Archiv für die Kategorie ‘Journalismus’

Aspekte der Web-Beherrschung

Mittwoch, 17. Februar 2010

Hoch interessantes Interview mit dem Wiener Medientheoretiker, Internetaktivisten und Musiker Konrad Becker in der Welt. Zahlreiche Themenfelder werden in dem von Wieland Freund geführten Interview angeschnitten. Nachfolgend der Versuch die für mich wichtigsten Aspekte unter diesen Stichworten herauszufiltern: Googles Marktmacht, Ökonomie der Aufmerksamkeit und Pflege der Informationslandschaft.

Die Welt, 15.02.10, Titel des Interviews mit Konrad Becker

Googles Marktmacht – „Pro Tag werden im Internet etwa vier Milliarden Suchanfragen gestellt. 67 Prozent davon an Google“ (Wieland Freunds Einleitung zur ersten Frage). Aus Konrad Beckers Antwort: „Untersuchungen besagen, dass die Niederschrift eines wissenschaftlichen Papiers bei einer Mehrzahl der Geistesarbeiter heute mit einer Google-Anfrage beginnt.“ Dazu aus einer anderen Frage: „Googles Geschäftsmodell lautet: Tausche Suchergebnis gegen Konsumentenprofil. Googles zahlende Kundschaft sind die Werbetreibenden, nicht die Suchenden.“, sowie, aus einer anderen Antwort: „mittlerweile gehen Googles Bemühungen weit über die Suchmaschine und das Erstellen persönlicher Profile hinaus. Es geht um soziale Profile, soziale Netzwerke. Und denken Sie an das Google-Telefon in Verbindung mit Google Maps: Früher hat der Herr auch immer gewusst, wo sich sein Gscherr aufhält. Die Verknüpfung solcher Daten, insbesondere von Geomarker-Daten, ist hochproblematisch.“

Ökonomie der Aufmerksamkeit – Die Ordnung der Google-Anfrage nach dem Page-Rank-Prinzip wird von Konrad Becker als „sehr problematisch“ bezeichnet: „Informationslandschaften sind reich, wenn sie über Vielfalt, sozusagen über Biodiversität verfügen. Das Page-Rank-Prinzip aber nimmt dem Aufmerksamkeitsarmen und gibt dem Aufmerksamkeitsreichen. Das führt zu einer Verarmung. Es kommt zu Schleifenbildungen.“ Hierbei bemüht er den Begriff der „Folksonomie“ (eine Wirtschaftslehre der einfachen Leute) und erläutert: „Gemeint ist das Social Tagging im Web 2.0, die individuelle, oft recht willkürliche Verschlagwortung durch die Benutzer selbst, die an die Stelle einer von Experten definierten, hierarchisch festgelegten Kategorisierung tritt. Aufgrund der schieren Datenmenge spielt diese amateurhafte Wissens-organisation im Internet mittlerweile eine wichtige Rolle.“

Pflege der Informationslandschaft – Konrad Becker erläutert: „Google und andere Suchmaschinen pflegen den Mythos einer rein algorithmischen Maschinenlogik, die jenseits aller Beeinflussung läge. Man weiß aber inzwischen, dass an den Suchergebnissen durchaus gedoktert wird. Ganze Redaktionsteams arbeiten daran.“ In diesem Zusammenhang spricht er von einer Verschmutzung der Informationslandschaft. Auf der anderen Seite würde User-Content durch große Unternehmen ausgebeutet. Apple als „Gate-keeper“ (Torwächter zu Internet-Inhalten) sei nur bedingt mit der katholischen Kirche zu vergleichen (schöne Oberfläche ohne Blick dahinter mit der Möglichkeit sich mit einem einfachen Spendenmodell von seinen Sünden freizukaufen).

Konrad Becker sagt, er möchte nur ungern „vor die Wahl „große Gatekeeper oder Gratiskultur“ gestellt werden“. Gleichzeitig gehe es „nicht nur um Entertainment-Content, sondern auch um Bildung, um Zugang zu Behördendaten, Forschungsergebnissen und dem Kulturerbe.“ Im Sinne einer Landschaftspflege fordert er daher die „Regulierung öffentlicher, gemeinsamer Ressourcen. Frequenz-bänder etwa sind ein öffentliches Gut.“ Denn: „In einer nachhaltigen Informationslandschaft müssen Vielfalt, Zugang und Transparenz gewährleistet werden.“

Wochenend-Presseschau 06-10

Montag, 15. Februar 2010

Die Süddeutsche Zeitung portraitiert am Samstag den Verlagserben Konstantin Neven DuMont, die Welt am Sonntag bringt einen Beitrag zu sozialen Netzwerken sowie im NRW-Teil einen über den Center-TV-Chef Andre Zalbertus.

Süddeutsche, 13.02.10, Titel: Der Mann am Pool

Mit diesem Mann ist kein Urlauber gemeint, sondern Konstantin Neven DuMont, dessen Image sich verfestigt habe, „ein Verleger-Sohn zu sein, der mehr Sohn als Verleger ist“. Dirk Graalmann portraitiert den Vorstand des Kölner Medienhauses DuMont Schauberg, der nach eigenen Angaben zu seinen Schwächen steht. Darunter zählten das Video seiner Rede, die er vor drei Monaten aus Anlass seines 40. Geburtstages gehalten hat, als auch die zahlreichen Einlassungen im Blog des Medienjournalisten Stefan Niggemeier. Der Titel mit dem Pool bezieht sich auf den neu gegründeten Reporterpool von Wirtschafts- und Politikjournalisten für die vier Zeitungen des Medienhauses, Berliner Zeitung, Kölner Stadt-Anzeiger, Frankfurter Rundschau und Mitteldeutsche Zeitung. Als Chef des mittlerweile drittgrößten Zeitungsverlagshauses Deutschlands muss er sich etwas einfallen lassen, um dem Medienumbruch zu begegnen. Er beschreibt ein Paid Content-Modell mit anfangs sehr geringen Gebühren für alle Titel seines Hauses. Dirk Graalmann resümiert: „Die neue Medienwelt bietet ihm womöglich die Chance aus dem Schatten seines Vaters herauszutreten, für dessen Größe er nichts kann.“

WamS NRW, 14.02.10, Titel: Zalbertus: Neue Zeitung für das Revier

Ein anderer Medienmacher in Nordrhein-Westfalen ist der „mehrfach ausgezeichnete Fernsehjournalist“ und Unternehmer Andre Zalbertus, über den im NRW-Teil der Welt am Sonntag steht, dass ab dem 22. Februar das neue Programm von Center TV Ruhr aus Bochum rund um die Uhr senden wird. Über die lukrativen Unternehmungen mit seinem „Heimatfernsehen“ hinaus –  an dem übrigens die „jeweiligen Medienplatzhirsche DuMont Schauberg (Köln) und Rheinische Post (Düsseldorf)“ beteiligt sind – wünsche er sich, zweimal in der Woche eine Zeitung für das Ruhrgebiet herauszubringen. Das Vorbild hierfür soll das Schweizer Unternehmen „Jungfrau Zeitung“ sein.

WamS, 14.02.10, Titel: Plappern auf allen Kanälen

Thomas Jüngling thematisiert in der Welt am Sonntag, dass, „wer überall dabei sein möchte, leicht den Überblick verlieren könnte“. Am Beispiel des neuen, von Google gegründeten sozialen Netzwerkes „Buzz“ wird die Bereitschaft vieler User kritisiert, pausenlos möglichst viel über sich preiszugeben. So sei bei „Blippy“ die Angabe der Kreditkarte Pflicht, um über alle daraufhin dargestellten Bestellungen über diese Karte mit anderen Nutzern diskutieren zu können. Um den Überblick zu behalten, bietet Buzz nun eine extra Funktion an, wonach Nutzer über die für sie relevanten Beiträge informiert werden – eine Art „Posting Alert“ also.

Zum Einstieg innerhalb der fast 180 Millionen Google Mail-Nutzer umfassenden potenziellen Erstkunden werden bereits alle einmal angeschriebenen E-Mail-Kontakte als Freunde registriert. Allerdings, so Thomas Jüngling, hätten auch die sozialen Netzwerksfunktionen der Maildienstleister Yahoo  und Hotmail keinen überzeugenden Erfolg gehabt. Immerhin handele es sich bei den Google Mail-Nutzern um eine durchschnittlich sehr junge Klientel – mehr als die Hälfte von ihnen soll jünger als 25 Jahre sein. Dies würde den Aufbau einer Plattform für Onlinespiele begünstigen. Hauptsache, Werbung lässt sich unterbringen. Das kann Google besser als alle anderen.

Glaubwürdiges Abstreiten der Urheberschaft

Sonntag, 14. Februar 2010

Vorlagen und Vorverurteilungen im Fall Hegemann. Die 17jährige, über Nacht zu deutschlandweitem Ruhm gelangte Jungautorin Helene Hegemann trägt viel zur Popularität ihres Erstlings „Axolotl Roadkill“ bei, indem sie – salopp gesagt – Öl ins Feuer der Kritiker gießt. In der Welt am Sonntag schreibt Laura Ewert, bereits im Januar habe Hegemann der Zeitung gesagt: „Man findet’s immer spannend, wenn man Teenager scheitern sieht.“

WamS, 14.02.10, Titel, Fall Hegemann: Teenager sollen scheitern

Die WamS-Autorin konstatiert eine „aggressive Stimmung“, gar „Hass“, wenn junge Menschen wie zuvor bereits Benjamin Lebert und Charlotte Roche erfolgreiche Bücher schreiben. Die Debatte um das Kopieren einzelner Abschnitte sei dagegen nur zweitrangig und diene lediglich als vorgeschobener Grund, „ihr den Literaturanspruch abzuerkennen“. Im Beitrag zum „Fall Hegemann“ wird Thomas Steinfeld aus der Süddeutschen Zeitung angeführt, der angeblich das ganze Buch zum Plagiat erklärt hat. Demgegnüber wird der Verlag zitiert: „Anhand des Buches werden mittlerweile Fragen verhandelt, die mit dem Text nichts mehr zu tun haben und ihn auch gar nicht in Betracht ziehen.“

Ein berechtigter Hinweis. So sollte ich selbst vielleicht auch den Mund halten, da ich das Buch noch nicht gelesen habe. Doch beschäftigt mich aktuell weniger das Buch (das ich wie gesagt nicht kenne) als vielmehr genau diese Medienhysterie. So hat es denn nichts damit zu tun, eine Jugendliche scheitern sehen zu wollen, wenn ihr fehlerhaftes Verhalten im Zitieren fremder Texte vorgeworfen wird. Die Lust am Scheitern anderer ist (unabhängig vom Alter) nichtsdestoweniger und leider Gottes durchaus auch ein weit verbreitetes Motiv medialer Berichterstattung. Allerdings trägt die Buchautorin Hegemann nichts dazu bei, den Vorwurf zu entkräften oder ein gewisses Einsehen zu signalisieren. Das scheint bereits weniger Überzeugung als Kalkül zu sein.

Kölner Stadt-Anzeiger, 13.02.10, Titel: "Wahrscheinlich nicht von mir"

Mit dem hier dargestellten Zitat aus der Harald-Schmidt-Show treibt Helene Hegemann ein Spiel, das einerseits ihre Auffassung von Literatur bestätigt, andererseits jedoch geneigt ist, eine „Scheiß-egal-Grundhaltung“ zu repräsentieren. Wenn sie sich gegenüber Harald Schmidt an einzelne Passagen ihres eigenen Buches nicht erinnern kann und darauf antwortet: „Wahrscheinlich ist das nicht von mir. Deshalb kann ich mich daran erinnern.“, dann nimmt ihr das jede Glaubwürdigkeit. Dass sie im Umkehrschluss (wie ebendort betont) den Glauben an seriöse Berichterstattung verloren hat, lässt nur die Vermutung zu, dass sie sich mit der gesamten Debatte um Literaturtheorie nicht auseinandersetzen möchte und sich stattdessen schmollend zurückzieht.

Vielleicht irre ich mich auch gewaltig, aber diese Art des Auftretens hinterlässt bei mir einen starken Zweifel. Bei der Vorstellung des Hörbuchs in der Harald-Schmidt-Show erklärt Helene Hegemann, die Vorleserin Birgit Minichmayer sei auf ihren ausdrücklichen Wunsch ausgewählt worden. In der Besprechung des Hörbuchs in der Welt heißt es: „Das hat der Verlag Hörbuch so gewollt, weil er wahrscheinlich dachte, ihr Namer auf dem Cover würde Hegemanns Geschichte von der verkorksten, verkoksten Fängerin im Berlinmittegetreide auf der Hippness-Skala noch weiter nach oben schießen lassen.“

Welt, 13.02.10: Minichmayer zerschnippelt Axolotl

Die folgende Kritik an der Produktion mag angemessen sein: „Birgit Minichmayer liest, als hätte sie den Text just in dem Moment zum ersten Mal zu Gesicht bekommen. (…) Alle zwei Sätze hört man einen Schnitt, einen Neuansatz. Das Hörbuch ist ein einziger Schnipselsalat.“ Die eingangs dort aufgeworfenen Vorwürfe allerdings sind unangemessen: „Ob es sich beim literarischen Bleichlurch des Jahres um ein Plagiat handelt (durchaus). Ob es sich um einen Fall von Kindesmissbrauch oder elterlicher und verlegerischer Aufsichtspflichtverletzung handelt (wahrscheinlich)“.

Sie gipfeln schließlich in der Behauptung, dass „ein Mädchen, das derart hilflose Rechtfertigungsschriften verfasst wie Helene Hegemann, an einem elaborierten, mit allen Wassern der Rezeptions-, Literaturwissenschaft gewaschenen Text“ länger gesessen haben müsse als sie alt sei. Damit deutet der Welt-Autor mit dem Kürzel „DW“ an, ähnlich wie Jürgen Kaube in der FAZ (zitiert in der WamS), der Text stamme möglicherweise gar nicht von ihr, sondern vielleicht von ihrem Vater. Wenn sie nun ostentativ wiederholt, dass der Text wahrscheinlich gar nicht von ihr stamme, dann erscheint das letztlich doch wieder glaubwürdig.

Ein Dienst für noch mehr Nutzerdaten

Donnerstag, 11. Februar 2010

Google hat aktuell seinen neuesten Dienst namens „Buzz“ vorgestellt. Dabei handelt es sich aber um keine Heldentat, wie sie Buzz Aldrin begangen hat (der zweite Mann auf dem Mond), sondern eher um eine verspätete Reaktion auf das bisherige Unvermögen im Bereich der sozialen Netzwerke Fuß zu fassen. Ähnlich interpretiert den Vorstoß auch Thomas Lindemann im Welt-Kommentar:

Welt, 11.02.10, Titel: Google will Twitter ersetzen

Der beliebte und gehypte Mitteilungs- oder besser gesagt Zwitscherdienst soll mit Zusatzoptionen à la Facebook kombiniert werden, damit sich Google so als Anbieter eines Social Media-Portals etablieren kann. Allerdings darf der Erfolg vorab bezweifelt werden, wie Thomas Lindemann schreibt: „Bei dem Portal Google Orkut, auf dem Freunde und Bekannte sich vernetzten können, haben sich etwa 20 Millionen Kunden angemeldet, vor allem aus Brasilien und Indien. Der große Konkurrent Facebook hat 400 Millionen Nutzer.“

Ähnlich beurteilt auch Helene Laube in ihrem Artikel „Google hechelt Konkurrenz hinterher“ in der FTD die Situation und ergänzt: „Andere Versuchsballons wie Dodgeball, Jaiku, Lively, Google Friend Connect oder Open Social wurden entweder eingestellt oder werden kaum genutzt.“ Im FTD-Kommentar wird  darauf abgehoben, dass die meisten der rund 150 Millionen Gmail-Nutzer sich bereits auf anderen Netzwerken tummeln. „Und anders als die meisten sozialen Netzwerke steht Google stets unter Verdacht, es mit dem Datensammeln zu übertreiben. Auch Buzz hat bereits Datenschützer auf den Plan gerufen.“ Die nachfolgende Grafik stammt aus dem Artikel im FTD-Wirtschaftsteil:

FTD, 11.02.10, Grafik: Verweildauer in Netzwerken

Damit zurück zum Welt-Kommentar, der den Google Mail-Service kritisiert: „Die Tatsache, dass Mails dort automatisch durchkämmt werden, damit der Benutzer auf ihn zugeschnittene Werbung bekommt, ist vielen nicht geheuer.“ Dabei eröffnet doch gerade Google mit seiner Unternehmens-Grundidee bezahlter Werbelinks die aktuelle Entwicklung hin zum Social Commerce, der gläsernen Klassifizierung von Nutzern sozialer Netzwerke.

„Ein paar Konzerne fechten aus, wie die Gesellschaft der nahen Zukunft kommuniziert.“, schreibt Thomas Lindemann. Dabei bezieht sich das „wie“ auch auf den Grad der Durchschaubarkeit der Nutzer. Überraschend aufgrund seiner Marktposition, schlussfolgert er weiter, dass Google im aktuellen „erbitterten Kampf um das soziale Netz“ zurzeit der große Verlierer ist.

Wochenend-Presseschau 05-10

Montag, 08. Februar 2010

Digitale Datenfluten und das latente Unwohlsein in der virtuellen Welt sind Themen in der FAZ vom vergangenen Samstag und in der Welt am Sonntag. Im Leitartikel der Samstags-FAZ beschwört Carsten Knop anlässlich der Vorstellung von Apples iPad den technologischen Fortschritt.

FAZ, 06.02.10, Titel: Die digitale Evolution geht weiter

Beinahe schon selbstverständlich, dass er betont: „Kein Gerät (…) ist in der Lage, (…) eine kraftvolle Entwicklung (…) schon heute zu ihrem krönenden Abschluss zu bringen.“ Zudem führt er ins Feld, „dass wohl keine Branche unter einem derartigen Innovationsdruck wie die Informationstechnologie steht.“ So kommt er zu dem wenig überraschenden Schluss, dass die IT „so unübersichtlich und wechselhaft wie das Leben“ ist. Bleibt nur hinzuzufügen: und genauso gefährlich und stets endend mit dem Tod.

WamS, 07.02.10, Titel: Kann Twitter Journalisten ersetzen?

Die nächste interessante Fragestellung betrifft ein Experiment fünf französischsprachiger Journalisten, die sich auf einem Bauernhof zusammengesetzt haben, um einen Tag lang unter Verzicht aller traditionellen Medien nur auf Twitter und Facebook zurückzugreifen. Auf die am Sonntag in der WamS-Rubrik Menschen und Medien von Tim Ackermann gestellte, oben abgebildete Frage hatte die FAZ schon tags zuvor eine mögliche Antwort geliefert: „Da geht schnell mal die Welt unter“. Dabei meint Jürg Altwegg die altehrwürdige Welt, nicht die gleichnamige deutsche Tageszeitung.

Inhaltlich schließlich jedoch keine Überraschung: „Die sozialen Netzwerke sind im „global village“ das Gespräch über den Gartenzaun hinweg. Aber auch der spießige Blick aus dem Fenster.“ Die westschweizer Teilnehmerin Anna-Paule Martin wird zitiert: „Das Austauschen von Meinungen und lustigen Videos kann Spaß machen, aber mit irgendeiner Nachrichten-Relevanz hat das nichts zu tun.“ Demgemäß führt Jürg Altwegg auch den Pariser Mediensoziologen Dominique Wolton an, der Twitter und Facebook für „keine Konkurrenz, schon gar keinen Ersatz“ für traditionelle Medien hält. Mit ihrer Verbreitung werde „die Notwendigkeit des Qualitätsjournalismus (…) nur noch augenfälliger.“

WamS, 07.02.10, Titel: Mein Hirn gehört mir

Ebenfalls in beiden genannten Zeitungen sehr interessante Essays über die Auswirkungen des Internets auf das menschliche Denken. Jakob Augstein, der Verleger der Wochenzeitung „Freitag“ fragt im WamS-Feuilleton, warum es schwer fällt zu begreifen, dass der Computer unser Denken übernimmt (vielleicht genau deshalb?). Mit dem Bild uns verfolgender Software-Agenten stimmt er ein in das Klagelied Frank Schirrmachers, dass wir den Computern unser Denken, unsere Freiheit und unsere Zukunft opferten.

Allerdings verleiht er seinem Plädoyer Schirrmacher Gehör zu gewähren Nachdruck, indem er seine Forderung einer „dritten Kultur“ des öffentlichen Diskurses zur digitalen Revolution unterstützt. Mit Schirrmacher: „Die Informatiker müssen die Scripts erklären, nach denen wir handeln und bewertet werden (…) Wir brauchen Dolmetscher aus der technolgischen Intelligenz“. Ansonsten, so Jakob Augstein, bestehe die Gefahr, dass sich das Individuum „mit seiner Identität und seiner Zukunft im Digitalen aufzulösen droht“.

Noch mehr auf das Individuum bezogen behandelt Stephen Baker (aus dem Englischen von Michael Adrian) im Feuilleton der Samstags-FAZ die Bereicherung und Bedrohung des Internets für das menschliche Gehirn. „Während unsere Gehirne seit 40.000 Jahren mehr oder weniger gleich geblieben (…) sind, entwickelt sich unser externes Gehirn sprunghaft.“ Die vernetzte Welt als Gehirn, behauptet Stephen Baker, werde durch eine schier unfassbare Ansammlung von Daten immer klüger; daher müsse jeder für seinen eigenen Kopf eine Strategie entwickeln, was ich wissen möchte, was ich wissen sollte.

Er bemüht die Ökonomie der Aufmerksamkeit, wonach soziale Netzwerke ohne Nutzer zusammenbrechen. Ausgeliefert einem „Basar der Ablenkungen“ würden wir im schlimmsten Fall konfus, vielleicht auch dümmer, während die vernetzte Welt immer intelligenter würde. Insofern lokalisiert er die Frage, was wir in unsere Köpfe lassen und was wir darin behalten, als „die Frage unserer Generation“, ohne Antworten darauf anbieten zu können.

Für das tägliche Leben empfehle ich, einen Plan B bereit zu halten. Falls also die Internetverbindung einmal streikt, auch eine Enzyklopädie befragen zu können, oder falls sich eine Antwort auf eine Frage nicht durch Internetrecherchen ergibt, jemanden anzurufen, der sich damit auskennt. Reelle Gespräche, bei denen man sich gegenüber sitzt, haben oft weitaus erhellenderen Charakter als das Graben im virtuellen Trümmerhaufen der Schwarmintelligenz.

Ist oder hat das Internet wirtschaftliche Zukunft?

Sonntag, 07. Februar 2010

Der Verband der Deutschen Internetwirtschaft „eco“ und die Beratungsgesellschaft Arthur D. Little haben Anfang des Jahres die Studie „“Die deutsche Internetwirtschaft 2009-2012. Überblick, Trends und Treiber“ vorgelegt. Demnach verbreiten die meisten Akteure innerhalb des Verbandes einen großen Optimismus, allen voran die Online-Händler und so genannte Transaktions-Dienstleister (Anbieter von Programmen, die in Rechenzentren und nicht auf privaten Computern laufen). Etwas großspurig klingt jedoch das Fazit der Zusammenfassung der Studie, wonach sie dokumentiere, „die wirtschaftliche Zukunft liegt im Internet“. Das Internet bietet sicherlich gute Wachtsumsaussichten für die Zukunft, ein allumfassendes, gänzlich umverzichtbares Medium ist es dagegen immer noch nicht.

FAZ, 02.02.2010, Titel: Internet-Wirtschaft erwartet stark steigende Umsätze

Am vergangenen Dienstag hat die FAZ in einer  Kurzfassung einer  Besprechung der Studie festgestellt, dass das Innovationstempo hoch bleiben werde, dominiert von mittelständischen Unternehmen. Infrastrukturanbieter dürften unter hohen Investitionen und sinkenden Preisen zu ächzen haben. Bislang entfällt ein Großteil der Umsätze von zuletzt 45,7 Milliarden Euro (2008) auf den elektronischen Handel und das Festnetz-Internet. Von besonderem Interesse für mich sind die Aussichten der Segmente Online-Werbung, Online-Plattformen und Internet-Inhalte.

Hierzu heißt es im Fazit der Studie: „Der Inhalte-Markt wiederum explodiert förmlich. Noch suchen die Anbieter nach nachhaltigen Geschäftsmodellen, nachdem sie lange Zeit den Trend „verschlafen“ haben. Hier wird die Frage zu klären sein, wie aus „Plain Content“ „Paid Content“ wird. Das mobile Internet könnte den Weg dazu weisen.“ Im Abschnitt „3.12 Internet-Inhalte“ heißt es dazu: „Web 2.0 hat das Angebot von User Generated Content im Netz massiv erhöht – auch wenn ein profitables Geschäftsmodell oftmals fehlt. Internet-Inhalte haben sich damit bei Medienkonsumenten etabliert und kosten die klassischen Print-, TV- und Radiomedien konstant Marktanteile und Werbeeinnahmen.“ In der FAZ wird ergänzend hierzu Harald Summa vom eco-Verband zitiert,  der als Wachstumstreiber neben der nächsten Version des Internetprotokolls (IPv6) soziale Netzwerke, das mobile Internet, berührungsempfindliche Bildschirme und Bewegtbilder benennt.

Statistik zur Medienentwicklung aus der Studie von Eco und A.D.Little, Januar 2010

Das richtige Leben im falschen Körper

Freitag, 05. Februar 2010

Die Sozialkritikerin Naomi Wolf hat in einem Gastkommentar in der Welt darauf hingewiesen, dass „Avatar“ der erste Hollywood-Blockbuster ist, der Amerika aus der Perspektive der übrigen Welt kritisch darstellt. In Verbindung  mit dem unterbewussten Schuldgefühl der Amerikaner im Zusammenhang mit dem Krieg gegen den Terror (bzw. dem gegen Vietnam) stelle der Film eine „irrationale Traumarbeit“ dar, die den tatsächlichen Zustand der USA (bzw. ihres kollektiven Unterbewussten) wahrheitsgetreuer abbildet als dies jede offizielle Erklärung könnte.

Die Welt, 05.02.10, Titel: Was uns "Avatar" sagt

Damit dürfte der Film wesentlich dazu beitragen,verdrängtes Wissen über ihre seichte nationale Mythologie zu Tage zu befördern. Während der querschnittsgelähmte, weiße Held – durch die Avatar-Technologie zu Gehversuchen in einem anderen Körper befähigt – anfangs noch ungläubig fragt: „Was bin ich, der Schurke?“, kommt er später zur Erkenntnis, dass die auf dem Planeten Pandor zur Zielscheibe gewordenen Ureinwohner zu Recht kein Interesse an der Lebensform der Menschen haben: „Wir haben nichts, was sie interessiert.“

Die Kernfrage ist für mich, ob aus dem Held im Vorgang der Transformation von einem Menschen zu einem „Na’vi“ ein anderer wird? Ändert er nur seine äußere Hülle oder ändert er damit auch seinen Charakter, sein Selbstbewusstsein? Zweifellos ändern sich mit der fiktiven Vorstellung, einen anderen Körper einzunehmen, die Selbstwahrnehmung, das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein. Der Einfachheit halber stellt sich der Held des James Cameron-Films am Ende im anderen Körper aber noch immer als derselbe Jack Skully dar. Aber gehen wir davon aus, dass er dies nicht auf Dauer bleiben könnte.

Bereits Mitte vergangener Woche hat Thomas Lindemann ebenfalls in der Welt eine Betrachtung des Avatars als „prägende Figur der Popkultur“ vorgenommen. Der Verlust des Ichs wird in der Umschreibung Siegmund Freuds zitiert als „nicht mehr Herr im eigenen Haus“ zu sein. Dabei suggerierten Filme wie „Avatar“ und „Surrogates„, ein anderer sein zu können. Nichts anderes geschieht bei online Rollenspielen von „Second Life“ bis „World of Warcraft“ – vorübergehend spielerisch ein anderer zu sein. Die genannten Filme (ähnlich in „Matrix“) warten allerdings mit der Visison eines lebensumfassenden, auf künstlichen Zweitkörpern basierenden Systems auf. Das Andere im Film „Avatar“: die Welt der Außerirdischen ist die bessere, das Leben im Avatar ist in der Fiktion objektiv zu bevorzugen. Den Unterschied zu den vergleichsweise stumpfen Video- und Onlinespielen mache das „Ringen um Identifikation und Erlösung“ aus. Mit dem Avatar-Prinzip verbunden sei jedoch die Angst, „dass es in uns  selbst eigentlich leer und tot sein könnte – wie in einem abgeschalteten Avatar“.

Die Welt, 27.01.10, Titel: Es gibt doch ein richtiges Leben im falschen

Schade, dass die kleine Abhandlung von Thomas Lindemann das im Titel zitierte Wort Adornos nicht thematisiert. Die berühmte Aussage „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ behandelt im Umfeld ihres Erscheinens die Möglichkeit der moralischen Ausrichtung des menschlichen Handelns (Theodor W. Adorno: Minimalia Moralia I, 18, Gesammelte Schriften, Band 4, S. 19). Eine Auslegung könnte davon ausgehen, dass das Leben in seiner Gänze falsch ist (eine Deutung, die der destruktiven Grundhaltung Adornos angesichts einer vom Massenmord der Nationalsozialisten überschatteten Moderne nahekommt), dann aber bliebe demgemäß kein Ausweg, richtig zu handeln (im Sinne einer Generalentschuldigung für jedes Vergehen). Die Bedeutung, die viele Autonome dem Satz zukommen lassen, in einem falschen System dennoch ein richtiges (politisch angemessenes) Leben zu führen, entspricht dennoch nicht Adornos Intention in der 18. (von 153) Miniaturen, bezeichnet „Asyl für Obdachlose“.

Er schrieb zwar andernorts vom Totaliären der Aufklärung, dem Hang des Rationalen zur Beherrschung und Unterdrückung und von der verwalteten Welt, dennoch geht es darum, in der fremden Behausung (der Entfremdung) den Sinn für die Angemessenheit dieses  Asyls zu erkennen. Bewusste Entfremdung vom Kindheitsideal der heilen Welt erscheint demnach als einzig richtige und moralisch vertretbare Reaktion auf die Grausamkeit der Vernunft, des Totalitären, der Shoah. Das Leben unbeeindruckt vom eigenen schlechten Gewissen fortführen zu wollen, als hätten Massenvernichtungen nicht stattgefunden, das ist hier das falsche Leben, in dem es kein richtiges Leben geben kann.

Damit scheint Adorno zugleich eine verblendete Grundhaltung ausschließen zu wollen, um sich überhaupt die Möglichkeit für richtiges Tun offen halten zu können. Allerdings – um einerseits auf das Prinzip „Avatar“ zurück zu kommen – erweist sich das Leben in einem fremden Körper als eine deutliche Entfremdung gegenüber dem ursprünglichen (natürlichen) Menschsein, und – um andererseits auf den gleichnamigen Film zurückzukommen – erweist sich der „Umzug“ in den Avatar-Körper vor dem Hintergund eines erwachten Unrechtsbewusstseins als die Flucht nach vorne in ein (idealisiertes) „richtiges Leben“.

Wochenend-Presseschau 04-10

Montag, 01. Februar 2010

Die Frage, was das Gold kostet, war in der FAZ vom vergangenen Samstag nicht auf den Börsenkurs des Edelmetalls bezogen, der sich innerhalb von sechs Jahren etwa vervierfacht hat und eine Bestmarke nach der nächsten erklimmt. Der Artikel von Michael Horeni und Michael Reinsch beschäftigt sich vielmehr mit den Bestleistungen deutscher Athleten im olympischen Wettbewerb.

FAZ, 30.01.10, Titel: Was kostet das Gold?

Genauer geht es um die Sportförderung deutscher Olympiateilnehmer, kurz vor Eröffnung der olympischen Winterspiele in Vancouver. Obwohl die kunstvoll gestalteten Goldmedaillen selber allenfalls sechs Gramm Gold enthalten und damit einen Materialwert von etwa 160 Euro darstellen, sind mit dem Gewinn einer solchen Medaille weitaus mehr geldwerte Vorteile verbunden – wobei wir an dieser Stelle gar nicht einmal über Werbeverträge sprechen wollen. Doch ist der Gewinn einer Goldmedaille gleichbedeutend mit der höchsten Förderstufe des DOSB. Und ein hohes Ziel des DOSB ist es, im ewigen Medaillenspiegel der Winterspiele (wenn auch nicht offiziell anerkannt durch den IOC) Russland die Führung abspenstig zu machen.

Dass bei der Zählung aller Goldmedaillen für Deutschland ebenso diejenigen aus dem Dritten reich (zwei Stück 1936 in Gamrisch-Partenkirchen) wie diejenigen aus DDR-Zeiten (54 Goldgewinne bei Winterspielen) dazu zählen, wird dabei als nur nebensächlich bewertet. Denn es geht ums nationale Prestige. Immerhin ist das Bundesinnenministerium von Thomas de Maiziere mit 139 Millionen Euro größter Förderer des deutschen Sports. Vor vier Jahren in Turin konnte Deutschland mit elf mal Gold (insgesamt 29 mal Edelmetall) den ersten Rang der Nationenwertung belegen. In diesem Jahr sollen es noch mehr goldene Medaillen werden

Jedes olympische Goldstück wird dem Beitrag zufolge mit 15.000 Euro von der Stiftung Deutsche Sporthilfe belohnt, der Deutsche Skiverband gibt sogar 25.000 Euro für einen Olympiasieg aus. Aber diese Summen sind nichts verglichen mit den Kosten, die innerhalb eines Vierjahreszyklus entstehen, um die Athleten (von denen aktuell etwa zwei Drittel im Staatsdienst beschäftigt sind), in Höchstform zu bringen. Die DDR hat nach Angaben des Potsdamer Historikers Hans-Joachim Teichler 1,1 Milliarden DDR-Mark jährlich aufgewandt, bezogen auf 46 Goldmedaillen 1988 in Calgary und Seoul hat demnach eine rund 98 Millionen DDR-Mark gekostet. Bezogen auf die 27 deutschen Goldmedaillen von Turin 2005 und Peking 2008 kommen die Autoren auf eine Fördersumme von 846 Millionen Euro oder den Preis von gut 31 Millionen Euro pro Goldmedaille.

Als zynisch kommetieren Michael Horeni und Michael Reinsch die Ausrichtung rein auf Medaillensspiegel und Olympiasiege: „Sie ordnen diejenigen als gescheitert ein, die es nie aufs Siegertreppchen von Olympische Spielen gebracht haben“. Eine Fehlbetrachtung in diesert Kalkulation sieht auch Holger Preuß, Professor für Sportökonomie an der Universität Mainz. Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft hat ihn beauftragt, den Anteil des Sports am Bruttoinlandsprodukt zu errechnen. Doch auch diese Erhebung muss das vernachlässigen, was er an der Eingangsfrage bemängelt, „Vorbildwirkung und Freude seien zu berücksichtigen. Sport erreiche Ziele wie Erziehung zur Demokratie und außenpolitische Darstellung – und vielleicht sogar den Zuschlag für die Winterspiele 2018 in München.“

DuMont kündigt Redaktionsgemeinschaft an

Samstag, 30. Januar 2010

Unter der Schlagzeile „Position stärken“ berichtet der DuMont-Verlag heute in eigener Sache im Kölner Stadt-Anzeiger über die Absicht, mit einer Redaktionsgemeinschaft künftig die Ressorts Politik, Wirtschaft und Gesellschaft für vier Zeitungen zu beliefern. Zum Verlag gehören neben dem Stadt-Anzeiger die Berliner Zeitung, die Mitteldeutsche Zeitung und die Frankfurter Rundschau.

KStA, 30.01.10, Vorspanndes Artikels: DuMont: Position stärken

Für das geplant 25köpfige Team, auf das sich Journalisten ab sofort bewerben können, sollen bisherige Mitarbeiter aus den DuMont-Redaktionen bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt werden.  Über die Anzahl der damit verbunden Entlassungen wird nichts gesagt. Arbeitsbeginn der Gemeinschaft soll Anfang April sein, ihr Sitz ist in Berlin mit einem zweiten Standort für die Wirtschaftsberichterstattung in Frankfurt am Main. Chefredakteurin wird  die bisherige stellvertretende Chefredakteurin der Berliner Zeitung Brigitte Fehrle, ihr Stellvertreter der bisherige Leiter der Wirtschaftsredaktion der Frankfurter Rundschau Robert von Heusinger.

Im aktuellen Statut der Berliner Zeitung ist noch von einer „Vollredaktion“ die Rede, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet.  Nach Recherchen des Kress-Reports sollen in den Politik- und Wirtschaftsressorts der betroffenen Blätter  schreibende Redakteure verbleiben. Die Redaktion der „Berliner Zeitung“ hatte Mitte Januar in einem offenen Brief gegen die Pläne zur Bildung von Redaktionspools protestiert. Bereits am 9. November 2009 hatte Texthilfe einen ähnlich lautenden Bericht der Süddeutschen Zeitung aufgegriffen. Bleibt abzuwarten, ob sich diese Entwicklung tatsächlich als eine Qualitätssteigerung oder doch nur als Sparmanöver entpuppt.

Unerwartetes burdaesk verbinden

Donnerstag, 28. Januar 2010

„Connect the unexpected“ steht als Leitwort auf der Startseite des in München abgehaltenen Burda-Kongresses „Digital, Life, Design“. Unerwartet Verschiedenes verbanden die Berichterstatter von der Welt, Thomas Heuzeroth, und der FAZ, Detlev Borchers, mit der Veranstaltung. Rund 800 Unternehmer und Kreative nahmen kurz vor dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos daran teil, hauptsächlich um sich zu orientieren. Denn das Motto der Konferenz lautete „Map your future“, wobei es sich – nach der im FAZ-Artikel vertretenen Ansicht zweifellos um eine Google-Map gehandelt haben müsse.

FAZ, 28.01.10, Titel: Google hat ein Ohr für alles

Der Welt-Autor betont, dass es wieder einmal eine Konferenz der schönen Worte gewesen sei – so habe es sich um „Informavore“ gedreht, also Informationsfresser (von Carnivore, Fleischfresser), und auch Frank Schirrmacher beschwor wieder einmal die Informationsüberflutung. Daneben habe Hubert Burda in seinem Eingangsstatement sein letztjähriges Wort der „lousy pennies“ in Bezug auf die Ertragslage der Online-Werbung eingeschränkt. „Zusammen mit E-Commerce-Angebote jedoch könnten profitable Unternehmen entstehen.“, heißt es.

Weitere Bonmots werden zitiert, etwa von MySpace-Chef Owen Van Natta: „Man muss sich erneuern, bevor man merkt, dass man sich erneuern muss.“, oder vom Computerwissenschaftsprofessor David Gelernter von der Yale Universität: „Wozu sind wir eigentlich so gut informiert?“ Eine mögliche Antwort auf diese Frage könnte der Ansatz bieten, den der FAZ-Autor gewählt hat, um die Konferenz zu besprechen: „Der Kurs auf dem Kontinent Google wird von Google bestimmt und ist in einer Google-Map vorgezeichnet. Kein Wunder, dass der Internet-Konzern zum Schluss der Konferenz allen Teilnehmern ein Google-Nexus schenkte, ein schickes Mobiltelefon mit Sprachnavigation, die direkt von Google-Servern kommt. So kann Google fortlaufend überwachen,. was das bunte Trüppchen treibt.“

Die Welt, 26.01.10, Titel: Die Zeit der lausigen Pfennige ist vorbei

Diese durchaus nachvollziehbare Sicht der Dinge gibt der Überschrift aus der Welt eine ganz neue Relevanz. Um so mehr, wenn man bedenkt, dass Google allein in Deutschland jährlich rund 20 Milliarden Euro Umsatz mit seinem Anzeigengeschäft macht, während es die deutschen Zeitungsverlage auf gerade einmal 160 Millionen Euro Anzeigenumsatz im gleichen Zeitraum bringen (zitiert nach Ulrich Clauß in der Welt vom 22. Januar). Als nächste Stufe der Gewinnmaximierung von Google skizziert Detlev Borchers den „Social Commerce“, indem sich die Werbetreibenden direkt über die sozialen Netzwerke an ihre Kundengruppen wenden werden.

Das sieht dann etwa so aus, dass Wal-Mart in seinen Läden massenweise Netbooks installliert, über die entscheidungs-schwache Käufer sich Meinungen in den bevorzugten sozialen Netzwerken abrufen können. Tun sie das, greift Wal-Mart dabei auch Informationen über ihr Nutzerverhalten ab. Wenn sich am Ende der Konferenz schließlich die Teilnehmer um die Ausgabe der Nexus-Handies drängeln um ihre eigenes gläsernes Dasein noch schneller zu erreichen, dann erinnert mich das an die Vergnügungsinsel bei Pinocchio, auf der die kleinen Jungen mit Glücksspiel und Zigarren zu Eseln verwandelt werden.

Eine Übersicht der deutschen Magazintitel im Burda-Verlag sowie einige weiterführende Artikel zu weiteren Themen der DLD.