Mit ‘Zukunft des Journalismus’ getaggte Artikel

Die Debatte um Journalismus geht weiter

Donnerstag, 20. Mai 2010

Der Kölner Stadt-Anzeiger hat zur Debatte über die Zukunft des Journalismus aufgerufen, wenigstens sechs Personen haben sich bereits daran beteiligt: zuerst die Bloggerin Lena Reinhard, danach der Medienwissenschaftler Norbert Bolz, dann gestern der Vorstand der Kölner Mediengruppe M. DuMont Schauberg, Konstantin Neven DuMont (thematisch eher am Rande), und heute schließlich Dr. Hermann J. Roth aus Bonn und Erich-Günter Kerschke aus Köln (beide noch nicht online). Moment, das sind erst fünf! Achja, ich selbst habe auch einen Beitrag an die Redaktion gesandt, der (noch) nicht berücksichtigt wurde. Zweimal schrieb ich schon etwas zum Thema und ich beschäftige mich weiter damit…

Kölner Stadt-Anzeiger, 20.05.2010, Titel: Frei sein und frech bleiben

Hermann J. Roth beklagt den Niedergang der medialen Meinungsvielfalt, ablesbar auch an den vergleichbaren Schlagzeilen allerorten. „Kennst Du eine, kennst Du alle!“, möchte ich sein Statement bezogen auf Zeitschriften zusammenfassen.Vor diesem Hintergrund freut er sich besonders über den Zwischenruf Lena Reinhards, die einerseits individualisierte Zeitungen, andererseits mehr Herzblut im Journalismus fordert. Erich-Günter Kerschke dagegen geht einen Schritt weiter und fordert Journalisten dazu auf, „Gemeinsinn zu stiften“ anstatt sich zu „Komplizen von Erzeugern konfektionierter Meinungen und Haltungen“ zu machen. Als Aufgaben des Journalismus skizziert er „Wege aus der Sackgasse“ zu finden (auch in Anbetracht von politischer Ideenlosigkeit und Politikverdrossenheit). Zustimmung: Dem in Beziehung Setzen und Bewerten von Sachverhalten kommt eine wichtige Rolle zu.

Kölner Stadt-Anzeiger, 19.05.2010, Titel: Die Medienlandschaft gerät aus den Fugen

Der Beitrag des Verlegers vom Vortag erscheint dagegen reichlich ungeeignet, um Stichhaltiges zur Debatte beizutragen. Dass sich die Medienlandschaft verändert und konsolidiert, ist bekannt. Der Zusammenhang zwischen schlechter Wahlbeteiligung und dem Internet dagegen ebenso aus der Luft gegriffen wie der zwischen Demokratisierung und dem Internet. Joachim Losehand kommentiert auf der Internetseite treffend: „Schlapper Alarmismus gepaart mit lustlosem Stochern im Nebulösem. Intellektuelle Durchdringungsschärfe liest sich anders.“

FAZ, 20.05.2010, Titel: Multimillionenfrage 

Ein „Aus-den-Fugen-Geraten“ der Medienlandschaft kann ich nicht erkennen, der Titel online „die Medienlandschaft wird umgepflügt“ trifft den Kern schon besser. Aus den Fugen geraten eher die bisherigen Geschäftsmodelle, womit wir wieder beim Thema wären. Hierzu klingt der Satz „Viele Verleger sind gezwungen, Redaktionsetats den sinkenden Erlösen anzupassen.“ wie eine Rechtfertigung des Verlegers Neven DuMont. In der FAZ ist heute dagegen von Arthur Sulzberger jr., dem Verleger der New York Times zu lesen, der bei einem Vortrag in Frankfurt am Main Schlagworte wie „Courage, Innovationsfreude, Meinungsführerschaft“ bemühte und für eine multimedial stärkere Einbindung der Leser plädierte. Übrigens bekräftigte er ein weiteres Mal, dass es die Inhalte der New York Times nicht kostenlos gebe und beschrieb ein abgestuftes Bezahlsystem.

Freie Journalisten möchten meist frei bleiben

Sonntag, 25. April 2010

Die Kölner Studentin für Medienkommunikation und Journalismus Sarah Schlifter hat im ersten Quartal des Jahres für ihre Bachelor-Arbeit eine Umfrage unter freien Journalisten durchgeführt, deren empirische Ergebnisse sie mir nun freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. 170 von 272 Angeschriebenen haben den Fragebogen vollständig ausgefüllt (62,5%).

Wichtige Erkenntnise hieraus: Gut zwei Drittel hat den Eindruck, die Auftragslage habe sich verschlechtert (69%), fast ebenso viele sind mit ihrem Beruf und den Umständen insgesamt nicht zufrieden (64%) und behaupten, dass sich der Beruf des Journalisten finanziell nicht lohnt (63%). Dennoch möchten mehr als drei Viertel der Befragten weiter frei arbeiten und streben keine Festanstellung an.

Sarah-Schlifter, Umfrage Freie Journalisten: Festanstellung

Als Gründe für diese bevorzugte Arbeitsweise werden vor allem genannt: Die freie Zeiteinteilung (knapp 85 %), für mehrere Arbeitgeber zu arbeiten (73,5%), „sein eigener Chef“ zu sein (72 %), sich die Themen aussuchen zu können (71%) und nicht ortsgebunden zu sein (66%).  Bei der Frage, ob das momentane Einkommen genüge, antorteten 32% mit „Ja, es reicht aus“, 29% mit „Nein“ und 39% antworteten, sie würden gerne mehr verdienen (wobei allerdings unklar bleibt, ob ihnen – wie nur zu vermuten – ihr jeweiliges Einkommen genügt). Diese partielle Unzufriedenheit deckt sich mit der Einschätzung der Frage, ob sich die Auftragslage verschlechtert habe.

Sarah-Schlifter, Umfrage Freie Journalisten: Auftragslage

Eine besondere Rolle in der Umfrage und der Fragestellung ihrer Arbeit spielte die Rolle der digitalen Medien auf das Berufsbild, das Selbstverständnis und die Beschäftgiung. 71 % der Befragten gaben an, dass der Status des Freien Journalisten durch die zunehmende Digitalisierung nicht gefährdet sei. Die überwältigende Mehrheit von 91 % glaubt nicht an einen „Tod der Printmedien“. Dennoch sprechen 72 % von einer Krise des Journalismus, die offensichtlich mit einer Verschlechterung der Auftragslage und einer relativ geringen Zufriedenheit einhergeht.

Sarah Schlifter, Umfrage Freie Journalisten: Zufriedenheit

Sicherlich wäre es eine spannende Aufgabe, die zahlreichen zitierten Antworten einzelner Teilnehmer zur Begündung ihrer Abstimmungen qualitativ zu überprüfen und zu hinterfragen, als Stichworte seien hier nur genannt die „Kostenloskultur“ im Internet, Nichtachtung qualitativer Standards, fehlende Zeit für Recherche, schlechte Arbeits- oder Vertragsbedingungen (das Buy-Out-Geschäft: Mehrfachverwertung ohne Mehrfachbezahlung).

In ihrer Zusammenfasung widerspricht Sarah Schlifter der Auffassung, dass Journalisten heute nicht mehr gebraucht würden. Um in der sich ändernden Medienwelt zu überleben, müssten sie zuverlässig, flexibel und ständig abrufbereit sein, gleichzeitig aber auch die Freiheit genießen können, um ihrem Beruf mit Herzblut nachzugehen. Der in die Zukunft gerichtete Blick könne dann positiv sein, wenn sie gute Arbeit ablieferten, sich vor Neuem nicht verschlössen (gerade im Hinblick auf die rasante Entwikclung im Internet) und Akquise und Kundenpflege betrieben.

Wochenend-Presseschau 07-10

Montag, 22. Februar 2010

Onlinenetzwerke, Hugo von Hofmannsthal und der neue Mann. Die Welt am Sonntag bringt eine Betrachtung der Auswirkung virtueller Communities auf das reale Leben. Der Titel lautet „Was nützt die Liebe in Gedanken“ – in Anspielung auf den gleichnamigen deutschen Film mit Daniel Brühl und Anna-Maria Mühe aus dem Jahr 2004 (hieß nicht auch ein altes deutsches Liebeslied so?). In derselben Zeitung eine Besprechung des Düsseldorfer Männerkongresses. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hingegen eine überraschend aktuelle Behandlung von Hugo von Hofmannsthals Ansichten zum Journalismus aus dem Jahr 1907.

WamS, 21.02.10, Titel: Was nützt die Liebe in Gedanken?

Lorraine Haist berichtet in der WamS über den Selbstmord einer jungen Frau, die fast 1.000 Freunde auf Facebook hatte. Davon ausgehend charkaterisiert die Autorin die Freundschaften in Onlinenetzwerken als wenig eng, beziehungsweise kaum diesen Begriff wert. Gleichzeitig erwies sich für die spätere Selbstmörderin, die zu Lebzeiten unter schweren Depressionen litt, ihr ausgeprägter Hang sich lieber mit virtuellen als mit reellen Freunden zu umgeben, als äußerst fatal. Viele ihrer Facebook-Bekanntschaften hätten ihre Statusmeldungen mit der Zeit auf „verbergen“ gestellt. „Schließlich gehören Probleme, Imperfektionen und Langeweile zu den Ausschlußkriterien für ein erfolgreiches agieren in sozialen Netzwerken.“

Soziale Netzwerke böten einerseits ein hohes Suchtpotenzial als Rückzugsorte und Ersatzbefriedigung für depressive Menschen, andererseits vergrößerten sie mit zunehmender Nutzung die Gefahr sozialer Verluste in der realen Welt. Laut Bert te Wildt, Mediziner der Abteilung Klinische Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover lasse sich dort „auch das Scheitern besonders großartig inszenieren“

WamS, 21.02.10, Titel: Mann, mach mal!

Scheitern ist ein gutes Stichwort für die in der Sozialwissenschaft vorherrschende Meinung über den Status des Mannes in der heutigen Gesellschaft. Ausgehend von häufig fehlenden Vaterfiguren, fehlenden männlichen Erziehern meist bis zur weiterführenden Schule und fehlenden verlässlichen Richtlinien angemessenen männlichen Auftretens befinden sich viele Männer in einer Identitätskrise. Während die Abwesenheit des Vaters in der Folge zweier Weltkriege zwar beklagenswert, aber unabänderlich schien, ist heute oft eine geistige oder emotionale Abwesenheit der Väter festzustellen, aufgrund der Unsicherheit in einer männlichen Rolle, wie Andreas Fasel treffend beschreibt.

Dauernde Zurechtweisung von Jungs – etwa, wenn sie sich austoben wollten – führten entweder „in die feminine Anpassung“ oder in die machohafte „Überkompensation“. Matthias Franz, Professor am Institut für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Uniklinik Düsseldorf und Mitinitiator des Männerkongresses, spricht in diesem Zusammenhang von einem „jungendiskriminierenden Kurzschluss“ in vielen Kindertagesstätten. Der (kleine und erst recht der große) Mann gilt heute als das schwache Geschlecht, als das „Problemgeschlecht“. Ungerechtfertigter Kritik von Frauen an den lauteren Zielen des Kongresses hält er entgegen, dass es auch in ihrem Interesse sein müsse, in Zukunft überhaupt noch beziehungsfähige Männer zu finden.

FAS, 21.02.10, Titel: Hugo von Hoffmansthal - Die Zukunft des Journalismus

Journalisten befinden sich laut Hugo von Hofmannsthal in einem Durchgangsstadium – ob sie also beziehungsfähig sind, bleibt zu hinterfragen. Jedenfalls beschäftigt sich Volker Weidermann in der FAS mit bislnag unveröffentlichten Notizen aus dem 33. Band der Werke Hugo von Hofmannsthals: „Reden und Aufsätze 2. 1902-1909“. In dieser Zeit habe sich von Hoffmannsthal selbst nach der Trennung von Stefan George in einer Neuorientierung befunden. Laut Weidermann erfährt der Leser in der meisterhaft kommentierten Edition das Glück und dei Dankbarkeit, die von Hofmannsthal beim Schreiben empfunden haben müsse.

Dabei modifizierten Journalisten den Begriff Glück und bildeten dabei das „geistige Wetter“ (vermutlich würden wir heute „Klima“ sagen). Innerhalb seiner eigenen „Utopie des Schreibens“ (Volker Weidermann) sucht er nach Gleichgesinnten, um sich in dauernder geistiger Bewegung, fernab von Routine, zu neuen, der Zeit angemessenen Sichtweisen zu gelangen. Obwohl von Haus aus Monarchist beschreibt von Hofmannsthal einen „anarchischen, weltverändernden Journalismus“, der auch noch von der Allgemeinheit zu bezahlen sei. Vieles klingt nachvollziehbar aus den Fragmenten, etwa „Schreiben = sein. Was einer berührt, macht nichts aus: es ist der innere Schwung, die Haltung, wie ers berührt.“ Doch sich diese Haltung bezahlen zu lassen, erscheint aus heutiger Sicht reichlich unrealistisch. Heute würde ein derart begeisterter Autor Bücher darüber veröffentlichen und vermutlich teure Seminare anbieten.