Welche Überschrift eines Artikels von Andreas Rosenfelder im Feuilleton der Welt am vergangenen Wochenende! Im Gespräch mit der Philosophin und Gender-Forscherin Judith Butler, als Popstar des Denkens bezeichnet, lernt er auf eine weit angenehmere Person kennen als befürchtet. Im flüssigen Deutsch berichtet sie ihm von ihren Erfahrungen 1979 als Studentin in Heidelberg. Er schreibt: „Das Nachtleben mit seinen Extremen diente ihr immer als Gegenpol zur Welt der Thesen“. Eine Beobachtung aus dem Wissenschaftsbetrieb, die für mich vertraut klingt.
Anlass des Besuchs in Berlin ist für Judith Butler die Teilnahme an einer Diskussion an der Volksbühne und die Entgegennahme eines Zivilcouragepreises beim Christopher Street Day. Von Zwängen in Bezug auf ihr Werk aus den 1990er Jahren „Das Unbehagen der Geschlechter“ keine Spur. Um auf die Überschrift zurückzukommen, so hält Judith Butler Lady Gaga als Ausdruck von Querness für verfehlt und bewertet den Umstand, dass Guido Westerwelle als Homosexueller deutscher Außenminister ist, als eine Ablenkung von nach wie vor bestehender Diskrimierung, die nach wie vor oft Grund zum Unbehagen geben kann.
Sehr sympathisch, dass sie dem Autor gegenüber lachend gesteht, ihr eigenes Vokabular (der „lebische Phallus“, das „morphologische Imaginäre“ oder die „phallogozentrische Ordnung“) sei ihr auch schon auf die Nerven gegangen. Vermutlich meist zu Zeiten, wenn es Nacht wurde. Bemerkenswert auch der Hinweis Andreas Rosenfelders auf Hegels Satz: „Die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.“ (aus der Vorrede zur Rechtsphilosophie). Gemeint ist damit jedoch weniger, dass sich die Philosophin /der Philosoph erst abends zur Erkenntnis durchringt (wenn auch von Hegel rotweinselige Abende berichtet werden), sonder eher, dass die Philosophie Zeitläufe erst dann zutreffend analysieren könne, wenn sie abgeschlossen sind, sprich dass sie Erkenntnisse immer erst liefere, wenn es bereits zu spät ist, darauf Einfluss zu nehmen. Ein grundlegendes Dilemma, nicht nur in der Gender-Forschung und nicht nur in der Dämmerung.
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