Von politischer Denke zu sprechen beinhaltete früher im Wesentlichen die Unterscheidung zwischen links und rechts. Mit den Grünen ist das ökologische Bewusstsein in das Spektrum der alltäglichen Politik eingezogen. Heute werden oft mangelnde Unterschiede in den Positionen vieler Partien beklagt. Wofür genau die momentan so erfolgreichen Piraten stehen sollen, hat sich mir noch nicht erschlossen, aber das soll hier nicht das Thema sein. Psychologen vom Londoner University College haben jetzt jedoch hirnanatomische Unterschiede bei Testpersonen verschiedener politischer Gesinnung festgestellt.
Jörg Zittlau berichtet darüber im Kölner Stadt-Anzeiger, in der Schwestwerzeitung Frankfurter Rundschau findet sich ein weiterer Beitrag von Adtian Lobe dazu – mit einem kritischem Leserkommentar zu den Grenzen seriöser Wissenschaft. Immerhin wurde das Ergebnis in den Philosophical Transactions of the Royal Society B veröffentlicht, aber auch das will vermutlich nicht viel heißen. Den Probanden wurden Fragen zu ihrer politischen Auffassung gestellt, mit Antwortmöglichkeiten von 1 bis 5. Dabei wurde ihr Gehin per Magnetresonanz gescannt.
Rechtskonservative zeigten dabei angeblich eine deutlich größere rechte Amygdala (der rechte „Mandelkern“, ein Zentrum zur Verarbeitung von Emotionen und von Angst), Linksliberale dagegen mehr graue Hirnmasse im vorderen Hirngürtel (ein Zentrum zur Verabreitung von Konflikten und Unsicherheiten). Die beiden Regionen des limbischen Systems seien relativ zuverlässig bei mehr als 70 Prozent der untersuchten Testteilnehmer zuzuordnen gewesen, berichtet der Teamchef Ryota Kanai.
Den Forschern zufolge passen die festgestellten Gehirnaktivitäten sehr gut: Konservative Menschen seien angstanfälliger, Liberale offener gegenüber Unbekanntem. Der Kölner Stadt-Anzeiger zitiert des Testleiter: „Mit unserer Studie haben wir nun auch eine biologische Grundlage für diese Charakterunterschiede gefunden.“ Kein Witz, im Weiteren wurde vorgeschlagen, zum Beispiel die Ansichten von Mac-Usern mit denen von PC-Nutzern zu vergleichen. Dann könnten wir auch gleich die Hirnaktivitäten verschiedener Sportfans oder von religiösen Gruppen untersuchen.
Abgesehen von den damit verbundenen Gesundheitsrisiken und den mutmaßlichen Einwänden von Ethikkomissionen spielt bei diesen Untersuchungen und ihren Ergebnisen noch ein weiteres Problem eine große Rolle (ähnlich wie bei einem anderen Ergebnisbericht zur Hirnforschung aus dem Vorjahr): Wir wissen nicht, ob die Unterschiede in der Hirnanatomie Ursache oder Folge der Anschauungen sind.