Hoch interessantes Interview mit dem Wiener Medientheoretiker, Internetaktivisten und Musiker Konrad Becker in der Welt. Zahlreiche Themenfelder werden in dem von Wieland Freund geführten Interview angeschnitten. Nachfolgend der Versuch die für mich wichtigsten Aspekte unter diesen Stichworten herauszufiltern: Googles Marktmacht, Ökonomie der Aufmerksamkeit und Pflege der Informationslandschaft.
Googles Marktmacht – „Pro Tag werden im Internet etwa vier Milliarden Suchanfragen gestellt. 67 Prozent davon an Google“ (Wieland Freunds Einleitung zur ersten Frage). Aus Konrad Beckers Antwort: „Untersuchungen besagen, dass die Niederschrift eines wissenschaftlichen Papiers bei einer Mehrzahl der Geistesarbeiter heute mit einer Google-Anfrage beginnt.“ Dazu aus einer anderen Frage: „Googles Geschäftsmodell lautet: Tausche Suchergebnis gegen Konsumentenprofil. Googles zahlende Kundschaft sind die Werbetreibenden, nicht die Suchenden.“, sowie, aus einer anderen Antwort: „mittlerweile gehen Googles Bemühungen weit über die Suchmaschine und das Erstellen persönlicher Profile hinaus. Es geht um soziale Profile, soziale Netzwerke. Und denken Sie an das Google-Telefon in Verbindung mit Google Maps: Früher hat der Herr auch immer gewusst, wo sich sein Gscherr aufhält. Die Verknüpfung solcher Daten, insbesondere von Geomarker-Daten, ist hochproblematisch.“
Ökonomie der Aufmerksamkeit – Die Ordnung der Google-Anfrage nach dem Page-Rank-Prinzip wird von Konrad Becker als „sehr problematisch“ bezeichnet: „Informationslandschaften sind reich, wenn sie über Vielfalt, sozusagen über Biodiversität verfügen. Das Page-Rank-Prinzip aber nimmt dem Aufmerksamkeitsarmen und gibt dem Aufmerksamkeitsreichen. Das führt zu einer Verarmung. Es kommt zu Schleifenbildungen.“ Hierbei bemüht er den Begriff der „Folksonomie“ (eine Wirtschaftslehre der einfachen Leute) und erläutert: „Gemeint ist das Social Tagging im Web 2.0, die individuelle, oft recht willkürliche Verschlagwortung durch die Benutzer selbst, die an die Stelle einer von Experten definierten, hierarchisch festgelegten Kategorisierung tritt. Aufgrund der schieren Datenmenge spielt diese amateurhafte Wissens-organisation im Internet mittlerweile eine wichtige Rolle.“
Pflege der Informationslandschaft – Konrad Becker erläutert: „Google und andere Suchmaschinen pflegen den Mythos einer rein algorithmischen Maschinenlogik, die jenseits aller Beeinflussung läge. Man weiß aber inzwischen, dass an den Suchergebnissen durchaus gedoktert wird. Ganze Redaktionsteams arbeiten daran.“ In diesem Zusammenhang spricht er von einer Verschmutzung der Informationslandschaft. Auf der anderen Seite würde User-Content durch große Unternehmen ausgebeutet. Apple als „Gate-keeper“ (Torwächter zu Internet-Inhalten) sei nur bedingt mit der katholischen Kirche zu vergleichen (schöne Oberfläche ohne Blick dahinter mit der Möglichkeit sich mit einem einfachen Spendenmodell von seinen Sünden freizukaufen).
Konrad Becker sagt, er möchte nur ungern „vor die Wahl „große Gatekeeper oder Gratiskultur“ gestellt werden“. Gleichzeitig gehe es „nicht nur um Entertainment-Content, sondern auch um Bildung, um Zugang zu Behördendaten, Forschungsergebnissen und dem Kulturerbe.“ Im Sinne einer Landschaftspflege fordert er daher die „Regulierung öffentlicher, gemeinsamer Ressourcen. Frequenz-bänder etwa sind ein öffentliches Gut.“ Denn: „In einer nachhaltigen Informationslandschaft müssen Vielfalt, Zugang und Transparenz gewährleistet werden.“
Tags: Google, Informationslandschaft, Konrad Becker, Marktbeherrschung, Ökonomie der Aufmerksamkeit, Page-Rank-Prinzip