Zweimal Welt am Sonntag, einmal NZZ und einmal die Süddeutsche vom Samstag: Das Interview mit Neon-Chef Michael Ebert muss alleine wegen der lyrischen Überschrift erwähnt werden. „Wanderkarte für Verzagte“ ist als Titel umso erstaunlicher, als zwar das Wort „Wanderkarte“ im Zusammenhang mit dem Buch „Planen oder treiben lassen“ von Michael Ebert und Timm Klotzek erwähnt wird, das Wort „Verzagte“ hingegen im gesamten WamS-Interview von Laura Ewert nicht. Allerdings trifft es auf die avisierte Mainstream-Leserschaft zu, über die Ebert nach meiner Ansicht jedoch zu Unrecht urteilt: „Die jungen Erwachsenen in Deutschland gehören zu der ersten Generation, die sich den Luxus leisten kann, darüber nachzudenken, was sie mit ihrem Leben wirklich anfangen will.“ Bestand zuvor hierzulande kein Bewusstsein?
Eine Antwort auf die Frage, wohin sich die Menschheit in Sachen Intelligenz tendenziell bewegt, ist auch von Alan Posener wahrscheinlich nicht zu erwarten. Allerdings wirft er die Frage im Feuilleton der Welt am Sonntag erneut auf, nachdem sein Kollege Frank Schirrmacher – ganz in seinem Element oder vielleicht noch ein wenig im Taumel des Erfolgs seines Buches „Payback“ – vergangenen Freitag bereits den Feuilleton-Teil der FAZ diesem Thema gewidmet hatte. Um der Wahrheit zur Ehre zu gereichen: Anlass ist die Veröffentlichung von John Brockman, der 114 Peronen aus dem angelsächsischen Raum fragte: „Wie verändert das Internet die Art, wie Sie denken?“
Gegenüber den ausführlichen Antworten in der FAZ liefert Alan Posener eine Zusammenfassung, der zufolge sich Optimisten und Pessimisten in ihren Einschätzungen die Waage halten, ebenso wie das Internet die Gesellschaft gleichermaßen verbinden wie fragmentieren könne. Einerseits würden vorübergehende Moden vorübergehend gehypt, andererseits sei auf viele wissenschaftlichen Informationen selbst in Wikipedia erstaunlich oft Verlass. Entsprechend der Umstellung von mündlicher Tradition auf die Buchkunst verändere sich das Gedächtnis und die Erinnerungsfähigkeit des Menschen nun wieder, wird Gerd Gigerenzer vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin abschließend angeführt.
Akzeptanz von Informationen und von Geschriebenem hat immer auch mit der stilistischen Aufbereitung zu tun. Insofern von höchstem Interesse die Einlassungen des Professors für Kunstwissenschaft und Medientheorie Beat Wyss. Das Wort „Stil“ kann demgemäß sowohl vom lateinischen „instigare“ (zuspitzen, aufregen) als auch von „stilus“, dem Griffel abgeleitet werden. Dieser Wortgebrauch stammt wiederum vom spitzen Bolzen, der ein Opfer in der Falle aufspießt – keine schöne Vorstellung von schreiberischen Absichten. Allerdings sorge der Stil doch für eine Zuspitzung des Gesagten in Richtung großer Gefühle. „Es ist der spitze Griffel, der Stichel der Künstlichkeit, der uns die vollendete Form unter das träge Fettgewebe des nackten Lebens einschreibt“, so seine zugespitzte Conclusio, der ich nichts hinzuzufügen habe.
Zuletzt eine Anekdote über Erfolg, der ebenfalls mit Stilfragen zu tun hat, sowie mit psychologischer Bereitschaft zur Auseinandersetzung. Das überragende österreichische Skispringerteam leistet sich den Luxus eines Humor-Beraters. Der 49jährige Johnathan Briefs hat zweimal mit den Springern Improvisationstheaterkurse durchgeführt, um teaminterne Spannungen zu lösen, Perspektivwechsel vorzunehmen zu können und die für den Erfolg benötigte Leichtigkeit zurückzuerobern. Allerdings sieht er sich nicht als Geheimwaffe, auch wenn der Schweizer Olympiasieger Simon Ammann sichtlich verdattert war, nachdem sich ihm der Coach als Humor-Berater der österreichischen Mannschaft vorgestellt hatte.
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