Archiv für die Kategorie ‘Journalismus’

Alles Gute, Töppi!

Sonntag, 26. September 2010

Pünktlich zu seinem heutigen 60. Geburtstag hört die Reporterlegende Rolf Töpperwien nach 36 Jahren beim ZDF und nach 1.444 Spielberichten auf. Herzlichen Glückwunsch zum runden Geburtstag und alles Gute, Töppi! Als Grund für sein Ende gibt er im ZDF Morgenmagazin das späte Glück der Vaterschaft an.

Kölner Stadt-Anzeiger, 14.09.10., Titel: "Nur Liebe und Begeisterung"

Beinahe jede Zeitung weist auf den Rückzug des Fußballreporters hin, der wenigstens als Europameister der Fußballübertragung gelten darf. Auch im Kölner Stadt-Anzeiger hat er noch ein Interview gegeben, in dem er sagt: „In meiner Leidenschaft steckt nur Liebe und Begeisterung“. Dazu passt auch, dass er sich als dieselbe Person sieht, die bereits 1961 Uwe-Seeler-Fan war und die sich am Tag nach seiner Hochzeit 1980 samt Gattin das Spiel „seiner“ Eintracht Braunschweig gegen Fortuna Düsseldorf angesehen hat, enttäuscht darüber, dass er nicht kommentieren durfte.

Überall werden natürlich auch die Skandale angesprochen, die auf ZDF-Papier verfasste Beschwerde gegen eine zu hohe Bordellrechnung oder der Brandunfall im Vollrausch. In der Welt am Sonntag schreibt Oskar Beck („Die Mensch gewordene Vuvuzela verschwindet vom Bildschirm„) wenig schmeichelhaft, dass Töppi im Gegensatz zu anderen nie eine kritische Distanz gesucht hätte („sein Credo: Wer Abstand hält, erfährt nichts“) und dass er in seinem anbiedernden Verhalten in vielen Interviews oft nicht besser als jeder x-beliebige Fan gewesen sei. Doch genau diese ungebrochene, vielleicht sogar unreflektierte  Leidenschaft für den Sport machte ihn auf der anderen Seite wieder sehr glaubwürdig und sympathisch, eben als „einen von uns“.  Im ZDF-Morgenmagazin vom vergangenen Freitag erläutert Töppi die Gründe für seinen Ausstieg:

Das ZDF-Sportstudio widmet ihm einen immerhin drei Minuten langen Nachbericht:

Und weils so schön war, hier noch mal die Geschichte der richtigen Aussprache des dänischen Spielers „Andreasen“, wie wird er denn gleich nochmal ausgesprochen?

Schweizerische Erläuterungen zum Zolltarif…

Sonntag, 26. September 2010

Der Schweizer Bundesrat Hans-Rudolf Merz wird derzeit als politisch-menschliches Vorbild gehandelt, weil er beim Verlesen eines Textes der Zollbehörde nicht mehr an sich halten kann und sich vor Lachen und Gackern die Tränen aus den Augen wischen muss. Andrea Seibel schreibt in einem Kommentar in der Welt am Sonntag, dass sich hierbei ein Politiker „vom Comment der eigenen politischen Rituale, ja der eigenen politischen Klasse“ distanziert.

Welt am Sonntag, 26.09.2010, Titel: Demokratie braucht Humor

Den Ausführungen in der WamS kann ich zu weiten Teilen folgen, so dass das befreiende Lachen ansteckend ist, vor allem weil Hans-Rudolf Merz auch unumwunden zugibt, dass er die vorgelesenen Ausführungen, „sogenannte Schweizerische Erläuterungen zum Zolltarif“, selber nicht verstanden habe. Demgegenüber schlussfolgert sie weiter, seien übliche politische Debatten stets geprägt von Ressentiment und fehlender Meinungsfreiheit. Zweifelnde Stimmen würden weggefegt, „gnadenlose Urteile“ der politischen Klasse lägen oft weit entfernt von der Wahrnehmung der Bevölkerung.

Über einen historischen Exkurs (Humor als integraler Bestandteil des städtischen Lebens in der Antike – ab dem Mittelalter Humor auch als staatsgefährdende Kritik) gelangt Andrea Seibel zu der Aussage: „Humor ist ein zivilisatorischer Fortschritt“. Zustimmung, dass Satire und Karikatur dem Bürgertum den Weg an die Macht ebneten. Zustimmung auch, dass „Demokraten gelassene, ja fröhliche Menschen“ sein sollten. Ein gelinder Einspruch jedoch gegen die Formulierung: „Ein Islamist kann nicht lachen, der Christ sehr wohl.“ Erstens halte ich die Gegenüberstellung von Islamist und Christ für nicht glücklich – nicht jeder Moslem ist Islamist – zweitens halte ich die Formulierung für nicht zutreffend. Lachen können Islamisten sicherlich auch, jedoch vermutlich nicht so gut über sich selbst. Diese Fähigkeit ist bestimmt auch nicht jedem Christen mitgegeben. Anders gesagt: Religiosität halte ich für überhaupt keine hinreichende Grundlage, um Humor und Selbstironie zu beweisen, ein politisches Bewusstsein hingegen schon.

Hier der auf Youtube hochgeladene Clip des Lachanfalls von Hans-Rudolf Merz, samt Wortlaut in den Anmerkungen:

Die Sorgen der Zeitungsverleger

Mittwoch, 22. September 2010

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV) hat in Essen seinen diesjährigen Zeitungskongress unter dem Motto „Die digitale Revolution und die Zeitung“ durchgeführt. Mehr als 500 teils hochkarätige Gäste waren zu der Veranstaltung geladen, neben BDZV-Präsident Helmut Heinen alleine beim Podiumsgespräch „Der Preis des Internets“, moderiert von Frank Plasberg, der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust, die Online-Journalistin Mercedes Bunz, der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG Matthias Döpfner, der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Frank Schirrmacher und der  Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium Max Stadler.

Kölner Stadt-Anzeiger, 21.09.10, Titel: Qualität kostet Geld

Im Kölner Stadt-Anzeiger wurde der erste Tag unter obiger Überschrift zusammengefasst (online leider nicht verfügbar). „Nicht viel Neues“, war ich aufgrund der Schlagzeile geneigt zu glauben. Diesem Credo folgend plädierte zunächst BDZV-Präsident Heinen an die regionale Stärke der Tageszeitungen, wiewohl aus deren ausgebauten Internetpräsenzen noch immer keine Erlöse zu erwarten seien. „Zeitungen sind der Kitt unserer Gesellschaft„, sagte Helmut Heinen, um daraus abzuleiten, dass sie eigentlich mehrwertsteuerfrei erscheinen müssten. Zum Verlauf der weiteren Diskussion über die geplanten ARD-Apps zwischen Mathias Döpfner („gebührenfinanzierte digitale Gratiszeitungen“) und Peter Boudgoust („gesellschaftlicher Auftrag der Meinungsbildung auf allen elektronischen Wegen“) siehe z.B. Horizont.net. Noch spannender jedoch fand ich die im Kölner Stadt-Anzeiger zitierten Bemerkungen des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) zu elektronischen Medien, die „die Rahmenbedingungen für die Printmedien“ dominierten. Er konstatierte einen…

Kölner Stadt-Anzeiger, 21.09.10, Ausschnitt aus "Qualität-kostet-Geld"

Das sind eher Tendenzen des Boulevards, die durch die Echtzeit-Möglichkeiten des Internets vielleicht noch unterstützt werden. Doch dominieren in meinen Augen elektronische Meiden Printmeiden keineswegs, gerade wenn es um Qualität geht! Dennoch würden Tageszeitungen, so Norbert Lammert weiter („systemrelevant für die Demokratie“ als Stichwort für Helmut Heinen), ein „komplexes und analytisches Informationsangebot“ bieten, gegenüber den Inhalten im Internet, die eher spezielle Interessen der Nutzer bedienten.

Die Leistungsmerkmale der Zeitungsbranche können sich fraglos dennoch sehen lassen (vgl. den letzten Absatz im obigen Link zum BDZV vom 20.09., „Kitt unserer Gesellschaft“): 20 Millionen täglich abgesetzte Zeitungen in Deutschland werden von rund 49 Millionen Menschen gelesen, das entpricht einer Reichweite von knapp 70 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung über 14 Jahren, mit Spitzenwerten bei Gutverdienenden (72,8 Prozent) und Gutausgebildeten (75,8 Prozent). Mehr als die Hälfte aller Internetnutzer greift regelmäßig auf Online-Zeitungsangebote zu.  Da sehe ich keine allgemeine Krise, sondern eher Anpassungsschwierigkeiten im Einzelnen, rund um das altbekannte Problem des Bezahlinhalts („Paid Content“).

Kölner Stadt-Anzeiger, 22.09.10, Titel: Verleger wollen junge Leser gewinnen

Dass der BDZV nun eine neue Gesellschaft gründet namens „Jule – Initiative junge Leser“, ist zwar verständlich, klingt aber wenig erfolgversprechend. Immerhin greifen immer noch  die Hälfte aller Jugendlichen und jungen Leute, für die das Internet eine sehr große Bedeutung hat, zur gedruckten Information. Aus der Erkenntnis heraus, dass „Kinder und Jugendliche heute nicht mehr automatisch zu Zeitungslesern“ werden (so BDZV-Vizepräsident Hans-Georg Schnücker im Kölner Stadt-Anzeiger, online leider nicht verfügbar), sollen nun „effiziente Maßnahmen zur Gewinnung neuer junger Leser“ identiziert werden.

Aber wurden Kinder und Jugendliche früher allesamt „automatisch zu Zeitungslesern“? Das wage ich zu bezweifeln. Das hat nicht nur etwas mit dem wachsenden Internetzugang, sondern vielmehr mit dem gelebten Vorbild im Elternhaus zu tun. Die Zeitungen (grob verallgemeinert) müssen in ihrer Aufmachung belebter und ihren Texten frischer sein und das Internet endlich als Bereicherung ihrer eigenen Möglichkeiten erkennen und behandeln.

Urlaub vom Internet

Freitag, 23. Juli 2010

Das wird ein Thema sein, das uns künftig zu jedem Sommerloch beschäftigen wird, da bin ich mir ganz sicher. Dazu bietet es jedenfalls  alles, was der Sommer als Urlaubszeit so mit sich bringt: Entschleunigung, Entspannung, Entsagung.

Welt, 23.07.2010, Titel: Digitales Fasten

 Die Relevanz wird alleine dadurch verdeutlicht, dass innerhalb von sechs Tagen die Welt und die Welt am Sonntag darüber berichten, zum einen Wieland Freund, der sich auf zwei Buchveröffentlichungen bezieht, Alex Rühle „Ohne Netz“ und Christoph Koch „Ich bin dann mal offline“, zum anderen Matthias Wulff, der ebenfalls auf  Alex Rühles Buch rekurriert. Wieland Freund verweist in der Welt auf entsprechende Artikel im Spiegel und Focus und erwähnt ein weiteres Buch, das im Oktober erscheint, von Nicholas Carr: „Wer bin ich, wenn ich online bin?“. Kein anderer, ist meine Überzeugung, nur in einer anderen Umgebung, einer anderen Wirklichkeit, dabei nicht weniger wirklich.

Alex Rühle, ein Feuilleton-Journalist für die Süddeutsche Zeitung, hat ein halbes Jahr offline gelebt, der freiberufliche Christoph Koch immerhin 40 Tage. Die Askese sollte dem Wort gemäß reinigende Funktion haben, aus der Vermutung herausder beiden Buchautoren, dass ihr Online-Verhalten an Sucht grenzt. Ich erfahre, dass Alex Rühle stattdessen wieder mehr fernsieht und Christoph Koch aus lauter Verzweiflung eine Zen-Meisterin besucht. Nachdem „Allerreichbarkeit“ kein Statussymbol mehr ist, wird „das gelegentliche Abschalten zum Herrschaftsprivileg“ findet Wieland Freund und streift zur Conclusio die Soziologen Hartmut Rosa (dessen Buch „Beschleunigung“ schon früh den „Effizienzdruck“ beschrieb) und Niklas Luhmann (der meist das „System“ dahinter bemühte), um auf Douglas Adams „Restaurant am Ende des Universums“ zu kommen: „Was nach unserem 30. Geburtstag erfunden wird, ist gegen die natürliche Ordnung der Dinge“ – bis wir uns nach etwa zehn Jahren damit anzufreunden begännen. Nicht erst nach zehn Jahren haben sich denn auch die Buchautoren – schon aufs Berufszwängen – längst wieder mit dem Online-Leben angefreundet.

WamS, 18.07.2010, Titel: Leben ohne Internet

Um auch noch zu Matthias Wulffs Beitrag in der Welt am Sonntag zu kommen: Er spricht von „Generationenschriften“ der Buchautoren, die als „letzte“ auch das analoge Zeitalter noch erlebt hätten. Auch er lobt ausdrücklich Rühles Buch, letztlich „fortschrittsfreundlich“ sei seine „zweigfelnde, selbstironisch, ständig abwägende Grundhaltung“ angenehm. Besonders interessant die Reaktionen der Außenstehenden, Kollegen mit mildem Spott, eine (immerhin!) bewundernde Leserin, seine Frau, die nach der Lektüre der ersten Seiten gesteht: „Ich hatte keine Ahnung, dass du dermaßen ein Rad ab hast!“

Die Mär vom Multitasking

Dienstag, 29. Juni 2010

Der Legende nach soll schon Cäsar ein hervorragender Multitakser gewesen sein, der neben dem Fernsehen telefonieren konnte und parallel dazu Befehle an seine Truppen gab. Aber diese Legende kann ja gar nicht stimmen – angeblich sind doch nur Frauen multitaskingfähig! Doch dann musste ich am Wochenende im Kölner Stadt-Anzeiger lesen:

Kölner Stadt-Anzeiger, 26.06.10, Titel: Frauen sind keine besseren Multitasker

Einer Studie des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung zufolge können Frauen mehrere Aufgaben gleichzeitig auch nicht besser handhaben als Männer. Jüngere sind dabei auch nicht besser als Ältere, hieß es weiter. Das einzige, für alle Gruppen übereinstimmende Ergebnis war, dass sich der psychische Druck auf die Studienteilnehmer erhöhte, der Herzschlag scih beschleunigte, sie angespannter waren und sie insgesamt die Aufgaben schlechter bewältigten. Das führt mich unmittelbar zu einem anderen Artikel des vergangenen Wochenendes von Wieland Freund aus der Welt:

Die Welt, 26.06.10, Titel: Entschleunigt die Philosophen

Der Autor geht in seinem Kommentar bereits davon aus, dass die Vorstellung, Frauen seine multitaskingfähiger (so 80% der Befragten einer Intel-Studie im Jahr 2003), überholt ist. Über Frank Schirrmachers Slogan „Multitasking ist Körperverletzung“ (der sich mit der oben zitierten Studie deckt) gelangt Wieland Freund zu Rüdiger Safranski, der im Rahmen der „Salzburger Vorlesungen“ eine „Rückgewinnung der Zeitsouveränität“ propagierte. Biorhythmen passten sich an „die Maschinenzeit“ an.

Gegenüber bestehenden Forderungen zur Entschleunigung in Bereichen wie „Slow Food„, „Slow Media“ oder „Slow Fiction“ sprach Safranski hierbei von „Slow Money“. Gemeint ist damit eine Entschleunigung des Finanzmarktes, der unter Zeitdruck („Zeit ist Geld“) schnelle Entscheidungen trifft, während die Politik einerseits demokratische Abläufe zu beachten hat, andererseits aber zum Opfer der Echtzeit-Kommunikation auf allen Kanälen wird. Während früher die allermeisten Ereignisse außerhalb des eigenen Wirkkreises in der Vergangenheitsform erlebt wurden und nur durch das Wort transportiert wurden, sind wir heute durch eine Bilderflut und Erlebnisdichte in Echtzeit überfordert.

Wieland Freund schließt mit der geistreichen Sentenz, dass die Politik – die zunehmend auf das Erlebnis im Futur setze – nicht zuletzt deshalb langsam sei, „weil sie ständig vorauseilt“. Die Frage ist nun, hat der Schlagzeilen-Redakteur des Welt-Feuilletons etwas daneben gegriffen oder trifft eine „Entschleunigung der Philosophen“ tatsächlich den Kern des diskutierten Problems? Die Politik kann nicht das Tempo der Finanz- und Wirtschaftswelt annehmen. Vermutlich sollte die auf Produktivität getrimmte Gesellschaft auch aus Gründen des Umweltschutzes dringend ihren Leistungsanspruch zurückschrauben.

Rüdiger Safranski zitiert Wilhelm Humboldt, der als einer der ersten das Ideal einer liberalen Gesellschaft paradox formulierte: „Die ganze Gesellschaft ist dazu da, dass die Einzelnen eine Lust verspüren ein Ich zu sein.“ Das Ich definiert sich aber mitnichten nur durch Arbeit. Insofern ist eher eine Entschleunigung der Ökonomie gefordert, oder wie es im Text heißt: „Entschleunigt die Banken!“ Glechzeitig stellt Rüdiger Safranski klar, dass die Politik nicht auf der Höhe der Zeit ist, weil sie nicht begreift, dass die Ökonomie – nach ihrer Rettung durch die Politik – bereits von der Gnade der Politik abhängig ist.

Wahlverwandtschaften im Wandel

Freitag, 25. Juni 2010

Erst tags zuvor gab die Stiftung für Zukunftsfragen eine Pressemitteilung heraus, wonach ein Einstellungswandel in Deutschland um sich greife: „Freunde werden zur Wahlfamilie„. Prompt ist nun in der „Welt“ zu lesen:

Die Welt, 25.06.10, Titel: Freunde ersetzen immer mehr die Familie

Wolfgang Opaschowski arbeitet als wissenschaftlicher Leiter der Stiftung des British American Tobacco Freizeit-Forschungsinstituts und bei seiner Arbeit kommen doch immer wieder interessante Details ans Tageslicht, etwa wieviel Prozent der Deutschen Freunde zur „unverzichtbaren persönlichen Lebensqualität“ zählen (aktuell mehr als 90%, vor acht Jahren nur mehr als 80%). Der kausale Zusammenhang mit dem demographischen Wandel, dass mehr und mehr Menschen als Singles alt werden, liegt nahe. Schön, dass auch betont wurde, virtuelle Freundschaften (etwa wie auf Facebook) könnten echte nicht ersetzen.

Im Orginaltext (siehe den Link oben) steht sogar: „Wahlverwandtschaften und Wahlfamilien erfahren eine Renaissance.“ Damit orientieren wir uns och gerne einmal mehr zum Klassiker der deutschen Literatur zurück, Goethes Wahlverwandtschaften, dem „ersten deutschen Problemroman der deutschen Literatur“ (laut verlinktem Text). Das behandelte Problem besteht in geänderter Form noch immer. So viel scheint sich in der Einstellung da doch nicht zu wandeln. Die demographischen Bedingungen allerdings wandeln sich in der Tat. Na dann, bleibt nur mit Reinhard Mey zu sagen: „Gute Nacht, Freunde“!

„CSR nicht primär, um das Image zu stärken“

Donnerstag, 10. Juni 2010

Auf Einladung der IHK Bonn/Rhein-Sieg und der Unternehmenskommunikation Bonne Nouvelle fand im Bonner Post-Tower ein „CSR Frühstück“ bei der Deutschen Post DHL statt. Nach zwei Grußworten des IHK-Pressesprechers Michael Pieck („Ich kann das Krisengejammer nicht mehr hören!“) und der Bonne Nouvelle-Geschäftsführerin Simone Stein-Lücke („Das Thema erfordert viel Austausch und Resonanz.“) erläuterte Katharina Tomoff als Abteilungsleiterin „Go Green“ die unternehmerische Verantwortung bei Deutsche Post DHL.

Deutsche Post DHL, Grafik zu "Living Responsibility"

Das Interesse an der in diesem Jahr gestarteten CSR-Veranstaltung ist nach Angaben von Michael Pieck so groß, dass er bereits ankündigte, die Reihe auch 2011 fortzusetzen. Simone Stein-Lücke wies auf die fehlende Professionalität hin, die bei einer überwiegen­den Mehrheit deutscher Unternehmen in Hinblick auf dieses Thema herrscht. Ihren Angaben von zufolge finden zwar 63 % der befragten Unternehmen in Deutschland das Thema „Corporate Social Responsibility“ wichtig, 51 % der Befragten nennen auf die Frage nach dem Warum Soziale Gründe. Allerdings tummelten sich nur 35 % gelegentlich auf diesem Feld. Zwei Drittel aller Unternehmen hätten keine strategische CSR-Ausrichtung, kein CSR-Budget und keine CSR-Kommunikation.

Ganz anders bei der Deutschen Post DHL. Mit rund einer halben Million Mitarbeiter be­zeichnet sich der Konzern als einer der größten Arbeitgeber weltweit und daher erkenne er als ein „Hauptakteur im Welthandel“ seine Verantwortung. „Living Responsibility“ heißt die Abteilung innerhalb des strategischen Geschäftsbereichs „Politik und Unternehmens­verantwortung“, innerhalb der drei Säulen aufgebaut werden: „Go Green“ für Umwelt­schutz,  „Go Help“ für Katastrophenmanagement und „Go Teach“ für Bildung und Ausbildung. In der strategischen Steuerung arbeiten etwa 20 Mitarbeiter in der Bonner Konzernzentrale; alle drei Bereiche ordnen sich dabei der Vision „Unlocking our Potential – Strategy 2015“ unter.

Katharina Tomoff, die selbst bei Go Green arbeitet, stellte für diesen Bereich die messbaren Ziele vor: Reduktion der CO2-Emissionen um 10% bis 2012 und um 30% bis 2020, im Vergleich zu 2007. Die CO2-Angaben werden dabei nicht als absolute Werte behandelt, sondern in Bezug auf Tonnen Fracht bzw. Quadratmeter Gebäudefläche. Dazu wird unter anderem ein Teil der Flotte auf Hybrid-Fahrzeuge umgestellt. Im Bereich Go Help werden weltweit drei Katastropheneinsatzteams kostenlos eingesetzt, die innerhalb von 72 Stunden an jedem Ort der Welt sind, zudem werden Flughäfen für die Hilfsgüter­verteilung im Falle einer Katastrophe vorbereitet (GARD-Programm: „Get Airports Ready for Desaster“). Bei Go Teach schließlich geht es um die Ansätze, den Zugang zur Bildung zu verbessern, ihre Qualität zu erhöhen sowie die Kinder eigener Mitarbeiter zu fördern.

Ihrem Leitbild folgend „DIE Post für Deutschland zu bleiben“ und „DAS Logistikunter­nehmen für die Welt zu werden“ geht die Deutsche Post das Thema CSR mit klaren Handlungsaufträgen an. Die Menschen sollen erfolgreicher werden, bei einem respektvollen Umgang miteinander, die Dinge sollen vereinfacht und kurz die Welt lebenswerter werden. Dazu bedient sich der Konzern a) seines globalen Netzwerkes, b) seiner Kernkompetenzen (vor allem im Bereich Go Help) und c) des sozialen Einsatzes aller Mitarbeiter. Entsprechend hoch fielen auch die Werte bei der jährlichen Mitarbeiterbefragung weltweit zum Thema CSR aus.

Die Deutsche Post betreibe CSR nicht primär um das Image zu stärken und auch nicht vordergründig als Marketing-Tool, aber Nachhaltigkeit in allen Belangen würde auch in immer mehr Rankings gefragt. So ist die Deutsche Post auch im Dow Jones Nachhaltig­keitsindex gelistet und hat für Ihre Bemühungen den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2009 erhalten. Auf der Homepage werden für die CSR-Aktivitäten jedoch folgende Begründungen angegeben: „Die Motivation und Identifikation unserer Mitarbeiter mit dem Unternehmen fördern, zu einer verbesserten Wahrnehmung und Anerkennung unseres Konzerns beitragen und unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken.“ Allerdings wurde deutlich, dass die Deutsche Post – etwa im ungeliebten Vergleich zur Telekom – weit weniger über CSR-Themen kommuniziert: „Wir konzentrieren uns auf das Tun“.

„Prosumenten“ und Protest-Liker

Donnerstag, 27. Mai 2010

Zwei Quellen beschreiben jüngst unterschiedliche Auswirkungen Sozialer Netzwerke auf die Politik von Unternehmen: Im Handelsblatt wird die Macht fotografierender Modeblogger beschrieben, in der Fachzeitung FNG Magazin (für Food, Nonfood und Getränke) behandelt ein Beitrag die teilweise schon ausgeübte Macht der Schwarmintelligenz.

Handelsblatt, 25.05.2010, Titel: Mitmachmarken erobern das Warenregal

Fashion-Blogger wie Scott Schuman und Yvan Rodic sorgten für eine „Demokratisierung der Mode“, heißt es da, darüber hinaus würde unter Marketingspezialisten bereits allgemein immer seltener vom Konsumenten gesprochen, sondern vielmehr vom „Prosumenten“ als Kurzform proaktiver Konsumenten. Demnach richteten sich schon einige große Modekonzerne nach Blogs, um zu erfahren, „wie der Verbraucher tickt, was er will und was ihm gefällt“. Als weiteres Beispiel wird die interaktive Heimwerkerseite von Bosch genannt, mit der neue Trends aufgespürt werden sollen. Die gute Nachricht: Die Bedürfnisse der Konsumenten werden ernst genommen. Die schlechte: Sie liefern den Konzernen oft nicht nur Geschäftsideen, sondern ihre Daten frei Haus dazu.

fng Magazin, 2-2010, Titel: Wie interaktive Netzwerke Macht über Unternehmen gewinnen

Der Einfluss von Internet-Netzwerkern auf große Unternehmen wird im Beitrag des fng Magazins am Beispiel von Nestlé verdeutlicht. Da der Konzern in seinem Schokoriegel Kitkat Palmöl verwendet, für dessen Gewinnung Regenwald in Indonesien abgeholzt wird, hat Greenpeace in Anlehnung an den Werbespot ein erschreckendes Video gedreht, das vor allem über Facebook mehr als eine halbe Million mal angeklickt wurde. Obwohl Nestlé mittlerweile mitteilte, dass der Vertrag mit dem entsprechenden Öllieferanten aufgelöst sei, bleibt ein Imageschaden und Vertrauensverlust.

Der Beitrag stellt klar, dass die Mund-zu-Mund-Propaganda wie eh und je laufe, nur eben in einem viel schnelleren Tempo. Gelebte ethische und soziale Werte, heißt es weiter, würden in Zukunft noch weit stärker als bisher den Erfolg eines Produkts mitbestimmen. Virale Kampagnen sind dazu geeignet, Vorzüge oder Nachteile der Allgemeinheit mehr oder weniger drastisch vor Augen zu führen. Der geneigte Facebook-Nutzer muss dem Protest-Inhalt dann nur noch seine Zustimmung erteilen, indem er den „Like-Button“ klickt. Allerdings ist dazu vorher ein engagierter „Prosument“ nötig, ein Blogger, Journalist oder eben eine Institution wie Greenpeace, die mit den entsprechenden Mitteln auf positive oder meist negative Eigenschaften von Produkten aufmerksam macht.

Die ipad-Mania grassiert

Mittwoch, 26. Mai 2010

Gewohnt einfallsreich betitelt der Spiegel in seiner Ausgabe dieser Woche (KW 21-10) eine Geschichte über die Markteinführung von Apples neuestem Wundergerät in Deutschland:

Spiegel, 25.05.2010, Titel: Ein iPad für ein Halleluja

Der Bezug ist ein Auftritt des Axel-Springer-Chefs Matthias Döpfner in der US-Talkshow „Charlie Rose“, bei dem er gebetsmühlenartig die Vorzüge des Tablet-PCs gepriesen haben muss. Mittels des neuen Geräts soll die Zahlungsbereitschaft der Zeitungsleser erprobt werden – während es gemäß Notiz in der heutigen FAZ Rupert Murdoch in Großbritannien aktuell bereits mit der „Times“ und der „Sunday Times“ im Internet versucht. Nach etwa vier Wochen kostenfreier Nutzung nach Anmeldung soll der Zugriff dann ein Pfund pro Tag oder zwei Pfund pro Woche kosten.

FAZ, 26.05.2010, Titel: Alles oder nichts

Die Auswirkungen des iPad auf den Journalismus werden im Spiegel als nicht absehbar beschrieben. Allerdings übe sich die Branche noch in Vorsicht, schreiben Markus Brauck, Martin U. Müller und Thomas Schulz, wenngleich sie „riesige Hoffnungen an das Ding“ knüpfe. Denn selbstverständlich müssen Zeitungs- oder Magazin-Apps ansprechend und mit einem gewissen Mehrwert gegenüber den Printausgaben ausgestattet sein. Dies sei den US-Titeln (Wall Street Journal, New York Times, USA Today, GQ und Vanity Fair) bislang nicht gelungen.

Die „visuelle Art des Erzählens“ (Zitat Zeitungs- und Online-Designer Lukas Kircher) habe sich hingegen der zu Disney gehörende Marvel-Verlag zu eigen gemacht, dessen Comics sich auf dem iPad besser lesen ließen als auf Papier. Problematisiert wird neuerlich die stellenweise an Zensur grenzende Kontrolle des Apple-Konzerns, der nicht nur die Geräte herstellt, sondern auch die Inhalte vertreibt. Einen weiteren Aspekt hebt Markus Scheele Anfang der Woche in der Welt hervor:

Die Welt, 25.05.2010, Titel: iPad hilft E-Books auf die Sprünge

Dort heißt es, neben der Zeitungsverlags- könnte auch die Buchverlagsbranche von der Einführung des Lifestyle-Geräts profitieren, was den Absatz elektronischer Bücher in Deutschland anbetrifft. Auch hierbei wird Apple kpnftig in seinem iBookstore eigene Titel anbieten. Interessant hierbei, dass es in Deutschland bereits zahlreiche weitere Anbeiter gibt (Libri, Clando, Buch.de, Libreka!, Beam, Thalia.de, Digital-Lesen, Springer Science, Business Media oder der Campus-Verlag),  diese vertreiben derzeit aber zu sehr stark variierenden Preisen verschiedene Formate wie ePub, Mobipocket, PBD oder PDF.

Eine zusätzliche Herausforderung im internationalen Vergleich stellt die Buchpreisbindung in Deutschland dar: Ich muss für das PDF online genausoviel zahlen wie für das Hardcover im Laden. Die Wahl des Lesegeräts will also wohl überlegt sein. Neben der Auswahl der Titel (nach Welt-Angaben zwischen 145.000 bei Libri und 6.500 bei Digital-Lesen) spielt zum einen das richtige Dateiformat eine Rolle, das möglichst auch noch in einigen Jahren aktuell sein sollte, zum anderen auch die Frage, ob das Gerät einen leuchtenden oder einen schwarz-weißen Hintergrund haben soll (sodass ein Buch auch noch bei Sonne am Strand zu lesen ist).

Berechtigt sicherlich der Hinweis, dass digitale Bücher aufgrund der möglichen Suchfunktion nach Stichwörtern eine besonders gute Chance bei der wissenschaftlichen Arbeit haben. Der Springer Science-Verlag macht nach eigenen Angaben bereits ein Fünftel seines Buchumsatzes mit E-Books. Google hat ebenfalls den Einstieg in den Markt mit digitalen Büchern angekündigt. Am Freitag wird sich zeigen, wie hoch sich die Welle der iPad-Euphorie in Deutschland aufbauschen wird. Multifunktions-Alternativen an Tablet-PCs werden nicht allzu lange auf sich warten lassen.

Die Debatte um Journalismus geht weiter

Donnerstag, 20. Mai 2010

Der Kölner Stadt-Anzeiger hat zur Debatte über die Zukunft des Journalismus aufgerufen, wenigstens sechs Personen haben sich bereits daran beteiligt: zuerst die Bloggerin Lena Reinhard, danach der Medienwissenschaftler Norbert Bolz, dann gestern der Vorstand der Kölner Mediengruppe M. DuMont Schauberg, Konstantin Neven DuMont (thematisch eher am Rande), und heute schließlich Dr. Hermann J. Roth aus Bonn und Erich-Günter Kerschke aus Köln (beide noch nicht online). Moment, das sind erst fünf! Achja, ich selbst habe auch einen Beitrag an die Redaktion gesandt, der (noch) nicht berücksichtigt wurde. Zweimal schrieb ich schon etwas zum Thema und ich beschäftige mich weiter damit…

Kölner Stadt-Anzeiger, 20.05.2010, Titel: Frei sein und frech bleiben

Hermann J. Roth beklagt den Niedergang der medialen Meinungsvielfalt, ablesbar auch an den vergleichbaren Schlagzeilen allerorten. „Kennst Du eine, kennst Du alle!“, möchte ich sein Statement bezogen auf Zeitschriften zusammenfassen.Vor diesem Hintergrund freut er sich besonders über den Zwischenruf Lena Reinhards, die einerseits individualisierte Zeitungen, andererseits mehr Herzblut im Journalismus fordert. Erich-Günter Kerschke dagegen geht einen Schritt weiter und fordert Journalisten dazu auf, „Gemeinsinn zu stiften“ anstatt sich zu „Komplizen von Erzeugern konfektionierter Meinungen und Haltungen“ zu machen. Als Aufgaben des Journalismus skizziert er „Wege aus der Sackgasse“ zu finden (auch in Anbetracht von politischer Ideenlosigkeit und Politikverdrossenheit). Zustimmung: Dem in Beziehung Setzen und Bewerten von Sachverhalten kommt eine wichtige Rolle zu.

Kölner Stadt-Anzeiger, 19.05.2010, Titel: Die Medienlandschaft gerät aus den Fugen

Der Beitrag des Verlegers vom Vortag erscheint dagegen reichlich ungeeignet, um Stichhaltiges zur Debatte beizutragen. Dass sich die Medienlandschaft verändert und konsolidiert, ist bekannt. Der Zusammenhang zwischen schlechter Wahlbeteiligung und dem Internet dagegen ebenso aus der Luft gegriffen wie der zwischen Demokratisierung und dem Internet. Joachim Losehand kommentiert auf der Internetseite treffend: „Schlapper Alarmismus gepaart mit lustlosem Stochern im Nebulösem. Intellektuelle Durchdringungsschärfe liest sich anders.“

FAZ, 20.05.2010, Titel: Multimillionenfrage 

Ein „Aus-den-Fugen-Geraten“ der Medienlandschaft kann ich nicht erkennen, der Titel online „die Medienlandschaft wird umgepflügt“ trifft den Kern schon besser. Aus den Fugen geraten eher die bisherigen Geschäftsmodelle, womit wir wieder beim Thema wären. Hierzu klingt der Satz „Viele Verleger sind gezwungen, Redaktionsetats den sinkenden Erlösen anzupassen.“ wie eine Rechtfertigung des Verlegers Neven DuMont. In der FAZ ist heute dagegen von Arthur Sulzberger jr., dem Verleger der New York Times zu lesen, der bei einem Vortrag in Frankfurt am Main Schlagworte wie „Courage, Innovationsfreude, Meinungsführerschaft“ bemühte und für eine multimedial stärkere Einbindung der Leser plädierte. Übrigens bekräftigte er ein weiteres Mal, dass es die Inhalte der New York Times nicht kostenlos gebe und beschrieb ein abgestuftes Bezahlsystem.