Mit ‘Zahnbürsten-Theorie’ getaggte Artikel

Bauern-Unkenntnis oder das „NIH-Syndrom“

Donnerstag, 29. September 2011

Das Sprichwort sagt: „Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht.“ Mehr noch: Vielen steht die Angst vor Veränderungen buchstäblich ins Gesicht geschrieben, wann immer sich die Chance dazu ergibt. Bauern-Unkenntnis dürfte demnach die Kehrseite der Bauern-Schläue sein. Ähnlich geht es auch klugen Köpfen, wenn es darum geht, denkerische Leistungen anderer zu würdigen. 

Der verehrte Rolf Dobelli, der Gründer und Kurator des Forums “Zurich.Minds”, hat in seiner jüngsten Ausgabe seiner Reihe „Klarer denken“ (immer montags im Feuilleton der FAZ), das so genannte „NIH-Syndrom“ behandelt. Es steht für „Not invented here“ und uimschreibt die Tatsache, dass gute Ideen oft nciht erkannt werden, wenn sie jemand anders hatte.

FAZ, 26.09.11, Titel: Warum wir uns in die eigenen Ideen verlieben

Nun könnte der Eindruck entstehen, wenn etwas wo anders erfunden wurde, fällt es mir aus Gründen ungenauer Kommunikation schwer, der Idee zu folgen. Doch das ist hier nicht gemeint. Unternehmen tednieren nachgewiesenermaßen dazu, diejeingen Ideen, die eigene Mitarbeiter hervorbrachten für besser zu halten als die der Konkurrenz. Dies ist bereits bei Brain Stormings zu erkennen, wenn mehrere Menschen Lösungen suchen: Die eigenen Ideen werden stets am besten bewertet. Autor Dobelli macht das Phänomen sogar für die schlechten Renditen vieler Start-Ups verantwortlich.

Ein schöner Beleg stammt aus dem Buch „The Upside of Irrationality“ des Psychologen Dan Ariely: Im Blog der New York Times sammelte er Vorschläge zum Senken des Wasserverbrauchs und bat um Bewertungen der Anwendbarkeit. Die Antworten waren absichtlich auf wenige Wörter begrenzt, sodass viele sehr ähnliche Vorschläge abgaben. Dennoch wurden die eigenen Ideen ganz vorwiegend am besten bewertet.

Ein anderes, kulturhistorisches Beispiel entstammt der weiterführenden Beobachtung, dass gute Ideen aus anderen Kulturkreisen ebenfalls nicht gerne übernommen werden. So war der Schweizer Kanton Appenzell-Innerrhoden bis zu einem Bundesgerichts-Entscheid im Jahr 1990 unbelehrbar, wenn es um das Stimmrecht  für Frauen ging, ringsumher eine Selbstverständlichkeit seit langem.

Um dem beliebten Trugschluss nicht zu unterliegen (wer nochmal hat Amerika entdeckt?), rät der Autor zu Abstand und dazu, sich die Frage zu beantworten, welche eigene Idee der vergangenen Jahre wirklich so herausragend war, dass sie noch heute Bestand hätte. Abschließend eine kurze englische Erörterung des Autors Dan Ariely zum NIH-Kapitel seines Buchs. Sehr schön darin auch die Umschreibung des Phänomens als „Toothbrush Theory“: jeder bracuht eine, jeder will eine (Idee), aber niemand möchte die des anderen nutzen.