Der Legende nach soll schon Cäsar ein hervorragender Multitakser gewesen sein, der neben dem Fernsehen telefonieren konnte und parallel dazu Befehle an seine Truppen gab. Aber diese Legende kann ja gar nicht stimmen – angeblich sind doch nur Frauen multitaskingfähig! Doch dann musste ich am Wochenende im Kölner Stadt-Anzeiger lesen:
Einer Studie des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung zufolge können Frauen mehrere Aufgaben gleichzeitig auch nicht besser handhaben als Männer. Jüngere sind dabei auch nicht besser als Ältere, hieß es weiter. Das einzige, für alle Gruppen übereinstimmende Ergebnis war, dass sich der psychische Druck auf die Studienteilnehmer erhöhte, der Herzschlag scih beschleunigte, sie angespannter waren und sie insgesamt die Aufgaben schlechter bewältigten. Das führt mich unmittelbar zu einem anderen Artikel des vergangenen Wochenendes von Wieland Freund aus der Welt:
Der Autor geht in seinem Kommentar bereits davon aus, dass die Vorstellung, Frauen seine multitaskingfähiger (so 80% der Befragten einer Intel-Studie im Jahr 2003), überholt ist. Über Frank Schirrmachers Slogan „Multitasking ist Körperverletzung“ (der sich mit der oben zitierten Studie deckt) gelangt Wieland Freund zu Rüdiger Safranski, der im Rahmen der „Salzburger Vorlesungen“ eine „Rückgewinnung der Zeitsouveränität“ propagierte. Biorhythmen passten sich an „die Maschinenzeit“ an.
Gegenüber bestehenden Forderungen zur Entschleunigung in Bereichen wie „Slow Food„, „Slow Media“ oder „Slow Fiction“ sprach Safranski hierbei von „Slow Money“. Gemeint ist damit eine Entschleunigung des Finanzmarktes, der unter Zeitdruck („Zeit ist Geld“) schnelle Entscheidungen trifft, während die Politik einerseits demokratische Abläufe zu beachten hat, andererseits aber zum Opfer der Echtzeit-Kommunikation auf allen Kanälen wird. Während früher die allermeisten Ereignisse außerhalb des eigenen Wirkkreises in der Vergangenheitsform erlebt wurden und nur durch das Wort transportiert wurden, sind wir heute durch eine Bilderflut und Erlebnisdichte in Echtzeit überfordert.
Wieland Freund schließt mit der geistreichen Sentenz, dass die Politik – die zunehmend auf das Erlebnis im Futur setze – nicht zuletzt deshalb langsam sei, „weil sie ständig vorauseilt“. Die Frage ist nun, hat der Schlagzeilen-Redakteur des Welt-Feuilletons etwas daneben gegriffen oder trifft eine „Entschleunigung der Philosophen“ tatsächlich den Kern des diskutierten Problems? Die Politik kann nicht das Tempo der Finanz- und Wirtschaftswelt annehmen. Vermutlich sollte die auf Produktivität getrimmte Gesellschaft auch aus Gründen des Umweltschutzes dringend ihren Leistungsanspruch zurückschrauben.
Rüdiger Safranski zitiert Wilhelm Humboldt, der als einer der ersten das Ideal einer liberalen Gesellschaft paradox formulierte: „Die ganze Gesellschaft ist dazu da, dass die Einzelnen eine Lust verspüren ein Ich zu sein.“ Das Ich definiert sich aber mitnichten nur durch Arbeit. Insofern ist eher eine Entschleunigung der Ökonomie gefordert, oder wie es im Text heißt: „Entschleunigt die Banken!“ Glechzeitig stellt Rüdiger Safranski klar, dass die Politik nicht auf der Höhe der Zeit ist, weil sie nicht begreift, dass die Ökonomie – nach ihrer Rettung durch die Politik – bereits von der Gnade der Politik abhängig ist.