Am vergangenen Wochenende ist ein neues Buch des Germanistik-Professors und Autors historischer Kriminalromane Karl-Heinz Göttert mit dem Titel „Deutsch. Biografie einer Sprache“ erschienen. Dazu hatte die Welt bereits vorab einen Auszug unter obigem Titel gebracht. Tenor: „Solange unsere Sprache offen bleibt für Veränderungen, braucht sich keiner um ihren Fortbestand zu sorgen“.
Zum Auftakt des Essays wendet sich der Autor gegen die These des Sprachwissenschaftlers Jürgen Trabant, wonach Englisch (resp. „Globalesisch“) an die Stelle des Hochdeutschen trete und – ähnlich wie in der Schweiz – der Dialekt vor allem im familiären Gebrauch an Bedeutung gewinne. Daraufhin lässt er Zahlen sprechen: Von den weltweit rund 121 Millionen Sprechern des Deutschen leben rund 110 Millionen in Europa. Damit behauptet Deutsch einen Platz unter den Top Ten der meistgesprochenen Sprachen weltweit, wenn auch freilich hinter dem Englischen (427 Millionen Sprecher weltweit, aber nur 61 Millionen in Europa). Zusammen mit den Fremdsprachlern überwiegen die des Englisch Mächtigen jedoch auch in Europa: 51 Prozent aller Europäer sprechen Englisch, Deutsch aber „nur“ 31 Prozent und Französisch sogar „nur“ 28 Prozent.
Darauf aufbauend rückt Karl-Heinz Göttert die Perspektive zurecht: Englisch, so seine These, ist das neue Latein als freie Sprache (lingua franca), wenn auch mit Abstrichen, denn Latein war im Gegensatz zum Englischen nie eine Muttersprache. Vor allem für Deutschland schlussfolgert er: „das Modell einer Übereinstimmung von Sprache und Nation im Sinne des 19. Jahrhunderts (…) wird immer wirklichkeitsfremder“. Deutschland müsse sich gerade in seiner Sprachpolitik auf Migranten und ihre deutschen Nachfahren einstellen („Deutsch lernen, ohne auf die Muttersprache zu verzichten“). Während das Deutsche von außen also Englisch bedrängt und es von innen im Wettbewerb mit zahlreichen anderen Sprachen steht, bestehe dennoch kein Anlass zur Sorge.
Am Beispiel des Einwanderungslandes Australiens verdeutlicht er mit dem neuseeländischen Germanisten Michael Clyne , dass eine „Wende zu Mehrsprachigkeit und Multikulturalität“ eine Nation in keiner Weise schwächen müsse: „Die Zukunft des Deutschen liegt darin, sich in einem vielsprachigen Europa und einer mehrsprachigen Deutschland zu behaupten.“ Einheit und Vielfalt müssten zusammengedacht werden, fordert er weiter, und: „Die Herausforderung ist nicht, die eigene Identität aufzugeben, sondern sie mit anderen zusammenzubringen.“ Heute ginge die Mehrsprachigkeit erstmals nicht von Gebildeten aus, sondern werde von der Globalisierung aufgezwungen. Abschließend urteilt er, wir müssten uns vor einer weiteren Öffnung Deutschlands nicht fürchten, insbesondere, wenn wir unsere Geschichte kennten. Richtig, zu beidem besteht keine Alternative: Die Geschichte zu kennen und sich weiter zu öffnen.
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