self fulfilling prophecy

Montag, 10. Oktober 2011

Tagesschau-Sprecherin und Moderatorin Judith Rakers hatte sich vergangene Woche in der Welt über „Die letzte Sendung“ ausgelassen, d.h. nicht ihre letzte Sendung, sondern: „Warum das Internet uns nicht mehr braucht“.  Ich glaube, die gute Frau hat da was falsch verstanden.

FAZ, 06.10.11, Das Ende des Fernsehens

Mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine: In der FAZ schrieb tags drauf ein Redakteur in der Sparte „In medias res“ einen sehr klugen Kommentar. Das Internet fordere das Fernsehen zwar existenziell heraus, „dumm wird die Sache nur, wenn Gallionsfiguren dieser Medien selbst das Schiff verlassen.“ Die Autonomie des Internetnutzers in der Zusammenstellung seiner Nachrichtenkanäle wird von TV-Nutzern mit Festplattenrecordern doch ganz ähnlich betrieben.

Erfahrungsgemäß werden die Medien Zeitung, Radio, Fernsehen und Internet nebeneinander bestehen bleiben, gewiss nicht ohne Konvergenzerscheinungen. Manche Kritiker behaupten zwar, das Fernsehen sei bereits heute am Ende, doch zu gewissen Stunden lassen sich doch ganz außergewöhnliche Formate verfolgen. Ob uns diese bewegten Bilder via bisheriger Technik auf  TV-Geräten erreichen oder irgend wann einmal nur noch via Internet auf quasi auf denselben Bildschirmen, ist mir persönlich eigentlich ziemlich egal.

Im FAZ-Kommentar heißt es, es sei an Qualitätsprodukten wie Tagesschau und Tageszeitungen, die „Informationsmarken, an denen sich auch im Internet alle orientieren, zu setzen.“ Aus meiner igenen Praxis jann ich hiermit bestätigen: Ich tue es. Ein weiteres Argument spricht gegen eine vollständige Ablösung des Fernsehens durch das Internet, nämlich das der gegenseitigen befurchtung, wie u.a. das Beispiel der Moderatorin Katrin Bauerfeind zeigt, die über die Internet-Sendung „Ehrensenf“ bekannt wurde und mittlerweile im Fernsehen etabliert ist (Polylux, Kulturzeit, Harald-Schmidt-Show).

Vielleicht hat Judith Rakers da doch ein wenig unbedacht an ihrem eigenen Stuhl gesägt, nach dem Motto, dass es sich bald um ihre letzte Sendung handeln könnte. Immerhin moderiert sie neben der Tagesschau auch den Feeitags-TV-Talk „3 nach neun“ und comoderierte den „Eurovision Song Contest 2011“ in Düsseldorf. An ein Auslösen des von ihr beschriebenen Sachverhalts durch die Beschreibung (im Sinne einer self fulfilling prophecy) glaube ich jedoch nicht.