Archiv für die Kategorie ‘Journalismus’

Google möchte sich durch Journalismus retten…

Montag, 17. Mai 2010

…das jedenfalls behauptet indirekt der im heutigen FAZ-Artikel zitierte James Fallows im Monatsmagazin „The Atlantic“. Gemäß dem Blick in amerikanische Zeitschriften von Jordan Mejias stützt sich der US-Autor dabei auf Aussagen des Google-Chefs Eric Schmidt, wonach der Konzern „aus kommerziellen wie staatsbürgerlichen Gründen“ den Journalismus wiederbeleben wolle.

FAZ, 17.05.2010, Titel: Rosig ist die Zukunft und papierfrei

Der zu Grunde liegende Gedanke ist richtig: Nur hochwertige Inhalte lohnen sich angeklickt zu werden. Auf Initiative von Google werde derzeit zusammen mit Vertretern von Zeitungsverlagen nach einem Weg aus der gegenwärtigen Krise gesucht. Zwar halte James Fallows den Vorstoß nicht für leicht zu verwirklichen, aber dennoch für hoffnungsvoll. Das Geschäftsmodell für die Übermittlung professioneller Nachrichten (gegenüber dem viel gescholtenen Bürgerjournalismus) gelte es neu zu erfinden. Dabei geht es offenbar vorrangig um die Frage, wie die künftig kostenpflichtigen Inhalte gegenüber den kostenlosen Lockangeboten abgetrennt und dennoch einfach zugänglich gemacht werden können.

 Als Ursachen werden zur Überraschung des US-Autors laut Google nicht Versäumnisse der Verleger genannt, sondern „das historisch beispiellose Spiel technologischer Kräfte“. Dennoch verhält es sich so, dass mit Ausnahme der „New York Times“ und des „Wall Street Journal“ bei allen anderen US-Tageszeitungen die Kosten für Druck, Papier und Transport diejenigen für die Redaktion deutlich übersteigen. Das Internetangebot der Zeitungsverlage könnte sowohl durch Werbung als auch durch Online-Abonnements den Ertrag der Häuser erhöhen. Hierbei spielt auch wieder die Verfügbarkeit der News für alle Endgeräte (Smartphones, Tablet PCs, E-Reader) eine wesentliche Rolle.

 FAZ, 17.05.2010, Titel: Blick in amerikanische Zeitschriften

Offiziell klingen die Maßgaben hochgestochen: „Distribution, Engagement, Monetarisierung“ (durch packendere Stories mehr Leute erreichen). Allerdings läge die Lösung oft eher in einem Detail. So hätten zum Beispiel die „New York Times“ und die „Washington Post“, Artikel, Videos und Leserkommentare zu Themen als „Living Stories“ gebündelt, die vor allem auch für Suchmaschinen attraktiver seien. Zudem sei ein Projekt „Fast Flip“ gestartet worden, mit dem der Leser durch verschiedene Seiten wie durch ein Magazin blättern könne. Daneben schlägt Google zu einer idealen Platzausnutzung von Werbeflächen ein „Yield Management“ wie bei Fluglinien vor.

 Durch solche Details – weniger aber durch eine klare Geschäftsausrichtung auf den Qualitätsjournalismus – erwartet Google rosige Zeiten für das Nachrichtengeschäft. In der Zukunft würden sich neben den bestehenden, durchaus überlebensfähigen Verlagen neue und ganz anders ausgerichtete Häuser etablieren. Jordan Mejias stellt abschließend fest, dass die konkrete Aussicht für das nächste Jahr schon sehr viel schwieriger sei. Alles wischi-waschi also? Nicht ganz. Jedoch sollte sich das Unternehmen Google nicht überschätzen mit seinen Kompetenzen hinsichtlich der Zukunft der Zeitungen (natürlich kann es diese auch aufkaufen). Die meisten der Überlegungen haben zwar mit interessanten Modellen für das Internetgeschäft, mit Journalismus aber nur entfernt zu tun.

Wochenend-Presseschau 19-10

Montag, 17. Mai 2010

Das Medienmagazin „Töne, Texte, Bilder“ auf WDR5 hat am vergangenen Samstag nicht nur die Meldung des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) wiedergegeben, dass es deutschen Verlagshäusern besser geht als denen in Amerika (Texthilfe berichtete), sondern in diesem Zusammenhang auch sehr interessante Beispiele aufgegriffen.

Screenshot von wdr5.de: "Töne, Texte, Bilder" vom 15.05.2010

So wurde zum einen eine gesunde Ein-Mann-Zeitung aus dem Süden der USA mit mehr als 150 Jahren Tradition vorgestellt, zum anderen die individualisierte Tageszeitung „niiu“ aus Berlin, mit der Wanja Oberhof und Hendrik Tiedemann linksliberale Leser unter 30 Jahren erreichen. Selbst das „Time Magazine“ aus New York hatte sich für den Start des Dienstes im vergangenen November interessiert. Auch der BDZV verfolge das Projekt mit „wohlwollendem Interesse“, heißt es in dem Beitrag von Michael Mayer. 1,80 Euro kostet das niiu-Abo täglich, für Studenten nur 1,20 Euro. Mit etwa 5.000 Abonnenten sei die Schwelle der Wirtschaftlichkeit erreicht, heißt es weiter, unter anderem sind Inhalte aus den Verlagen Axel-Springer (Bild), Holtzbrinck (Handelsblatt) und DuMont-Schauberg (Frankfurter Rundschau), aber auch der taz und der Münchner Abendzeitung zusammenzumixen. 

Außerdem in der Sendung in der Rubrik „Update“ die Erklärung von Jörg Schieb für die Internetstörungen in der vergangenen Woche. Nur, weil ein einziger Server streikte, der als „Telefonbuch des deutschen Internets“ gilt, ging auf vielen Seiten nichts mehr. Die Schlussfolgerung: ein Sicherheitsnetz für das deutsche Internetverzeichnis fehlt, ein so genanntes „Failover“, oder laut Jörg Schieb „eine Art Notstromaggregat für Computerpannen“.

Die Welt, 14.05.2010, Titel: Microsoft, Google und Apple jagen sich die Kunden ab

Ein anderes Thema, das mich in dieser Woche noch weiter beschäftigen wird, ist der Konkurrenzkampf zwischen Microsoft und Google hinsichtlich ihrer Software-Pakete und zwischen Google und Apple bezogen auf die Hardware-Produkte. Alle drei Unternehmen spüren dadurch jedenfalls so etwas wie Konkurrenz, ist dem Artikel in der Welt zu entnehmen. Der Machtkampf um die Bürosoftware-Pakete, die Google seit längerem kostenlos im Netz anbietet, führt nun auch Microsoft dazu, per „Cloud Computing“ die Dienste komplett online anzubieten. Google seinerseits greift aktuell Apple an, indem der Konzern zusammen mit dem US-Netzbetreiber Verizon Wireless einen eigenen (sicherlich reichlich verspielten) Tablet-PC entwickelt, auf Basis des bereits in den Google-Handys eingesetzten mobilen Betriebssystems Android.

Die Welt, 14.05.2010, Titel: Warum eine amerikanische Psychatrie-Professorin die deutschen Männer für ein Erfolgsmodell hält

Zuletzt nur kurz erwähnt der außergewöhnliche Titel für den gewöhnlichen Beitrag zu einer Buch-Neuerscheinung in der Welt zu „Das männliche Gehirn“ von Louann Brizendine. Die Welt am Sonntag fragt vergleichsweise einfacher: „Müssen Männer so sein?„. Der Unterschied besteht auch darin, dass der erst genannte Beitrag von einem Mann stammt, die Fragen in der WamS dagegen von Frauen. Nach dem Bucherfolg „Das weibliche Gehirn“ aus dem Jahr 2007 wird auch dieses Buch sicherlich seine Leserinnen und Leser finden. Das „Erfolgsmodell“ des deutschen Mannes bezieht sich übrigens weniger auf eine Leistung der Männer selbst, sondern auf die Möglichkeit, in Deutschland 14 Monate Elternzeit zu nehmen, um dabei möglichst gut mit seinen Kindern zu kommunizieren (aber nur so lange, bis die Mutter dazukommt)…

Vom Vorteil erzwungener Aufmerksamkeit

Mittwoch, 12. Mai 2010

Die Diskussion geht weiter: Nachdem der Kölner Stadt-Anzeiger mit einem Gastbeitrag der Bloggerin Lena Reinhard die Debatte um Online-Journalismus entfacht hatte (Texthilfe berichtete), meldet sich nun der Medienwissenschaftler am Institut für Sprache und Kommunikation an der TU Berlin, Norbert Bolz zu Wort. Sein Beitrag trägt den monumentalen Titel:

Kölner Stadt-Anzeiger, 11.05.2010, Titel: Orientierung in der Sintflut des Sinns

Grundaussagen des Medienwissenschaftlers: „Ein berühmter Journalist ist eine intellektuelle Marke, an der man sich in der Sintflut des Sinns orientieren kann.“, „Freie Presse ist immer schon als kostenlose Information über die Welt verstanden worden.“ und „Wir haben kein Informationsproblem, sondern ein Orientierungsproblem.“ In Bezug auf die Kernidee der Bloggerin Lena Reinhard, sich eine eigene Zeitung zu konfigurieren, gibt er zu bedenken, dass dies einerseits eine klare Orientierung voraussetzt, die oft nicht gegeben ist, und andererseits dem Leser die „Erfahrung des Neuen“ oft vorenthält, weil er sich dadurch „in einen Informationskokon einspinnt“.

Schließlich weist er als Vorteil der nicht interaktiven Massenmedien aus, Aufmerksamkeit zu erzwingen. Diesen Effekt könnten interaktive Medien niemals erreichen. Warum aber ein Blog, der 50.000 mal besucht wird, zum Massenmedium umschlägt und dann kein Blog mehr ist, leuchtet mir nicht ein. Anders gefragt: Warum sollen sich die Begriffe Blog und Massenmedium gegenseitig ausschließen? Dass sie das faktisch meist tun, steht außer Frage. Aber ich kann nicht erkennen, was die Interaktivität wie etwa bei Thomas Knüwer, der regelmäßig auf Anregungen seiner zahlreichen Leser eingeht, an der Marke des Journalisten und der möglichen Orientierung ändert (auch wen Thomas Knüwer mittlerweile auf die Beraterseite gewechselt ist).

Dass in jedem Blogger ein Journalist stecke – zugegeben! Dass jedoch jeder Blogger sein Massenmedium suche – angezweifelt! Meines Erachtens nach geht es bei der Orientierung sehr stark um die Special Interest-Kanäle, die sich ausdrücklich zu eingegrenzten Themengebieten äußern. Die Zeitung als Sammelsurium von Meldungen nach den bekannten Unterteilungen – Politik, Wirtschaft, Finanzen, Feuilleton, Medien, Menschen – ist in meinen Augen nicht ersetzbar. Nach der jüngsten Studie des BDZV (Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger) befinden sich die Zeitungen in Deutschland – jedenfalls im Vergleich zu denen in Amerika – in einer sehr guten Verfassung.

Die Anzahl der Titel ist hierzulande mit aktuell 351 weitaus konstanter (minus vier seit 1999, gegenüber minus 80 seit 1998 in den USA), die Reichweiten sind nach wie vor hoch. Auch sei die Abhängigkeit vom Werbemarkt in Deutschland weitaus geringer. An der schlechten Bezahlsituation von Journalisten und dem Buy-Out von Rechten für zusätzliche Online-Veröffentlichungen ändert dies jedoch nichts. Diesem Umstand sollte erzwungenermaßen die Aufmerksamkeit gelten! Daraus ergäben sich interessante Schlussfolgerungen für den Online-Auftritt von Zeitungen. Vielleicht sollte ich mich mit einem eigenen Beitrag an der Debatte beteiligen!

Journalismus der Zukunft gesucht

Sonntag, 09. Mai 2010

Die Bloggerin Lena Reinhard konnte mit einem ausführlichen Gastbeitrag im Kölner Stadt-Anzeiger (und auch in der Frankfurter Rundschau) ihre Ansichten zum Journalismus der Zukunft darstellen. Die Zeitungen positionieren sich selbst mittels des ins Leben gerufenen Reporterpools für vier Titel als innovationsfreudige und zukunftorientierte Medien (vgl. älteren Texthilfe-Beitrag). Es geht um gewandelte Ansprüche der Nutzer, um den Bedarf an Diskussion und Leidenschaft. Ein toller Erfolg für die Autorin und ihren Blog – inhaltlich sind jedoch einige Passagen strittig.

Kölner Stadt-Anzeiger, 08.05.2010, Titel: Kommt uns Lesern endlich näher

Interessant, dass Kölner Stadt-Anzeiger (s.o.) und Frankfurter Rundschau („Mehr Emotionen, bitte!“) zwei verschiedene Titel für denselben Beitrag wählen, während Lena Reinhard den Text überschrieb mit: „Verraten Sie es nicht weiter, aber: Ich habe da einen Traum!“ Sicherlich mit gewisser Ironie versehen, rückt dieser Ansatz ein ganz anderes Problem als Emotionalität und Leidenschaft oder das Ernstnehmen der Leser in den Mittelpunkt. Der Autorin geht es um das transparente Abomodell, bei dem sie beliebige Inhalte aus beliebigen Titeln in einem Online-Kiosk miteinander zu „Ihrer Zeitung“ kombinieren bzw. konfigurieren kann. Diesen Traum halte ich für schwer umsetzbar. Im Fall der Mediengruppe DuMont-Schauberg wird ein solcher Kiosk mit Inhalten aus den zugehörigen Titeln Kölner Stadt-Anzeiger, Frankfurter Rundschau, Berliner Zeitung und Mitteldeutsche Zeitung angedacht. Auch andere Verlage denken über Kooperationen nach. Aber Geld verdienen lässt sich damit auf Dauer vermutlich nicht zur Genüge.

Die Paid-Content-Debatte mag in eine falsche Richtung gehen. Sicher sind für Zeitungsartikel als Produkte ihre überzeugende und fesselnde Machart entscheidend. Aber der Preis spielt nach wie vor eine große Rolle, vor allem in Hinblick auf die damit verbundenen, unvermeidlichen Personalkosten. Online dominiert nach wie vor die Kostenlos-Kultur, vor mehr als zehn Jahren vermutlich bedenkenlos eingeführt, sodass viele kostenpflichtigen Printartikel heute noch online kostenfrei zu lesen sind. Das wird auf Dauer nicht so bleiben. Und vor allem Special-Interest-Themenangebote werden ihre Abonnenten finden. Der BDZV hat erst jüngst eine weit größere Zahlungsbereitschaft als angenommen unter deutschen Internetlesern festgestellt (siehe Texthilfe-Beitrag) – allerdings in einer selbst beauftragten Studie, die die Relevanz des Ergebnisses etwas schmälert. Die Verlage müssen sich über kurz oder lang auf das Risiko der Kostenpflichtigkeit im Internet einlassen.

Wann ist Journalismus Journalismus?

Donnerstag, 06. Mai 2010

„Journalisten baggern wie blöde, Journalisten machen alles ganz, ganz genau“ bin ich geneigt in Anlehnung an den Hit „Männer“ von Herbert Grönemeyer zu texten. Anlass ist der vergangene  Medientreffpunkt Mitteldeutschland vom 03. bis 05. Mai in Leipzig. Während in der Volksstimme Magdeburg thematisiert wird, wie sich Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer mit Journalisten aus der ganzen Republik über die Unabhängigkeit ostdeutscher Medien diskutierte, greift Ulrike Simon im Kölner Stadt-Anzeiger nur einen Punkt aus der Diskussion zwischen Günter Struwe (Ex-ARD-Programmchef) und Norbert Schneider (Ex-Direktor der Landesmedienanstalt NRW) mit den drei Journalisten Bettina Schausten (ZDF), Peter Kloeppel (RTL) und Peter Limbourg (N24/Sat.1) auf.

Kölner Stadt-Anzeiger, 06.05.2010, Titel: Die Echtheit des Tornados

Demnach hielten es die beiden erstgenannten Nichtjournalisten im Gegensatz zu den drei Journalisten in der Runde für unerheblich, ob das gezeigte Bild eines Tornados tatsächlich vom jeweils besprochenen Tornado stamme oder von einem anderen. Minutenlang entspann sich die Diskussion um dieses Beispiel, mit dem Bettina Schausten nur verdeutlichen sollte, wie schwierig der angemessen kritische Umgang mit Informationen aus dem Internet sei.

Genau diese Sorgfältigkeit spielte in der Auffassung der beiden Ex-Programmwächter keine große Rolle, den Qualitätsjournalismus ist bekanntlich teuer. Als Beispiel für ein Finanzierungsmodell führt die Autorin „Kooperationen zwischen Medienhäusern“ auf und meint damit vermutlich auch die Kooperation zwischen den vier Titeln innerhalb des eigenen Medienhauses (texthilfe.de berichtete). „Glaubwürdiger Journalismus“, schließt Ulrike Simon, „so das Fazit des Kongresses, sei enorm wichtig“. – Womit sie zweifellos recht hat.

Welt, 06.05.2010, Kopfnote Wolf Schneider

Unterdessen weist die Welt in ihren Kopfnoten bereits heute auf den 85. Geburtstag des Sprachlehrers Wolf Schneider am Freitag hin. Mit seinem neu aufgelegten Buch „Deutsch für junge Profis“ habe er ein Buch für die „Digital Natives“ aufgelegt, schreibt die Zeitung, zitiert ihn: „Über-Opas sind offenbar beliebter als Über-Väter“, und stellt ihm doch nur eine 3+ aus. Von seinen scharfen Beobachtungen kann sich der geneigte Leser  in seinem Sprachblog überzeugen (siehe Navigationsleiste auf der Hauptseite rechts).

Sport heilt Wunden und reißt Barrieren ein

Dienstag, 04. Mai 2010

Zur Abschlussrede der Konferenz der Weltsportverbände („Sportaccord„) in Dubai konnten die Organisatoren den ehemaligen UN-Generalskretär Kofi Annan gewinnen. Nach Angaben des an der Konferenz teilnehmenden Präsidenten des Weltflugscheibenverbandes Jonathan Potts (World Flying Disc Federation, WFDF), erhielt der charismatische Redner stehende Ovationen, noch bevor er einen Satz gesagt hatte.

Evi Simeoni in der FAZ zitiert Kofi Annan: „Der Sport spielt eine einzigartige Rolle darin, Wunden zu heilen, die Menschen gegen soziale Probleme zu aktivieren, Barrieren gegen rassen und Geschlechter einzureißen, für interkultuelles Verständnis zu sorgen, Flüchtlinge zu integrieren, mentale Traumata zu heilen und wirtschaftliche Entwicklung anzuregen.“

FAZ, 03.05.2010, Titel: Die Welt wäre ein schlechterer Ort

Die FAZ-Autorin behauptet, dass sowohl das Internationale Olympische Komitee (IOC) wie der Internationale Fußballverband (Fifa) damit liebäugelten einen Nobelpreis zu erhalten, wie Kofi Annan 2001. Doch der internationale Spitzensport könnte seine Botschafterrolle für eine bessere Welt leicht überbewerten und sich etwas damit überheben, sich selber nicht mehr zu genügen. Angesichts „eigener Probleme wie Doping, Wettbetrug, Spielabsprachen, Fan-Ausschreitungen, Ellbogenmentalität und Kooruption unter Funktionären“ sei schon der Anspruch Jugendlichen grundlegende Werte zu vermitteln etwas zu hoch gegriffen, geschweige den mit einer Fußball-WM in Südafrika einen ganzen Kontinent zu retten.

Die von Annan angesprochenen „Heilkräfte“ sind jedoch zweifellos vorhanden, unabhngig ob er und Fifa-Chef Joseph Blatter nur „gute Freunde“ sind oder nicht. Auch der Hinweis auf die Mitgliederzahlen der Organisationen ist relevant: Die Vereinte Nationen haben 192 Mitgliedsländer, das IOC 205, die Fifa gar 208. IOV-Präsident Jacques Rogge jedoch arbeitet nach Darstellung von Evi Simeoni während seiner letzten Amtszeit an seinem „persönlichen Vermächtnis“. Dazu gehörten die 2007 beschlossenen Olympischen Jugendspiele, erstmals in diesem Jahr in Singapur, die er als „große gewonnene Schlacht“ bezeichnete.

Die Unterstützung der 26 olympischen Sommer-Sportarten durch fragwürdige Vorbilder ist vielleicht wirklich nicht geeignet, das Image des „heilsamen“ Sports den Jugendlichen zu vermitteln. Rogge wird zitiert: „Manche werden später vielleicht trotz allem Doping-Mittel nehmen.“ Doch besonders interessant für mich ist hierbei, dass in zehn Wettkämpfen gemischt geschlechtliche Teams antreten sollen. Dies ist – außer beim Korfball – eine Domäne des Teamsports Ultimate Frisbee, der auch an deutschen Schulen zunehmend als „Endzonenportart“ zur Durchführung empfohlen wird. Dieser schiedsrichterlose und damit potenziell für Olympia hoch interesante Sport ist immerhin bereits in Australien, Finnland, Indien, Japan, Niederlande, Norwegen und Schweden offiziell anerkannt.

In diesem Jahr finden nun erstmals vom 19. bis 25. Juli in Florenz U23-Weltmeisterschaften im Ultimate Frisbee statt – mit dem ausdrücklichen Ziel, die besten Nationen auch in Hinblick auf Hochschul-Weltmeisterschaften und die Olympischen Jugendspiele zu bestimmen. Während es klar ist, dass Ultimate  noch auf Jahrzehnte hianus keinen Eingang ins  Olympische Programm finden wird – auch wenn Jonathan Potts in Dubai den Hinweis erhielt, „die Tür sei offenfür neue olympische Sportarten“ – wären die Olympischen Jugendspiele vielleicht eine realistische Chance, den fairen, selbstverantwortlichen und koedukativen Sport Ultimate auf eine höhere Stufe zu heben.

Wochenend-Presseschau 17-10

Sonntag, 02. Mai 2010

Nach längerer Pause wieder ein Eintrag zu interessanten Presseartikeln des vergangenen Wochenendes. Regelmäßige Rubriken sind doch immer nur so gut wie ihre jeweiligen Inhalte. Womit ich schon bei der ersten Meldung wäre, eine Kurzmeldung im Kölner Stadt-Anzeiger vom vergangenen Samstag (trotz Feiertags). Darf der BDZV der von ihm selbst beauftragten Studie so ohne Weiteres vertrauen oder ist das Vertrauen in Paid Content eher ein „Sich-Selber-Mut-Zusprechen“?

Kölner Stadt-Anzeiger, 01.05.2010, BDZV über Bezahlmodelle im Internet

In der Welt am Sonntag dann zwei weitere interessante Artikel zur Internetkultur: Einmal befasst sich Frank Schmiechen mit dem neuen Facebook-Angebot, den „Like-Button“ des Sozialen Netzwerkes nun auch auf anderen Seiten einzubinden, das im Verlauf der Vorwoche bereits sein Kollege Thomas Heuzeroth behandelt hatte (texthilfe.de berichtete). Dieser hingegen führt ein Interview mit dem Antiviren-Softwareanbieter Eugene Kaspersky unter der Überschrift: „Sie können nie vor Hackern sicher sein.“ Besonders interessant darin, dass zwar jedes Internetvirus aufgespürt und unschädlich gemacht werden kann, die damit verbundenen Gefahren jedoch wachsen. So könnten z.B. Kraftfahrzeuge, in denen nicht mehr nur die Verbindung zum GPS über ein digitales Netz funktioniert, oder auch Flugezuege, die inzwischen Internet für Passagiere anbieten, gezielt lahmgelegt oder sogar übernommen werden. Zitat: „Ich selbst habe Dinge gesehen, die ich Ihnen nicht verraten kann. Nur so viel: Die Realität ist viel schlimmer.“ Beunruhigend.

Welt am Sonntag, 02.05.2010, Titel: Freundliche Übernahme

Die Blauäugigkeit vieler Menschen kommt als ein weiterer Aspekt im Interview zur Sprache. Sie wird nun durch Mark Zuckerberg und seinen Konzern Facebook systematisch ausgenutzt, indem er allen Internetseiten zur Verfügung stellt, den Bewertungsknopf „Mag ich“ auf der eigenen Homepage einzubinden. Dies machen inzwischen Modehäuser, Musikanbieter, sogar CNN. Die Folge: Als Mitglied von Facebook blicken Dich auf diesen Seiten die Gesichter Deiner Freunde an und geben ungefragt Ihre Empfehlungen an Dich weiter. Was für den Nutzer den vorgeblichen Vorteil vertauenswürdiger Empfehlungen bietet, liefert Facebook Daten über Dich und Dein Konsumverhalten – wenn Du es denn zulässt.

Laut Frank Schmiechen in der Welt am Sonntag lässt diese Entwicklung „das Empfehlungsinternet zu einem Massenphänomen“ werden: „Das Empfehlungsinternet ist nicht mehr zu stoppen, weil es große Vorteile für die Nutzer hat.  (…) Das Empfehlungsinternet wird uns noch viel mehr Dinge finden lassen, die wir nie gesucht haben, die aber trotzdem eine hohe Relevanz für uns haben. Dafür sorgen unsere Freunde.“ Auch wenn der WamS-Autor die Selbstdarstellung im Internet mag, wie er abschließend betont, weist er doch richtigerweise auf die „Aufmerksamkeit und Verantwortung“ hin, die der Nutzer aufbringen muss bei seinen privaten Entscheidungen, welche Kenntnisse über seine Person er in Bildern, Worten und Handlungen von sich preisgibt.

Aufgebauschte Anleihedebatte

Dienstag, 27. April 2010

„Adelaide versus Heidi“ lautet ein etwas überbewerteter Streit, der sich zwischen dem in Zürich lebenden Germanisten Peter Büttner und der Schweizer Heidi-Forschung entsponnen hat. Hintergrund war die Entdeckung Büttners, dass der Mülheimer Dichter Hermann Adam von Kamp bereits 1830 eine Geschichte mit dem Titel „Adelaide vom Alpengebirge“ veröffentlichte. Damals war Johanna Spyri, die geistige Mutter der „Heidi“, gerade einmal drei Jahre alt. Ihr Klassiker erschien 1879. Auf die ganze Geschichte hat mich der Artikel auf S.1 der heutigen Welt aufmerksam gemacht.

Welt, 27.04.10, Titel: Kommt Heidi aus Westfalen?

Brisanz enthält die Fragestellung alleine deshalb, weil es sich bei „Heidi“ um eine „Mythische Figur“ handelt, wie Sieglinde Geisel bereits vor knapp zwei Wochen in der Neuen Zürcher Zeitung betont. Sie führt – wie der Kutlruzeit-Beitrag – Regine Schindler an, Spyri-Biografin und freie Mitarbeiterin des Johanna-Spyri-Archivs im Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien, wonach sie es nach Lektüre des Vergleichstextes für ausgeschlossen halte, dass Johanna Spyri Kamps Erzählung als Vorlage für «Heidi» gedient habe. Rund ein Dutzend Parallelstellen hat der deutsche Germanist aufgeführt, die allerdings bereits den Begriff der Intertextualität als zu hoch gegriffen erscheinen ließen. 

Der Nachlass des Autors Hermann Adam von Kamp befindet sich im Stadtarchiv von Mülheim an der Ruhr. Auf der Homepage des Instituts wird etwas großspurig davon gesprochen, dass sich in dem 30-seitigen Text „bereits alle Versatzstücke des erst 50 Jahre später von Johanna Spyri verfassten Romans“ finden ließen. Davon ausgehend hatte die Schweizer Kultursendung „Kulturplatz“ das Thema aufgegriffen – was zu heftigen Reaktionen nicht nur in der schweizerischen Presse führte. Auf der Homepage der TV-Sendung übrigens auch eine Replik auf den NZZ-Artikel, worin es heißt: „Die vermeintlichen Gegenargumente, die Frau Geisel ins Feld führt und die ihrer Meinung nach auch von «Kulturplatz» hätten berücksichtigt werden müssen, zielen so weit an der Sache vorbei, dass man auf diese getrost verzichten kann.“ 

Schade, dass sich der Doktorand im Beitrag eher provokant äußert (im letzten Zitat scheint ihm das Wort „Schablone“ zu fehlen). Das letzte Wort aber ist in der Angelegenheit vermutlich noch nicht gesprochen. Allerdings ist es doch sehr interessant zu verfolgen, wie sich durch hochfahrende Emotionen einige Beteiligte zu vorschnellen Urteilen verleiten lassen. Keiner behauptet, Johanna Spyri habe abgeschrieben. Keiner möchte „Heidi“ den Schweizern wegnehmen. Die Erzählung von Kamps ist in der Heidi-Forschung noch nie aufgetaucht. Möglicherweise war sie aber der Autorin Spyri aus der Kindheit bekannt, dieser Umstand ließe als sehr interessante Neuigkeit durchaus den Schluss einer Intertextualität zu. Doch zuletzt: Eine „neue Verunsicherung, was wohl geistiges Eigentum ist“, die der Welt-Autor Wieland Freund vermutlich unter dem Eindruck des NZZ-Artikels konstatiert, kann ich hier nirgends erkennen.

Hier ein Eindruck davon, worum es in der Debatte geht:

Das süße iPad ruft nach einem sauren Apfel

Montag, 26. April 2010

Zugegeben – etwas albern der Versuch, die schöne Überschrift des heutigen FTD-Kommentars von Horst von Buttlar noch toppen zu wollen. Aber es ist einfach richtig: Mit dem Geschäftsmodell eines Tablet-PCs, auf dem sowohl kostenpflichtige Inhalte angeboten werden als auch – weitgehend dieselben als – kostenfreie im Internet, lässt sich die angeschlagene Zeitungsverlagsbranche nicht retten.

FTD, 26.04.2010, Titel: Der Apfel ist kein Strohhalm

Durch diese lakonische Bemerkung im Titel wird bereits die Grundhaltung verdeutlicht: Es handelt sich hierbei weder um einen Sündenfall (falls das das Unternehmenslogo darstellen sollte), noch um eine revolutionäre Enwticklung hinsichtlich der Vermarktung von Content, sondern in erster Linie einfach einmal um ein neues Gerät mit neuen Asumaßen und einer neuen Oberfläche. Ein technisches Gerät ist kein Marketingtool. Ein Apfel ist kein Strohhalm.

Doch selbst, sollte jemand versuchen, mit einem Strohhalm selbst aus einem saftigen Apfel direkt Saft zu ziehen zu wollen, wird er damit sicher scheitern. Insofern kann ein Tablet PC auch nicht dazu dienen, angeschlagene Zeitungsverlagshäuser (im angelsächsischen Raum weit stärker betroffen als im deutschsprachigen) zurück in die Gewinnzone zu führen. Horst von Buttlar bringt das schöne Beispiel eines Autohändlers, der einerseits Autos verkauft, andererseits aber kostenlose Shuttles für alle anbietet. Nichts anderes tun viele Zeitungsverlage, die  alle ihr Geld werten Zeitungsartikel kostenfrei ins Internet einstellt. So lässt sich kein Geld verdienen. Auch nicht mit dem iPad, das jede Menge Apps bietet, wobei manche von ihnen noch nicht einmal genauso viel bieten wie die Gratisangebote derselben Anbieter im Netz.

FTD, 26.04.2010, Zitat aus: Der Apfel ist kein Strohhalm

Ein Umsteuern der Verlage tut not, so die Schlussfolgerung des FTD-Autors. Alle Inhalte kostenpflichtig zu machen, dürfte ziemlich viele genüsslichen Onlineleser vor den Kopf stoßen. Eine Alternative wäre nur den gängigen, relativ belanglosen Content kostenfrei anzubieten und alles aufwändig Recherchierte, Exklusive, alles Hochwertige eben kostenpflichtig zu machen. Sehr schön abschließend auch seine Randnotiz zur Ironie des iPads: „Wir haben so gehofft, es würde uns befreien. Nun müssen wir erkennen, dass es uns zu einer überfälligen Entscheidung zwingt.“  – sozusagen in den sauren Apfel des Paid Content im Internet zu beißen…

Freie Journalisten möchten meist frei bleiben

Sonntag, 25. April 2010

Die Kölner Studentin für Medienkommunikation und Journalismus Sarah Schlifter hat im ersten Quartal des Jahres für ihre Bachelor-Arbeit eine Umfrage unter freien Journalisten durchgeführt, deren empirische Ergebnisse sie mir nun freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. 170 von 272 Angeschriebenen haben den Fragebogen vollständig ausgefüllt (62,5%).

Wichtige Erkenntnise hieraus: Gut zwei Drittel hat den Eindruck, die Auftragslage habe sich verschlechtert (69%), fast ebenso viele sind mit ihrem Beruf und den Umständen insgesamt nicht zufrieden (64%) und behaupten, dass sich der Beruf des Journalisten finanziell nicht lohnt (63%). Dennoch möchten mehr als drei Viertel der Befragten weiter frei arbeiten und streben keine Festanstellung an.

Sarah-Schlifter, Umfrage Freie Journalisten: Festanstellung

Als Gründe für diese bevorzugte Arbeitsweise werden vor allem genannt: Die freie Zeiteinteilung (knapp 85 %), für mehrere Arbeitgeber zu arbeiten (73,5%), „sein eigener Chef“ zu sein (72 %), sich die Themen aussuchen zu können (71%) und nicht ortsgebunden zu sein (66%).  Bei der Frage, ob das momentane Einkommen genüge, antorteten 32% mit „Ja, es reicht aus“, 29% mit „Nein“ und 39% antworteten, sie würden gerne mehr verdienen (wobei allerdings unklar bleibt, ob ihnen – wie nur zu vermuten – ihr jeweiliges Einkommen genügt). Diese partielle Unzufriedenheit deckt sich mit der Einschätzung der Frage, ob sich die Auftragslage verschlechtert habe.

Sarah-Schlifter, Umfrage Freie Journalisten: Auftragslage

Eine besondere Rolle in der Umfrage und der Fragestellung ihrer Arbeit spielte die Rolle der digitalen Medien auf das Berufsbild, das Selbstverständnis und die Beschäftgiung. 71 % der Befragten gaben an, dass der Status des Freien Journalisten durch die zunehmende Digitalisierung nicht gefährdet sei. Die überwältigende Mehrheit von 91 % glaubt nicht an einen „Tod der Printmedien“. Dennoch sprechen 72 % von einer Krise des Journalismus, die offensichtlich mit einer Verschlechterung der Auftragslage und einer relativ geringen Zufriedenheit einhergeht.

Sarah Schlifter, Umfrage Freie Journalisten: Zufriedenheit

Sicherlich wäre es eine spannende Aufgabe, die zahlreichen zitierten Antworten einzelner Teilnehmer zur Begündung ihrer Abstimmungen qualitativ zu überprüfen und zu hinterfragen, als Stichworte seien hier nur genannt die „Kostenloskultur“ im Internet, Nichtachtung qualitativer Standards, fehlende Zeit für Recherche, schlechte Arbeits- oder Vertragsbedingungen (das Buy-Out-Geschäft: Mehrfachverwertung ohne Mehrfachbezahlung).

In ihrer Zusammenfasung widerspricht Sarah Schlifter der Auffassung, dass Journalisten heute nicht mehr gebraucht würden. Um in der sich ändernden Medienwelt zu überleben, müssten sie zuverlässig, flexibel und ständig abrufbereit sein, gleichzeitig aber auch die Freiheit genießen können, um ihrem Beruf mit Herzblut nachzugehen. Der in die Zukunft gerichtete Blick könne dann positiv sein, wenn sie gute Arbeit ablieferten, sich vor Neuem nicht verschlössen (gerade im Hinblick auf die rasante Entwikclung im Internet) und Akquise und Kundenpflege betrieben.