Mit ‘Mandelkern’ getaggte Artikel

Politische Denke zeigt sich im Gehirn

Montag, 30. April 2012

Von politischer Denke zu sprechen beinhaltete früher im Wesentlichen die Unterscheidung zwischen links und rechts. Mit den Grünen ist das ökologische Bewusstsein in das Spektrum der alltäglichen Politik eingezogen. Heute werden oft mangelnde Unterschiede in den Positionen vieler Partien beklagt. Wofür genau die momentan so erfolgreichen Piraten stehen sollen, hat sich mir noch nicht erschlossen, aber das soll hier nicht das Thema sein. Psychologen vom Londoner University College haben jetzt jedoch hirnanatomische Unterschiede bei Testpersonen verschiedener politischer Gesinnung festgestellt.

Kölner Stadt-Anzeiger, 30.04.2012: Das Hirn ist politisch

Jörg Zittlau berichtet darüber im Kölner Stadt-Anzeiger, in der Schwestwerzeitung Frankfurter Rundschau findet sich ein weiterer Beitrag von Adtian Lobe dazu – mit einem kritischem Leserkommentar zu den Grenzen seriöser Wissenschaft. Immerhin wurde das Ergebnis in den Philosophical Transactions of the Royal Society B veröffentlicht, aber auch das will vermutlich nicht viel heißen. Den Probanden wurden Fragen zu ihrer politischen Auffassung gestellt, mit Antwortmöglichkeiten von 1 bis 5. Dabei wurde ihr Gehin per Magnetresonanz gescannt.

Rechtskonservative zeigten dabei angeblich eine deutlich größere rechte Amygdala (der rechte „Mandelkern“, ein Zentrum zur Verarbeitung von Emotionen und von Angst), Linksliberale dagegen mehr graue Hirnmasse im vorderen Hirngürtel (ein Zentrum zur Verabreitung von Konflikten und Unsicherheiten). Die beiden Regionen des limbischen Systems seien relativ zuverlässig bei mehr als 70 Prozent der untersuchten Testteilnehmer zuzuordnen gewesen, berichtet der Teamchef Ryota Kanai.

Den Forschern zufolge passen die festgestellten Gehirnaktivitäten sehr gut: Konservative Menschen seien angstanfälliger, Liberale offener gegenüber Unbekanntem. Der Kölner Stadt-Anzeiger zitiert des Testleiter: „Mit unserer Studie haben wir nun auch eine biologische Grundlage für diese Charakterunterschiede gefunden.“ Kein Witz, im Weiteren wurde vorgeschlagen, zum Beispiel die Ansichten von Mac-Usern mit denen von PC-Nutzern zu vergleichen. Dann könnten wir auch gleich die Hirnaktivitäten verschiedener Sportfans oder von religiösen Gruppen untersuchen.

Abgesehen von den damit verbundenen Gesundheitsrisiken und den mutmaßlichen Einwänden von Ethikkomissionen spielt bei diesen Untersuchungen und ihren Ergebnisen noch ein weiteres Problem eine große Rolle (ähnlich wie bei einem anderen Ergebnisbericht zur Hirnforschung aus dem Vorjahr): Wir wissen nicht, ob die Unterschiede in der Hirnanatomie Ursache oder Folge der Anschauungen sind.

Der Stadtneurotiker als Spezies

Mittwoch, 06. Juli 2011

Eine neue Studie, die jüngst in Nature vorgestellt wurde, belegt, dass die Angstverarbeiotung bei Stäödtern wesentlich schlechter ist als bei Menschen auf dem Lande. Das berichtet Dr. Magnus Heier in der Magazin-Kolumne „Aus der Praxis“ des Kölner Stadt-Anzeigers. Demnach hat der Städter in der Amygdala, dem so genanten Mandelkern, einem Angstzentrum in beiden Gehirnhälften,  eine signifikant höhere Aktivität.

Kölner Stadt-Anzeiger, 06.07.2011, Untertitel: Stadtleben verändert messbar das Gehirn

Umgekehrt verhält es sich jedoch in der übergeordneten Region des cingulären Cortex. Je ländlicher ein Mensch ausfgewachsen ist, desto aktiver reagiert dieser Bereich im Experiment. Entscheidend für die Angstverarbeitung ist der Auswertung des behandelten Experiments zufolge die Jugend des Probanden. Hat er sie auf dem Dorf verbracht, neigt er weniger zu psychischen Störungen. Da sist doch einmal eine Aussage! 

Am Ende seiner Ausführungen räumt der Neurologe und Wissenschaftsautor jedoch ein, dass möglicherweise hier Ursache und Wirkung verwechselt würden: Es ist nicht gesagt, dass uns die Stadt ängstlicher macht. Es könnte auch sein, dass genau die ängstlicheren Tyüpen ausgerechnet die Stadt als Lebensform bevorzugen. Sein Resüme: „Wir wissen nichts. Und das ist in der Medzin nicht selten.“

Nur gut, dass es so vielschichtig denkende und umfassend bewanderte Ärzte wie Dr. House (wenigstens im Fernsehen) gibt. Der findet doch alles raus, meistens jedenfalls, egal ob er weiß oder nicht. In der Tat ist gerade das Arbeiten mit Hypothesen aus wissenschaftlicher Sicht hoch interessant, wenn auch am lebenden Objekt nicht immer – sagen wir – beruhigend. Doch nirgends zeigt sich die hohe Verantwortung, der sich ein Wissenschaftler bewusst sein muss, besser als beim Beruf des Arztes. Da tut so eine erfrischend selbstkritische Erkenntnis doch mal richtig gut!

Muttern ist die Beste!

Freitag, 22. Oktober 2010

Forscher des National Institute of Mental Health in Maryland haben die Gehirne von 19 jungen Müttern untersucht und dabei eine erstaunliche Feststellung gemacht: Die Tests kurz nach der Geburt und wenige Wochen später ergaben, dass die Gehirne während dieser Zeit wachsen. Damit wird, gemäß den Veröffentlichungen in der American Psychological Association und im Telegraph die Mär der „Stilldemenz“ entkräftet.

Die Welt, 22.10.10, Titel: Erst wächst der Bauch, dann das Gehirn

In der Welt hat jetzt Maria Gerber über den Sachverhalt berichtet. Demnach legt die graue Masse junger Mütter speziell in drei Gehirnbereichen zu: dem Mandelkern, auch als Zentrum der Emotionen bezeichnet, dem Hypothalamus, der bei Gefahren durch den Mandelkern informiert wird, und im präfrontalen Cortex, hinter der Stirn gelegen, in dem Problemlösungen entwickelt werden. Die richtige Schlussfolgerung im Zeitungsartikel lautet: „All dies sind Gehirnbereiche, die bei der Versorgung eines Babys für die Mutter von großem Nutzen sind.“

Vielleicht verhält es sich bei der Entwicklung dieser neuen, für die menschliche Entwicklung vermutlich ganz zentralen Fähigkeiten ja so, dass durch die Vergrößerung des Gehirnvolumens und die (möglicherweise unbewusste) Beschäftigung mit diesen neuen Aufgaben die typische Schusseligkeit von stillenden Müttern auftritt. Dass also die gelegentlich zu beobachtende Vergesslichkeit junger Mütter keineswegs als Anzeichen der Verblödung anzusehen ist, sondern im Gegenteil als Anzeichen dafür, dass eine ganz entscheidende Entwicklung des menschlichen, in diesem Fall weiblichen Gehirns vonstatten geht.

Dies gibt nicht nur einen Erklärungsansatz für die stärkere Mutterbindung, sondern auch für die oft größere Fähigkeit von Frauen, mit Problemen umzugehen. Woraus sich als Faustregel ableiten ließe: Willst du deine  Gefühle ergründen, musst du mit Muttern dich verbünden!