Mit ‘Social Networks’ getaggte Artikel

Die Wahrheit übers Netzwerken

Mittwoch, 09. November 2011

Was muss ich da lesen? „Networking-Profis“ haben offenbar viel weniger mit Sozialen Netzwerken zu tun, als sich der Durchschnitts-Dummie so vorstellt. Weder Facebook, wo das „Freunde sammeln“ bis zu dem Punkt führt, dass es einfach mal reicht, noch LinkedIn, das sich als ein weltweiter Business-Club versteht (geschweige denn Xing) hätten auch nur annähernd die Bedeutung, die ihnen im Rahmen von Gegenwarts- und Trendanalysen zum Web 2.0 zugeschrieben werden. Das will die neue Initiative „Dictyonomie“ (= Die Lehre der Netzwerke) herausgefunden haben. Um praktischerweise auf ihrer Homepage direkt auf ein selbstverständlich sehr praxisnahes Werk „Wie man aus Fremden Freunde macht“ hinzuweisen.

Überschrift der Mail von dictyo.de

Ein rundes halbes Dutzend in den Augen des Initiators Alexander Wolf herausragender Netzwerker werden beschrieben, wobei mir die Auswahl reichlich willkürlich erscheint, möglicherweise beeinflusst durch die zufälligen Bekanntschaftten des eigenen Netzwerks des Absenders. Mit einer Mail hat er mich auf seine Initiative aufmerksam gemacht, wonach eine neue „Dictyonomie“-Studie geringe Relevanz von Social Communities bei Networking-Profis offenbare. Hierzu hat er nach eigenen Angaben Politiker, Unternehmer, Manager und Diplomaten  interviewt (etwa jeweils einen?) und eine Umfrage unter 100 Business-Club-Mitgliedern durchgeführt, wie Profis ihre Netzwerke aufbauen und pflegen. 

Seine vorab mitgeteilten Ergebnisse klingen durchaus interessant: 1. Social Communities spielen eine wesentlich geringere Rolle als bisher angenommen: Nur ca. 20% der Networking-Profis nutzen sie intensiv für ihre Kontaktpflege. 2. Deutschlands Networker sind eher schüchtern: Nur 49% stufen sich selbst als „sehr kontaktfreudig“ ein. Und 3. große Geschäfte werden immer noch in kleinen Netzwerken gemacht: 91% bevorzugen Geschäfte mit Menschen, die sie gut kennen. Aber liegt das nicht eigentlich alles auf der Hand?

Der Hype ums Netzwerken nervt mich schon lange. Klar kommt es darauf an, wie ich mit Menschen umgehe. Es kommt auch darauf an, welche Ziele ich verfolge, ob ich Menschen instrumentalisiere oder ich sie einfach gerne kennen lernen möchte (geht das – ohne Hintergedanken?). Und große Geschäfte wickle ich bestimmt auch nicht über Facebook ab. Es geht um Vertrauen, das sich aus guter gegenseitiger Kenntnis und Verlässlichkeit ergibt. Aus meiner Sicht sind Netzwerk-Erfolge letztlich Zufälle – soweit es im Leben überhaupt so etwas wie einen Zufall gibt.

Wochenend-Presseschau 07-10

Montag, 22. Februar 2010

Onlinenetzwerke, Hugo von Hofmannsthal und der neue Mann. Die Welt am Sonntag bringt eine Betrachtung der Auswirkung virtueller Communities auf das reale Leben. Der Titel lautet „Was nützt die Liebe in Gedanken“ – in Anspielung auf den gleichnamigen deutschen Film mit Daniel Brühl und Anna-Maria Mühe aus dem Jahr 2004 (hieß nicht auch ein altes deutsches Liebeslied so?). In derselben Zeitung eine Besprechung des Düsseldorfer Männerkongresses. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hingegen eine überraschend aktuelle Behandlung von Hugo von Hofmannsthals Ansichten zum Journalismus aus dem Jahr 1907.

WamS, 21.02.10, Titel: Was nützt die Liebe in Gedanken?

Lorraine Haist berichtet in der WamS über den Selbstmord einer jungen Frau, die fast 1.000 Freunde auf Facebook hatte. Davon ausgehend charkaterisiert die Autorin die Freundschaften in Onlinenetzwerken als wenig eng, beziehungsweise kaum diesen Begriff wert. Gleichzeitig erwies sich für die spätere Selbstmörderin, die zu Lebzeiten unter schweren Depressionen litt, ihr ausgeprägter Hang sich lieber mit virtuellen als mit reellen Freunden zu umgeben, als äußerst fatal. Viele ihrer Facebook-Bekanntschaften hätten ihre Statusmeldungen mit der Zeit auf „verbergen“ gestellt. „Schließlich gehören Probleme, Imperfektionen und Langeweile zu den Ausschlußkriterien für ein erfolgreiches agieren in sozialen Netzwerken.“

Soziale Netzwerke böten einerseits ein hohes Suchtpotenzial als Rückzugsorte und Ersatzbefriedigung für depressive Menschen, andererseits vergrößerten sie mit zunehmender Nutzung die Gefahr sozialer Verluste in der realen Welt. Laut Bert te Wildt, Mediziner der Abteilung Klinische Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover lasse sich dort „auch das Scheitern besonders großartig inszenieren“

WamS, 21.02.10, Titel: Mann, mach mal!

Scheitern ist ein gutes Stichwort für die in der Sozialwissenschaft vorherrschende Meinung über den Status des Mannes in der heutigen Gesellschaft. Ausgehend von häufig fehlenden Vaterfiguren, fehlenden männlichen Erziehern meist bis zur weiterführenden Schule und fehlenden verlässlichen Richtlinien angemessenen männlichen Auftretens befinden sich viele Männer in einer Identitätskrise. Während die Abwesenheit des Vaters in der Folge zweier Weltkriege zwar beklagenswert, aber unabänderlich schien, ist heute oft eine geistige oder emotionale Abwesenheit der Väter festzustellen, aufgrund der Unsicherheit in einer männlichen Rolle, wie Andreas Fasel treffend beschreibt.

Dauernde Zurechtweisung von Jungs – etwa, wenn sie sich austoben wollten – führten entweder „in die feminine Anpassung“ oder in die machohafte „Überkompensation“. Matthias Franz, Professor am Institut für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Uniklinik Düsseldorf und Mitinitiator des Männerkongresses, spricht in diesem Zusammenhang von einem „jungendiskriminierenden Kurzschluss“ in vielen Kindertagesstätten. Der (kleine und erst recht der große) Mann gilt heute als das schwache Geschlecht, als das „Problemgeschlecht“. Ungerechtfertigter Kritik von Frauen an den lauteren Zielen des Kongresses hält er entgegen, dass es auch in ihrem Interesse sein müsse, in Zukunft überhaupt noch beziehungsfähige Männer zu finden.

FAS, 21.02.10, Titel: Hugo von Hoffmansthal - Die Zukunft des Journalismus

Journalisten befinden sich laut Hugo von Hofmannsthal in einem Durchgangsstadium – ob sie also beziehungsfähig sind, bleibt zu hinterfragen. Jedenfalls beschäftigt sich Volker Weidermann in der FAS mit bislnag unveröffentlichten Notizen aus dem 33. Band der Werke Hugo von Hofmannsthals: „Reden und Aufsätze 2. 1902-1909“. In dieser Zeit habe sich von Hoffmannsthal selbst nach der Trennung von Stefan George in einer Neuorientierung befunden. Laut Weidermann erfährt der Leser in der meisterhaft kommentierten Edition das Glück und dei Dankbarkeit, die von Hofmannsthal beim Schreiben empfunden haben müsse.

Dabei modifizierten Journalisten den Begriff Glück und bildeten dabei das „geistige Wetter“ (vermutlich würden wir heute „Klima“ sagen). Innerhalb seiner eigenen „Utopie des Schreibens“ (Volker Weidermann) sucht er nach Gleichgesinnten, um sich in dauernder geistiger Bewegung, fernab von Routine, zu neuen, der Zeit angemessenen Sichtweisen zu gelangen. Obwohl von Haus aus Monarchist beschreibt von Hofmannsthal einen „anarchischen, weltverändernden Journalismus“, der auch noch von der Allgemeinheit zu bezahlen sei. Vieles klingt nachvollziehbar aus den Fragmenten, etwa „Schreiben = sein. Was einer berührt, macht nichts aus: es ist der innere Schwung, die Haltung, wie ers berührt.“ Doch sich diese Haltung bezahlen zu lassen, erscheint aus heutiger Sicht reichlich unrealistisch. Heute würde ein derart begeisterter Autor Bücher darüber veröffentlichen und vermutlich teure Seminare anbieten.