Mit ‘Gratiskultur’ getaggte Artikel

Der Streit tritt auf der Stelle

Donnerstag, 14. Oktober 2010

„Wert(e) der Medien in der digitalen Welt“ lautet das Motto der diesjährigen Münchner Medientage, die morgen zu Ende gehen. Zum Auftakt behakten sich die üblichen Verdächtigen in schon liebegewonnener Gewohnheit – oder für Außenstehende in ermüdender Langeweile.

FAZ, 14.10.10, Titel: Wer bedroht hier wen?

Henning Peitsmeier schreibt in der FAZ: „Wenn Altbekanntes bewährt sein soll, dann hat deer „Mediengipfel“ sein Ziel erreicht.“ Der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust verteidigte die Erhöhung der Rundfunkgebühren ab 2013 (ARD und ZDF hätten keine Mehreinnahmen davon, meinte er). Der Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien Jürgen Doetz bezweifelte den Informationsauftrag der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender insgesamt. Axel Springer-Chef Mathias Döpfner rief zu mehr Vielfalt hinsichtlich der Endgeräte auf (vermutlich hat er die Mahnung des BDZV, sich vom iPad keine Wunder zu erwarten, ernst genommen). Daneben kritisierte er die kostenfreien ZDF-Apps, die seinen erfolgreichen Bezahlmodellen unlautere Konkurrenz machten. ZDF-Intendant Markus Schächter wiederum machte Stimmung gegen Google und Apple, da die Riesenkonzerne sich alle Inhalte kostenlos einverleibten.

Henning Peitsmeier resümmiert, dass bild.de vermutlich nicht mehr lange zwanzig mal größer als tagesschau.de bleibt, wenn das ZDF-App kostenlos ist, während das Bild-App 79 Cent kostet. In der Tat kommen die Privaten nicht weiter in ihrem Bemühen, ein Bezahlmodell im Internet einzubürgern, wenn es weitere Unterstützer der Abgreifmentalität gibt. Ich bedeine mich auch gerne überall dort, wo mich etwas interessiert. Doch es muss in die Köpfe hinein, dass sobald eine Information exklusiv ist, sobald eine Geschichte mit Hintergrundwissen angereichert wurde und sobald weitere Arbeitsleistung von Journalisten mit ins Spiel kommt, die Inhalte auch ihr Geld wert sein sollten. Insofern ist die nachdrückliche Forderung von Mathias Döpfner in seiner Keynote nach Leistungsschutzrecht bei journalistischen Inhalten im Netz und nach dem Ende der Gratiskultur durchaus berechtigt. Ich will mal gespannt sein, ob von dem Gipfel, den dieses Jahr erstmals sogar Landesvater Horst Seehofer besucht hat, noch stärkere Impulse mit Lösungsansätzen ausgehen.

FAZ, 14.10.10, Titel: Mitregieren im Web

Nebenbei und übrigens auch örtlich direkt neben dem oben zitierten Artikel berichtet die FAZ auch über eine Umfrage von infratest dimap im Auftrag von „Internet & Gesellschaft Co://aboratory„. Demnach möchten mehr als zwei Drittel der 1.00 befragten Wahlberechtigten (genau 71%) häufiger in politische Entscheidungen eingebunden werden und setzen dabei verstärkt auf das Internet. 69% sind dazu bereit, sich konkret an einem lokalen eParticipation-Angebot  kommunale Belange betreffend zu beteiligen. Über die Medien die Bezahlinhalte in den Medien mitzubestimmen, das wäre allerdings auch mal eine schöne Alternative!

Zuletzt noch eine Zusammenfassung von Messe-Live TV:

Das Nachrichten-Yin und Yang

Freitag, 08. Oktober 2010

Digitale und analoge Medien ergänzen sich nach wie vor (als Yin und Yang der Nachrichtenwelt) , auch wenn die Geschäftsmodelle vieler Unternehmer für beide Bereiche sich aufs Neue behaupten müssen. Diese Kurzformel ziehe ich aus zwei Veröffentlichungen in der FAZ in dieser Woche. Zuerst war da die Buchbesprechung von Uwe Ebbinghaus zum Sammelband „Wozu noch Journalismus?“ – Wie das Internet einen Beruf verändert. Dem schloss sich ein kurzer Beitrag über die weltweit vergleichsweise geringe Nachfrage nach Nachrichten-Apps an.

FAZ, 02.10.10, Titel: Wichtiger denn je: Zeitung lesen!

Die Überschrift der Renzension liest sich natürlich ein wenig wie eine Selbstrechtfertigung. Doch in der Tat ist das Zeitunglesen – zumal im Feuilleton – gelegentlich ein ganz besonderer Genuss. So auch in diesem Fall, wobei sich die Besprechung hauptsächlich mit den einführenden Essays der Herausgeber Stephan Weichert und Leif Kramp (beide Medienwissenschaftler) sowie Hans-Jürgen Jacobs, Chefredakteur von „sueddeutsche.de“ auseinandersetzt. Uwe Ebbinghaus bescheinigt ihnen „unbelegbare Behauptungen“ (wie die Forderung nach einem „unablässigen Dialog“ der Redakteure mit ihren Lesern) und eine „völlig unzureichende Argumentation“ (wie Blogs würden „etablierten Medien unerwartet das Wasser abgraben“ oder dass die Presse „Moderator von Leser- und Zuschauerinteressen sein“ müsse).

Ein weiteres wichtiges Versäumnis hält der Autor dem Buch vor, nämlich dass die Debatte noch „vor der Etablierung vieler Medien-Applikationen für Smartphones und der Markteinführung des Tablet-Computers iPad“ ende. Insgesamt sei das Ergebnis des ganzen Buches jedoch „erhellend und optimistisch“, heißt es, „die Debatte schärft sich sozusagen in Abgrenzung von den Impulsgebern“. Allerdings lautet der Abschlusssatz zu dem Sammelband, der auf einer online nachzulesenden Serie bei sueddeutsche.de beruht: „Die entscheidenden Fragen über die Zukunft des Journalismus werden in diesem Buch nicht beantwortet.“ Zu nennen ist jedoch die von den Buch- wie vom Rezensions-Autoren wiederholte Forderung nach einem „entschleunigten Journalimus“. Dieser sei doch gerade im Printjournalismus gegeben, betont Ebbinghaus. Vor allem im Feuilleton, möchte ich anmerken.

FAZ, 07.10.10, Titel: Warnung vor iPad-Begeisterung

Unter anderem wird aber in dem Buch auch – vor dem Hintergrund der inzwischen bestehenden  kostenpflichtigen online Angeboten speziell für das iPad und für Smartphones – eine Einigkeit in Hinblick auf die „ökonomisch nicht zu rechtfertigende Gratiskultur“ konstatiert. Dazu passt der Artikel vom 7. Oktober aus der FAZ (online leider nicht verfügbar), wonach der Welt-Verlegerband Wan-Ifra vor „zu viel Begeisterung für den Tablet-Computer iPad von Apple gewarnt“ habe. Neben dem Hinweis, dass es auch noch andere Geräte gibt, ist noch entscheidender die Tatsache, dass „die Nachfrage nach den Anwendungsprogrammen (Apps) mit Nachrichtenangeboten eher gering“ ist. Dies wurde am Rande der „Leitmesse der Zeitungsindustrie“, der Ifra Expo 2010 in Hamburg mitgeteilt. Eine interessante Zusammenfassung weiterer Hauptthemen des 17. World Editors‘ Forum auf englisch bietet wan-press.

Kristina Sabelstörm-Möller von der Meinungsforschung des Wan-Ifra wurde weiter zitiert, „nur bis zu vier Prozent der Downloads sind „News“-Anwendungen, um Zeitungen oder Magazine zu lesen“. Demgegenüber würden bei E-Readern die Inhalte fast ausschließlich zum Lesen genutzt, von denen 95 Prozent kostenpflichtig seien. Abschließend folgt ein Hinweis des Analysten des Marktforschers Forrester Research, Nick Thomas: Zeitungsverlage müssten sich vor allem als Nachrichtenmarken etablieren. Das ist ja nun mal nichts Neues. Warum aber sollten Tablet-Nutzer, die nur bereit sind, jährlich rund 50 Dollar für ein Abo zu bezahlen, mehr in Informationen über dieses Endgerät investieren? Sie können ja immer noch Zeitung lesen.

Wochenend-Presseschau 10-10

Montag, 15. März 2010

„Alle Menschen werden Brüder“, heißt es in Schillers „Ode an die Freude“, für die meisten unmittelbar als die geniale Komposition Ludwig van Beethovens im Kopf präsent. Nicht ganz so weit geht Wieland Freund, wenn er in der Welt am Sonntag schreibt: „Alle Bücher werden Zauberbücher“. Am Samstag bereits hatte der Kölner Medienrechts-Professor Rolf Schwartmann im Interview mit Tobias Kaufmann im Kölner Stadt-Anzeiger behauptet:

Kölner Stadt-Anzeiger, 13.03.10, Titel: "Das Internet ist wie Feuer"

Dabei teilt er seine Auffassung mit, dass das Internet für ihn sowohl den „Schwarm“ als breite Nutzermasse als auch eine „Fragmentierung der Öffentlichkeit“ erzeugt. Vor dem Hintergrund der Risiken ständiger Selbstdarstellung in Blogs und Sozialen Netzwerken wendet er die Analogie des Feuers an: „Man muss es beherrschen können“. In dem Lernprozess stehen wir vermutlich heute auf einer Stufe mit Urmenschen, wie sie im Film „Am Anfang war das Feuer“ dargestellt werden.

Eine weiterer wichtiger Aspekt, den der befragte Experte anspricht, ist der Wertewandel, den das Internet erzeugt, etwa wenn digitale Mediendateien oder auch nur journalistische Inhalte kostenfrei, dabei häufig illegal herunter geladen werden: „Dadurch (…) droht das Gefühl dafür verloren zu gehen, dass solche Angebote Zeit, Mühe und Geld kosten – und dass die Nutzer der Angebote an den Kosten beteiligt werden müssen.“ Er stellr fest, dass gerade auch Blogger von der Auseinandersetzung mit den klassischen Medien leben. Das kann ich bestätigen! – Hintergund des Geprächs war übrigensdas 4. Kölner Mediensymposium in der Landesvertretung NRW in Berlin zum Thema „Leben im Schwarm – Wie das Internt uns verändert“.

Welt am Sonntag, 14.03.10, Titel: Alle Bücher werden Zauberbücher

Das Thema des Wertewandels behandelt auch Wieland Freund in seinem WamS-Essay. Selbst, wenn das Buch weiter an Bedeutung verlieren sollte (was es nach jüngsten Studien offenbar gar nicht tut), betrachtet er das mit Gelassenheit, denn die Bücher haben heute bereits eine Art „Anti-Medien“-Status erreicht. Sie sind weder in Medienmärkten zu haben, noch werden sie von kindern in derselben Kategorie wahrgenommen wie andere „Medien“. Freund bezweifelt, dass es hilft, wenn Eltern versuchen, ihren Kindern Bücher gegenüber flimmernden Medien schmackhaft zu machen. Denn „Alle Bücher sind Zauberbücher“ und haben auf viele eine magische Anziehungskraft, nicht erst seit Joanne K. Rowlings Harry Potter, in dem selbst „fantastische Speichermedien“ zum Einsatz kommen. Die heutigen Auseinandersetzungen mit bezahlbaren Internetinhalten (Googles Book Settlement, Apples iBook-Store und andere Paid Content-Modelle) erinnern ihn an die Machtkämpfe, die mit Erfindung der Buchdruckerei begannen. Ein sehr interessanter Beitrag zu Lese- und Internetkultur!