Mit ‘Selbstregulierung’ getaggte Artikel

Gutgläubigkeit oder Gewissheit?

Sonntag, 30. Oktober 2011

Die nationale Anti-Doping Agentur NADA und der Deutsche Olympische Sportbund DOSB sind in ihrem Bemühen, den Leistungssport „sauber“ zu bekommen, in einer ähnlichen Situation wie der Deutsche Frisbeesport-Verband in Hinblick auf das Gelingen der selbst regulierten Teamsportart Ultimate Frisbee. In beiden Fällen erscheint die Überzeugung, dass die Sportverbände reüssieren, naiv oder gutgläubig. Dennoch halten auch in beiden Fällen die offiziellen Funktionäre an ihrer Linie fest, die sich allerdings etwas gegenläufig ausnimmt.

Kölner Stadt-Anzeiger, 29.10.2011, Titel: Vesper glaubt an saubere Spiele

DOSB-Generaldirektor Michael Vesper und die neue NADA-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann beteuern, dass die Instrumente gegen den unsauberen Sport schärfer geworden seien, es werde auf intelligente Art getestet, sodass die Kontrolleure mit hochmodernen Analysen „zur richtigen Zeit bei den richtigen Sportlern“ seien, wie Susanne Rohlfing im Kommentar im Kölner Stadt-Anzeiger schreibt. Allerdings, so schränkt sie in ihrer Analyse ein, ist nicht nur die Finanzierung der nationalen Anti-Doping-Agentur unsicher, sondern vor allem international die Kontrollpraxis uneinheitlich.

Ähnlich geht es dem Deutschen Frisbeesport-Verband, der nach der Auszeichnung mit dem Fair-Play-Preis des Deutschen Sports die Hoffnung hegt, dass ein Beitritt zum DOSB doch eher als durch formale Kriterien beschränkt möglich wäre (offizielle Bedingungen sind 10.000 registrierte Verbandsmitglieder und die Mitgliedschaft in sieben Landessportbbünden).

In Deutschland und in Europa läuft nach allgemeinen Kenntnissen die Selbstkontrolle des weltweit einzigen Teamsports ohne Schiedsrichter sehr gut, allerdings gibt es international zumindest aus unserer Sicht fragwürdige Tendenzen: In den USA werden Observer eingesetzt, die dem Publikum gewisse Entscheidungen (in oder out) signalisieren und damit de facto die Spieler übergehen. In Lateinamerika wird mit einer solchen Begeisterung gespielt, die schon nahe an ein unfaires Verhalten aus europäischer Sicht grenzt.

Kölner Stadt-Anzeiger, 29.10.2011, Titel des Kommentars von Susanne Rohlfing: Intelligent, aber arm

Insofern mag es intelligent sein, die Eigenverantwortung der Sportler zu fordern und weiter zu stärken – dies geht auch ganz in die Richtung, die NADA-VV Gotzmann vorgestellt hat: ein Zwei-Säulen-System der Doping-Kontrolle einerseits und der Prävention andererseits. Wie es im NADA-Beitrag heißt: „Im Bewusstsein der Sportler müsse verankert werden, „dass Sport ohne Doping das Normale ist und die Athleten ein Recht auf sauberen Sport haben“.“ Ebenso verhält es sich im Ultimate-Sport. Der DFV und alle ausübenden Teams leben genau diesen Gedanken vor. Im Übrigen sind hier gemäß Paragraf 1 des umfangreichen Regelwerks keine Sanktionen vorgesehen, um das Einhalten zu gewährleisten.

Was mich zu der im Titel zum Ausdruck gebrachten Frage zurückbringt: Ist es Gutgläubigkeit oder Gewissheit, dass sich das Bewusstsein eines „anständigen Wettstreits“ durchsetzt? Der Welt-Flugscheiben-Verband WFDF hat bereits ein Anti-Doping-Programm aufgesetzt, auch der DFV wird hier nachziehen, obwohl dies eigentlich im Widerspruch zu unserer Auffassung steht, dass die Menschen aus eigener Überzeugung im Sinne der Gemeinschaft handeln müsen und Doping aus einer gelebten Moral heraus geächtet wird.

Aber können wir das wirklich voraussetzen, wenn unser kleiner Verband bisher nicht einmal erfolgreich durchsetzen kann, dass alle Teilnehmer von Deutschen Meisterschaften auch selbstverständlich DFV-Mitglieder sind? Eine Lösung mittels eines Computer-Programms scheint möglich, aber doch nicht im Sinne des Erfinders. Geraten wir hier nicht schon in das Katz-und-Maus-Spiel, wie es sich auch im Doping-Kontrollsystem ausnimmt: Immer bessere Mittel zu dopen und dies zu verschleiern, gefolgt von immer aufwändigeren Methoden des Nachweises, die jedoch nicht konsequent eingesetzt werden können, weil sie schlicht zu teuer sind?

Ich glaube, auch und gerade die Menschen, die einen sehr bewussten und auf gegenseitigem Respekt basierenden Umgang miteinander pflegen, sollten diese Kröten schlucken: Anti-Doping ist aus der Welt des Leistungssport nicht wegzudenken. Und Kontrollmechanismen der Zugehörigkeit gehören zum Standard jedes Sportverbandes, um ein „Unterlaufen“ des Veranstalters von Deutschen Meisterschaften zu verhindern. Zugegeben, vielleicht sollte der DFV im Rahmen seiner bescheidenen Möglichkeiten noch deutlich mehr dafür tun, seinen Mitgliedern zu erläutern, was er abseits davon alles in die Wege leitet und bewegt.

Umfrage zum Fairplay im Ultimate

Mittwoch, 20. Januar 2010

Ultimate-Piktogramm

Sarah Franchini von den „Flying Giants“ aus Mengen im Allgäu hat über die engagierte Sportlehrerin Natalie Moser den Teamsport Ultimate Frisbee kennen gelernt. Nicht nur, dass in Mengen im Allgäu bereits seit mehreren Jahren Turniere stattfinden – aktuell erstellt die 12.-Klässlerin auch eine Seminararbeit zu der Sportart, für die sie nun empirische Daten erhebt.

Das Thema der Arbeit unter dem Motto „Sport zwischen Ethik und Kommerz“ lautet: „Kann der (faire) Teamsport Ultimate Frisbee in der Leistungsgesellschaft des 21. Jahrhunderts funktionieren (unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung des Fairplay-Gedankens)?“ Die Grundidee wird durch immer wieder aufkommende Diskussion bezüglich der Praktikabilität genährt, unter anderem in Hinblick auf die viel körperlichere Spielweise in Nord- oder Südamerika oder in Bezug auf eine mögliche Eignung des Teamsports Ultimate Frisbee für Olympia, nachdem er bereits seit 2001 in Akita Mediallendisziplin der World Games ist. 

Als Fallbeispiel zum Einstieg dient das Finale der Ultimate Nationen-WM 200 in Heilbronn zwischen den USA und Schweden. Die USA, traditionell vertreten durch den Vorjahressieger der dortigen UPA-Championships, in diesem Fall Boston, siegte aufgrund eines äußerst strittigen Foulcalls in Überzeit, beim Stande von 18:18, als der nächste Punkt über Sieg und Niederlage entscheiden musste. Ebenso wie Natalie Moser war auch ich selbst Zeuge dieses Finales, das durch die Spieler-Entscheidung einen faden Beigeschmack erhielt. Hier eine zweieinhalbminütige Video-Dokumentation auf Youtube:

Das Grundprinzip der Auseinandersetzung im Ultimate basiert auf dem Einspruchsrecht jedes Spielers, durch einen Ruf das Spiel einzufrieren (so genannte „Freeze Calls“ zu Punkten wie in oder aus, Foul oder nicht, gefangen über der Grasnarbe oder erst nach der Berührung mit den Halmen). Die beiden an einer Situation Beteiligten sind gehalten sich in längstens einer halben Minute abzustimmen, ob sie in ihren Ansichten übereinstimmen oder nicht. Falls Sie sich nicht auf eine Auslegung der Tatsachen einigen können, geht die Scheibe zurück zum vorigen Spieler und wird dort durch einen „Check“ wieder ins Spiel gebracht – als sei nichts geschehen. Umschrieben wird dieser grundlegende Gedanke im umfangreichen Regelwerk unter Paragraph 1, benannt „Spirit of the Game“ (etwa „Sportsgeist“).

Aber natürlich ist dabei schon viel geschehen – an Fragwürdigem, Ungerechtem und Unverständlichem – was aber an dem herausragenden Grundprinzip der Selbstregulierung nichts ändert. So bleibt mir auch die Reaktion eines Leistungssport-Referenten des DOSB bei den World Games 2005 in Duisburg unvergessen, der – wie angeblich einige andere hochrangige Sportfunktionäre auch – ungläubig vor dem Spielgeschehen stand und staunte: „Unglaublich, dass ein Teamsport ohne Schiedsrichter funktioniert!“ Doch er tut es.

Die Umfrage, die Sarah Franchini zu diesem Themenfeld nun durchführt, fragt einmal nach den persönlichen Assoziationen, was Ultimate für einzelne Spieler bedeutet, respektive welche Fähigkeiten die Selbstregulierung voraussetzt. Daneben erhebt sie Bewertungen auf einer Skala zwischen o und 10 zu Fragen wie wichtig die Spieler die Tatsache einschätzen, ohne Scheiedsrichter zu spielen,  wie gut sie sich ein Spiel mit Schiedsrichter vorstellen könnten, resp. wie ihre praktischen Erfahrungen in der Handhabung von Streitigketein (bei sich selbst und auch bei anderen) sind.

Die Umfrage beschließen Fragen nach der Idee, wie sinnvoll das Agieren eines „Observers“ angesehen wird, der in den USA teilweise anzeigt, ob Spieler in oder aus waren und bei Unstimmigkeiten angefragt werden kann, oder nach dem möglichen Einsatz von Schiedsrichtern  bei entscheidenden Spielen (siehe Heilbronn 2000). Ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass den Sport Ultimate genau diese Besonderheit ausmacht, dass die Selbstregulierung funktioniert – auch wenn es um Kommerz gehen sollte. Es ist eine Frage des Bewusstseins jedes einzelnen Akteurs.

Fragen 1 und 2 der Umfrage zu Ultimate von Sarah Franchini

Ultimate als Kino-Komödienstoff

Sonntag, 10. Januar 2010

Neue US-Komödie „Old Dogs“ mit Robin William und John Travolta nimmt auch den fairsten Teamsport der Welt aufs Korn (deutscher Kinostart 14.01.2010). Auf der Basisseite des Fimdienstes imdb.com wird als bemerkenswertes Zitat aus dem Trailer die Szene angegeben, als der Animateur aus dem Pfadfinderlager Barry (Matt Dillon) fragt:  „You ladies ready to play a little Ultimate Frisbee?“, worauf Dan (Robin Williams) antwortet: „I think so, Mr. Testosterone!“

Robin Williams und John Travolta in Old Dogs beim Aufwärmen zum Ulitmate Frisbee, Quelle: imdb.com

Als Kunstwerk kommt die Komödie in der Besprechung von Jens Hinrichsen nicht so gut weg, aufgrund einer Überorchestrierung und akustischer Effekthascherei und eines ruppigen Schnitts, der den unbestritten fähigen Hauptdarstellern den Raum zum Spielen nähme. Ohne auf die eigentliche Story genau einzugehen (es geht wohl um unverhoffte Vaterschaft und einen auszuhandelnden „Ausweg“ daraus), ist in meinen Augen doch bemerkenswert, dass Ultimate Frisbee als allgemein bekannte und weit verbreitete Sprotart in den USA ihren Weg in eine Mainstream-Komödie gefunden hat. Warum soll sie dabei nicht auch verballhornt werden? Jen Hinrichsen schreibt: „So finden sich die Männer mit Emily und Zach in einem Pfadfindercamp wieder, in dem die Erwachsenen Extrem-Frisbee spielen müssen, bis die alten Knochen knacken.“

Die Szenen im Trailer jedenfalls sehen eher nach einer Art unfreiwilligem Rugby aus. Komisch wird das erst dann, wenn man weiß, dass Ultimate als einziger Teampsort weltweit ohne Schiedsrichter auskommt. Die Spieler beider Teams unterbrechen auf der Basis von gerufenen Einwänden das Spiel („Freeze-Calls“), um daraufhin in etwa 30 Sekunden die monierten Verstöße zu klären und nach klaren Richtlinien das Spiel wieder aufzunehmen. Die Selbstregulierung der Sportler schlägt im Film offenbar ebenso fehl wie die Selbstbestimmung des eingefleischten Junggesellen, dargestellt von Robin Williams, als er von seiner ihm bsi dahin unbealnnten Vaterschaft erfährt.

Hier der Link zum original Trailer, in dem nicht nur die Ultimate-Szene im Pfadfinder-Camp angerissen wird, sondern auch ein wunderschöenr Rückhandwurf eines Gorillas mit einem alten Autoreifen zu sehen ist:
www.imdb.com/video/screenplay/vi752943641/. Und hier ist er auf deutsch: