Das „Bindungshormon“ Oxytocin wird über einen Rezeptor auf den Nervenzellen gebunden, von dem es zwei genetische Varianten gibt. Träger der Variante G zeigen angeblich weit größeres Mitgefühl (Empathie) als diejenigen der Variante A. Bei einem Versuch an der Oregon State University wiesen Forscher nun nach, dass der Genotyp „sich offenbar auf den ersten Blick erkennen lässt“, wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung kurz berichtete.
Die Forschergruppe um Sariana Rodrigues spielte Versuchspersonen kurze, tonlose Videos vor, die Träger der verschiedenen Rezeptor-Varianten beim Anhören rührseliger Geschichten zeigen. Der Einfluss der Rezeptorvariante war demnach offenkundig, wie die Wissenschaftler in den Proceedings of the National Acadyemy of Sciences of the USA berichten (PNAS).
Demnach lassen sich Menschen in ihrer nonverbalen Kommunikation, wenigstens in Hinblick auf den Grad der gezeigten Anteilnahme, in zwei Gruppen unterteilen, die Abgebrühten (Variante A) und die Mitleidenden (Variante G). Offenbar besteht bei Trägern der Genvarinte A eine höhere Wahrscheinlichkeit, zu Autismus zu neigen (das ist ein anderes, weitläufiges Thema, zu dem in der Süddeutschen Zeitung heute ein höchst lesenswerter Erfahrungsbericht steht).
Zeig mir, wie Du Dich verhältst, und ich sag Dir, welche Rezeptorvariante Du (vermutlich) trägst. Sind das nun schon bedenkliche Entdeckungen, dass Menschen gemäß ihrer Verhaltensweisen in zwei Klassen eingeteilt werden könnten? Oder ist es nicht mehr als die Unterscheidung zwischen blauen und braunen Augen, die keinen Einfluss auf die eigene Wahrnehmung hat?
Beeinflusst wird in beiden Fällen höchstens die Fremdwahrnehmung. Bei der Augenfarbe spielt vielleicht meine persönliche Vorliebe eine Rolle. Und bei der Verhaltensweise kann ich mir künftig sagen, wer bei einer meiner rührseligen Geschichten emotional stark reagiert, ist offenbar eher Träger der Genvariante G, wer nicht der Variante A.
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