Der Präsident des Internationalen Olympischen Komittees Jacques Rogge hat sich in der Welt am Sonntag in einem kleinen Essay zur Bedeutung des Sports geäußert. Die Einschränkung des Themas betrifft den Umstand, dass es hierbei lediglich um die olympischen Disziplinen geht, aus dem konkreten Anlass der am kommenden Freitag beginnenden Olympischen Winterspiele in Vancouver. Insofern könnte der Titel auch lauten: Das IOC sorgt nicht nur für die Wirtschaftlichkeit des IOCs, sondern auch für diejenige der Ausrichterregionen.
Neben dem wirtschaftlichen Nutzen für die Gastgeberstädte führt Jacques Rogge auch den ökologischen Nutzen ins Feld, der angeblich durch die „umfassende Nutzenplanung untermauert“ werde. Sehr schön an dieser Stelle der Begriff für die Ausrichterhilfen des IOC, genannt „Erfahrungstransferprogramm“. Zu diesem Zweck, heißt es weiter, besuchen Delegationen der kommenden Ausrichter Vancouver. In London werde besonders das East End von den Sommerspielen 2012 profitieren, die Winterspiele 2014 sollen aus Sotschi einen weltweit renommierten Wintersportort machen und Rio de Janeiro werde anlässlich der Somemrpsiele 2016 „unter anderem sein Nahverkehrsnetz von Grund auf erneuern“.
Vancouver ist eine Stadt am Pazifik, die bereits jetzt als eine der lebenswertesten weltweit zählt, geprägt von einem Mixtur an Kulturen und umwerfender Natur ringsum. Hier werde es nach Beendigung der Winterspiele vom 12. bis zum 28. Februar lang anhaltende spürbare Vorteile unter Einhaltung der strengsten Umweltschutznormen geben. Hierzu habe die Stadt sogar als erste eine gemeinnützige Organisation beauftragt, um den Nutzen für die Bevölkerung auf lange Sicht zu optimieren, so Jacques Rogge weiter. Olympische Spiele, so sein Fazit, könnten als „Katalysator für einen tief greifenden Wandel wirken“.
Allerdings sind die olympischen Spiele nicht alles, was im Sport zählt. Zugegeben, die Bedeutung des wirtschaftlichen Wandels für eine Ausrichterstadt ist riesig. Auch zugegeben, die mediale Berichterstattung weltweit schafft eine kollektive Wahrnehmung und Anerkennung der Sporthelden. Aber was ist mit denjenigen Städten, die aufgrund der Seilschaften im IOC nie eine Berücksichtigung für die Ausrichtung der Spiele erhalten? Was mit denjenigen Nationen, die – weitab von jeder Normalität – eine Förderung des Spitzensports nach Maßgabe der Industrienationen niemals gewährleisten können? Und was ist mit den nicht-olympischen Disziplinen, die auch in den „führenden“ Nationen nur ein Schattendasein führen?
Die überagende Bedeutung des Sports reicht weit über die olympische Heldenverehrung hinaus. Sie betrifft das ehrenmtliche Engagement von Übungsleitern und Eltern ebenso wie die Freude über Siege und die Trauer über Niederlagen im Kleinen wie im Großen. Sie beginnt beim gemeinsamen Sporttreiben von Kinder auf der Straße, geht über das zahllose Kräftemessen im regionalen und überregionalen Bereich bis hin zu internationalen Meistertiteln in zahllosen Disziplinen.
So haben 2008 in Vanocuver bereits die Weltmeisterschaften im Ultimate Frisbee stattgefunden, ein Sport, der auch Medaillendisziplin der World Games unter der Schirmherrschaft des IOC ist. Millionen von Aktiven weltweit, die den einzigen Teanmsport ohne Schiedsrichter ausüben, repräsentieren die grundlegende Einstellung einer Eigenverantwortlichkeit im Sport, die durchaus olympisches Potenzial hat. In diesem Jahr wird in Florenz erstmals eine U23 Ultimate-WM stattfinden, als ein weiterer Schlüssel für die Verbreitung des Sportes, auch in Hinblick auf die Teilnehmerteams bei künftigen World Games (2013 im kolumbianischen Cali) oder bei Olympischen Spielen. Die Lobbyarbeit geht weiter.
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