Mit ‘Neurologie’ getaggte Artikel

Crazy little thing called brain

Sonntag, 22. April 2012

Der Neurologe und Kolumnist des Kölner Stadt-Anzeigers Magnus Heier hat im Wochenend-Magazin der Zeitung ganze drei Doppelseiten Raum erhalten, um als Experte in eigener Sache für seine fünfteilige Vortragsreihe im studio dumont zu werben. In dem Beitrag stellt er einige interessante Fakten zum menschlichen Denkorgan zusammen.

Magazin des Kölner Stadt-Anzeigers, 21.04.12, Titel: Die Welt in unserem Kopf

Die genaue Anzahl der Nervenzellen ist zwar noch nicht einmal bekannt (zwischen einhundert Milliarden und einer Billion), doch die Vernetzungen der Zellen (teilweise mit bis zu 1.000 Nachbarzellen) ergeben – Jetzt festhalten! – Stränge von bis zu sechs Millionen Kilometer Länge! Wie heißt es im Lied: „Das ist alles nur in meinem Kopf“? Aber nein: in jedem anderen Kopf auch!

Doch à propos Musik: Angeblich reagiert das Gehirn ganz ähnlich wie auf Sprache auch auf Musik – als eine Art ursprünglicher Sprache. So lassen sich mittels Elektroenzephalogramm leichte Stromimpulse messen, die sowohl bei unsinnigen Sätzen als auch bei ungewohnten musikalischen Harmonien auftreten. Dieses „Protestpotenzial“ muss die Testperson nicht einmal bewusst wahrnehmen, legt aber eine Korrelation beider Ausdrucksformen nahe, obwohl das Musikzentrum in der rechten, das Sprachzentrum (zumindest bei Rechtshändern meist) in der linken Gehirnhälfte liegt.

Magazion des Kölner Stadt-Anzeiger, 21.04.12, Ankündigung der Vortragsreihe: Dr. Heiers Hirnwelten

Andere interessante Punkte rund um die menschliche Schaltzentrale sind die Kapazität („Je mehr Wissen gespeichert ist, desto besser lassen sich noch weitere Inhalte dazu lernen.“), die Manipulierbarkeit („Wenn ein Wein teurer ist, schmeckt er uns besser als ein billiger.“) und die Heilung von Hirnschäden, etwa mittels Stromimpulsen („Die Medizin betritt gerade ein spannendes neues Feld: mit Risiken und Nebenwirkungen.“).

Die breit angelegte Ankündigung dieser Vortragsreihe zwischen 8. Mai und 26. Juni hat sich – zumindest in meinem Fall – gelohnt, als Hobby-Psychologe überlege ich mir doch ernsthaft, die eine oder andere Veranstaltung zu besuchen. Wie heißt es so schön eingangs in der Illuminatus-Trilogie von Robert Shea und Robert Anton Wilson heißt: „Intelligenz bedeutet immer eine Vermehrung von Intelligenz“.

Der Ruf der Ohnmacht

Sonntag, 12. Februar 2012

Zwei Meldungen zum Themenkreis Hirnforschung entbehren nicht einer gewissen Komik: Zum einen haben britische Hirnforscher vor den möglichen Auswirkungen ihrer Forschung gewarnt. Bei der Royal Society in London hieß es, ihre Ergebnisse könnten dazu missbraucht werden, Gedanken zu mainpulieren oder sogar Militärtechnik daraus zu entwickeln. Zum anderen haben Neurologen am Institut für Theoretische Physik an der Uni Frankfurt am Main erklärt, die begrenzte Fähigkeit des menschlichen Gehirns zur Informationsverarbeitung sei der eigentliche Flaschenhals eines weiteren Online-Wachstums.

Kölner Stadt-Anzeiger, 11.02.12, Wissenschaftler warnen vor der Wissenschaft

Die Warnung der brtiischen Hinrforscher hat konkrete Hintergründe: So würden chemische Waffen ausgetüftelt, die Menschen nicht töten, sondern nur kurzzeitig das Gehirn lahmlegen. Das fände bei Massenunruhen oder bei der Jagd nach Kriminellen vielfachen Einsatz. Darüber hiansu wären auch Waffensysteme denkbar, die sich ohne Pilot mittels Gedanken steuern ließen. Sicherlich sind die Hinweise berechtigt. Fraglich ist jedoch, ob sie nicht noch mehr Missbrauch auf den Plan rufen, als er bereits beabsichtigt wird. Die Debatte erinnert ein wenig an die Diskussionen zum Bau der Atombombe, wie sie etwa in Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker“ oder in Heinar Kipphardts „In der Sache J. Robert Oppenheimer“ sehr gut zum Ausdruck kommt. Giethes „Zauberlehrling“ beschreibt das Problem ebenfalls sehr treffend: „Die Geister, die ich rief, werd ich nun nicht mehr los!“

Die Welt, 09.02.12: Menschliches Gehirn begrenzt Online-Wachstum

Geradezu tröstlich wirkt dagegen diese Kurzmeldung, wonach die begrenzte Fähigkeit des menschlichen Gehirns, Informationen zu verarbeiten und abzuspeichern, offenbar auch ihr Gutes hat (je nach Sichtweite). Die Physiker vermuten, dass diese Schwöche der eigentlcihe Hinderungsgrund „für das Wachstum global gespeicherter Informationen und Onlinedienste darstellt“, so die Kurzmeldung in der Welt.

Moment mal: Werden nicht täglich Millionen von Files über Facebook verlinkt, über Youtube hochgeladen und immense, ganz unvorstellbare Datenmengen über Cloud Computing abgespeichert? Wenn ich das Abstrakt zum Fachartikel im „European Physical Journal B“ jedoch annähernd richtig verstehe, dann dreht es sich eher um die menschliche Fähigkeit der Aufnahme, Verarbeitung und Nutzung dieser Datenmengen. Wirtschaftliche Marktbedingungen spielten demgegenüber eine deutlich untergeordente Rolle für das Wachstum von Online-Diensten. Ich finde, das hat etwas sehr Beruhigendes.

Für mich verdeutlicht das jedoch die Notwendigkeit, jeweils zu unterscheiden, ist dieses oder jenes tatsächlich interessant für mich? Beschäftige ich mich eingehender damit oder überlasse ich es nicht doch besser gleich dem „Orkus des Datenmülls“?

Selektive Wahrnehmung leidet im Alter

Freitag, 15. Juli 2011

Eine neue Studie des Neurologen Benedikt Grothe an der Uni München belegt, dass ältere Mitmenschen nicht nur deshalb Probleme haben, Nebengeräusche auszublenden, weil ihr Hörvermögen allgemein nachlässt. Vielmehr handelt es sich offenbar um ein Missverhältnis bestimmter Botenstoffe, die Informationen zwischen Nervenzellen übertragen. Daher fällt es bereits ab dem 40. Lebensjahr zunehmend schwerer, sich bei einer hohen Gesamtlautstärke auf genau einen Sprecher zu konzentrieren. Das hat jüngst die Welt berichtet (in der Print-Ausgabe etwas ausführlicher), unter Berufung auf einen Beitrag im „Journal of Neuroscience„.

Die Welt, 14.07.11, Titel: Das alternde Gehirn beeinträchtigt Gehörsinn

Das steht ganz im Gegensatz zum häufiger bedienten Mythos bei Vampiren, denen die Fähigkeit zu eigen sein soll, sich gezielt auf Gespräche auch in weiter Entfernung zu konzentrieren (wie mit einem Richtmikrofon). Aus eigener Erfahrung (nicht als Vampir, sondern als Radioredakteur) kann ich belegen, dass ich früher wunderbar bei Musik arbeiten konnte. Noch weiter zurück gedacht war es als Schüler auch selbstverständlich, bei laufendem Radio sich durch den Berg Hausaufgaben zu quälen.

Heute herrscht dagegen bei der Arbeit Stille. Ich kann nicht verbergen, dass auch ich die 40 bereits überschritten habe. Wirklich spannend an der Veröffentlichung finde ich jedoch, dass dadurch die Therapie altersbedingter Hörverluste von Grund auf umgekrempelt werden könnte. Vielleicht ist es oft ja gar nicht so, dass Oma oder Opa nur das hören, was sie hören möchten. Möglicherweise können sie manches einfach nicht selektiv wahrnehmen, weil die jüngeren Generationen einfach zu laut sind (ist doch sowieso eines unserer Grundprobleme, dieser dauernde Geräuschpegel). Oder irre ich mich da etwa? Bin ja schon still.

Methoden den Kopf zu ruinieren

Donnerstag, 14. Juli 2011

Welche Erleichterung! Nicht nur für die deutschen Fußballfrauen, die ihre Kopfballstärke gegen Japan leider nicht zum Anschlag bringen konnten, sondern auch für die unzähligen Hobbykicker, die im Traum den Ball von der perfekt geschlagenen Bananenflanke aus der Luft wie Miro Klose annehmen – ohne Rücklage, wie am Kopfballpendel unzählige Male geübt, mit der flachen Stirn – Kopfstoß, Toooooor! Diese Tätigkeit schadet jedenfalls einer neuen Studie der Uni Regensburg zufolge den kleinen grauen Zellen nicht.

Kölner Stadt-Anzeiger, 14.07.11, Titel: Kopfbälle schaden dem Gehirn nicht

Nun bestehen ja zahlreiche Möglichkeiten, sich den Kopf zu runinieren, wie zum Beispiel dauerhaftes Daddeln, fortwährendes Fernsehen oder tägliches Trinken, um nur drei gerne auch kombinierte Methoden zu benennen. Dahinter verbergen sich meist andere Ursachen, wie die Unlust zu lernen oder sich an Denkprozessen zu beteiligen. Vorschnelle Urteile und unzulässige grobe Vereinfachungen prägen unseren Alltag – von der Weigerung sich entwickeln zu wollen einmal ganz abgesehen, wobei dies natürlich ein eitles Streben ist,  vor dem es kein Entrinnen gibt…

Sport ist nun sicher nicht das Schlechteste, um neben dem rein körperlichen Ausgleich auch eine gute Basis für neue Lerneinheiten zu bieten: mehr Sauerstoff ins Blut, ein angeregter Stoffwechsel, belebte Muskulatur u.s.w. Dass nun aber insbesondere Kopfbälle dem Kopf nicht schaden sollen – ich kann es nicht glauben! Ich meine auch, schon gegenteilig lautende Berichte gelesen zu haben. Der Vergleich zum Boxen liegt nahe, wobei die Belastung des Kopfes dabei noch weit höher und weniger vorhersehbar ist.

Aber besonders gut gefällt mir in der neuen Studie der Hinweis, dass zwar vor und nach verschiedenen sportlichen Tätigkeiten (darunter Kopfballspielen), keine Unterschiede in der Gedächtnisleistung festgestellt wurden. Allerdings hätten die weiblichen Teilnehmer der Kopfball-Gruppe über Kopfschmerzen geklagt. Wenn das mal kein deutliches Zeichen ist!? Zudem gibt es auch so etwas wie neurologische Langzeitschäden, die vermutlich nicht durch das Ablegen von Gedächtnistests unmittelbar nach dem Kopfballspiel erfasst werden. Immerhin ist an der Uni Regensburg nun auch eine Langzeituntersuchung geplant. Wieder ein gutes Beispiel, warum wir nicht immer gleich jeder Zeitungsmeldung glauben und stattdessen erstmal unseren Kopf einschalten sollten.

Wirksamer Glaube

Freitag, 04. März 2011

Der Placebo-Effekt (lat. placebo gleich „ich werde gefallen“) ist noch weit größer als bisher angenommen. Denn auch das Gegenteil des klassischen Placebo-Experiments ruft erstaunliche Ergebnisse hervor. Während üblicherweise verabreichte Scheinmedizin ohne Wirkungsstoffe dennoch hilft, ist es umgekehrt auch so, dass sogar die Kraft wirkungsstarker Medikamente völlig ausgehebelt werden kann, wenn der Patient nicht an den Erolg der Therapie glaubt.

Rheinische Post, 01.03.2011, Titel: Wer Pillen misstraut, wird mit schwacher Wirkung bestraft

Die eine Seite der Medaille ist, dass die Bundesärztekammer nun empfohlen hat, dass Ärzte mehr Placebos verschreiben sollen. Dies bringt manche Ärzte möglicherweise in einen Gewissenskonflikt – immerhin sollten die Patienten doch weitgehend mündig behandelt werden.  Doch die Argumentation er scheint schlüssig: Insofern als Placebos helfen, können sie auch als medizinische Hilfsmittel eingesetzt werden. Die andere Seite der Medaille aber ist – wie oben angedeutet – dass der Glaube der Patienten an den Therapieerfolg einen noch entscheidenderen Einfluss auf ihren Verlauf hat als bisher angenommen.

Forscher des Universitätsklinikums Hamburg haben in „Science Translational Medicine“ einen verscuh mit 22 gesunden Probanden zwischen 20 und 40 Jahren durchgeführt. Sie wurden mehrfach für einige Sekunden einem kontrollierten Hitzereiz ausgesetzt, der zu einem mittleren bis starken Schmerz führte. Parallel dazu erhileten sie ein stark wirksames, opioidhaltiges Schmerzmittel.  Wer nicht wusste, dass er ein Schmerzmitztel erhielt, empfand eine Linderung. Bei demjenigen, der es wusste, verdoppelte sich die schmerzlindernde Wirkung. Wer jedoch gesagt bekam, dass er keine Therapie mehr erhält und der Schmerz zunehmen könnte, bei dem wurde der schmerzlindernde Effekt gänzlich aufgehoben.

Eine zeitgleich vorgenommene funktionelle Magnetresonanztomografie bestätigte dieses Ergebnis: Die persönliche Erwartung beeinflusst dramatisch den Effekt des Medikaments. Dies zeigen die relevanten Schaltstellen des schmerzverarbeitenden Systems wie Thalamus, Insel und somatosensorischer Kortex. Die hauptverantwortliche Neurologin Ulrike Bingel hält die Erkenntnis für relevant vor allem in Bezug auf die Behandlung von Schmerzpatienten. Beid er Auswahl der Therapie könne es schon helfen, Patienten intensiver und gezielter über ihre Erkrankung und Behandlungen aufzuklären, um positive Erwartungen zu wecken und negative zu vermeiden.

Vor gut einem Jahr sprach Doktor Ellis Huber in Deutsche Welle TV über den Placebo Effekt, wonach die Wirkung der mentalen Kräfte unterschätzt würde.

Streiche in unserem Kopf

Dienstag, 28. Dezember 2010

Die große Frage lautet: Spielt das Gehirn uns Streiche oder spielen wir dem Gehirn Streiche? Und wenn ich meinem Gehirn einen Streich spiele, ist es dann ein von mir abgetrennter Teil? Oder gehört es nicht ebenso zu mir wie mein Körper und meine Seele (noch viel schwieriger zu bestimmen)? Fragen über Fragen, mir wird ganz plümerant! Kein Wunder, dass wir es uns im Kopf doch gerne mal einfach machen.

Die Welt, 28.12.10, Titel: Gleichmacherei im Gehirn

Adrian Lobe schreibt unter dieser Überschrift in der Welt über neuronale Prozesse, die unsere visuelles System dazu bringen, Dinge schnell in ein grobes Muster einzuordnen. Als Beispiel sind die Schwierigkeiten genannt, die Europäer und Asiaten gegenseitig damit haben, Gesichter der jeweils anderen Rasse voneinander zu unterscheiden. Forscher der Universitäten in Glasgow und in Fribourg haben mittels eines EEG im Bereich der Hirnrinde, in dem Gesichter erkannt werden, festgestellt, dass dieses Phänomen universell ist.

„In weniger als einer Zehntelsekunde werden im Unterbewusstsein unbekannte Gesichter über einen Kamm geschert“, heißt es, diese Gleichmacherei würde unter Neurologen als „Other-Face-Effect“ bezeichnet. Asiaten, die in Europa aufwachsen (oder umgekehrt), dürften einen besseren Unterscheidungssinn aufweisen, zumal das Erkennen von gesichtern nur im Alter zwischen etwa drei und neun Monaten ohne Klassifizierung erfolgt. Vermutlich ist das so etwas wie eine Schutzreaktion zur Vereinfachung von Erkennungsprozessen, damit wir nicht zuviel Energie auf sich wiederholende Gesichtsmerkmale verwenden.

Kölner Stadt-Anzeiger, 27.12.10, Titel: Wie das Gehirn sich wehrt

Zumal das Gehirn ja auch nur ein sehr sensibles, schwaches Organ ist, wenn auch eigentlich das vermutlich größte und leistungsfähigste und dabei das vermutlich am schlechtesten ausgelastete. Aber seine Belastbarkeit hängt sicher auch mit seiner Reizbarkeit zusammen. So hat der Neurologe Magnus Heier in seiner Kolumne „Aus der Praxis“ im Kölner Stadt-Anzeiger jüngst auf areale im menschlichen Gehirn hingewiesen (leider noch nicht online), die auf „musikalische Merwürdigkeiten“ (rechte Gehirnhälfte) sowie auf „sprachlichen Unsinn“ (linke Gehirnhälfte) reagieren. Diese offenbar nicht willentlich steuerbaren Reaktionen treten dann auf, wenn eine Erwartung nicht erfüllt wurde, also zum Beispiel bei unlogischen Sätzen (links im Gehirn) oder bei falsch gesungenen Liedern (rechts im Gehirn).

Die Abwehrreaktionen traten nachweisbar sogar dann auf, wenn Probanden bei einem Versuch einen Fehler in der Melodie nicht einmal bewusst bemerkt hatten. Auch das hängt offensichtlich mit kulturellen Gewohnheiten zusammen, weil schon fünfjährige Kinder entsprechend reagieren. Ist das nun ein Streich, den das Gehirn uns spielt, oder nicht eher einer, den die kulturelle Sozialisation uns spielt. Und tut es dem Gehirn vielleicht nicht gerade gut, dieses Areal öfter mal zu aktivieren? Immerhin ist ein Witz bekaanntlich die Auflösung einer Erwartungshaltung in nichts. Aber ein Misston bleibt ein Misston – jedenfalls solange man sich nicht zur Zwölftonmusik gezwungen hat.