Mit ‘Qualitätsjournalismus’ getaggte Artikel

Neugierde, Nähe, Engagement

Donnerstag, 29. März 2012

Interview mit dem Verleger Alfred Neven DuMont aus Anlass seines 85. Geburtstages. Neben einem Gratulationsschreiben von Amos Schocken, Verleger  und Herausgeber der liberalen israelischen Zeitung „Haaretz“, an der der Verlag M. DuMont Schauberg zu 25 Prozent beteiligt ist, steht im heutigen Kölner Stadt-Anzeiger auch ein Interview mit dem Geehrten, das dpa-Chefredakteur Wolfgang Büchner geführt hat.

Kölner Stadt-Anzeiger, 29.03.12, Letzten Endes zählt einzig Qualität

Sympathisch und nachvollziehbar erklärt der betagte Verleger Neven DuMont, wie sich die Medienwelt aus seiner Sicht entwickeln wird. Manager regieren Verlagshäuser (wie es heute bereits weitgehend der Fall ist), die Zeitungen werden sich eventuell gesund schrumpfen (müssen). Vermutlich spielen dabei digitale Geschäftsmodelle eine wichtige Rolle (paid content).

Dennoch sollte der Verlegerberuf weiterhin Zukunft haben, denn es geht – dem Jubilar zufolge – im Grundsatz darum, kreative Ansätze auszuführen. Überraschende, interessante Inhalte, die ein Leser gerne konsumiert, werden benötigt. Er wagt sogar die Differenzierung, dass sich die Menschen nicht nur nach ihrem Besitzstand in arm und reich unterscheiden, sondern auch nach ihrem Platz in der Kommunikationskette als vornehmlich sendende und vonehmlich empfangende.

In diesem Zusammenhang skizziert er die Grundeigenschaften eines Journalisten: „Das Wichtigste überhaupt ist Neugierde, Interesse. Das ist die Basis von allem. Dann natürlich Bürgernähe, Lesernähe und Engagement für die Sache.“ Dazu kommt nach seinen Worten die „Stetigkeit des Journalisten, am Thema zu bleiben“. Das sind in der Tat die besten Voraussetzungen, um den Beruf auszuüben. Vielleicht fehlt in der Aufführung noch die Fähigkeit den Leser mitzunehmen, mitzureißen oder gar zu fesseln.

Abschließend bemerkt erAlfred Neven DuMont, heute fühle er sich stark als Schriftsteller und dürfe in dieser Funktion träumen. Zugegeben, ein wesentlicher Bestandteil des Dichtens. Die noch größere Herausforderung ist es vielleicht, Konstellationen zu Ende zu denken. Doch letzten Endes, da stimme ich voll zu, zählt auch dabei nur die Qualität.

Das Internet, die ungeahnte Herausforderung

Donnerstag, 17. November 2011

Also mal ehrlich: Wer ein wenig auf sich hält, hat seit mindestens 15 Jahren mitbekommen, dass es das Internet gibt. Das dürfte auch den Zeitungsmachern nicht entgangen sein. Etwas erstaunlich dann doch, dass im Kölner Stadt-Anzeiger anlässlich eines Branchentreffens von Zeitungsverlegern tatsächlich eingangs steht: „Das Internet stellt Zeitungen und Verlage vor ungeahnte Herausforderungen.“ Selbst bei viel gutem Willen müsste den Experten klar sein: „Ich wollte es zwar nicht wahr haben, aber geahnt habe ich es schon lange!“ 😉

Kölner Stadt-Anzeiger, 16.11.2011, Titel: Offen für neue Ideen

Beim „Forum Kundenmanagement“ mit dem Titel „Unterwegs in die digitale Zukunft: Die Verlagsbranche erfindet sich neu!“ im Kölner „studio dumont“ sprachen Thomas Breyer-Mayländer, Professor für Medienmanagement an der Hochschule Offenburg, Franz Sommerfeld, Vorstand der Mediengruppe DuMont-Schauberg, und der „Pr-Blogger“ Klaus Eck, den ich auch in meiner Blogroll verlinkt habe. zentrale Aussagen (laut Kurzbericht in der Zeitung): „Es gab schon bessere Zeiten in der Zeitungsbranche, aber auch schon schlechtere Stimmung“ (Breyer-Mayländer), „guter Journalismus bleibt auch in Zukunft eine Grundvoraussetzung“ (Sommerfeld) und „nur in Sozialen Netzwerken erreicht man junge Nutzer“ (Eck).

Zum ersten Zitat: Anders herum wäre es aus ökonomischer Sicht vermutlich besser. Zum zweiten: Das eine Zauberwort heißt Qualitätsjournalismus, das andere „Paid Content“, der in den USA (immer noch als Vorreitermarkt) bereits kurz vor einem Durchbruch steht. Und zum dritten: Man erreicht junge Leute auch reell – nur nicht so häufig. Die Frage ist aber, wie man sie abholt. Sprich, stehen personalisierbare News für mobile Endgeräte bereit, ist das für die online Reputation des Zeitungsverlages schon mal nicht schlecht. Zeitungsleser werden die jungen Menschen deshalb aber noch nicht. Deshalb ist es  ja auch so wichtig – richtig! – offen für neue Ideen zu sein!

USA: Paid Content vor dem Durchbruch

Montag, 24. Oktober 2011

Die renommierte US-Qualitätszeitung New York Times hat nach Angaben des Handelsblatts innerhalb von nur drei Monaten eine weitere sechstellige Menge zahlender Internetleser geworben. Damit beläuft sich die Summe der digitalen NYT-Abonnenten mittlerweile auf stolze 324.000!

Handeslblatt, 21.10.11, Titel: New York Times wirbt 100.000 neue digitale Leser

Somit lässt sich für die USA ein erster Durchbruch von qualitativ hochwertigen journalistischen Bezahlinhalten festhalten. Das Modell der New York Times sieht vor, dass Erstleser im Internet zwanzig Klicks frei haben und danach aufgefordert werden, ein Abo abzuschließen. Je nach Nutzungsart kostet das 15 bis 35 Dollar je Monat.

Bei der Verbreitung der Bezahlinhalte spielt auch das iPad (als Vorreiter vieler neuer Tablet-PCs) eine große Rolle. Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Quartalszahlen der New York Times-Gruppe gestand Geschäftsführerin Janet Robinson ein, dass sie bei den Umsätzen aus digitalen Abos „entscheidende Fortschritte gemacht“ hätten.

Neben den zahlenden Kunden erhalten weitere 100.000 Nutzer ihren Zugang von Ford gesponsort, was der Popularisierung sicherlich gute Dienste leistet. Zusammen mit den Print-Abonnenten, die ebenfalls über einen Online-Zugang verfügen, beläuft sich die Zahl der NYT-Netzleser nach Unternehmensangaben auf respektable 1,2 Millionen.

Vielen Zeitungsverlagen, egal ob in Deutschland oder in anderen Ländern, fehlt dagegen noch ein funktionierendes Modell für die Vermarktung journalistischer Qualitätsinhalte. Durchgesetzt haben sich Bezahlmodelle bislang lediglich bei Special Interest-Portalen oder den digitalen Ablegern von Fachzeitschriften, die ein gesondertes Interesse verfolgen, das anderswo nirgends bedient wird. Diese Geschäftsmodelle haben jedoch aufgrund der limitierten Zahl der (zahlungskräftigen) Nutzer ebenfalls Überlebensnöte.

Spannend zu beobachten, wann sich in Deutschland die erste überregionale Zeitung mit einem ähnlichen Modell in einen profitablen Bereich bewegt, und welche das wohl sein wird (ich tippe auf die FAZ, wo derzeit noch kostenpflichtige Beiträge einzeln abgerechnet werden).

Orientierung im Medienwandel

Freitag, 09. September 2011

Ein Kommentar im Forum Medien des Kölner Stadt-Anzeigers von Marlis Prinzing über „falsche Objektivität im Journalismus“ hat mich nachdenklich gemacht. Sie schreibt, dass „die Blogosphäre uns die die Erzählfreude zurückgab“, dass Blogger ihren Lesern Orientierungsmöglichkeiten geben, indem sie Themen besetzen und subjektiv behandeln. Mit dem 2003 verstorbenen Journalisten Herbert Riehl-Heise erklärt sie, dass es nicht nur eine Sicht der Dinge gibt und vorsätzliche Subjektivität damit ehrlicher und vertrauenswürdiger sei.

Kölner Stadt-Anzeiger, 08.09.11, Titel: Es lebe die Subjektivität

Der nachfolgende Hinweis auf Bezeichnungen der Journalisten im Nationalsozialismus als „Erzieher der Öffentlichkeit“ und in der DDR als „kollektive Propagandisten“ ist historisch interessant, aber für die Jetztzeit nur bedingt zutreffend. Natürlich lieben viele die einfachen Erklärungen, damit das komplexe Weltgeschehen überhaupt einzuordnen ist, doch ich meine, das Qualitätsjournlismus sehr wohl in der Lage sein muss zu unterscheiden, was ist Basis-Information (die großen W-Fragen), was ist Reportage, was ist Kommentar.

Vor dem Kommentar sollte zunächst eine Darstellung des Sachverhalts stehen, die weitgehend nachvollziehbar ist ohne zu spekulieren. Den Begriff „Objektivität“ gänzlich zu verdammen – oder ihn wie Marlis Prinzing als „Jagd nach dem Einhorn“ zu bezeichnen – halte ich für verkehrt. Eine weitere Folge im laufenden Medienwandel wäre meiner Ansicht nach, dass sich politische Weltanschauungen noch stärker verhärten, der Mediennutzer müsste sich immer schon für eine Interpretationsart entscheiden, deren Argumentationsmuster seiner Denkweise entspricht.

Vermutlich tut er das zum Teil auch heute schon, doch die Bemühung nach einer neutralen, ungefärbten Grundinformation sollte nicht aufgegeben werden, im Gegenteil, nur daran lässt sich nach meiner Auffassung guter Journalismus messen. Marken-Journalisten? Sehr gerne, aber nicht auf Kosten der Unterscheidung zwischen der Berichterstattung, was ist und der Einordnung, warum es so gekommen sein könnte, wie es denn gekommen ist.

Google möchte sich durch Journalismus retten…

Montag, 17. Mai 2010

…das jedenfalls behauptet indirekt der im heutigen FAZ-Artikel zitierte James Fallows im Monatsmagazin „The Atlantic“. Gemäß dem Blick in amerikanische Zeitschriften von Jordan Mejias stützt sich der US-Autor dabei auf Aussagen des Google-Chefs Eric Schmidt, wonach der Konzern „aus kommerziellen wie staatsbürgerlichen Gründen“ den Journalismus wiederbeleben wolle.

FAZ, 17.05.2010, Titel: Rosig ist die Zukunft und papierfrei

Der zu Grunde liegende Gedanke ist richtig: Nur hochwertige Inhalte lohnen sich angeklickt zu werden. Auf Initiative von Google werde derzeit zusammen mit Vertretern von Zeitungsverlagen nach einem Weg aus der gegenwärtigen Krise gesucht. Zwar halte James Fallows den Vorstoß nicht für leicht zu verwirklichen, aber dennoch für hoffnungsvoll. Das Geschäftsmodell für die Übermittlung professioneller Nachrichten (gegenüber dem viel gescholtenen Bürgerjournalismus) gelte es neu zu erfinden. Dabei geht es offenbar vorrangig um die Frage, wie die künftig kostenpflichtigen Inhalte gegenüber den kostenlosen Lockangeboten abgetrennt und dennoch einfach zugänglich gemacht werden können.

 Als Ursachen werden zur Überraschung des US-Autors laut Google nicht Versäumnisse der Verleger genannt, sondern „das historisch beispiellose Spiel technologischer Kräfte“. Dennoch verhält es sich so, dass mit Ausnahme der „New York Times“ und des „Wall Street Journal“ bei allen anderen US-Tageszeitungen die Kosten für Druck, Papier und Transport diejenigen für die Redaktion deutlich übersteigen. Das Internetangebot der Zeitungsverlage könnte sowohl durch Werbung als auch durch Online-Abonnements den Ertrag der Häuser erhöhen. Hierbei spielt auch wieder die Verfügbarkeit der News für alle Endgeräte (Smartphones, Tablet PCs, E-Reader) eine wesentliche Rolle.

 FAZ, 17.05.2010, Titel: Blick in amerikanische Zeitschriften

Offiziell klingen die Maßgaben hochgestochen: „Distribution, Engagement, Monetarisierung“ (durch packendere Stories mehr Leute erreichen). Allerdings läge die Lösung oft eher in einem Detail. So hätten zum Beispiel die „New York Times“ und die „Washington Post“, Artikel, Videos und Leserkommentare zu Themen als „Living Stories“ gebündelt, die vor allem auch für Suchmaschinen attraktiver seien. Zudem sei ein Projekt „Fast Flip“ gestartet worden, mit dem der Leser durch verschiedene Seiten wie durch ein Magazin blättern könne. Daneben schlägt Google zu einer idealen Platzausnutzung von Werbeflächen ein „Yield Management“ wie bei Fluglinien vor.

 Durch solche Details – weniger aber durch eine klare Geschäftsausrichtung auf den Qualitätsjournalismus – erwartet Google rosige Zeiten für das Nachrichtengeschäft. In der Zukunft würden sich neben den bestehenden, durchaus überlebensfähigen Verlagen neue und ganz anders ausgerichtete Häuser etablieren. Jordan Mejias stellt abschließend fest, dass die konkrete Aussicht für das nächste Jahr schon sehr viel schwieriger sei. Alles wischi-waschi also? Nicht ganz. Jedoch sollte sich das Unternehmen Google nicht überschätzen mit seinen Kompetenzen hinsichtlich der Zukunft der Zeitungen (natürlich kann es diese auch aufkaufen). Die meisten der Überlegungen haben zwar mit interessanten Modellen für das Internetgeschäft, mit Journalismus aber nur entfernt zu tun.

Die Schicksalsfrage für Medienunternehmen

Donnerstag, 11. März 2010

Axel-Springer-Konzernchef Mathias Döpfner hat beid er Bilanzpressekonferenz gute Zahlen präsentiert. Der Leser schwankt zwischen Entrüstung und Bewunderung: „Axel Springer kommt gut durchs Krisenjahr 2009“ schreibt das hauseigene Blatt Die Welt (mit Video), „Springer-Chef Döpfner ist Profiteur der Krise“ schimpft dagegen die FAZ. Andere Zeitungen heben darauf ab, dass Der Konzern bereits gut 20 Prozent seiner Umsätze mit digitalen Angeboten macht. „Springer holt Zuwachs aus dem Netz“, so die FTD und die Börsen-Zeitung titelt: „Springer wird zum Online-Unternehmen“.

Die Welt, 11.03.10, Titel: Axel Springer kommt gut durch das Krisenjahr 2009

In der Welt lautet das erste Zitat des Konzernchefs selbstbewusst: „Es gebe kein vergleichbares Medienunternehmen, das so erfolgreich durch die Krise gesteuert sei wie Axel Springer.“ Danach folgen die aktuell sehr ungewöhnlichen Ergebnisse: „Jeder achte Euro vom Umsatz ist Gewinn gewesen“, so Mathias Döpfner in der Welt, und weiter: „wir schlagen eine Rekorddividende vor, die Eigenkapitalquote wurde auf über 40 Prozent erhöht und die Verschuldung de facto auf Null abgebaut.“ Sogar die Mitarbeiterzahl konnt leicht erhöht werden.

Der Heilsbringer waren in der Tat die im Umsatz um 24,4 Prozent gestiegenen Internetaktivitäten, wobei sogar 30 Prozent aller Werbeerlöse auf digitalen Plattformen erzielt wurde. Dieser Weg soll fortgesetzt werden. die Hoffnung ruht auf „journalistischen Angeboten für das Internet und mobile Endgeräte.“ Bis Ende 2009 wurden von den kostenpflichtigen Apps für „Bild“ und „Welt“ 100.000 verkauft. Entsprechende Angebote für das iPad soll es ab dem Frühjahr geben. An der Fähigkeit, Geschäftsmodelle für den Qualitätsjournalismus zu entwickeln, enstcheide sich „die Schicksalsfrage für Medienunternehmen“. Auf die gute Internet-Entwicklung geht die FAZ bei insgesamt sinkenden Vertriebserlösen der inländischen Springer-Zeitungen jedoch nicht ein

Auch die guten Konzernzahlen sieht die FAZ dagegen kritisch: Der bereinigte Konzernüberschuss ssei um 40 Prozent auf 152,6 Millionen Euro gesunken, doch die Gesamtvergütung des vierköpfigen Vorstands um 35 Prozent auf 17,7 Millionen Euro gestiegen. Nicht zuletzt käme die Rekorddividende von 4,40 Euro je Aktie auch Mathias Döpfner als Großaktionär zugute. Das Wort des „Profiteurs der Krise“ hatte der Konzernchef offenbar übrigens selbst auf die „Bild“ angewandt, bei nur 3,7 Prozent Auflagenrückgang. Sondererlöse stammten aus dem Verkauf von Beteiligungen, so der „Leipziger Volkszeitung“, den „Lübecker Nachrichten“ und den „Kieler Nachrichten“ an die Verlagsgruppe Madsack. Die Müncher-Wirtschaftsmedien „Euro“ und „Euro am Sonntag“ stünden vor dem Verkauf oder dem Aus.

Börsen-Zeitung, 11.03.10, Titel: Springer wird zum Online-Unternehmen

Auf die Fantasie der küpnftigen Online-Entwicklung sopringen jedoch sowohlö die Börsen-Zeitung als auch die Financial Times Deutschland an. Beide machen ihren Bericht damit auf, dass der Verlag Axel Springer bis in spätestens sieben Jahren, mögcherweise aber auch schon in zweien, die Hälfte von Umsatz und Gewinn im Internet erwirtschaften möchte. Das Online-Geschäft dürfte auch in Zukunft die weiter rückläufigen Print-Aktivitäten mehr als kompensieren, vermutet die Börsen-Zeitung. Die aktuelle Schuldenfreiheit bezog Döpfner dem Artikel zufolge auf das Einrechnen der selbst gehaltenen Springer-Aktien. Jedenfalls ermöglichten der Free Cash Flow als auch eine Kreditlinie über 1,5 Mrd. Euro „das Unternehmen transformierende“ Akquisitionen.

Was für Akquisitionen das sein könnten, ließ Mathias Döpfner offen. Dem bisher Gelesenen zufolge dürften sie sich in Richtung Online-Business bewegen. In diesem Zusammenhang stellt Lutz Kappmann in der FTD fest, dass trotz der „Schicksalsfrage“ und Döpfners Behauptung, dass am Ende der Inhalt zähle und nicht der Vertriebsweg, bisher der Großteil der Axel Springer-Online-Erlöse nicht aus journalistischen, sondern aus Service-Proukten stamme (Stepstone, Immonet, Werbevermarkter Zanox).

FTD, 11.03.10, Titel: Springer holt Zuwachs aus dem Netz

Beim „Hamburger Abendblatt“ werden aktuell kostenpflichtige Inhalte angeboten, über deren Akzeptanz nichts bekannt wurde. Die iPhone-Apps von „Bild“ und „Welt“ werden bzw. wurden bereits auf monatliche Abo-Modelle umgestellt. Bei den kommenden iPad-Anwendungen sollen bestimmte digitale Angebote künftig über die Telefonrechnung der Telekom laufen können. Den Wettbewerb mit weiteren Online-Kiosken begrüßte Mathias Döpfner offenbar, sei es der geplante Onlione-Kiosk der Telekom oder sei es der von Bertelsmann, solange nur Technologiekonzerne wie Apple nicht in die Inhalte der Verlage eingriffen. Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Qualitätsjournalismus ohne Geschäftsmodell?

Montag, 07. Dezember 2009

Verleger Konstantin Neven DuMont im Kölner Stadt-Anzeiger und in der Welt am Sonntag. – Sören Kittel hat im Springerblatt den Verlegersohn befragt, der seit Januar des Jahres Vorstand der Mediengruppe DuMont ist und Herausgeber von Kölner Stadt-Anzeiger, Express und Mitteldeutsche Zeitung, seit diesem November auch Herausgeber der Frankfurter Rundschau. Der Titel „Kein Blogger schickt Reporter nach Afghanistan“ spricht mich als Blogger natürlich an. Die Aussage aus dem letzten Drittel des Gesprächs dient dem Befragten jedoch eher als Vergegenwärtigung seiner eigenen Position als Geschäftsmann.

Weitaus interssanter ist seine Stellungnahme zur Netzeitung, immerhin hatte die WamS dem Verlagshaus noch vor einem Monat vorgeworfen, die Netzeitung ruiniert zu haben (texthilfe.de hatte berichtet). „Das Geschäftsmodell hat einfach überhaupt nicht funktioniert“ wird Konstantin Neven DuMont zitiert, die Zweitverwertung wie beim Online-Auftritt einer Zeitung habe gefehlt. Die Online-Personalkosten zu refinanzieren habe die vergangenen Jahre über nicht geklappt, räumt er ein, zeigt sich aber zuvor überzeugt, das Problem fehlender Erlöse liege nicht am Internet: „Es ist ein Problem des fehlenden Geschäftsmodells.“

Hinlänglich bekannt ist, dass eigentlich erst das Anzeigengeschäft den Qualitätsjournalimus ermöglicht (vgl. texthilfe.de) und somit auch das qualitativ hochwertige Textumfeld im Internet qualitativ hochwertige Werbung ermöglicht. Bezahlmodelle im Internet funktionieren bisheriger Erfahrung nach nur in Special Interest-Bereichen, vielleicht auch im populärwissenschaftlichen. Über die Zahlungsbereitschaft der potenziellen Kunden scheint der Verleger jedoch keine genaue Vorstellung zu haben, aufgrund der vielen unterschiedlichen Studien: „Mal sind es zehn Prozent, mal 60 Prozent.“ Als Strategie seines Medienhauses gibt er „Qualität“ an und als Vision seiner verlegerischen Tätigkeit „gesellschaftspolitische Meinungsbildung“, „dazu brauchen wir Qualitätjournalismus“.

Köner Stadt-Anzeiger, 05.12.09, Titel: Wege aus der Krise

Auf das Gerücht aus der Süddeutschen Zeitung, dass der Verlag plane, Wirtschaft- und Politikressort seiner renommierten Tageszeitungen zusammenzulegen, wird er allerdings nicht angesprochen. Jedoch schreibt er tags zuvor selber in seinem Blatt Kölner Stadt-Anzeiger über „Neue Wege aus der Krise“ und plädiert dabei einmal mehr für investigativen Journalismus. Dieser setze „die Kräfte frei, die eine Gesellschaft zur Selbstreinigung benötigt.“

Dass der Umbruch der Medienlandschaft diesen wertvollen Journalismus gefährdet, stimmt, wenn das Geschäftsmodell fehlt. Dass aber der investigative Journalismus „immer mehr zwischen die Fronten eines wachsenden Kostendrucks bei bedrohten klassischen Erlösmodellen auf der einen und der Jagd nach Sensationen und sich stets erneuernden Schlagzeilen auf der anderen Seite“ gerate, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Zugegeben wächst der Kostendruck, zugegeben wächst auch die Zahl der Verbreitungswege. Aber befindet sich guter Journalismus nicht schon immer in dieser Gefahr?

Am Ende seines Beitrags in eigener Sache rückt Konstantin neven DuMont mit seinem Anliegen heraus: Sein Verlag entwickele „gerade Konzepte, den Anteil investigativer Reportagen in seinen Blättern zu erhöhen“. Zudem werde eine Vermarktungsplattform für Bezahlinhalte auf den Weg gebracht. „Damit soll die Möglichkeit geschaffen werden, hochwertige journalistische Inhalte nicht länger im Internet zu verschenken.“ Ohne die Zahlbereitschaft der Surfer einschätzen zu können, ein gewagtes Unterfangen. Da fürchte ich ja eher um den Einsatz. Wie hat es der Kollege Jürgen Oehler in derselben Zeitung vor sechs Wochen anlässlich des Münchner Print-Gipfels so schön auf den Punkt gebracht:

„Aber es gibt auch die Erkenntnis, dass der Bereich der zukünftigen Bezahlinhalte realistischer Weise klein ist. Denn keiner kann einfach einen Hebel umlegen und erklären, dass der Online-Nutzer ab sofort für all das bezahlen muss, was er bisher umsonst bekommen hat. Auf die Frage, ob er denn für Online-Inhalte Geld ausgeben würde, antwortete der Kölner Psychologe und Gastredner Jens Lönneker vom Rheingold-Institut. „Eigentlich nicht, aber vielleicht.“ Und das ist eben das Problem.“

Das Anzeigengeschäft stützt den Journalismus

Mittwoch, 25. November 2009

Ein Plädoyer für das Beibehalten der Koexistenz von Anzeigengeschäft und Journalismus. Der Hamburger Kommunikationswissenschaftler Thomas Birkner sieht eine Abkehr von dem seit 100 Jahren bewährten Modell als Holzweg. Damit kritisiert er in der FTD vom vergangenen Montag sowohl Axel Springer-Konzerngeschäftsführer Christoph Keese als auch FTD-Redakteur Joachim Dreykluft.

FTD, 23.11.2009: Titel "100 Jahre Zweisamkeit" von Thomas Birkner

Christoph Keese setzte im Kommentarteil der FTD auf Paid Content-Lösungen, demgegenüber schlug Joachim Dreykluft ebendort den Vertrieb von mobilen Lesegeräten durch Verlage vor. Beiden ist laut Birkner gemeinsam, dass sie „die Anzeige als Financier des Journalismus“ für „unwiderruflich abgetreten“ halten. Zur Begründung seiner gegenteiligen These geht er in die Geschichte und beschreibt die Popularisierung von Zeitungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch das Anzeigenwesen. Durch Gratisauflagen etablierten die Verlage das Produkt „Zeitung“ am Markt und begannen erst danach, Bezugspreise zu erheben.

Mit diesen beinahe nur als Schutzgebühren zu verstehenden Kosten konnte jedoch allenfalls die materielle Produktion, nicht aber der dahinter stehende Journalismus finanziert werden. Birkners Worten zufolge ist „das Tolle an der Zeitung, dass sie von 1605 an ein Wirtschaftsprodukt war, welches dann in der Hochindustrialisierung von der Unternehmenswelt als Werbefläche entdeckt wurde.“ Darüber hinaus habe sich die Zeitung – anders als das Radio und das Fernsehen – als weitgehend unabhängig vom Staat erwiesen. Stattdessen ist die „Dialektik zwischen gesellschaftlichem Auftrag und kapitalwirtschaftlicher Unternehmung zu Recht Bestandteil aller medienkritischen Diskurse“, belegt vor allem durch den Nationalökonomen Karl Bücher, Begründer der Publizistik in Deutschland.

Interessanterweise wurde damit hierzulande dennoch „die finanzielle Grundlage für den unabhängigen Journalismus gelegt“. Diese Mischfinanzierung (etwa 65 Prozent Anzeigen- und 35 Prozent Vertriebserlöse) habe erst die Kontrollfunktion für den Staat ermöglicht, argumentiert Thomas Birkner weiter. Die neuerliche Erfolgsgeschichte des Journalismus in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg sei nun auf das Internet zu übertragen. Die Alternative von privaten Stiftungen  zur Finanzierung von Qualitätsjournalismus wie in den USA hält er hier nur unter staatlicher Beteiligung für realisierbar – was aber der Kontrollfunktion des Journalismus widerspricht.

Als sehr negativ („ein verheerendes Signal“) bewertet der Autor die Trennung der WAZ-Gruppe vom dpa-Angebot aus dem Grund, dass die Informationen doch kostenlos im Netz verfügbar seien. Positiv hingegen sieht er die Absicht der Bundeskanzlerin Merkel, auf journalistische Onlineprodukte wie im Printbereich ebenfalls den ermäßigten Merhwertsteuersatz von 7 Prozent anzuwenden. Die Fallstricke des neuen Leistungsschutzrechts für journalistische Angebote im Netz hat Stephan Zimprich ebenfalls in der FTD beschrieben. Dadurch könnten journalistische Qualitätsangebote entsprechend hervorgehoben werden, „sodass Anzeigenkunden als auch Leser gern dafür bezahlen“, so die Hoffnung, bei aller berechtigter Kritik. Also doch Paid Content – allerdings nur in Verbindung mit dem erlösreicheren Anzeigenumfeld.

Sollten Verleger bei den Bezahlinhalten im Netz scheitern, schließt Birkner, würde das das Ende des professionellen Journalismus in seiner heutigen Ausprägung bedeuten. Auch wenn er sich skeptisch gegenüber dem von „Apologeten des Web 2.0 herbeigesehnten Bürgerjournalismus“ zeigt, kann so ein Umbruch doch auch reinigende Kräfte entwickeln. Mehr noch als auf die normative Kraft des Faktischen sollten wir dabei auf die begeisternde Kraft des Phantasievollen und die bindende Kraft der Vertrauenswürdigkeit setzen.