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Ich glaube, dass ich nicht glaube

Donnerstag, 22. September 2011

Passend zum heutigen Papstbesuch in Deutschland hat Joumana Haddad wie jeden zweiten Donnerstag in der Welt eine Kolumne veröffentlicht, die mich sehr überzeugt hat. Sie liefert zwanzig überzeugende Gründe, warum sie nicht an Gott glaubt. Die einfach gehaltenen Begründungen reichen von „weil ich lebensverbessernde Erfindungen bevorzuge“ über „weil er in der Auswahl seiner Stellvertreter bisher einen lausigen Job gemacht hat“ bis hin zu „weil ich mein eigener Gott bin. Und mich muss man ganz gewiss nicht anbeten.“

Die Welt, 22.09.2011, Titel: Warum ich nicht glaube

Im zweiten genannten Argument schwingt bereits ein Zweifel mit, ob es „jenes höhere Wesen, das wir verehren“, vielleicht doch gibt? Dieser Widerspruch wiederholt sich in den Begründungen, „weil er gefürchtet und verehrt werden will“, „weil seine Belohnungen Betrug sind und seine Strafen unter seiner Würde“ sowie „weil er es mir jeden Tag schwerer macht, an ihn zu glauben“. Rekurriert sie nur auf das Gedankenmodell anderer Gläubiger oder auf eine Vergangenheit, in der sie Lehrer zum Glaubven erzogen haben? Das würde für einem verloren gegangenen Glauben sprechen, oder aber  für eine zwiegeteilte Auffassung, einerseits vom Verstand geleitet („lebensverbessernde Erfindungen“), andererseits vom Gefühl oder von der Überlieferung geleitet („weil er gefürchtet und verehrt werden will“).

Darüber hinaus spricht aus dem bravourös getexteten „Antigebet“ eine sehr starke, selbstbewusste Haltung, dargestellt durch die in meinen Augen entscheidenen Argumente: „weil ich nicht auf Hölle und Paradies warten möchte, ich lebe sie lieber im Hier und Jetzt aus“, „weil ich meine Würde als Frau habe“, „weil ich mir lieber selber Regeln setze. Und sie breche“ sowie „weil ich an mich selber glaube. Und dieser Glaube ist mit dem an Gott nicht kompatibel“. Die „Nichtkompatibilität des Glaubens“ gefällt mir sehr gut. Sie schließt Wunder gar nicht aus („weil dieses Universum ein Wunder ist, das jenseits seiner Möglichkeiten liegt“), geht aber von einer zwischenmenschlichen Welt aus, deren Regeln des Zusammenlebens von Menschen bestimmt sind.

Ich finde dieses „Nichtglaubensbekenntnis“ umso beeindruckeneder, weil es von einer libanesischen Schriftstellerin stammt, die sich in der islamischen Welt gegen weit weniger liberale Glaubensrichtungen als in Europa durchsetzen muss. Wie ich gehört habe, ist dem Moslem Gott so nahe wie seine Halsschlagader. Sicherlich, wer an Gott glaubt, dessen Leben hängt an seinem Faden. Wenn er sich zum Märtyrertod berufen fühlt, dann legt er in religiöser Verblendung sein Leben in Gottes Hände. Wichtig ist in diesem Zsuammenhang daher noch mal der Hinweis auf die unbedingte Trennung zwischen Kirche und Staat – was mit einer Papstrede im Bundestag in meinen Augen jedoch wenig zu tun hat.

Umgekehrt haben vom Glauben inspirierte moralische Lehren der Menschheit einigen Ärger erspart, kirchliche Willkür und Ungerechtigkeit aber auch großes Leid beschert. Daher ist vielleicht doch diese eine Begründung die zentrale, unabrückbare: „Ich glaube nicht an Gott, weil ich Gerechtigkeit, Freiheit und Wahlmöglichkeit unterstütze.“