Misstrauen gegen den Leistungssport

Im Leitartikel der FAZ vom ersten Samstag des Jahres hat Jörg Hahn gefragt, ob es ein Misstrauen gegen den Leistungssport gibt. Mit Sicherheit gibt es das, mehr oder weniger ausgeprägt, aufgrund von Doping, Lügen und Manipulationen. Er thematisiert die „ethische und moralische Krise des Sports“ am Beispiel des vergangenen Jahres.

FAZ, 02.01.10, Leitartikel: Der überfrachtete Sport

Zu bemängeln gibt es einiges: von gedopten Olympioniken und Fußball-Wettskandal über Absprachen bei Handball oder Formel 1 bis hin zur unrühmlichen Qualifikation Frankreichs zur diesjährigen Fußball-WM. Über die Randbemerkung, dass von Papst Benedikt XVI. eine umfangreiche Erklärung zum Sport erwartet werde, kommt der Autor zur Feststellung: „Sport ohne Fair Play ist überflüssig.“ Im Folgenden geht er auf die Überforderung des Sportapparates ein, das Doping effektiv zu bekämpfen oder der weiter zunehmenden Kommerzialisierung des Sports zu trotzen.

Aber ist Sport ohne Fair Play wirklich überflüssig? Ist es dadurch nicht eher ein ganz anderer Sport? Jörg Hahn spricht vom Phänomen, dass sich junge Leute von Olympia abwendeten, weil sie der Überzeugung sind, dass das Streben nach Medaillen ihren Sport kaputt mache. Diese Einstellung ist mir auch aus dem Deutschen Frisbeesport-Verband bekannt, den ich als Geschäfts-führer vertrete. Einige, durchaus leistungsorientierte Spieler möchten erst gar nicht olympisch werden. Dabei würde sich die Disziplin Ultimate Frisbee von seinem Ansatz her als wahrhaft olympische Disziplin eignen. Dem Sportsgeist des Fair Play ist Paragraf 1 des umfangreichen Regelwerks von Ultimate Frisbee zum Thema „Spirit of the game“ gewidmet. Demnach haben die Freude am Spiel und der Respekt vor dem Gegenspieler anstelle eines unbedingten Siegeswillen zu stehen.

Manifestiert wird diese Eigenart des Teamsports Ultimate durch die Selbstregulierung des Spiels durch die Spieler. Schiedsrichter sind nicht vorgesehen, selbst in den USA, als Mutterland des Frsibeesports nach wie vor das Maß der Dinge, sind allenfalls so genannte „Observer“ am Spielfeldrand zu sehen, die dem Zuschauer helfen, eine Fangszene als „in“ oder „out“ zu interpretieren oder etwaige Streithähne daran zu erinnern, dass sie selbst gefordert sind, nach einer Spielunterbrechung rasch zu einer einvernehmlichen Einigung und Fortführung des Spiels zu gelangen.

Unabhängig von dieser unbestreitbar reizvollen Variante des eigenverantwortlichen Handelns sogar unter Adrenalin, feiert der traditionelle Publikumssport dennoch weiterhin seine kommerziellen Erfolge – auch wenn die Spitzenathleten ihre Selbsteinschätzung von Resultaten abhängig machen, auch wenn das Internationale Olympische Komitee IOC eine ohnmächtige Organisation bleibt, unfähig ihre eigenen hehren Werte durchzusetzen. Der Erfolg neuer Bündnisse zwischen IOC und Human Rights Watch oder Amnesty International hinsichtlich der Durchführung Olympischer Spiele bleibt abzuwarten.

Denn, so die Conclusio des Leitartiklers: Die Lust an der Show ist stärker als jeder Zweifel. Es ist richtig, wenn die Fußball-WM Südafrika wirtschaftlich, sozial und politisch voranbringen soll, dann wird der Sport damit hoffnungslos überfrachtet. Ich setze dagegen auf den bewussten, den eigenen Grenzen angemessenen Sportbetrieb, der die Eigenverantwortung stärkt und im Spielerischen das Zusammenleben erprobt, wie es in allen alltäglichen Situationen funktionieren muss: Einander zuhören, aufeinander zugehen und einen Kompromiss im Sinne des Weiterspielens schließen. Check. Disc in. Play on. Play Ultimate.

Tags: , , , , , , , ,

Hinterlasse eine Antwort