24 Türchen, und was dahinter steckt… – Der Refrain des Kinderliedes von Rolf Zuckowski verbirgt außer der Frage nach der Herkunft des Brauches vom Adventskalender auch die Frage nach der gesellschaftlichen – oder auch wirtschaftlichen – Relevanz des Brauches.
In der Sonntags-FAZ werden (ähnlich wie bereits zuvor im Kölner Stadtanzeiger, texthilfe.de berichtete) daher Geschenke-Tipps gegeben („Und wer jetzt meint, dass das alles ein konsumistischer Wahnsinn sei, der mit dem Sinn des Weihnachtsfestes so wenig zu tun habem, wie mit der Freude daran, anderen eine Freude zu machen, dem sagen wir: Stimmt ganz genau!“), augenzwinkernd immerhin. Auch die Welt am Sonntag konstatiert im NRW-Teil über der bedeutungsschwangeren Überschrift: „Erst eins, dann zwei…„: „Für den Einzelhandel beginnen jetzt die wichtigsten Wochen des Jahres.“ Guido Hartmann hat dabei jedoch eine spezielle Käufergruppe im Visier: „Vor allem über die zahlreichen Weihnachtsmärkte sollen ausländische Gäste in die Stadt gelockt werden. Die meisten kommen aus den Niederlanden.“ Mit „der Stadt“ ist hier die Landeshauptstadt gemeint – das gilt jedoch für viele anderen NRW-Städte ebenso.
Die Überraschung dann aber doch im Magazin des heutigen Kölner Stadt-Anzeigers. Während der Aufmacher lautet „Falten, schneiden, kleben – Ideen für die Vorweihnachtszeit. Kinder basteln für die ganze Familie“, kommt auf Seite 5 das Interview mit dem Philosophie-Professor Peter Heintel von der Universität Klagenfurt auf den Punkt: „Das Warten als Geschenk sehen“ (noch nicht online). Während das am Sonntag begonnene Kirchenjahr gleich zu Beginn auf die bevorstehende Ankunft des Herrn wartet und diese feiert, leben Kinder, so Heintel, „in einer Dauererwartung. Als Erwachsene empfinden wir das Warten dagegen als etwas Unangenehmes“.
Der Professor hat unter anderem deswegen bereits 1990 einen „Verein zur Verzögerung der Zeit“ gegründet. Mittlerweile mehr als 1.000 Mitglieder „streben neue Formen des Umgangs mit der Zeit an“, ebenso gegen blinden Aktionismus wie vermutlich auch gegen Konsumismus gerichtet. Der Verein wendet sich gegen die reduzierte Sichtweise der Zeit „nur noch als Messgröße für Arbeit und Leistung“. Dabei geht es gerade in der Vorweihnachtszeit auch darum, Zeit verstreichen zu lassen, beim Warten (möglicherweise auch unangenehme) Gedanken zuzulassen, sprich das Warten als Geschenk aufzufassen. Als Instrument der Selbsterziehung empfiehlt Peter Heintel, über einen Monat ein Zeittagebuch zu führen.
Am Weihnachtstag selbst bin ich, wie viele andere Kinder meiner Generation und danach, oft vor der Fernsehsendung „Wir warten aufs Christkind“ gesessen. Das ist zwar keine vorbildliche, aber eine bezeichnende Übung. Mit selbst kommt es in diesem Jahr genau so vor, als würde ich die Weihnachtszeit als eine Zeit zum Innehalten wenn nicht benötigen, dann aber doch sehr begrüßen. Zeit zur Reflektion zu haben, zur Standortbestimmung und zum Denken an andere. Vielleicht ein anderer Aspekt des Christuswortes aus dem Matthäus-Evangelium „Werdet wie die Kinder“. Daher an dieser Stelle unvermeidlich nun auch das eingangs erwähnte Kinderlied von Rolf Zuckowski „Kleine Kinder, große Kinder“.
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