Mit ‘Abhängigkeit’ getaggte Artikel

Der Zwang sich künstlich zu bräunen

Mittwoch, 17. August 2011

Passend zur späten Ankunft des Sommers in diesem Jahr wird aktuell die Gefahr der Abhängigkeit von UV-Licht beschworen. Einige Leute gehen ja fast täglich ins Sonnenstudio, angeblich um an ihrem Teint zu arbeiten. In Wahrheit, so haben jetzt Forscher des  Southwestern Medical Centers in Dallas herausgefunden, handelt es sich häufig um Süchtige, die gar nicht mehr anders können. Sonnenbank-Junkies, könnte man sagen.

Kölner Stadt-Anzeiger, 17.08.2011, Titel: Solarien können süchtig machen

Die Ärzte-Zeitung berichtet über ein Experiment, das Probanden verschiedenen Lichtquellen aussetzte, mal mit und mal ohne UV-Licht. Bei den mit UV-Licht bestrahlten Leuten wurden Hirnaktivitäten in den Bereichen für Freude und Belohnung festgestellt, die typischerweise auch bei Alkohol- und Drogenabhängigen vorkommen. Sollte das der Grund sein, warum viele Sonnenbanknutzer so ausgemergelt aussehen?

Laut den Forschern würde dies jedenfalls erklären, warum in den USA Solarien immer häufiger besucht werden, obwohl das damit verbundene Hautkrebsrisiko gut bekannt ist. Natürlich könnte man mutmaßen, das hängt damit zusammen, dass Sonnenbänke gerne von bildungsfernen Schichten benutzt werden, wie es so schön heißt (Stichwort „Asi-Toaster“). Doch offenbar verändert die UV-Bestrahlung Hirnaktivitäten und emotionales Empfinden, sodass die Vermutung naheliegt, erst die Sonnenbänke machen die Leute asozial.

Ein gewisses Suchtverhalten ist dem häufigen Solarienbesuch offenbar nicht abzusprechen. Sollten Sonnenbänke deshalb eines Tages unter das Drogengesetz fallen, müssen sich Solarienbetreiber künftig in den Untergrund zurückziehen, was zu den sargähnlichen Vorrichtungen ja schon mal gut passt. Gewarnt wird dann vor UV-Dealern und dem „Goldenen Schuss“ des künstlichen Sonnenlichts.

Jenny quengelt nach Brainjoghurt

Sonntag, 25. Oktober 2009

Der nach eigenen Angaben „innovativste Business-Think-Tank Deutschlands“ namens „forward2business“ (f2b) hat ein neues Trendbuch zum Thema Brainfood vorgelegt. Nach NLP (Neo-Lingusitischer Programmierung) ist nun offenbar NEP der neueste Schrei: Neuro-Enhancement-Präparate.

Pressemitteilung zur Buchveröffentlichung "2020 ..."

Es war ja abzusehen, dass sich das Buch mit dem Titel „2020 – So leben wir in der Zukunft“ nicht mit der kulturhistorischen Bedeutung des Kaffees oder mit Studentenfutter als geeignete Mittel abgäbe, um die geistige Kapazität der lieben Lernenden zu steigern. Ausgangspunkt der zweifellos pfiffigen Ausarbeitung ist das Memorandum deutscher Wissenschaftler „Das optimierte Gehirn“, worin sie sich nach Angaben des „f2b“-Pressetextes  für den tabulosen Umgang mit Hirndoping von gesunden Menschen aussprechen.

Das Magazin „Gehirn & Geist“ für Psychologie und Hirnforschung (im Verlag Spektrum der Wissenschaft) stellt das Memorandum als Titelthema der Oktoberausgabe vor. Hierbei wird deutlich, dass die Einnahme solcher Präparate nach Grund und Zweck sowie nach Intensität und Regelmäßigkeit grundsätzlich zu hinterfragen ist. Wichtig erscheint auch die Unterscheidung, dass die Pillen lediglich der Verbesserung neuronaler Stoffwechselprozesse dienen, eigentliche Lernprozesse im Sinne des Austauschs und Bewertung von Argumenten jedoch nicht ersetzen. Zwar sind die meisten üblichen ethischen Einwände kaum ernst zu nehmen (dass die Einnahme gegen die menschliche Natur, stattdessen von künstlicher Natur sei, dass sie die Authentizität oder Persönlichkeit der einnehmenden Person gefährdeten), aber dennoch wird es ähnlich wie beim Leistungsdoping im Sportbereich unerwünschte Nebenwirkungen geben, vor allem als „psychische Begleiterscheinungen“ – etwa, indem sich ein Proband, der unter NEP-Einnahme Höchstleistungen erzielt, sich dabei als authentischer betrachtet – und in eine Abhängigkeit geraten könnte.

Der „f2b“-Trendforscher Sven Gábor Jánszky baut auf dieser erst langsam aufkeimenden Diskussion auf und legt eine konkrete Zukunftsprognose vor, die das Leben mit Hirndoping im Jahr 2020 als Normalität beschreibt. Wenn die 10jährige Jenny Seedorf in Mathe nicht richtig mitkommt, empfehlen ihr der Vater und der Bruder, zum Brainjoghurt zu greifen, allerdings lehnt das die traditionell erzogene Mutter ab. Die einzelnen Kapitel beschreiben lebensnahe Situationen aus Arbeitswelt, Einkaufen, der Schule und im Zuhause der vierköpfigen Familie Seedorf vom Aufstehen bis zum Zu-Bett-Gehen im Jahr 2020.

Das Buchcover "2020 - So leben wir in Zukunft"

Die als prosaisch bezeichneten Kapitel werden durch Dossiers von Experten ergänzt. Neu ist beim Kauf des Buches sogar ein Internet-TV-Kanal abrufbar, um die Trendprognosen noch eindringlicher zu erleben, mit kostenlosem Zugang zu einem Archiv von 150 Zukunftsprognosen und Strategievorträgen. Bleibt die Frage, ob das Lesen von Trendprognosen süchtig macht oder auch nur die Aufnahmefähigkeit des Gehirns erweitert. Letzteres wahrscheinlich nicht, aber eines tun diese Studien doch: Sie können einen immer wieder das Staunen lehren.

Das broschierte Buch von Sven Gábor Jánszky „2020 – So leben wir in der Zukunft“ hat 248 Seiten, ist erschienen im Goldegg Verlag, Wien, und kostet 21,40 Euro.