Mit ‘Empathie’ getaggte Artikel

Rezeptorvariable Anteilnahme

Donnerstag, 24. November 2011

Das „Bindungshormon“ Oxytocin wird über einen Rezeptor auf den Nervenzellen gebunden, von dem es zwei genetische Varianten gibt. Träger der Variante G zeigen angeblich weit größeres Mitgefühl (Empathie) als diejenigen der Variante A. Bei einem Versuch an der Oregon State University wiesen Forscher nun nach, dass der Genotyp „sich offenbar auf den ersten Blick erkennen lässt“, wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung kurz berichtete.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 20.11.11, Titel: Empfindsames Gen

Die Forschergruppe um Sariana Rodrigues spielte Versuchspersonen kurze, tonlose Videos vor, die Träger der verschiedenen Rezeptor-Varianten beim Anhören rührseliger Geschichten zeigen. Der Einfluss der Rezeptorvariante war demnach offenkundig, wie die Wissenschaftler in den Proceedings of the National Acadyemy of Sciences of the USA berichten (PNAS).

Demnach lassen sich Menschen in ihrer nonverbalen Kommunikation, wenigstens in Hinblick auf den Grad der gezeigten Anteilnahme, in zwei Gruppen unterteilen, die Abgebrühten (Variante A) und die Mitleidenden (Variante G). Offenbar besteht bei Trägern der Genvarinte A eine höhere Wahrscheinlichkeit, zu Autismus zu neigen (das ist ein anderes, weitläufiges Thema, zu dem in der Süddeutschen Zeitung heute ein höchst lesenswerter Erfahrungsbericht steht).

Zeig mir, wie Du Dich verhältst, und ich sag Dir, welche Rezeptorvariante Du (vermutlich) trägst. Sind das nun schon bedenkliche Entdeckungen, dass Menschen gemäß ihrer Verhaltensweisen in zwei Klassen eingeteilt werden könnten? Oder ist es nicht mehr als die Unterscheidung zwischen blauen und braunen Augen, die keinen Einfluss auf die eigene Wahrnehmung hat?

Beeinflusst wird in beiden Fällen höchstens die Fremdwahrnehmung. Bei der Augenfarbe spielt vielleicht meine persönliche Vorliebe eine Rolle. Und bei der Verhaltensweise kann ich mir künftig sagen, wer bei einer meiner rührseligen Geschichten emotional stark reagiert, ist offenbar eher Träger der Genvariante G, wer nicht der Variante A.

Neues aus der Tierwelt 31

Dienstag, 15. März 2011

Nach längerer Zeit mal wieder eine Sammlung dreier interessanter Meldungen aus dem Reich der Tiere, mit leidensfähigen Hennen, kooperationsfähigen Elefanten und auf Lautstärke achtende Bonobos.

Kölner Stadt-Anzeiger, 12.03.2011, Titel: Hennen leiden bei Stress mit ihren Küken

Empathie ist eine Fähigkeit, die wir üblicherweise Tieren nicht nachsagen würden. Andererseits erwarten wir in jeder besseren Tierdoku, dass Muttertiere etwas aus dem Bereich der Säugetiere ihre Jungen bis aufs Blut verteidigen und Verletzungen der Jungtiere scheinbar bedauern. Joanne Edgar vond er Universität Bristol  hat nun jedoch in den „Proceedings“ der britischen Royal Societa beschreiben, dass Hennen auf eine Bedrängnis ihrer Küken körperlich so reagieren als würden sie selbst gestört. Diese Phänomen wurde unter Vögeln bisher nur bei Raben beobachtet, die zudem als besonders intelligent gelten. Vermutlich wäre es jedoch übertrieben zu behaupten, das Hennen mit jedem Ei, das man ihnen wegnimmt, empfänden: „Da geht ein Teil von mir!“

Kölner Stadt-Anzeiger, 12.03.2011, Titel: Elefanten warten auf helfenden Rüssel

Ich werde ja nicht müde darauf hinzuweisen, dass Tiere gar nicht denken, weil ihnen dazu jede Begrifflichkeit fehlt. Erstaunlich ist aber zweifellos auch die Fähigkeit von Elefanten zusammenzuarbeiten. Bei einem Versuchsaufbau von Forschern der Universität in Atlanta wurden 12 indische Elefanten zunächst darauf trainiert, alleine mit Hilfe eines Seils ein Tablett mit Futter zu sich zu ziehen.

Bei einem zweiten Versuchsaufbau lag das Seil so um das Tablett herum, dass an beiden Enden gleichzeitig gezogen werden musste, um es in Reichweite zu bekommen. Teilweise warteten die Elefanten bis zu 45 Sekunden auf einen Artgenosen, um gemeinsam an das Futter zu gelangen. „Elefantös!“ und „Elefantastisch!“ wäre vielleicht zuviel gelobt, aber als „elefinderisch“ wäre das Verhalten allemal zu bezeichnen.

Kölner Stadt-Anzeiger, 01.03.2011, Titel: Sexlaute zeigen soziale Stellung bei Bonobos

Schon ein paar Tage älter, aber nicht minder interessant ist diese Meldung über eine Untersuchungen von Forschern der University of St. Andrews an Bonobos im Kongo, die in der Fachzeitschrift „Biology Letters“ veröffentlicht wurde. Demnach demonstrieren die Tiere durch Laute, die sie beim Sex von sich geben, ihre soziale Stellung. Dies gelte gleichermaßen für Weibchen wir für Männchen und ebenso beim fremd- wie beim weite verbreiteten gleichgeschlechtlichen Verkehr. Das heißt, wer in der Gruppe den höchsten Status genießt, darf am meisten und am lautesten schreien. Was für die Bonobos beim Sex, gilt für die Menschen in der Politik. Wer am lautesten ruft und am meisten Töne von sich gibt, hat meist das höchste Ansehen. Es sei denn, er hat bei seiner Doktorarbeit abgeschrieben. was für Bonobos wiederum gar nicht in Betracht kommt.

Wochenend-Presseschau 03-10

Montag, 18. Januar 2010

Entschleunigung in der „Karrierewelt“, Interviews mit Jaron Lanier in der Samstags-FAZ und mit Jeremy Rifkin in der WamS. Um mit dem Letztgenannten zu beginnen, der Leiter der von ihm gegründeten Foundation of Economic Trends, Jeremy Rifkin, warnt im Interview mit Matthias Wulff in der WamS davor, dass die Menschheit trotz wachsender globaler Empathie zielstrebig auf ihre eigene Vernichtung zusteuert. Anlass des Gesprächs ist das heute im Campus-Verlag erscheinende neue Buch „Die empathische Zivilisation“.

Im Gespräch gibt der streitbare Wissenschaftler Energie- und Kommunikationsrevolutionen als Ursachen für einen Bewusstseinswandel der Menschheit an (Beispiel: obwohl der Buchdruck schon länger existierte, ermöglichte erst die kohlegetriebene Dampftechnik den Betrieb moderner Druckerpressen). Heute sieht er die dritte industrielle Revolution in Vorbereitung, wodurch die globale Menschheit zur erweiterten Familie jedes einzelnen werde. Gleichzeitig verringere sich aktuell erstmals bei einem Umbruch der Kommunikationstechnik der durchschnittlich verfügbare Wortzschatz der Kinder.

Als heutige Aufgabe skizziert Rifkin das „Empathie-Entropie-Paradox“ zu durchbrechen (wir kommen uns global zwar sehr viel näher, auch in unserem gegenseitigen Verständnis, aber dabei verbrauchen wir unglaubliche Mengen an Energie). Lösungsansätze sieht er im Hausbau (Umbau von Häusern zu „Kraftwerken“ mit positiver Energiebilanz) sowie im Anpassen der Denkgebäude von Kategorien des 18. Jahrhunderts („autonome, materialistische Individueen“) auf heutige Anforderungen („globaler Ziivilsation“). Allerdings sieht er einen echten Überlebenskampf der Menschheit bevorstehen.

FAS, 17.01.10, Titel: Warum die Zukunft uns noch braucht

Jordan Mejias führt in der Samstags-FAZ ein Interview mit dem Informatiker, Komponisten und Autoren Jaron Lanier, der den Begriff der „virtuellen Realität“ prägte, 1983 ein erstes Videospiel vorstellte, als Erster internetbasierte Computernetzwerke vorschlug und den ersten Avatar entwickelte. Sein neues Buch, deutsch im Alfred A. Knopf Verlag, heißt „You Are Not a Gadget: A Manifesto.“ Aufgrund der Datenlage im Internet konstatiert er (Buchauszug in der Sonntags-FAZ): „Die weltweite Vernetzung von Intelligenz produziert nicht Über-Intelligenz, sondern Banalität.“ Stattdessen plädiert er für einen kostenpflichtigen Zugang zu wertvollen Inhalten im Netz (bei moderaten Preise), um nicht fortwährend „unter dem Banner der Offenheit zu einem Verlust an Kreativität“ zu gelangen.

Als Scheininformationen bezeichnet er die Informationsflut der allermeisten Einträge, die dem einzelnen Nutzer (je nach genutzter Technik und angewöhntem Verhalten) keine Zeit mehr lassen, nachdenkende Individuen zu sein. Im Buchauszug in der FAS wird er noch deutlicher: „Unter dem Strich produziert die Blogosphäre leeres Gerede, wie es in den heute hochgejubelten flachen und offenen Systemen eigentlich immer geschieht.“ An anderer Stelle formuliert er: „Wenn Inhalte wertlos sind, dann werden die Menschen irgendwann hohlköpfig und inhaltslos.“ Er analysiert Werbung im Internet als entscheidend für die so genannte „Schwarmökonomie“ und schreibt: „Die Kultur soll sich in Werbung und nichts anderes verwandeln“, Autoren, Journalisten, Musiker und Künstler dagegen sollen ihr geistiges Eigentum als unbezahltes Fragment dem „Schwarmgeist“ überlassen.

Karrierewelt, 16.01.10, Titel: Die neue Lust auf Langsamkeit

Zu guter Letzt bezeichnet sich der im Interview befragte Lanier allerdings doch als optimistischer als viele seiner Kollegen, indem er das geistige Eigentum menschlicher Ausdrucksformen für schützenswert erklärt und freiwillige Änderungen des Gesellschaftsvertrags für möglich hält. – Auf einer ganz anderen Ebene beschäftigt sich die Karrierewelt vom vergangenen Samstag mit den geänderten Bedingungen der Arbeitswelt. „Zeitmanagement-Experte Lothar Seiwert gibt Tipps zur Entschleunigung“, so der Untertitel des Beitrags. Lothar Seiwert hat übrigens auch Bücher zum Thema geschrieben. Die Basistipps lauten: Dein eigenes Tempo leben, Unwichtiges streichen, sich bei unliebsamen Aufgaben hingegen durchaus Zeit nehmen (dann geht es schneller), und im größten Stress bewusst inne halten. Danke, ich werds versuchen.