Mit ‘iTunes-Store’ getaggte Artikel

Sicher ist nie sicher genug

Montag, 12. Juli 2010

Nachdem sich Facebook bereits vor gut sechs Wochen genötigt sah, Fehler in der Datensicherheit einzugestehen und Nachbesserungen anzukündigen (Simon Akam berichtete in der Welt am Sonntag mit einem Portrait des Gründers Mark Zuckerberg), sieht sich nun Apple in der Zwangslage, die Datensicherheit verbessern zu müssen, nachdem am vergangenen Wochenende Datendiebe den iTunes-Store besucht hatten. Varinia Bernau berichtet in der Süddeutschen Zeitung unter Berufung auf das Wall Street Journal, dass die Zugangsdaten von etwa 400 Apple-Kunden geknackt und auf deren Kosten Musik und Programme im Wert von rund einer Million Dollar geraubt worden seien.

Süddeutsche Zeitung, 10.07.2010, Titel: Der faule Apfel

Fällige Nachbesserungen in der Datensicherheit sind die eine Seite. Im WamS-Artikel wurden die von Mark Zuckerberg in Aussicht gestellten Verbesserungen als „kleiner, kosmetischer Eingriff“ bezeichnet, eine Läuterung hinsichtlich seiner Einstellung (berühmt ist sein Ausspruch vom „Ende der Privatsphäre“) in Frage gestellt. Doch schlimmer noch als die Schwachstellen in der Programmierung ist der Umgang mit dem Kunden. „Er nimmt es in Kauf einige seiner Nutzer zu verärgern, um dann das nächste Level zu erreichen“, wird in der WamS Robert Scoble zitiert, der Gründer des Technologie-Blogs Scobleizer.

Die Süddeutsche vom vergangenen Samstag widmet dem Einbruch im iTunes-Store sogar einen Kommentar, ebenfalls von Varinia Bernau. Ausgangspunkt ist nicht nur der Datenklau, sondern auch das anshcließende Verhalten des Konzerns seinen Nutzern gegenüber, die gegen überhöhte Rechnungen Beschwerde eingereicht haben. Eine Kundin konnte die Beschwerde erst nicht am Telefon absetzen, sondern musste sie schriftlich einreichen, um zwei Tage später einen Brief zu erhalten, der sie aufforderte, sich mit ihrem Problem an die Bank zu wenden.

Süddeutsche Zeitung, 10.07.2010, Titel: Die Arroganz der Macht

„Solche Nachlässigkeit kann sich Apple nicht leisten“, schlussfolgert die Kommentatorin, da der Konzern im Begriff sei, damit das Vertrauen seiner Nutzer zu verspielen. Ob es nun 100 Millionen sind, wie zuletzt angegeben, oder etwa 130 Millionen (gemäß der Angabe bei den 400 betroffenen Kunden handele es sich um weniger als 0,0003 %), spielt da keine Rolle. Ein weiteres Problemfeld ist der Vorwurf der Zensur bei der Freigabe der Apps durch Apple, von denen es inzwischen mehr als 250.000 Stück gibt. Bei jedem Verkauf eines dieser Programme  kassiert der Konzern von Steve Jobs ein Driottel des Preises. Wer sich aber mit seinen Daten nicht sicher fühlt, wird bei aller Apple-Euphorie möglicherweise dann doch einmal erwägen, den Anbieter zu wechseln.

Digitale Orientierungssuche

Sonntag, 07. März 2010

Die Welt am Sonntag hat mich heute doch einigermaßen überrascht: Auf der Titelseite verspricht eine Überschrift neue Erkenntnisse über die Bedeutung des Internets, deren Antwort dann allerdings ganz anders ausfällt als erwartet. Denn die Doppelseite 72/73, auf die hier verwiesen wird, ist grafisch in Anlehnung an die Startseite bei Facebook gestaltet. Vielmehr aber fesselte mich anschließend der Aufmacher der „Stil“-Abteilung über das Geschäftsmodell von Apple.

WamS, 07.03.10, Titel: Wie das Netz unser Leben verändert

Der Untertitel „Facebook-Report“ hätte mich stutzig machen sollen. Das zugegeben große Soziale Netzwerk ist sicherlich eine Marke im Bewusstsein sowohl des Marktes, als auch vieler einzelner Nutzer. Aber der Titel hatte mich doch eher an die geplante Enquete-Kommission des Bundestags erinnert oder wenigstens an umfangreiche Studien über das Ausmaß des Einflusses des Internets auf das alltägliche Leben. Die Auslassungen unserer Bundesfamilienministerin Kristina Schröder über Facebook interessierten mich dann doch weniger. Spannend dagegen fand ich die Betrachtung von Andreas Rosenfelder über „unsere Doppelgänger in den sozialen Netzwerken“:

WamS, 07.03.10, Tietl: Vom doppelten Körper des Facebook-Nutzers

Die seit vielen Jahren übliche Angewohnheit, sich im netz einen Avataren anzulegen, vergleicht der Autor mit dem im Mittelalter bemühten „politischen Körper“ ein es Königs, der im Gegensatz zu seinem natürlichen Körper „makellos und unsterblich“ war. „Der Datenkörper steht immer im Licht der Öffentlichkeit, auch wenn wir uns gerade verkriechen möchten.“ Weiter beobachtet Andreas Rosenfelder richtig, dass diese Daten keinen „programmierten Zelltod“ kennen und stattdessen im Fall des Ablebens ihres Urhebers weiter existieren. Es sei denn, wie werden von einer Spezialfirma weitgehend gelöscht. Da gefiel mir natürlich besonders der Vergleich mit James Camerons „Avatar“, über den ich schon lange nichts mehr geschrieben habe.

Allerdings wird dieses treffliche Bild nicht weiter vertieft, sondern handelt der Artikel anschließend vorrangig von der Datenmenge und -speicherung. Während die Telekom in der vergangenen Woche nach dem Verbot der Vorratsdatenspeicherung durch das Bundesverfassungsgericht insgesamt 19 Terrabyte an Daten gelöscht hat, tun wir bei Facebook unablässig immer noch genau das: Daten auf Vorrat speichern („Petabytes“, wenn wir dem Artikel glauben wollen). Das Verweilen auf der Seite verwandle sich „in einem vielstimmigen Gesellschaftsroman, montiert aus Anekdoten, banalen Kantinenwitzen, witzigen Aphorismen, Partyfotos und Miniatur-Leitartikeln“. Aber weder sei das Copyright an diesem Roman festzumachen (Verweis zur Hegemann-Debatte), noch stünde uns im Allgemeinen bislang das nötige „Survival-Wissen“ des Internetzeitalters zur Verfügung, um „all die Elemente zu beherrschen, aus denen sich unser Daten-Corpus zusammensetzt“.

WamS, 07.03.10, Titel: Angebissen

In diesem Zusammenhang passt der so betitelte Beitrag von Joachim Bessing und Lorraine Haist sehr gut ins Bild. Ausgehend von der früheren Lagerbildung Bill Gates (Microsoft) versus Steve Jobs (Apple) wird die heute deutlich verschobene Marktposition dargestellt: Apple stünde heute etwa da, wo Ende des vorigen Jahrhunderts noch Sony stand. „Mit dem iPod hat Jobs den Walkman des 21. Jahrhunderts auf den Markt gebracht. Mit dem iPhone hat er das Mobiltelefon neu erfunden. (…)“. Was aber nioch wichtiger ist, Apple bestimmt in seiner Machtposition auch über die Inhalte, die via „iTunes-Store“ vertrieben werden: Musiktitel, Zusatz-Applikationen, genannt Apps, und demnächst auch die Inhalte fürs iPad von Zeitungs- und Schulbuchverlagen.

Vor diesem Hintergrund passt das Firmenlogo, ein angebissener Apfel, besonders gut: Nach dem Biss in die verbotene Frucht wurden die ersten Menschen aus dem Paradies verwiesen. Die Autoren sehen die Entsprechung zum Nutzer der Jobs-Produkte: „Hinter dem Glas des Monitors liegt sein Garten der Lüste. Mithilfe des orthodoxen Regulariums des iTunes-Store wird dort nun aufgeräumt.“ Nicht nur wurden dort sämtliche Google-Anwendungen aus dem Angebot genommen, sondern auch alle Anwendungen, die anzüglich erscheinen könnten, zensiert (so etwa eine Diashow von Katzenbildern, die dummerweise den Namensbestandteil „Pussy“ trug).

Apple allerdings habe wesentlich zur heutigen Netzkultur mit dem in Soziale Netzwerke ausgelagerten Privatleben beigetragen, „weil es Steve Jobs gelungen ist, aus grauen Büomaschinen Familienmitglieder zu machen: Dinge, die wie Handschmeichler sind“. Der Schluss des Artikels leuchtet mir allerdings nicht ganz ein: „Aus Steve Jobs Paradies wird keiner mehr verbannt“, heißt es da. Aber zuvor klang es noch so, als sei es Steve Jobs gewesen, der uns aus dem Paradies geschmissen habe. Sein Konzern des angebissenen Apfels trägt dazu bei, die Zeiten des kostenlosen und des unzensierten Internets zu beenden. Ob ein Konsumentenprotest gegen Apple wirklos bliebe, wie in der WamS vermutet wird, ist ungewiss. Aber die Verhandlungen um digitale Urheberrechte haben erst begonnen. Alternative Geschäftsmodelle zu Gunsten der Verbraucher werden vermutlich nicht lange auf sich warten lassen.