Mit ‘Datenschutz’ getaggte Artikel

Bewusstsein und Taten entscheiden

Samstag, 01. September 2012

Rolf Schwartmann, Professor an der Fachhochschule Köln und Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht, hat sich jüngst in einem Gastbeitrag im Kölner Stadt-Anzeiger zum fahrlässigen Umgang vieler Menschen mit den Neuen Medien auseinandergesetzt. Dabei vergleicht er die Fälle der im Internet kursierenden Nacktbilder des britischen Prinzen Harry und des unmerklichen Zugriffs  von Programmen auf personenbezogene Daten, zum Beispiel bei der Nutzung eines digitalen Kneipenführers.

Kölner Stadt-Anzeiger, 29.08.2012: Nutzeno oder benutzt werden?Wenn die britische Boulevard-Zeitung „The Sun“ die Nacktbilder des Prinzen Harry aus dem Internet mit der Begründung abdruckt, die Bilder seien im Internet sowieso vorhanden und müssten daher auch für andere verfügbar gemacht werden, dann ist das ethisch fragwürdig. „Standards journalistischer Ethik im Handstreich zu Makulatur machen“ nennt das Rolf Schwartmann. Der Zusammenhang mit  Ortungsdiensten von zahlreichen Apps liegt in der Frage, ob wir das Netz nutzen oder ob wir darin benutzt werden.

Die Voraussetzung dafür, das selbst zu steuern, ist eine Grundorientierung, die heute bereits früh in der Schule, aber mit Sicherheit auch zu Hause vermittelt werden muss. Auch die dazu nötigen Informationen kursieren im Netz und sind bei Interesse für jede interessierte Person verfügbar. Beim Kampf um Aufmerksamkeit im Internet geht es also auch darum zu widerstehen, nicht jeder Verlockung (meist visueller Natur) nachzugehen, sondern sich gezielt zu informieren und sich mit „Wirkmechanismen und Tricks im Guten wie im Schlechten vertraut zu machen“, fordert Rolf Scwhartmann.

Erst dann könne das Netz genutzt werden, ohne dass der Nutzer benutzt würde. Bereits in der 5. Klasse an Gymnasien wird eine „Europan Comupter Driving Licence“ (ECDL) vergeben. Die Vetreifung findet kontinuierlich statt. Allerdings ist es auch hier zweierlei, Dinge zu lernen und zu verstehen und sie dann gegnüber der typisch menschlichen Bequemlichkeit auch umzusetzen.

Internet-Politik erfordert Zusammenarbeit

Montag, 22. August 2011

Im politischen Hauptkommentar des Kölner Stadt-Anzeigers beschäftigt sich Steven Geyer heute mit den Verhaltensweisen von Webexperten und politischen Parteien in Hinblick auf Internet-Politik. Viele Netzkenner meinen, die etablierten Parteien hätten noch keine Ahnung von Internet-Vorgängen. Viele Politiker meinen, mit den Stimmen aus den Bevölkerungskreisen der Online-Skeptiker ließen sich auf Dauer noch Wahlen gewinnen.

Kölner Stadt-Anzeiger, 22.08.2011, Titel: Ins Netz gegangen

Demgegenüber hält der Kommentator fest: „Die vermeintlichen Netz-Kenner sollten sich nciht täuschen, was die Unwissenheit der Politik angeht.“ Jede Partei hat mittlerweile netzpolitische Experten und Sprecher, auch das Innenministerium hat eine Fachabteilung, auch mit jungen Fachleuten. Eine Forderung  von CSU-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich nach Blogs nur mit Klarnamen sei nicht naiv, sondern gezielt lanciert. Für naiv hingegen hält er die Vorstellung, die Politik könne oder solle sich von Facebook fernhalten. Denn Gesetze seien durchaus dazu in der Lage, die Daten-Sammelwut einzudämmen.

Ob es die Partei „Die Piraten“ mit ihrem Internet-Schwerpunkt allerdings zu mehr Bedeutung bringen wird, als bei den kommenden Berliner Wahlen in einigen Vierteln die FDP zu überflügeln, bleibt abzuwarten, erscheint fraglich. Der Appell zu mehr Zusammenarbeit und ernsthafterer Beschäftigung beider Seiten mit den Themen der Datensicherheit  ist aber sicher angebracht.

Rechtsfragen für Sportmanager

Montag, 21. Februar 2011

Am vergangenen Wochenende haben immerhin elf unverdrossene Vereinsmanager aus Köln (und Umgebung) in einem Schützenheim im rechtsrheinischen Porz das zweite Modul ihrer Ausbildung zur B-Lizenz Vereinsmanagement absolviert, gemeinsam angeboten Landessportbund Nordrhein-Westfalen und Stadtsportbund Köln. Volltreffer! – Dieses Mal ging es um spannende Rechtsfragen im Sportverein.

Zielscheibe im Porzer Schützenheim, wo das VMB-Modul 2 stattfand

Das Vereinsleben unterliegt – zumal in Deutschland – einer Reihe von Gesetzen, begonnen beim Grundgesetz über Steuer- und Arbeitszeitgesetze über Jugend-, Daten-, Immissionsschutz­gesetz bis hin zur Abgabenordnung und weiteren Bestimmungen. Ordnungen definieren Ausführungsbestimmungen von Gesetzen, in der Hierarchie der Bestimmungen für einen Verein steht das Grundgesetz zuoberst, gefolgt von den Gesetzen, weiter gefolgt von der Satzung und den Vereins-Ordnungen.

Insgesamt tangieren die EU-Gesetze auch die deutsche Gesetzgebung, künftig voraussichtlich insbesondere dort, wo es um die steuerliche Freistellung gemeinnütziger Vereine oder um den steuerfreien Bezug von bis zu 2.100 Euro jährlich für Übungsleiter geht. Doch wird sich die Bundesregierung vermutlich etwas einfallen lassen, Vereine auch weiterhin zu subventionieren, insbesondere wenn es sich um Satzungszwecke handelt, die die sportliche Förderung von Kindern, Senioren oder der Gesundheit einbeziehen.

Der berühmte Vogel zum Abschießen, am Rande des VMB-Moduls 2

Über die Unterscheidung zwischen rechtsfähigen und nicht rechtsfähigen (nicht eingetragenen, meist nicht gemeinnützigen) Vereinen wurden die dafür im BGB niedergeschriebenen Paragraphen §§ 21-79 untersucht, die im 1. Kapitel „Allgemeine Vorschriften“ (§§ 21-54) und im 2. „Eingetragene Vereine“ (§§ 55-78) behandeln. In diesem Zusammenhang wurden einige Formalismen verständlich, wie zum Beispiel die Anzahl mehrerer haftender Vorstände (ein einzelner würde bei Krankheit die Handlungsunfähigkeit eines Vereins bewirken, bei zweien wäre bei Krankheit des einen auch keine Mehrheitsfindung möglich). Der Deutsche Turnerbund empfiehlt in einer Uralt-Mustersatzung noch bis zu 23 Vorstände, sinnvoll sind dagegen 4 bis etwa 7.

Prsäentationsbild zum "Vereinsende" im Rahmen des  VMB-Moduls 2

Selbstverständlich sind im Gesetz auch alle Vorkehrungen zur Auflösung eines Vereines getroffen, etwa wenn Besondere Vertreter ein eigenes Budget verwalten, ohne es als Kostenstelle transparent abzurechnen (sehr „beliebt“ in Bezug auf eine Spielgemeinschaft, s. Foto unten). Der § 31 a wurde erst im November 2009 beschlossen, eigentlich zur weitgehenden Entlastung der Vorstände. Auf den Einwand, dass durch Einsetzen von Hartz IV-Empfängern das Vereinsrecht systematisch ausgehebelt werden könnte, kam letztlich nur eine Entlastung bei nicht grob fahrlässigen Fehlern in der Geschäftsführung heraus – sofern ein Vermögenshaftpflichtzusatz in der Versicherung besteht.

Präsentationsfolie zum Status einer Spielgemeinschaft im Rahmend es VMB-Moduls 2

Für eine Änderung des Zwecks in der Satzung ist eine 100-prozentige Zustimmung aller Mitglieder nötig, ebenso für einen entsprechenden Beschluss bei Jahrshauptversammlungen, für die übrigens e-Voting laut Vereinsrecht noch nicht erlaubt ist. Eine Briefwahl an alle Mitglieder wäre allerdings möglich. Wichtig für Satzungen ist zum Beispiel die genaue Eintragung verschiedener Gebühren (deren Höhe die Ordnung bestimmt), sofern es um den möglichen Erhalt von Jugendförderungen geht ein eigener Passus für die Jugend (betreffend ihre Autonomie und ihre Versammlung – hierfür sind die Stimmrechte festzulegen, z.B. von 7 bis 27 Jahren) oder wenn es um Fördergelder hinsichtlich der NADA geht (nachgewiesenes Einhalten der Anti-Doping-Vorschriften).

Im Weiteren wurden unter anderem die Felder beschrieben, auf denen sich der geschäftsführende Vorstand in die Haftung bringen kann: etwa durch Insolvenzverschleppung, fehlerhafte Übungsleiter-Abrechnungen, Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen oder Lohnsteuerabgaben, heute auch immer häufiger auch Spendenverstöße, indem man Leistungen ohne Rechnung ausführt und das Geld als Spende deklariert, ohne es hin- und herfließen zu lassen, oder noch schlimmer, wobei es nicht einmal auf dem Konto vorhanden war.

Präsentationsfolie zum Datenschutz im Rahmen des VMB-Moduls 2

Ein „Organisationsverschulden“ liegt zum Beispiel dann vor, wenn ein Vorstand seine Erfüllungsgehilfen nicht regelmäßig überwacht, nur dann kann er sich aus der Haftung „exkulpieren“. Gleichzeitig steigt in der heutigen Zeit die Bereitschaft einzelner Mitglieder aufzustehen und gegen den eigenen Vorstand zu klagen. Im Ernstfall hält sich das Finanzamt an den Vorstand mit dem größten Vermögen. Die Gefahren sehen viele Vereine nicht, da die meisten solcher Fälle durch niemanden publik gemacht werden.

In der Folge wurden zahlreiche (tatsächlich verhandelt) Rechtsfälle zur eigenen Bewertung vorgelegt, in Gruppenarbeit beurteilt und anschließend aufgelöst – hoch spannend! Schließlich wurde die möglichst regelgerechte Einladung und Durchführung der Mitgliederversammlung sowie anschließend typische Satzungsfehler behandelt, wobei jeweils einige klassische Fallstricke oder Tretminen ausgemacht wurden. Zuletzt wurde auf Wunsch mehrerer Gruppenmitglieder der Datenschutz in Grundzügen durchgenommen.

Diskussionen um durchsichtige digitale Welten

Samstag, 24. April 2010

Wieder einmal geraten die US-Internetkonzerne Facebook und Google ins Visier der Datenschützer: Google hat beim weltweiten umstrittenen Abfilmen der Straßen auch ungefragt bestehende Funknetze gescannt, Facebook bietet seine Dienste zum Einbinden auf privaten Homepages an.

Googles Vorgehen ist schlicht peinlich, denn andere Unternehmen wie Skyhook Wireless, mit denen Google zusammenarbeitet, erfassen diese Dasten bereits „offiziell“, das heißt als ausgewiesenes Geschäft ohne bisher als illegal zu gelten. Google zerstört dadurch Vertrauen, das sowieso zu großen Teilen nur aus der Bequemlichkeit seiner Nutzer bestehen dürfte. Facebooks Vorgehen dagegen ist raffiniert, indem die Nutzer dem Konzern bereitwillig Daten liefern, auch ohne im sozialen Netzwerk eingeloggt zu sein.

Welt, 23.04.10, Titel: Transparent wie ein Wasserglas

In seinem Kommentar in der Welt bezieht sich Thomas Heuzeroth auf Googles Verhalten – auch angesichts der Kritik an diesem Vorgehen. Der Konzern klagt, dass Kartenherstelelr für Navigationsgeräte aber auch tausende Handyprogramme auf die Wlan-Ortsbestimmungen zugreifen. Die haben sich dabei aber immerhin auf bestehende Verträge gestützt, mögen diese nun aus Gesichtspunkten des Datenschutzes gerechtfertigt erscheinen oder nicht. Der Welt-Autor sieht die Chance: „Dass Google unter Datenschützern zu einem Reizwort geworden ist, muss ja nicht schlecht sein. Damit wird das Unternehmen immer mehr gezwungen, doch bitte so durchsichtig zu sein wie ein Wasserglas.“

Das muss er mir aber bitte einmal erklären. Wer kann denn Google effektiv in die Knie zwingen, so lange die Nutzer seine Dienste weiter unkritisch in Anspruch nehmen? Dies erläutert Thomas Heuzeroth im Artikel vom selben Tage: „Facebook wird im Internet allgegenwärtig„. Am Beispiel von Facebooks Strategiewechsel lässt sich erkennen, was auch Google schon seit Jahren betreibt: Mit dem Programm Google Analytics kann ein Webseitenbetreiber eine Auswertung über die eigenen Besucher erhalten: „Woher sie kommen, was sie klicken, wohin sie gehen und mit welcher Software sie surfen. Und Google erfährt das natürlich auch.“

Im Fall von Facebook betrifft die Einbindung weitere, als nützlich erachtete Dienste wie den „Like-Button“, persönliche Empfehlungen oder die Darstellung der Aktivitäten anderer, befreundeter Nutzer. Die Allgegenwart der Konzerne ist insofern schon fast mit einer „Allmacht“ im Internet gleichzusetzen, zumindest was die Kenntnis über zahlreiche Eckdaten der an diesen Aktionen beteiligten Nutzer betrifft. kein Wunder, dass aufgrund der zunehmenden Bedeutung des mobilen Internets auch die Kenntnis über die bestehenden Funknetze nur ungern anderen überlassen wird.

Allerdings ist in meinen Augen eher der Nutzer, der sich – nicht ganz zwangläufig, aber doch sehr häufig – auf die Dienste dominanten Internetkonzerne einlässt, „Transparent wie ein Wasserglas“, nicht aber Google oder Facebook selbst, die es doch viel eher sein sollten. Die lachen sich eins, wenn sie die Diskussionen um Datenschutz verfolgen. Aber dafür ist mein kleiner Beitrag hier erstens zu unpopulär und zweitens zu wenig fundiert. Die Mittel und Wege zur Durchleuchtung der Nutzer ist, fürchte ich, noch weitaus raffinierter, als sich das der Otto-Normalsurfer vorstellen kann.

Reaktionen auf Aigners Kritik an Facebook

Mittwoch, 07. April 2010

Der offene Brief der deutschen Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner an Mark Zuckerberg, dem Betreiber des  Sozialen Netzwerks Facebook, erntete anfangs eher Mitleid als Spott. Nun hat sich jedoch die Verbraucherzentrale daran gehängt und fordert zum Verzicht auf Facebook auf. Unstrittig sind die Datenschutzbestimmungen des globalen Tummelplatzes laut Untersuchung der Stiftung Warentest mit die schlechtesten („erhebliche Mängel“, Texthilfe berichtete). Dennoch schreibt Marco Dettweiler in der FAZ von „Aigners Eigentor„, Torsten Krauel in der Welt urteilt wie folgt:

Welt, 07.04.10, Titel: Hier irrt Ilse Aigner

Der Welt-Autor erklärt der Ministerin das Missverständnis, dass der Verkauf und die Vermarktung von Nutzerdaten willentlich und wissentlich geschehen und keine versehentliche Datenschutzlücke darstellen. Vielmehr handele es sich um die Existenzgrundlage des Konzerns, der den Gründer mittlerweile zum Milliardär gemacht hat. Ilse Aigner müsse schon eine neue Finanzierungsbasis für sein Soziales Netzwerk finden, wenn sie den Datenschutz absichern wollte.

Marco Dettweiler hingegen urteilt, dass die Ministerin ihren politischen Auftrag verfehle, indem  sie nun einen vermeintlichen Eklat inszeniere, der ihre Fürsorge beweisen soll. „Die „Facebook Site Governance“ könnte in der Tat verbraucherfreundlicher sein“, heißt es weiter, „aber der Nutzer hat alle Möglichkeiten, seine Privatsphäre privat zu lassen.“ Vielmehr sollte Ilse Aigner mit ihren Mitarbeitern den Verbrauchern erklären, „wo man in Facebook die richtigen Häkchen setzt.“ Die Datenschutzrichtlinie von Facebook halte die Maßnahmen, wenn auch versteckt bereit, die Weitergabe von Daten an Dritte zu verhindern: „Sie sind nicht leicht zu finden. Für nützliche Hinweise wäre jeder Verbraucher dankbar.“

Facebook Sicherheitseinstellungen

Keine Frage, die Ankündigung der Ministerin, auf das Netzwerk zu verzichten – auch wenn sie sicher mehrere tausend Fans dort hat – ist lächerlich. Schon in Europa würde sich der Betreiber eines erfolgreichen Unternehmens nichts von einer deutschen Ministerin sagen lassen. Und ein Millardär aus „der Heimat der Tapferen und dem Land der Freien“ schon gar nicht. Die Redaktion der Frankfurter Rundschau rät in einem humoristischen Antwortschreiben Mark Zuckerberg, was er der Ministerin antworten könnte (vgl. auch den Artikel von Felix Wadewitz mit dem berühmten Zitat, wonach Zuckerberg das Zeitalter der Privatsphäre für beendet erklärt hat).

Vielleicht ist es auch nur ein Versuch, von der eigenen fragwürdigen Politik zum Schutz personenbezogener Daten abzulenken. Darauf weist Christian Sickendieck in einem Offenen Brief an Ilse Aigner in seinem Blog FIXMBR hin. Unterdessen hat allerdings auch die deutsche Verbraucherzentrale Ilse Aigners Kritik aufgegriffen und zum Verzicht auf Facebook aufgerufen. VZBV-Vorstand Gerd Billen sagte: „Momentan können wir den Nutzern nur raten, den geplanten Änderungen zu widersprechen und sich gemeinsam mit ihren Freunden einen neuen Anbieter zu suchen.“

Allerdings – so Marco Dettweiler in der FAZ, habe Facebook mittlerweile – wenn auch nicht in der Datenschutzrichtlinie –  so doch in einem Blogeintrag klar gestellt: „Wir teilen deine Information nicht mit Werbetreibenden, außer du sagst uns, dass wir es tun sollen. Jede gegenteilige Behauptung ist falsch.“ Diese Mitteilung  ist jedoch nicht als Antwort auf Ilse Aigner zu verstehen. Vermutlich kennt Mark Zuckerberg nicht einmal den Namen der deutschen Verbraucherschutzministerin.

Der gläserne Netzwerker

Montag, 22. Februar 2010

Die Financial Times Deutschland hat aus Anlass ihres zehnjährigen Bestehens Anfang der Woche vier Ausgaben in einer verpackt. Zur Gestaltung traten vier Teams aus Politikern, aus Topp-Managern, aus Kreativen und aus Zehntklässlern an. Der von den Schülern gestaltete Teil hat mir am besten gefallen, vor allem der Beitrag in der Agenda-Serie: „Nackt im Netz“ und dazu der Kommentar der Hamburger Zehntklässlerin Theresa Lehmann: „Mausklick pflegt Freundschaft“.

FTD. 22.02.10, Titel: Nackt im Netz

Die Magazingeschichte problematisiert die technischen Standards des neuen Sozialen Netzwerkes „Buzz“ von Google, das automatisch alle früheren E-Mail-Kontakte von Gmail-Nutzern als Freunde hinzufügt sowie ungefragt den geografischen Aufenthaltsort und den Arbeitgeber bekannt gibt. Dies ist bei einer Frau, die sich zuvor von ihrem gewalttätigen Ehemann getrennt hat, besonders unverantwortlich. „Fälle wie dieser zeigen, dass es im Internet keine Garantie für den Schutz der Privatsphäre gibt“, schreiben Andrea Rungg aus Hamburg und Helene Laube aus San Francisco. Weiter heißt es: „Wer sich einmal bei Facebook, Myspace oder MSN angemeldet hat, kann seine Spuren kaum noch verwischen.“

Für den Großteil der weltweit rund 400 Millionen Facebook-Nutzer, die pro Monat mehr als drei Milliarden Fotos hochladen, offenbar kein Problem. Gründer Marc Zuckerberg wird zitiert, wonach „die Ära der Privatsphäre beendet“ sei. Dieser unverantwortliche Umgang Sozialer Netzwerke mit Nutzerdaten könnte aber auch methodisch missbraucht werden, etwa durch von totalitären Regimen beauftragten Hackern oder durch erwachsene Gmail-Nutzer, die ungefragt die für nicht sie bestimmten Chats von Kindern und Jugendlichen mitlesen können. Auch, wenn mittlerweile bereits eine neue, entschärfte „Buzz“-Version existiert, hat doch eine Jurastudentin bereits im Namen von 31,4 Millionen Gmail-Nutzern Sammelklage eingereicht.

Allerdings steht auch Facebook in der Kritik, weil seit vergangenen Dezember Nutzer die Sichtbarkeit ihrer Profile nur noch zwischen „für Freunde“ oder „für alle“ auswählen können. Die kanadische Datenschutzkomissarin Jennifer Stoddard konnte allerdings bei Facebook bereits Änderungen zum Schutz der Privatsphäre erwirken und pant dies nun auch für Buzz. Helen Nussbaum, Professorin für Medien, Kultur und Kommunikation an der New York University, glaubt daran, dass sich Netzwerke mit verbesserten Datenschutzstandards auch bei den Nutzern besser durchsetzen werden. Bis dahin bleiben Teilnehmer, die keine Lust mehr auf eine virtuelle Existenz in einem Onlinenetzwerk haben, auf so genannte „Selbstmordmaschinen“ angewiesen, die einen Großteil der dort hinterlassenen Spuren löschen können.

FTD, 22.02.10, Grafik zur Chatnutzung

In ihrem Kommentar „Mausklick schafft Freundschaft“ appelliert die Gymnasiastin Theresa Lehmann an die Eigenverantwortung der Nutzer. Als praktischen Tipp empfiehlt sie, eine Seite nur den eigenen Freunden zu zeigen. Ansonsten überwögen ihrer Ansicht nach die Vorteile, weltweit Kontakte pflegen und sich im direkten (Chat-)Kontakt mit Freunden austauschen zu können. Indem reale Treffen online angebahnt und durch das Austauschen von Fotos anschließend auch online geteilt würden, ergebe sich eine durchaus sinnvolle Nutzung und die Netzwerke im Internet ließen sich „wirklich als soziale betrachten“.

Ein Dienst für noch mehr Nutzerdaten

Donnerstag, 11. Februar 2010

Google hat aktuell seinen neuesten Dienst namens „Buzz“ vorgestellt. Dabei handelt es sich aber um keine Heldentat, wie sie Buzz Aldrin begangen hat (der zweite Mann auf dem Mond), sondern eher um eine verspätete Reaktion auf das bisherige Unvermögen im Bereich der sozialen Netzwerke Fuß zu fassen. Ähnlich interpretiert den Vorstoß auch Thomas Lindemann im Welt-Kommentar:

Welt, 11.02.10, Titel: Google will Twitter ersetzen

Der beliebte und gehypte Mitteilungs- oder besser gesagt Zwitscherdienst soll mit Zusatzoptionen à la Facebook kombiniert werden, damit sich Google so als Anbieter eines Social Media-Portals etablieren kann. Allerdings darf der Erfolg vorab bezweifelt werden, wie Thomas Lindemann schreibt: „Bei dem Portal Google Orkut, auf dem Freunde und Bekannte sich vernetzten können, haben sich etwa 20 Millionen Kunden angemeldet, vor allem aus Brasilien und Indien. Der große Konkurrent Facebook hat 400 Millionen Nutzer.“

Ähnlich beurteilt auch Helene Laube in ihrem Artikel „Google hechelt Konkurrenz hinterher“ in der FTD die Situation und ergänzt: „Andere Versuchsballons wie Dodgeball, Jaiku, Lively, Google Friend Connect oder Open Social wurden entweder eingestellt oder werden kaum genutzt.“ Im FTD-Kommentar wird  darauf abgehoben, dass die meisten der rund 150 Millionen Gmail-Nutzer sich bereits auf anderen Netzwerken tummeln. „Und anders als die meisten sozialen Netzwerke steht Google stets unter Verdacht, es mit dem Datensammeln zu übertreiben. Auch Buzz hat bereits Datenschützer auf den Plan gerufen.“ Die nachfolgende Grafik stammt aus dem Artikel im FTD-Wirtschaftsteil:

FTD, 11.02.10, Grafik: Verweildauer in Netzwerken

Damit zurück zum Welt-Kommentar, der den Google Mail-Service kritisiert: „Die Tatsache, dass Mails dort automatisch durchkämmt werden, damit der Benutzer auf ihn zugeschnittene Werbung bekommt, ist vielen nicht geheuer.“ Dabei eröffnet doch gerade Google mit seiner Unternehmens-Grundidee bezahlter Werbelinks die aktuelle Entwicklung hin zum Social Commerce, der gläsernen Klassifizierung von Nutzern sozialer Netzwerke.

„Ein paar Konzerne fechten aus, wie die Gesellschaft der nahen Zukunft kommuniziert.“, schreibt Thomas Lindemann. Dabei bezieht sich das „wie“ auch auf den Grad der Durchschaubarkeit der Nutzer. Überraschend aufgrund seiner Marktposition, schlussfolgert er weiter, dass Google im aktuellen „erbitterten Kampf um das soziale Netz“ zurzeit der große Verlierer ist.