Mit ‘Peter Sloterdijk’ getaggte Artikel

Die tägliche Arbeit des Philosophen

Sonntag, 20. Dezember 2009

„Es gibt vermehrt einen Typus von relativ verantwortungslosen Intellektuellen, und darin vermag ich noch nicht einmal eine persönliche Schuld zu erkennen“, erklärt der Philosoph Axel Honneth im Gespräch mit Michael Hesse im Kölner Stadt-Anzeiger vom vergangenen Donnerstag. Hintergrund ist die Auseinandersetzung mit dem provokanten Philosophen Peter Sloterdijk über die Grundlagen des Sozialstaates (Texthilfe hatte das Thema schon einmal beiläufig aufgegriffen).

Kölner Stadt-Anzeiger, 17.12.2009, Titel Honneth-Interview

Darin bezeichnet er Sloterdijks Forderung, die Sozialleistungen des Staates auf Spendenbasis zu finanzieren, als „an den Haaren herbeigezogen“ und unvernünftig. Er konstatiert dem Kontrahenten „keine Spur von Einsicht in die soziale Interdependenz, in die Auswirkungen schwer kontrollierbarerer Wirtschaftsvorgänge, kurz, in die gemeinsam zu übernehmende Verantwortung für das Schicksal jedes Einzelnen.“ An späterer Stelle erläutert er weiter: „In einem Streich all das destruieren zu wollen, was wir in 150 Jahren moralischer Kämpfe in modernen Gesellschaften notdürftig etabliert haben, um die Notleidenden und Gestrauchelten von ihrer beschämenden Hoffnung auf großzügige Gaben von oben zu befreien, halte ich für obszön.“

Auch, wenn der Adressat hier sicher widersprechen würde, setzt Honneth seine Überlegungen fort in Hinblick auf „Mechanismen in der kulturellen Öffentlichkeit“ und auf die Frage, „welche Rolle die Philosophie in der demokratischen Kultur sinnvoll übernehmen kann“. Die erste Antwort lautet: „Wenn die Philosophie gar keine begrifflichen Anstrengungen mehr unternimmt, ihre Argumente diskursiv zu klären und plausibel zu machen, ist es um sie traurig bestellt.“ Die zweite: „Der Wert von Äußerungen wird immer stärker an ihrem Neuigkeits-, Überraschungs- und Provokationswert bemessen, immer weniger an der sachlichen Originalität. (…) Unsere Aufgabe als akademisch tätige Philosophen ist es, dort, wo durch diesen Strukturwandel wirklicher Unsinn erzeugt wird, das Wort zu ergreifen.“

Während meines Studiums an der Uni Konstanz habe ich von Philosophie-Professoren das ermutigende Wort gehört: „Der Philosoph hat immer zu tun.“ Die tägliche Arbeit betrifft genau die Auseinandersetzung mit nachlässigen Redeweisen, mit unzutreffenden Schlussfolgerungen oder wie es Axel Honneth sagt, mit der diskursiven, begrifflichen Klärung von Argumenten.