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Die den Sport überragende Bedeutung des Sports

Sonntag, 07. Februar 2010

Der Präsident des Internationalen Olympischen Komittees Jacques Rogge hat sich in der Welt am Sonntag in einem kleinen Essay zur Bedeutung des Sports geäußert. Die Einschränkung des Themas betrifft den Umstand, dass es hierbei lediglich um die olympischen Disziplinen geht, aus dem konkreten Anlass der am kommenden Freitag beginnenden Olympischen Winterspiele in Vancouver. Insofern könnte der Titel auch lauten: Das IOC sorgt nicht nur für die Wirtschaftlichkeit des IOCs, sondern auch für diejenige der Ausrichterregionen.

WamS, 07.02.10, Titel: Sport ist viel mehr als Sport

Neben dem wirtschaftlichen Nutzen für die Gastgeberstädte führt Jacques Rogge auch den ökologischen Nutzen ins Feld, der angeblich durch die „umfassende Nutzenplanung untermauert“ werde. Sehr schön an dieser Stelle der Begriff für die Ausrichterhilfen des IOC, genannt „Erfahrungstransferprogramm“. Zu diesem Zweck, heißt es weiter, besuchen Delegationen der kommenden Ausrichter Vancouver. In London werde besonders das East End von den Sommerspielen 2012 profitieren, die Winterspiele 2014 sollen aus Sotschi einen weltweit renommierten Wintersportort machen und Rio de Janeiro werde anlässlich der Somemrpsiele 2016 „unter anderem sein Nahverkehrsnetz von Grund auf erneuern“.

Vancouver ist eine Stadt am Pazifik, die bereits jetzt als eine der lebenswertesten weltweit zählt, geprägt von einem Mixtur an Kulturen und umwerfender Natur ringsum.  Hier werde es nach Beendigung der Winterspiele vom 12. bis zum 28. Februar lang anhaltende spürbare Vorteile unter Einhaltung der strengsten Umweltschutznormen geben. Hierzu habe die Stadt sogar als erste eine gemeinnützige Organisation beauftragt, um den Nutzen für die Bevölkerung auf lange Sicht zu optimieren, so Jacques Rogge weiter. Olympische Spiele, so sein Fazit, könnten als „Katalysator für einen tief greifenden Wandel wirken“.

Allerdings sind die olympischen Spiele nicht alles, was im Sport zählt. Zugegeben, die Bedeutung des wirtschaftlichen Wandels für eine Ausrichterstadt ist riesig. Auch zugegeben, die mediale Berichterstattung weltweit schafft eine kollektive Wahrnehmung und Anerkennung der Sporthelden. Aber was ist mit denjenigen Städten, die aufgrund der Seilschaften im IOC nie eine Berücksichtigung für die Ausrichtung der Spiele erhalten? Was mit denjenigen Nationen, die – weitab von jeder Normalität – eine Förderung des Spitzensports nach Maßgabe der Industrienationen niemals gewährleisten können? Und was ist mit den  nicht-olympischen Disziplinen, die auch in den „führenden“ Nationen nur ein Schattendasein führen?

Die überagende Bedeutung des Sports reicht weit über die olympische Heldenverehrung hinaus. Sie betrifft das ehrenmtliche Engagement von Übungsleitern und Eltern ebenso wie die Freude über Siege und die Trauer über Niederlagen im Kleinen wie im Großen. Sie beginnt beim gemeinsamen Sporttreiben von Kinder auf der Straße, geht über das zahllose Kräftemessen im regionalen und überregionalen Bereich bis hin zu internationalen Meistertiteln in zahllosen Disziplinen.

So haben 2008 in Vanocuver bereits die Weltmeisterschaften im Ultimate Frisbee stattgefunden, ein Sport, der auch Medaillendisziplin der World Games unter der Schirmherrschaft des IOC ist.  Millionen von Aktiven weltweit, die den einzigen Teanmsport ohne Schiedsrichter ausüben, repräsentieren die grundlegende Einstellung einer Eigenverantwortlichkeit im Sport, die durchaus olympisches Potenzial hat. In diesem Jahr wird in Florenz erstmals eine U23 Ultimate-WM stattfinden, als ein weiterer Schlüssel für die Verbreitung des Sportes, auch in Hinblick auf die Teilnehmerteams bei künftigen World Games (2013 im kolumbianischen Cali) oder bei Olympischen Spielen. Die Lobbyarbeit geht weiter.

Wochenend-Presseschau 04-10

Montag, 01. Februar 2010

Die Frage, was das Gold kostet, war in der FAZ vom vergangenen Samstag nicht auf den Börsenkurs des Edelmetalls bezogen, der sich innerhalb von sechs Jahren etwa vervierfacht hat und eine Bestmarke nach der nächsten erklimmt. Der Artikel von Michael Horeni und Michael Reinsch beschäftigt sich vielmehr mit den Bestleistungen deutscher Athleten im olympischen Wettbewerb.

FAZ, 30.01.10, Titel: Was kostet das Gold?

Genauer geht es um die Sportförderung deutscher Olympiateilnehmer, kurz vor Eröffnung der olympischen Winterspiele in Vancouver. Obwohl die kunstvoll gestalteten Goldmedaillen selber allenfalls sechs Gramm Gold enthalten und damit einen Materialwert von etwa 160 Euro darstellen, sind mit dem Gewinn einer solchen Medaille weitaus mehr geldwerte Vorteile verbunden – wobei wir an dieser Stelle gar nicht einmal über Werbeverträge sprechen wollen. Doch ist der Gewinn einer Goldmedaille gleichbedeutend mit der höchsten Förderstufe des DOSB. Und ein hohes Ziel des DOSB ist es, im ewigen Medaillenspiegel der Winterspiele (wenn auch nicht offiziell anerkannt durch den IOC) Russland die Führung abspenstig zu machen.

Dass bei der Zählung aller Goldmedaillen für Deutschland ebenso diejenigen aus dem Dritten reich (zwei Stück 1936 in Gamrisch-Partenkirchen) wie diejenigen aus DDR-Zeiten (54 Goldgewinne bei Winterspielen) dazu zählen, wird dabei als nur nebensächlich bewertet. Denn es geht ums nationale Prestige. Immerhin ist das Bundesinnenministerium von Thomas de Maiziere mit 139 Millionen Euro größter Förderer des deutschen Sports. Vor vier Jahren in Turin konnte Deutschland mit elf mal Gold (insgesamt 29 mal Edelmetall) den ersten Rang der Nationenwertung belegen. In diesem Jahr sollen es noch mehr goldene Medaillen werden

Jedes olympische Goldstück wird dem Beitrag zufolge mit 15.000 Euro von der Stiftung Deutsche Sporthilfe belohnt, der Deutsche Skiverband gibt sogar 25.000 Euro für einen Olympiasieg aus. Aber diese Summen sind nichts verglichen mit den Kosten, die innerhalb eines Vierjahreszyklus entstehen, um die Athleten (von denen aktuell etwa zwei Drittel im Staatsdienst beschäftigt sind), in Höchstform zu bringen. Die DDR hat nach Angaben des Potsdamer Historikers Hans-Joachim Teichler 1,1 Milliarden DDR-Mark jährlich aufgewandt, bezogen auf 46 Goldmedaillen 1988 in Calgary und Seoul hat demnach eine rund 98 Millionen DDR-Mark gekostet. Bezogen auf die 27 deutschen Goldmedaillen von Turin 2005 und Peking 2008 kommen die Autoren auf eine Fördersumme von 846 Millionen Euro oder den Preis von gut 31 Millionen Euro pro Goldmedaille.

Als zynisch kommetieren Michael Horeni und Michael Reinsch die Ausrichtung rein auf Medaillensspiegel und Olympiasiege: „Sie ordnen diejenigen als gescheitert ein, die es nie aufs Siegertreppchen von Olympische Spielen gebracht haben“. Eine Fehlbetrachtung in diesert Kalkulation sieht auch Holger Preuß, Professor für Sportökonomie an der Universität Mainz. Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft hat ihn beauftragt, den Anteil des Sports am Bruttoinlandsprodukt zu errechnen. Doch auch diese Erhebung muss das vernachlässigen, was er an der Eingangsfrage bemängelt, „Vorbildwirkung und Freude seien zu berücksichtigen. Sport erreiche Ziele wie Erziehung zur Demokratie und außenpolitische Darstellung – und vielleicht sogar den Zuschlag für die Winterspiele 2018 in München.“