Fragwürdige Fusion von Sportverbänden

Der Zusammenschluss von Sportverbänden kann zweifellos sinnvoll und positiv sein, zum Beispiel wenn dieselben (oder verwandte) Sportarten betrieben und gefördert werden, wenn gemeinschaftlich mehr erreicht werden kann zum Vorteile beider oder wenn der kleinere Verband andernfalls keine Chance zum Überleben hätte. Aus Anlass der deutschen Wiedervereinigung vor 20 Jahren beschreibt Jens Bierschwale in der Welt am Sonntag den Niedergang des ostdeutschen Spitzenfußballs.

Welt am Sonntag, 03.10.10, Titel: Mauerfall als Trauerfall

Erschreckend sind die Fakten, die belegen, dass ostdeutsche Fußballvereine (wie andere Institutionen der ehemaligen DDR auch) ganz klar Verlierer oder Übervorteilte der Wende sind. „Für das Gros bedeutete der Mauerfall den schleichenden Niedergang.“ Zum Beispiel das 2009 für 46 Millionen Euro fertig gestellte Rudolf-Harbig-Stadion für Dynamo Dresden: „Dynamo muss rund  zwei Millionen Euro Miete pro Jahr für die Nutzung zahlen – und kommt sich erneut ausgebeutet vor wie in den Irrungen und Wirrungen nach dem 9. November 1989, als die besten Spieler flüchteten und windige Protagonisten das Ruder übernahmen.“ Im ZDF-Sportstudio erklärte Michael Steinbrecher am veragnenen Samstag, dass von allen Profis, die am vergangenen Erstliga-Spieltag auf dem Platz standen, nur drei aus Ostdeutschland stammten.

Welt am Sonntag, 03.10.10, Illustration zum Artikel Mauerfall als Trauerfall

Bei einem Blick auf das Foto zum Zusammenschluss der beiden Fußballbünde fällt mir auf, dass der DDR-Verband „Deutscher Fußball-Verband“, DFV, hieß. Heute gibt es mit demselben Kürzel nicht nur den Deutschen Freidenker-Verband (der mit Sport nicht direkt zu tun hat), sondern auch den Deutschen Frisbeesport-Verband, zu dem es zwar kein ostdeutsches Pendant gab, der aber ebenfalls immer wieder in Zusammenhang mit einer möglichen Fusion gebracht wird. Hintergrund sind die nicht erfüllten Bedingungen für einen möglichen Beitritt zum DOSB (Zugehörigkeit zu 7 Landessportbünden oder 10.000 registrierte Mitglieder oder eine olympische Disziplin).

Hierzu fanden in den 1990er Jahren zwar Gespräche mit dem Deutschen Turnerbund statt, die aber schnell beendet wurden, nachdem sich heraustellte, dass weder die Sportarten viel miteinander gemein haben noch dass dies dem Frisbeesport  zum Vorteil gereichen würde. Ohne Zugehörigkeit zum DOSB bleiben die meisten Fördermöglichkeiten ebenso wie die Vergabe von Trainerlizenzen verwehrt. Bereits eine Woche zuvor stand in einer Sonderbeilage der Weltgruppe zur Wiedervereinigung der Beitrag des DOSB-Präsidenten Thomas Bach: „Ein Miteinander von prägender Symbolkraft„.

Welt, 25.09.10. Titel: Miteinander von prägender Symbolkraft

Der Titel des Beitrags bezieht sich auf die Schlussfeier der Leichtathletik-Europameisterschaften 1990 in Split, dem letzten nominal getrennten Auftritt, bei dem sich beide deutsche Mannschaften hinter beiden Fahnenträgern vermischt präsentierten. Sicherlich hat Thomas Bach recht, wenn er schreibt: „Im Sport ist vieles einfacher. Er verbindet schon dadurch, dass er überall nach den gleichen Regeln ausgeübt wird und eine gemeinsame Sprache spricht.“ Doch herrschen auch und gerade im Sport Seilschaften, Interessenskonflikte und Machtspiele. Dies räumt auch Thomas Bach in Bezug auf den Zusammenschluss von Nationalem Olympischen Komitee und Deutschem Sportbund ein: „Brüche und problematische Systemzwänge waren längst spürbar. Das galt auch bei der Vereinigung der Fachverbände.“

Der Deutsche Frisbeesport-Verband kämpft mit zwar jährlich zehnprozentigem Wachstum, dennoch mit beschränkten Mitteln und überschaubarem Engagement um eine stärkere Verbreitung und Wahrnehmung der Scheibensportarten Ultimate Frisbee, Disc Golf und Freestyle Frisbee. In Schulen und Hochschulen erfährt er eine stark zunehmende Akzeptanz, doch wäre bis zum Erreichen der erforderlichen 10.000-Mitgliedermarke noch eine Frist von mindestens 15 Jahren abzuwarten. Ob eine Fusion wie sie z.B. in Norwegen zwischen den Fachverbänden für American Football, Cheerleading, Frisbee und Lacrosse praktiziert wurde, für Deutschland sinnvoll wäre, ist zu bezweifeln, weil die in der Vorede genannten bedingungen meines Erachtens nicht erfüllt wären. Zu divergent erscheinen mir die Interessenlagen der einzelnen Sportarten. Zudem glaube ich daran, dass die Verbreitung und Bedeutung des Frisbeesports in Deutschland in den kommenden Jahren weiter steigen wird.

In Sachen Mauerfall besteht allerdings noch ein anderer Bezug zum Frisbeesport, der durch das berühmte Foto von Ralf Dentzer charkterisiert wird.

Der Frisbeewurf durch die Mauer, Foto: Ralf Dentzer

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