Archiv für die Kategorie ‘Journalismus’

Diskussionen um durchsichtige digitale Welten

Samstag, 24. April 2010

Wieder einmal geraten die US-Internetkonzerne Facebook und Google ins Visier der Datenschützer: Google hat beim weltweiten umstrittenen Abfilmen der Straßen auch ungefragt bestehende Funknetze gescannt, Facebook bietet seine Dienste zum Einbinden auf privaten Homepages an.

Googles Vorgehen ist schlicht peinlich, denn andere Unternehmen wie Skyhook Wireless, mit denen Google zusammenarbeitet, erfassen diese Dasten bereits „offiziell“, das heißt als ausgewiesenes Geschäft ohne bisher als illegal zu gelten. Google zerstört dadurch Vertrauen, das sowieso zu großen Teilen nur aus der Bequemlichkeit seiner Nutzer bestehen dürfte. Facebooks Vorgehen dagegen ist raffiniert, indem die Nutzer dem Konzern bereitwillig Daten liefern, auch ohne im sozialen Netzwerk eingeloggt zu sein.

Welt, 23.04.10, Titel: Transparent wie ein Wasserglas

In seinem Kommentar in der Welt bezieht sich Thomas Heuzeroth auf Googles Verhalten – auch angesichts der Kritik an diesem Vorgehen. Der Konzern klagt, dass Kartenherstelelr für Navigationsgeräte aber auch tausende Handyprogramme auf die Wlan-Ortsbestimmungen zugreifen. Die haben sich dabei aber immerhin auf bestehende Verträge gestützt, mögen diese nun aus Gesichtspunkten des Datenschutzes gerechtfertigt erscheinen oder nicht. Der Welt-Autor sieht die Chance: „Dass Google unter Datenschützern zu einem Reizwort geworden ist, muss ja nicht schlecht sein. Damit wird das Unternehmen immer mehr gezwungen, doch bitte so durchsichtig zu sein wie ein Wasserglas.“

Das muss er mir aber bitte einmal erklären. Wer kann denn Google effektiv in die Knie zwingen, so lange die Nutzer seine Dienste weiter unkritisch in Anspruch nehmen? Dies erläutert Thomas Heuzeroth im Artikel vom selben Tage: „Facebook wird im Internet allgegenwärtig„. Am Beispiel von Facebooks Strategiewechsel lässt sich erkennen, was auch Google schon seit Jahren betreibt: Mit dem Programm Google Analytics kann ein Webseitenbetreiber eine Auswertung über die eigenen Besucher erhalten: „Woher sie kommen, was sie klicken, wohin sie gehen und mit welcher Software sie surfen. Und Google erfährt das natürlich auch.“

Im Fall von Facebook betrifft die Einbindung weitere, als nützlich erachtete Dienste wie den „Like-Button“, persönliche Empfehlungen oder die Darstellung der Aktivitäten anderer, befreundeter Nutzer. Die Allgegenwart der Konzerne ist insofern schon fast mit einer „Allmacht“ im Internet gleichzusetzen, zumindest was die Kenntnis über zahlreiche Eckdaten der an diesen Aktionen beteiligten Nutzer betrifft. kein Wunder, dass aufgrund der zunehmenden Bedeutung des mobilen Internets auch die Kenntnis über die bestehenden Funknetze nur ungern anderen überlassen wird.

Allerdings ist in meinen Augen eher der Nutzer, der sich – nicht ganz zwangläufig, aber doch sehr häufig – auf die Dienste dominanten Internetkonzerne einlässt, „Transparent wie ein Wasserglas“, nicht aber Google oder Facebook selbst, die es doch viel eher sein sollten. Die lachen sich eins, wenn sie die Diskussionen um Datenschutz verfolgen. Aber dafür ist mein kleiner Beitrag hier erstens zu unpopulär und zweitens zu wenig fundiert. Die Mittel und Wege zur Durchleuchtung der Nutzer ist, fürchte ich, noch weitaus raffinierter, als sich das der Otto-Normalsurfer vorstellen kann.

Form und Inhalt, vom Markt bestimmt

Donnerstag, 22. April 2010

Gratulation Steve Jobs! Da hat der smarte, harte Apple-Manager doch ganz hervorragende Zahlen präsentiert, den Nettogewinn im vergangenen, traditional eher schwachen Quartal fast verdoppelt, ein Umsatzplus vonf ast fünfzig Prozent. Damit eifert er nicht nur anderen US-IT-Konzernen nach wie Google, Intel und IBM, sondern er legt sogar noch eins drauf. Axel Postinett kommentiert im Handelsblatt unter der Dachzeile „Inside Apple“:

Handelsblatt, 21.04.2010, Titel: Steve Jobs, der digitale iGod

Mit seinem Quartalsergebnis übertraf Steve Jobs die schon optimistischen Analysten, entsprechend legte auch der Börsenkurs der Apple-Aktie nach. Fast 60 Prozent seiner Umsätze tätigt Apple mittlerweile außerhalb der USA, nachdem in Europa und Asien acht neue Anbieter das iPhone in ihr Programm aufgenommen haben. Allerdings, bemängelt der Handelsblatt-Kommentator, wird in Kalifornien nicht global gedacht und gehandelt, sondern „zutiefst amerikanisch, um nicht zu sagen provinziell“.

Handelsblatt, 21.04.2010, Apple-Gewinngrafik

Der Erfolg des Unternehmens speist sich aber wie gesagt vor allem aus dem internationalen Wachstum und dabei aus den Verkäufen des iPhones (ein Absatzplus von 131 Prozent im vergleich zum Vorjahr) und künftig auch des iPads. Der Erfolg, so Axel Postinett „ist unlösbar mit Inhalten, dem legendären App-Store und der Apple-Zensur verbunden.“ Am Beispiel der zwischenzeitlich verbotenen App des Cartoonisten Mark Fiore (Pulitzer-Preisträger) verdeutlicht er, dass sich Apple auf die „ungeheure Vielfalt der Kulturen und auch der Meinungen und Sitten auf der Welt einstellen“ muss. Ansonsten sei das System aus Hardware und kontrollierten Inhalten nicht zu retten. Unterdessen wächst der Börsenwert bereits an den von Microsoft heran.

Dem Kommentar ist nicht viel hinzuzufügen außer, dass andere Inhalteanbieter sicherlich auch demnächst aus den Puschen kommen werden. So sind, was eBooks betrifft, derzeit bereits drei Formate und noch kein dominierender Standard auf dem Markt. Allerdings sind für eine kulturelle Öffnung und Neuausrichtung bei Apple keine Anzeichen zu sehen, zu sehr ruht das Unternehmen im Erfolg, der auf dem Design seiner Produkte basiert. Vermutlich wird sich in Zukunft trotz weiterhin sehr guter Erlöse nach und nach eine Front von Kritikern am absolutistischen Verhalten der Konzern-leitung in Hinblick auf die verbreiteten Inhalte aufbauen. Ein Spieler im Markt darf nicht gleichzeitig die Form und die Inhalte der Neuen Medien bestimmen.

Streit ums „Bewusstseins-Huhn und -Ei“

Montag, 19. April 2010

Die Süddeutsche Zeitung hat im Feuilleton am vergangenen Freitag einen fast ganzseitigen Forschungsbericht der Psychologin und Neurowissenschaftlerin Lera Boroditsky veröffentlicht, übersetzt von Sebastian Vogel. Er stammt aus dem Band im S. Fischer-Verlag „Die Zukunftsmacher – Die Nobelpreisträger von morgen verraten, worüber sie forschen.“, herausgegeben von Max Brockman.

Am Eingang des hochspannenden Textes wird mein erster Gedanke reflektiert: Kann die Sprache überhaupt das Denken prägen, wenn es doch fraglos in Sprache stattfindet? Ist es daher nicht eher so, dass das Denken die Sprache prägt? Möglicherweise spielt das Denken unter verschiedenen Sprechern derselben Sprache eine erhebliche Rolle hinsichtlich ihrer Sprachauswahl und -gestaltung, aber die Unterschiede im Denken verschiedensprachiger Völker erklärt vorrangig doch nur eines: Ihre jeweilige Sprache. Insofern stattgegeben und eingetaucht:

Süddeutsche Zeitung, 16.04.2010, Titel: Wie prägt die Sprache unser Denken?

Anhand zahlreicher lebendiger Beispiele aus dem spannenden Alltag linguitisch-empirihscer Untersuchungen verdeutlicht Lera Boroditsky, dass Sprachen unterschiedliche Anforderungen an ihre Sprecher stellen, um aus verschiedenen Aspekten heraus denselben Sachverhalt unterschiedlich darzustellen. Aboriginees benutzen zur Bezeichnung räumlicher Verhältnisse anstatt links und rechts einen absoluten Bezugsrahmen (sind sich also stets der Himmelsrichtungen gewahr). Dies zeigte sich bei ihnen auch bei der Durchführung eiens Versuchs, aufeianderfolgende Bildkarten in der richtigen Reihenfolge zu ordnen: Sie legen sie stets von Ost nach West, abhängig davon, in welche Richtung sie dabei sitzen und blicken.

Das bedeutet, dass die räumliche Orintierung auch Zeitvorstellungen betrifft, ebenso wie die von Zahlen, Musik, Verwandtschaftsverhältnissen, Ethik und Gefühlen. Im Mandarin spricht man nicht vom nächsten Monat als vom dem, der „vor uns liegt“, sondern vom „unteren Monat“. Dies Raumvorstellung ist also eher vertikal als horizontal bestimmt. Aber selbst innerhalb Europas weichen viele Vorstellungen und Begrifflichkeiten voneinander ab: Während im Englischen und im Deutschen ein Gespräch „kurz“ oder „lang“ ist, ist es im Spanischen und im Griechischen eher „viel“, „groß“ oder „klein“.

Um festzustellen, ob die Unterschiede im Denken von der Sprache oder eher von der Lebensweise der Sprecher abhängen, haben die Forscher an der Stanford University und am Massachusetts Institute of Technology Englischsprechern wie im Griechischen Mengenmetaphern zur Beschreibung von Zeiträumen oder wie im Mandarin vertikale Metaphern zur Darstellung von Reihenfolgen beigebracht. In der Folge glichen sich die Kognitionsleistungen (die mentalen Prozesse) denen der Griechisch- und Mandarin-Sprecher an. Ergo: Wer eine Sprache lernt, lernt auch eine neue Art zu denken.

Weitere Unterschiede zwischen Sprachen betreffen zum Beispiel die Anzahl und Verwandtschaft von Farbwörtern, die Anzahl und Anwednung von grammtikalischen Geschlechtern (bis zu 16 verschiedene bei manchen australischen Ureinwohnern). Aber auch hier wird deutlich, wenn etwa ein Spanier und ein Deutscher eine Brücke beschreiben, so erhält der Gegenstand männliche Attribute im Spanischen, wo er männlich ist, und weibliche im Deutschen, wo er weiblich ist. Im Russischen dagegen muss ich in einem Satz „Mein Stuhl war alt“ alle Wörter aus Stuhl auf das Geschlecht anpassen. Die Gegenstände erhalten von Russissch-Sprechern noch weit ausgeprägtere typisierte Attribute. Da alle Substantive ein grammatikalisches Geschlecht aufweisen, stellt dieser Umstand doch eine erhebliche Prägung unseres Denkens, jedenfalls unserer Kognition dar.

Die Forschungen zeigen insgesamt, so schließt die Wissenschaftlerin, dass linguistische Prozesse für die meisten Bereiche unseres Denkens von grundlegender Bedeutung sind. Somit habe die Sprache tiefgreifende Auswirkungen auf unser Denken, unsere Weltsicht und unsere Lebensführung. Dennoch bin ich nicht letztlich überzeugt. Zweifellos wächst jeder Muttersprachler in einem eigenen Sprach- und Kulturraum auf. Teil jeder Kultur ist, die Dinge soundso wahrzunehmen, zu bezeichnen und sich über sie zu äußern. Denn Sprechen ist nichts anders als der „Bewusstseinsakt“, Gedanken zu äußern. Insofern gleicht die Frage, ob das Denken die Sprache beeinflusst oder die Sprache das Denken, ein bisschen der Frage nach dem Huhn und dem Ei.

Praktische Tipps für die Datensicherheit

Dienstag, 13. April 2010

Während in der vergangenen Woche Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner sich mit Facebook anlegen wollte, folgen nun endlich die heiß ersehnten Tipps für einen bewussten, möglichst sicheren Umgang mit den eigenen Daten in Sozialen Netzwerken. In der FAZ hatte Marco Dettweiler noch darauf hingewiesen, dass es durchaus eine ministeriale Aufgabe sein könnte, uns zu zeigen, “wo man in Facebook die richtigen Häkchen setzt“ (Texthilfe berichtete). Heute gibt uns Steffen Haubner im Magazin des Kölner Stadt-Anzeigers diese Tipps.

Kölner Stadt-Anzeiger Magazin, 11.04.2010, Titel: Vorsicht vor falschen Freunden

Erster Tipp: In den Privatsphäre-Einstellungen die Profil-informationen aufrufen und gegebenenfalls die Option „nur Freunde“ wählen.

Zweiter Tipp: Unter Kontaktinformationen festlegen, wer zum Beispiel die Telefonnummer einsehen darf. Am besten nur Freunde hinzufügen und Nachrichten schicken zulassen.

Dritter Tipp: Im Eingabefenster für neue Beiträge besteht die Möglichkeit, seine Statusmeldungen ebenfalls nur gewissen Leuten zu zeigen, entweder allen, nur den eigenen Freunden oder auch den Freunden von Freunden. Darüber hinaus sind benutzerdefiniert einzelne Kontakte hinzuzufügen oder auszuschließen.

Vierter Tipp: Das Einteilen der eigenen Freunde in einzelne Unterkategorien wie „Kollegen“, „Familie“ u.s.w. ermöglicht das vereinfachte Zuordnen von Nutzergruppen. Dazu in der linken Menüleiste Freunde anklicken und auf der neuen Seite oben rechts eine Liste erstellen. Die erstellten Freundesgruppen lassen sich dann bei der benutzerdefinierten Auiswahl von Kontakten wie Einzelpersonen auswählen.

Fünfter Tipp: Wer den Zugriff auf seine persönlichen Daten reduzieren möchte, sollte so wenig Spaßanwendungen wie möglich innerhalb von Facebook nutzen, vor allem diejenigen Umfragen und Spiele, bei denen vorher eine Zustimmung auf den Zugriff abgefragt wird. Im Konto-Menü lässt sich oben rechts unter „Anwendungs-Einstellungen“ ein Überblick ansehen, wo nachträglich die Zustimmung zur Nutzung persönlicher Daten widerrufen werden kann.

Sechster Tipp: In den Privatsphäre-Einstellungen sollte das Häkchen bei Öffentlichen Suchergebnissen deaktiviert werden, sofern die im Nutzerprofil gespeicherten Informationen nicht über Suchmaschinen auffindbar sein sollen.

Zuletzt mahnt der beschlagene Autor Steffen Haubner, dass der gutgläubige Facebook-Nutzer vielleicht nicht unbedingt unbekannte Freunde akzeptieren sollte, nur weil sie mit schönen Fotos locken. Abschließend verweist er auf die Untersuchung der Stiftung Warentest, die erhebliche Mängel in der Datensicherheit von Sozialen Netzwerken offenbart (Texthilfe berichtete). Ein Vergleich, wie es um die Datensicherheit in anderen Netzwerken bestellt ist, rundet den hoch informativen Beitrag ab.

Zweifel am Prediger des liberalen Islams

Samstag, 10. April 2010

In einem sehr interessanten Beitrag im Feuilleton der heutigen Welt berichtet Hannes Stein über den Auftritt des muslimischen Intellektuellen Tariq Ramadan in New York. US-Außenministerin Hillary Clinton hatte eigens sein Einreiseverbot aufgehoben, das ihm erteilt wurde, nachdem er einer der Hamas nahestehenden palästinensischen Organisation 900 Euro gespendet hatte. Bei dem „schmalen Mann mit einem feinen Intellektuellengesicht“ muss es sich um einen begabten Rhetoriker handeln, dem viele Zuhörer begeistert huldigen. Allerdings schwankt das Urteil über ihn zwischen einem Mittler zwichen dem Islam und der westlichen Welt und einem Wolf im Schafspelz. Entsprechend auch die Überschrift des Welt-Beitrags.

Welt_10-04-10_Die-lächelnde-Bombe

Sicherlich kann man dem Mann nicht vorwerfen, dass sein Großvater Hassan al-Banna Gründer der als radikal geltenden ägyptischen Muslimbruderschaft  ist. Allerding sei die schillernde Fassade seines Auftritts in New York genau an dem Punkt  ins Wanken geraten, als ihn ein Journalist des „New Yorker“ auf die Aufarbeitung der Haltung seines Großvaters ansprach. Hassan al-Banna bejubelte demnach den Mufti von Jerusalem, den als arabischer Freund mit den Nazis der Judenhass verband. Der Großvater habe zwar den Nationalsozialismus und Faschismus abgelehnt, aber den Mufti im Kampf gegen den Zionismus unterstützt.

Diese Frage brachte den eloquenten Redner dem Artikel zufolge einigermaßen ins Stocken. Tariq Ramadan bewundere auch den sunnitischen Rechtsgelehrten Jussuf al-Qaradawi, der Selbstmordattentate gegen israelische Zivilisten ausdrücklich billigt. Hannes Stein endet unmissverständlich: „Dieser säuselnde Beschwörer der Plattitüde wird jetzt (…) als der kenntlich, der er wirklich ist.“ Vor diesem Hintergrund ist zum Beispiel auch nachfolgender Beitrag aus der Kulturzeit in 3sat aus dem vergangenen Sommer mit Bedacht zu verfolgen.

Ist das Deutsche noch zu retten?

Dienstag, 06. April 2010

Zwei Besprechungen des neuen Buches des Kölner Germanisten Karl-Heinz Göttert: „Deutsch. Biografie einer Sprache“ mit unterschiedlichem Tenor (Texthilfe berichtete über einen Welt-Beitrag des Autors): Zum Einen das Interview von Matthias Heine mit dem Autor in der Welt (in der Print-Version: „Man spricht Deutsch“), zum Anderen die kritische Rezension von Hans-Martin Gauger in der FAZ unter nachfolgendem Titel:

FAZ, 06.04.2010, Titel: Unsere Sprache ist nicht die reine Unschuld

Im Welt-Interview geht es um interessantes Wissen, beginnend mit der zweiten Lautverschiebung, die den Startpunkt einer deutschen Sprache markiert, über die Ausbreitung des Süddeutschen nach Norden hin, ohne dass die im 15. Jahrhundert niedergehende Macht der Hanse diesen Prozess behindert hätte, bis hin zu den starken Einflüssen von Martin Luther, der nicht nur den Wortschatz bereicherte, sondern auch die Großschreibung von Substantiven einführte, und den Brüdern Grimm mit ihrem „Deutschen Wörterbuch“. Später wird auch der Punkt aus einem Aufsatz von Karl-Heinz Göttert thematisiert, wonach er das Deutsche aktuell nicht durch das Englische bedroht sieht (s. den älterenTexthilfe-Eintrag).

Die FAZ-Besprechung hingegen zieht zunächst die Methode in Frage – ob anstatt der „rektochronologischen“ nicht eine „retrochronologische“ Herangehensweise (von heute zurück bis zum Beginn der Sprache) angemessener gewesen wäre? – und macht dem Autor zum Vorwurf, er vergleiche zu wenig mit den Entwicklungen anderer Sprachen, er schweife häufig von der Sprach- zu einer Literaturgeschichte ab und schließlich, er formuliere einerseits zu locker, andererseits für Laien dennoch nicht nachvollziehbar. Noch spannender: Hans-Martin Gauger weist dem Buchautioren zahlreiche historische Fehler nach (deren Stimmigkeit ich nicht kontrollieren kann): „Es fehlt Plasbergs „Faktencheck“.“

Demnach sei das Elsässische noch heute und nicht wie im Vorwort behauptet nur bis vor zwei Generationen vorhanden. Demnach habe König Ludwig der XI. nie ein Edikt erlassen, dass alle Franzosen zum Sprechen des „Île de France“-Französischen genötigt habe. Demnach sei die Zuordnung des Wortes „Eid“ zum Keltischen strittig. Demnach sei im 9. Jahrhundert in Frankreich kein „Vulgärlateinisch“, sondern zwischenzeitlich ein „Galloromanisch“ gesprochen worden. Demnach habe der ängstliche Descartes die Aufklärung nicht losgetreten. Demnachkönne Francis Bacon nicht als „Erzrationalist“ sondern viel eher als „Erzempirist“ bezeichnet werden.

Weiter wird akribisch aufgeführt: Der Sprachkritiker Fritz Mauthner habe mit seinen „Beiträgen zu einer Kritik der Sprache“ 1901/1902 Nietzsche nicht beeinflusst, da dieser bereits 1900 gestorben sei. Die Dresdner Bombennacht habe nicht im März, sondern am 13. und 14. Februar 1945 stattgefunden. Victor Klemperer habe klar unterschieden zwischen der deutschen Sprache und der „Sprache des Dritten Reichs“ („Lingua Tertii Imperii“). In Bezug auf die Rechtschreibdebatte stellt der FAZ-Autor klar, die „Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung“ gehöre dem „Deutschen Sprachrat“ nicht an.

Die Kritikpunkte gipfeln in der Ausführung, dass es für Göttert keine Verführung durch Sprache gebe: „Es ist nie die Sprache. Die ist immer die reine Unschuld.“ In diesem Zusammenhang bezweifelt Gauger auch dessen Haltung zur Gefahr, die dem Deutschen vom Englischen drohe: „Übrigens ist dies keine wissenschaftlich zu entscheidende Frage, denn da gibt es nur schwach zu begründende Vermutungen.“ In seiner Conclusio versteigt sich Hans-Martin Gauger: Weil Götterts Verneinung der Gefahr ein unsicherer Analogieschluss unter Verweis auf die Vormacht des Französischen im 17. Jahrhundert sei, dürfe er sich auch nicht gegen Andersdenkende wenden. Denn damals hätte nur „eine massive, organisierte und zum Teil hochnationalistische Gegenwehr“ die Überflutung vermieden.

Göttert sagt in der Welt, das Deutsche wurde damals gerettet, „weil das Bürgertum sich durchgesetzt hat“, da „war die Sache des Französischen hierzulande verloren“. Ich betrachte diesen Punkt ähnlich pragmatisch: Die Sprache ist lebendig. Letztlich haben wir als Gemeinschaft ebenso wie die Regierung und das Fernsehprogramm auch die Sprache, die wir verdienen. Gespannt bin ich allerdings auf die Antworten Karl-Heinz Götterts auf die zahlreichen weiteren Vorwürfe.

Frei sein heißt sich selbst zu zwingen

Montag, 05. April 2010

Vorwne weg: Die Überschrift bezieht sich nicht auf den Texthilfe-Eintrag vom 30. März zu Überwachung Neuer Medien, sondern auf einen Artikel im Journal des Deutschen Journalisten-Verbandes in Nordrhein-Westfalen. Werner Hinse (selbst freischaffender Journalist) bespricht die Untersuchung des Dortmunder Studenten Simon Lenartz am dortigen Institut für Jounalistik zur Frage, inwieweit sich bei Freien private freie Zeit mit beruflich bestimmter Zeit vermischen.

Journal DFV-NRW 02-10, Titel: Gute Organisation ist alles

In 14 ausführlichen Interviews wägte er gemeinsam mit seinen Probanden die Vor- und Nachteile des Freien-Status ab. „Die freie Auswahl von Themen und Medien, das Gefühl der eigenen Unabhängigkeit, das Arbeiten ohne unliebsame Kollegen oder Chefs sowie, und sicherlich an erster Stelle, die Möglichkeit der freien Zeiteinteilung“ überwögen die negativen Aspekte. Der Interviewer stellte dabei fest, dass die meisten Freien ihre Zeiteinteilung sehr gut im Griff hätten.

Journal DJV NRW 02-10, Zwischenüberschrift: Gute Organisation ist alles

Demnach versuchten Freie fehlende feste Arbeitszeiten durch „vergleichbare Grenzen zu ersetzen“. Selbst seit mehr als zehn Jahre selbstständig und frei beschäftigt, kann ich nicht behaupten,  dass dadurch feste Arbeitszeiten „weggebrochen“ seien. Ich habe mir doch vielmehr diesen Status und die Möglichkeit der freien Zeiteinteilung bewusst gewählt! Zustimmen kann ich allerdings der Beobachtung, dass bis zu einem Abgabetermin der genaue Zeitaufwand nicht in jedem Fall genannt werden kann, bzw. nicht in jedem Fall vollständig in Anschlag gebracht werden kann.

Die „Freiheit“ bringt nach meiner Auffassung mit sich, dass auch während der nicht als Arbeitsstunden notierten Zeiten eine Beschäftigung mit einer Materie stattfindet. Dies ist bei festangestellten Mitarbeitern sicherlich ebenso der Fall, möglicherweise aber in geringerem Maße. Die Frage ist, inwieweit der Freie die anhaltende unterschwellige Beschäftigung mit einem Thema oder einem Auftrag ausblenden könnte oder sollte. Was tatsächlich Stres verursacht, so Simon Lenartz weiter, seien die Arbeiten der Selbstorganisation wie „Marketing, Akquise, Kommunikation, Buchhaltung.“

Journal DJV-NRW 02-10, Zwischenüberschrift: Gute Organisation ist alles

Hier werde am häufigsten nebenher gearbeitet, bei diesen Punkten vermische sich Erwerbsarbeit und Privatleben am stärksten. Sehr schön in diesem Zusammenhang der zitierte Satz aus der Zusammenfassung: „Die vermeintliche Autonomie wird dann zu einer (durch Marktzwänge) fremdbestimmten Selbtbestimmtheit.“ In diesem Sinne möchte ich auch meinen Titel verstanden wissen: Frei sein heißt, mich nicht zum Arbeiten zu zwingen, sondern zu einer sinnvollen, realistischen und familienverträglichen Zeiteinteilung. 

Warum ich dann am Ostermontag zu so etwas blogge? Weil es mir Spaß macht! Das kommt bei der Wahl und dem Ausüben des Berufs erschwerend hinzu.

Der „Flat Apple“ im Big Apple

Sonntag, 04. April 2010

Der brilliant inszenierte Verkaufsstart des iPads in New York war Anlass für die Welt am Sonntag eine große Geschichte daraus zu stricken. Immerhin konnte die Welt-Gruppe als einziger deutscher Zeitungsverlag rechtzeitig das App für seine Artikel entwickeln, den „iKiosk“. Daneben haben dies bisher nur das „Wall Street Journal“ und die „New York Times“ geschafft. Allerdings interessiert mich weniger der genaue Ablauf des Marketing-Lehrstück als vielmehr der (vorläufige) Produkttest des „ersten Deutschen mit einem iPad“, von Kritsanarat Khunkham (in der Welt am Sonntag unter folgender Überschrift).

WamS, 04.04.10: Meine ersten Stunden mit dem iPad

Vorteile des als Heilsbringer der Zeitunsgverlage gepriesenen Geräts: seine extrem geringe Dicke von nur 1,3 Zentimetern, die edle Optik und Haptik (hinten gebürstetes Aluminum, vorne Glas), ein gestochen scharfer, farbiger Touchsreen mit intuitiv einfacher Bedienung. Seine Nachteile: gegenüber dem e-Book-Reader „Kindle“ von Amazon“ ist das iPad mit 730 Gramm mehr als doppelt so schwer (der Kindle wiegt 290 Gramm), die iBooks-Anwendung muss erst noch installiert werden, gleichzeitig stehen dem iPad nur 60.000 Titel  zur Verfügung (gegenüber 400.000 beim Kindle). Auch wird die Akku-Laufzeit von zwei Wochen beim Kindle kaum erreicht werden können. Schon 12 Stunden, wie von einem Kollegen der New York Times behauptet, wertet Kristaranat Khunkham als Sensation.

Über den vergleichsweise neutralen Bewertungen des Geräts ist nicht zu vergessen, dass die Zeitungsverlagshäuser ein vitales Interesse daran haben, dass das ca. 370 Euro teure Gerät ein Erfolg wird. Zum Erstellen von Content sei es wenig geeignet, urteilt der WamS-Autor, hingegen sehr zum Konsumieren von Content, etwa auf der Fläche eines A4-Blattes. Sein Resümee lautet, dass er es mag – was für Fans von Steve Jobs‘ Produkten vorzugsweise gelten wird. Interessanterweise erscheint das im Titel der Printausgabe gewählte Zitat („einfach verflucht gut“) nirgendwo im Text. Allerdings glaube ich, dass seine Einschätzung einer „echten Evoltuion. Technik, die jeder versteht“. den Nagel auf den Kopf trifft.

Letztlich handelt es sich bei Touchscreens, auf denen mit Daumen und Zeigefinger Dateien aufgezogen werden können, um die nächste Stufe der physischen Abhängigkeit von nützlicher Technik. Als bsiher Nicht-Applenutzer bleibe ich dabei, dass ich Bücher (und auch Zeitungen) nach wie vor athmosphärisch lieber von Papier lese. Wie veraltet wird diese Einschätzung wohl in hundert Jahren klingen?

Aprilscherze am Gründonnerstag

Samstag, 03. April 2010

Das Osterfest wird mit dem Gründonnerstag eingeläutet, dessen Namen vom mittelhochdeutschen Wort für „greinen“ also „wehklagen“ stammt. Dass der 1. April in diesem Jahr auf diesen traurigen Tag fiel, tat den Scherzen jedoch keinen Abbruch. Interessant dabei, dass der erste aus einer Zeitung bekannte Aprilscherz aus dem Jahr 1774 ebenfalls mit Ostern zu tun hatte: Nicht nur Ostereier, sondern auch Hühner seien in allen möglichen Farben denkbar. Zur Züchtung müsse man nur die Umgebung der Hühner in der jeweils gewünschten Farbe anzustreichen. Das entlockt uns heute allenfalls ein müdes Lächeln.

Die Seite brauchtum.de führt noch weitere medial inszenierte Aprilscherze auf, so die Ankündigung der Stuttgarter Zeitung 2003, dass die Aldi-Kette plane in Zukunft in ihren Filialen Benzin zu verkaufen. In diesem Jahr gab es Meldungen über Billigflüge ins Weltall und neue Handynummern für alle EU-Bürger. Laut dpa-Meldung, zum beispiel bei der Gießener Allgemeinen seien Schlagzeilen über ein angeblich geplantes Porto von einem Cent für Emails am glaubwürdigsten gewesen. Der Aprilscherz war von 57 deutschen Rundfunksendern organisiert worden – bis in die Mittagstunden wurde auf allen Kanälen darüber diskutiert, welche Folgen die Gebühr haben wird.  Allerdings hat sich auch Galileo, das Wissensmagazin einen Aprilscherz erlaubt:

 

Noch etwas zur Herkunft des Montasnamens: Lateinisch „Aprilis“ soll nach Ovid von „aperire“ = öffnen kommen, weil der Frühling alles öffne. Das erste „in den April schicken“ ist in Bayern 1618 und im restlichen Deutschland 1631 belegt. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts findet sich in Deutschland erstmals das Wort „Aprilnarr“, im 18. Jahrhundert formuliert Abraham a Santa Clara in „Etwas für alle“ (1733): „Heut` ist der erste April, da schickt man den Narren wohin man will.“

Aktive Sitzposition in der Nische

Sonntag, 28. März 2010

US-Schriftsteller Dave Eggers stapelt im Welt-Interview mit Wieland Freund tief. Eingangs angesprochen auf den Vergleich mit Bono antwortet er: „Er steht auf einer Bühne, auf der wir Schriftsteller nie stehen werden. Wir sitzen immer in der Nische. Ich bin wahrscheinlich einfach der Typ, der jeden nervt.“ Das verbindet ihn doch wieder mit Bono, der auch schon gewaltig nerven kann. Dabei für sich und in der Sache sehr erfolgreich.

Welt, 27.03.10, Titel: "Die Leute lieben Print"

Dave Eggers hat neben mehreren journalistischen Romanen auch das Drehbuch zu „Wo die wilden kerle wohnen“ geschrieben, den alternativen Verlag „Mc Sweeney’s“ und das Bildungsprojekt  „826 National“ gegründet. Tantiemen aus Verkaufserlösen steckt er wieder in gemeinnützige Projekte, weil er sagt: „Wir haben ein Haus, Geld zurück gelegt für das College der Kinder, alle haben anzuziehen und zu essen. Wenn dafür gesorgt ist, was dann?“ Sehr sympathisch, vor allem für einen erfolgreichen Autor und Unternehmer. Radikal neue Ideen, behauptet er, erreichten die USA (und vermutlich entsprechend auch andere Nationen) über ein Buch. Über Unwege kommt das Gespräch gegen Ende auf sein Verlegertum und den Buchmarkt zurück. „Die Leute lieben Print“ sagt Dave Eggers in diesem Zusammenhang, während er zu Hause keinen Internetzugang besitzt und sich nur durch Zeitungen informiert.

In diesem Zusammenhang der Einschub bezogen auf einen anderen Artikel aus derselben Zeitung, Die Welt, vom Freitag:

Welt, 27.03.10, Titel: "Times" ist online nur noch gegen Gebühr zu lesen

Der Konzern „News Corp“ baut aktuell sein kostenpflichtiges Angebot massiv aus. Die Kosten für Online-Nutzer der „Times“ belaufen sich auf ein Pfund pro Tag (etwa 1,11 Euro) oder zwei Pfund pro Woche, lediglich für Abonnenten der gedruckten Ausgabe bleibt der Online-Zugang kostenfrei. Die nicht mehr unbeschränkte Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Verlagsinhalten im Internet berührt den guten Dave Eggers nach diesem Modell so oder so nicht (erstens bevorzugt er Print und zweitens hat er vermutlich das eine oder andere Abonnement).

Neben der „Times“ und der „Sunday Times“ werden der Welt zufolge auch die Boulevardblätter „Sun“ und „The News of the World“ im Internet kostenpflichtige Artikel anbieten. Bisher hatten lediglich einige Wirtschaftszeitungen wie die „Financial Times“ und das „Wall Street Journal“ ihre Internetangebote kostenpflichtig gemacht. Die „New York Times“ wird 2011 folgen. Eine Frage der Zeit, bis auch die Verlinkung auf die Welt-Artikel wie in diesem Beitrag so nicht mehr möglich sein wird. Allerdings stimme ich Dave Eggers zu – um auf das Interview zurück zu kommen – dass die Kostenloskultur der Zeitungsverlage im Internet (selbst-)“zerstörerisch gewirkt“ hat. Daher bringt der Verlag McSweeney’s auch Zeitschriften heraus mit dem Anspruch, „besser zu sein, als sie es vor zehn oder 15 Jahren waren, als die Konkurrenz noch nicht so groß war.“

Welt, 27.03.10, Zitat Dave Eggers aus "Die Leute lieben Print"