Mit ‘self fulfilling prophecy’ getaggte Artikel

Das W-Wort (3) – verheißt Freude

Samstag, 19. November 2011

Das Christentum mag hierzulande mehr oder weniger stark ausgeprägt sein. Immerhin stellt es, wie nicht erst die Integrationsdebatte nach der Rede von Bundespräsident Christian Wulff (ja, so heißt er immer noch) zum 20. Tag der Deutschen Einheit im Vorjahr zeigte, einen festen Bestandteil unserer Kultur und unserer moralischen Grundordnung dar. Dabei sind doch viele Riten eher heidnisch (auf die Wintersonnenwende bezogen) oder schnöde (konsumbezogen). Dadurch lasse ich mir aber die aufkeimende heimelige Stimmung nicht vermiesen.

Kölner Stadt-Anzeiger, 18.11.2011, Titel: Die Vorfreude kann beginnen

Als ich gestern die Überschrift im Kulturteil des Kölner Stadt-Anzeiegrs las, dachte ich – na klar – ans W-Wort. Dabei handelt es sich um Perspektiven für das Kölner Opernquartier, das nach den Vorstellungen des Architekten Wilhelm Riphahn rekonstruiert wird. Natürlich wid die Mammutaufgabe mit einem Budget von 253 Millionen Euro länger dauern als bis zu diesem Jahresende, auch länger noch als bis zum nächsten – die Wiedereröffnung ist erst für 2015 geplant. Dennoch verhält es sich ähnlich wie mit der Vorfreude auf das W-Wort. Indem wir auf Schönes hoffen, bereiten wir es und uns darauf vor und in der Folge stellt es sich dann ein. Das ist quasi eine sich selbst erfüllende Prophezeihung.

Kölner Stadt-Anzeiger, 07.11.11, Titel: Fichte und Nordmanntanne etwas günstiger

Entsprechend suche ich nach passenden Aussagen, die sich in meinen gewünschten Gedankengang einfügen lassen. Und siehe da, diese Meldung von Anfang des Monats gibt doch schon ganz profanen Anlass zur Freude. Wenigstens da kann ich mit ein wenig Glück etwas einsparen, wo doch sonst schon alles teurer wird. Aber mal ganz ehrlich: Wenn die Bäume wie sonst jedes Jahr wieder teurer würden, würde ich das zähneknirschend hinnehmen und mir das Fest auch nicht vermiesen lassen. Es ist also tatsächlich ganz weitgehend eine Frage der Einstellung.

Pessimisten sind enttäuschte Realisten

Dienstag, 19. April 2011

Wenn negative Verhaltensweisen erwartet werden, kommt es oft zum typischen Wortwechsel: „Du bist ein Pessimist!“ – „Nein, ich bin nur Realist!“ Der Realist meint zu wissen, wie die Menschen „wirklich“ sind, wie es in einem Song der „Ersten Allgemeinen Verunsicherung“ heißt: „Das Böse ist immer und überall.“ Optimisten werden hingegen zu Naivlingen abgestempelt. Eine Untersuchung des Max-Planck-Institutes für Gemeinschaftsgüter in Bonn lässt sich nun wiederum in beide Richtungen hin interpretieren.

Kölner Stadt-Anzeiger, 19.04.2011: Lohnt es sich zu teilen?

Ismene Poulakos berichtet in der Rubrik „Auf der Couch“ im Magazin des Kölner Stadt-Anzeigers darüber (noch nicht online). Der Versuchsaufbau war die moralische Zwickmühle, wonach Geld entweder behalten oder in ein Gemeinschaftsprojekt gesteckt werden konnte. Dieses Projekt würde eine Rendite von 60 Prozent erbringen, wenn alle vier Teilnehmer gleichermaßen diese Investition für sich entscheiden. Sollte sich einer jedoch dagegen enstcheiden, dann würde er gewissermaßen als „Trittbrettfahrer“ sogar die doppelte Rendite erhalten. Im Bericht wird Michael Kurschilgen als einer der Autoren der Studie zitiert, „die meisten Menschen sind nicht aus Überzeugung Egoisten, sondern aus Angst davor, am Ende der Dumme zu sein.“

Es ist also die Erwartungshaltung, die bestimmt, wie die Menschen sich verhalten. Wer bei seinen Menschen von Egoismus ausgeht und selber so handelt, trifft im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeihung auch häufiger auf Egoismus. Demgegenüber ist nach Ansicht des Forschers die positive Erwartungshaltung von Menschen sehr zerbrechlich. In dem in Bonn durchgeführten Experiment hatten doch tatsächlich 82 Prozent der Teilnehmer das Gemeinschaftsprojekt unterstützt, damit alle denselben Nutzen davon tragen. Kaum wurde aber mitgeteilt, dass bei demselben Experiment in London nur 43 Prozent der Teilnehmer so kooperativ gewesen seien, sank auch die Quote in Bonn auf nur noch gut 50 Prozent.

Zurück bezogen auf meine Eingangsfrage, ob Optimisten naiv und Pessimisten realistisch oder ob Pessimisten enttäuscht und Optimisten realistisch sind, lässt sich schlussfolgern: Das hängt von den gesellschaftlichen Bedingungen ab. Ich denke, wenn ich vor die Wahl gestellt werde, entweder vier Menschen profitieren gleichermaßen davon oder du profitierst alleine mehr davon, dann werde ich erkennen, dass es sich im zweiten Fall um das Ausnutzen der anderen handelt, und es moralisch ablehnen.Vielleicht ist es also sehr treffend, dass ich mich selbst gerne als „unverbesserlichen Realisten“ bezeichne.

Wie schon Bert Brecht in der „Dreigroschenoper“ schrieb:
„Wir wären gut und nicht so roh,
doch die Verhältnisse, sie sind nicht so!“