Archiv für die Kategorie ‘Psychologie’

Gefühlsblinde Deutsche

Montag, 01. November 2010

Schock Schwerenot – ich glaub, mich trifft der Schlag! Der Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Berliner Charité Isabelle Heuser zufolge, leidet mehr als jeder zehnte Deutsche an „Gefühlsblindheit“. Damit fällt die Alexithymie, wie sie wissenschaftlich heißt, nicht unter die Volkskrankheiten – genau genommen handelt es sich überhaupt nicht um eine Krankheit, sondern lediglich um ein Persönlichkeitsmerkmal.

Die Welt, 01.11.10, Titel: Mehr als jeder zehnte Deutsche ist gefühlsblind

Allerdings, wie Isabella Heuser in der heutigen Welt weiter zitiert wird, sei es unter psychisch Kranken jeder fünfte Deutsche, der die Gefühle von Mitmenschen schlecht deuten könne. Diese Menschen sind umgekehrt auch anfälliger für psychische Erkrankungen und leiden oft unter gestörten Beziehungen. Dies wurde im Vorfeld einer Alexithymie-Tagung am kommenden Wochenende an der Freien Universität Berlin bekannt, veranstaltet vom Forschungsverbund „Languages of Emotions„.

Erkenntnisse über die vielfältigen Ursachen der Gefühlsblindheit würden zum Wissen über menschliche Emotionen insgesamt beitragen. Ohne die emotionale Not Gefühlsblinder herunterspielen zu wollen, ist uns doch sicher allen schon einmal Gefühlsblindheit begegnet, indem der Humor bei einer Aussage oder sogar eine innige Liebe nicht erkannt wurde. Etwas anderes ist es natürlich, wenn eine Person das Gefühl eines anderen nicht wahrnehmen möchte. Aber die Gefühlslage einer Person ist doch entscheidend für das Verständnis dessen, was sie sagt, und ihre Intention. Denn ohne Wohlwollen funktioniert nur wenig Kommunikation.

Neuronale vs. Soziale Netzwerke

Sonntag, 31. Oktober 2010

Diese Meldung hat mich kurz vor Beginn der Normalzeit noch einmal hellwach gerüttelt: Drogen zerstören Netzwerke im Gehirn, schreibt unter anderem die Welt unter Berufung auf eine Studie der Universität Rostock. Dabei hat eine Forschergruppe um den Rechtsmediziner Andreas Büttner systematisch die Gehirne Drogentoter untersucht und eine vorzeitige (und auch vor dem Tode) irreparable Degeneration des Gehirns festgestellt.

Die Welt, 30.10.10, Titel: Studie: Drogen zerstören Netzwerke im  Gehirn

Demnach seien bei den Betroffenen Nervenzellen abgestorben und die Zahl der Verschaltungen zwischen Nervenzellen habe deutlich abgenommen. Kurz: Das komplexe Netzwerk der Zellen im Gehirn werde beeinträchtigt oder sogar teilweise zerstört. Darüber hinaus möchte uns seit der jüngeren Vergangenheit der Autor Nicholas Carr mit seinem Buch „Wer bin ich, wenn ich online bin“ einreden, dass „bereits eine Onlinestunde am Tag erstaunliche neurologische Prägungen in unserem Gehirn“ bewirke (laut Klappentext).

So negativ wie Peter Praschl Mitte der Woche in der Welt würde ich das Buch nicht besprechen. Warum? Ich würde das Buch gar nicht besprechen, weil ich es gar nicht erst lesen würde – „mit einem Vorwort von Frank Schirrmacher“, der schon mit seiner eigenen Payback-Denk-Apokalypse Panik verbreitet. Machen also Soziale Netzwerke unser Gehirn ebenso kaputt wie Drogen die gehirneigenen Netzwerke? „Die Generalthese vom potenziellen Hirnschaden durchs Internet“ erscheint laut Peter Praschl unbegründet. Ebenso undifferenziert erscheint mir die pauschale Beurteilung der Gehirne Drogentoter, ohne  auf die dabei konsumierte Drogen zu verweisen (Heroin? – Kokain? – Cannabis? – Alkohol?).

Lesen kann bilden, Lesen kann aber auch nur Vorurteile zementieren. Nur Vorsicht, dass Lesen nicht zur Droge gerät und weitere neuronale, soziale oder sonstige Netzwerke zerstört.

Muttern ist die Beste!

Freitag, 22. Oktober 2010

Forscher des National Institute of Mental Health in Maryland haben die Gehirne von 19 jungen Müttern untersucht und dabei eine erstaunliche Feststellung gemacht: Die Tests kurz nach der Geburt und wenige Wochen später ergaben, dass die Gehirne während dieser Zeit wachsen. Damit wird, gemäß den Veröffentlichungen in der American Psychological Association und im Telegraph die Mär der „Stilldemenz“ entkräftet.

Die Welt, 22.10.10, Titel: Erst wächst der Bauch, dann das Gehirn

In der Welt hat jetzt Maria Gerber über den Sachverhalt berichtet. Demnach legt die graue Masse junger Mütter speziell in drei Gehirnbereichen zu: dem Mandelkern, auch als Zentrum der Emotionen bezeichnet, dem Hypothalamus, der bei Gefahren durch den Mandelkern informiert wird, und im präfrontalen Cortex, hinter der Stirn gelegen, in dem Problemlösungen entwickelt werden. Die richtige Schlussfolgerung im Zeitungsartikel lautet: „All dies sind Gehirnbereiche, die bei der Versorgung eines Babys für die Mutter von großem Nutzen sind.“

Vielleicht verhält es sich bei der Entwicklung dieser neuen, für die menschliche Entwicklung vermutlich ganz zentralen Fähigkeiten ja so, dass durch die Vergrößerung des Gehirnvolumens und die (möglicherweise unbewusste) Beschäftigung mit diesen neuen Aufgaben die typische Schusseligkeit von stillenden Müttern auftritt. Dass also die gelegentlich zu beobachtende Vergesslichkeit junger Mütter keineswegs als Anzeichen der Verblödung anzusehen ist, sondern im Gegenteil als Anzeichen dafür, dass eine ganz entscheidende Entwicklung des menschlichen, in diesem Fall weiblichen Gehirns vonstatten geht.

Dies gibt nicht nur einen Erklärungsansatz für die stärkere Mutterbindung, sondern auch für die oft größere Fähigkeit von Frauen, mit Problemen umzugehen. Woraus sich als Faustregel ableiten ließe: Willst du deine  Gefühle ergründen, musst du mit Muttern dich verbünden!