Die Kölner Ortsteile Bocklemünd und Lövenich werden zu den im Radio meist genannten und von den Autofahrern meist gehassten. Das haben sie weiß Gott nicht verdient. Der ADAC bezeichnet Nordrhein-Westfalen längst als „Stauland Nummer eins“. Mit 39 Prozent aller Staumeldungen liegt NRW klar in Front, als Grund gibt der ADAC vor allem an, dass das Bundesland sowohl im Ost-West- als auch im Nord-Süd-Verkehr Transitland ist. Der Verkehrsverband Rheinland hat in seinem „Mobilitätskonzept Straße“ sogar den Schluss gezogen: „NRW droht der Verkehrskollaps“.
Ein paar Zahlen: Der verantwortliche Verkehrswissenschaftler Karl-Hans Hartwig hat ermittelt, dass jeden Tag auf mehr als 100 Autobahnabschnitten in NRW der Verkehr länger als eine Stunde still steht. Nur auf dem Kölner Autobahnring werden am Tag bis zu 165 000 Fahrzeuge gezählt. Auf der A1 zwischen Köln-Bocklemünd und Köln-Lövenich gab es im Jahr 2007 fast 2400 Stunden Stau. In der Folge liegt die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit auf den Straßen in NRW mit 31,6 Stundenkilometern um 20 Stundenkilometer unter dem Bundesschnitt. Und: Rund um das Autobahnkreuz Leverkusen mit den beiden Hauptverkehrsadern A 1 und A 3 droht bis 2020 eine weitere Zunahme des Verkehrs um rund 20 Prozent. Ein schönes Erklärstück zum Thema bietet der WDR.
Diese Umstände haben Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) in der Rheinischen Post dazu verleitet vom „Nachholbedarf West“ zu sprechen – als Gegenstück zum „Aufbau Ost“ – und dann Landesverkehrsminister Lutz Lienenkämper (CDU) in der Welt dazu, ein „Nachholprogramm Straßenbau West“ zu fordern. Als mögliches Projekt nannte Ramsauer denn auch gleich den weiteren Ausbau der A 1 und des Kölner Autobahnrings.
Die vermeintlich gute Nachricht: Im Jahr 2009 betrug die Förderung des Autobahnbaus aus Bundesmitteln nach Angaben des Landesbetriebs Straßenbau 970 Millionen Euro (Neu-, Um- und Ausbau sowie Instandhaltung). Das sind fast 200 Millionen Euro mehr als im Jahr 2005. Aktuell wird die A1 zwischen Bocklemünd und Lövenich auf sechs Spuren erweitert. Doch nur für den weiteren durchgängigen Ausbau des Kölner Autobahnrings auf sechs bis acht Fahrstreifen ist geschätzt zusätzlich eine halbe Milliarde Euro erforderlich (Angaben aus den Ruhr-Nachrichten).
Die schlechte Nachricht: Mehr Straßen erzeugen dummerweise immer auch noch mehr Verkehr. Ein grundsätzliches Umdenken scheint da genauso angebracht wie uns die Rechtsprechung in Hinblick auf den Solidaritätspakt glauben machen will. Dass aber Peter Ramsauer die Autobahnfinanzierung mit dem Reizwort „Aufbau West“ ausgerechnet zum 20. Jahrestag des Mauerfalls anstößt, erweckt durchaus den Anschein von Berechnung – auch wenn die Faktenlage nahe legt: Abgesehen vom Großraum Berlin spielen Autobahnen in Ostdeutschland keine Rolle in der Staubilanz des ADAC.
Zwei Konsequenzen drängen sich auf: Zum einen wird die Zeit im Stau offensichtlich nicht zum Nachdenken darüber genutzt, wie man dem täglichen Wahnsinn entgehen kann. Das geht sicher nur durch persönliches Umdenken und das Ablegen der schlechten Gewohnheit und Bequemlichkeit täglich zum Pendeln ins Auto zu steigen. Zum anderen wird sich an der bestehenden, katastro-phalen Verkehrslage sicher nichts ändern, solange die Politik sich in offensichtlicher Abhängigkeit zur Autolobby befindet und zudem die Anschaffung von Neuwagen wie in diesem Jahr durch die Abwrackprämie fördert. Auch durch breitere und noch mehr Straßen wird die Verkehrslage sich kaum entspannen. Das Hoffen auf eine Verkehrsreduzierung ist utopisch. Anreize, das Auto stehen zu lassen, fehlen.
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