„Selbstgefälligkeit ist die Gefahr“. Der Verlag Johann Oberauer, der auch das Journalistenportal Newsroom.de betreibt, hat die deutsche Ausgabe des „Weltreports Zeitungsinnovationen 2009“ der Innovation International Media Consulting Group herausgegeben, der laut Vorwort von Rupert Murdoch, Vorsitzender und Geschäftsführer von News Corporation demonstriert, „wie Zeitungen im digitalen Zeitalter weltweit neu erfunden werden“. Seiner Einleitung zufolge ist die Gefahr heute nicht „Konkurrenz durch neue Technologien, es ist die Selbstgefälligkeit derjenigen in unserer Industrie, die die Monopolstellung gewöhnt sind.“
Nach den Angaben des Pressetextes beantwortet der erstmals in deutscher Sprache erschienene internationale Report, übrigens die bereits 11. Ausgabe erstellt im Auftrag der „World Association of Newspapers“, die 13 wichtigsten Fragen der Zeitungsbranche. Gemeint ist hierbei das Essay „Ode an das gedruckte Wort“ von Carlos Soria, Vorsitzender der Innovation International Media Consulting Group. Aus meiner Sicht interessante und nützliche Beiträge sind: „Wie organisiert man sich für die Multimedia-Welt?“, „Können Qualitätsblogger helfen, die Zeitungen zu retten?“ und „Leser wollen die Wahrheit, die volle Wahrheit und nichts als die Wahrheit.“
Der „Papiertiger“ ist als Begriff eine Erfindung des chinesischen Kommunistenführers Mao Zedong. Er beschreibt eine sich machtvoll gebende Organisation, die vor lauter Bürokratismus keine brauchbaren Ergebnisse mehr erzeugt. Dass sich ein solcher Papiertiger auf dem Deckblatt des Weltreports befindet, kann bedeuten: Liebe Zeitungsmacher weltweit, ihr selbst lauft Gefahr, zu Papiertigern zu verkommen, wenn ihr die Zeichen der Zeit nicht erkennt – und umsetzt – oder aber sie besagt: Ihr seid bereits Papiertiger und müsst euch gehörig straffen, damit Euch der Absprung gelingt.
Für die zweite Auslegungsvariante spricht der Tenor, der sich durch das Buch hindurchzieht: Es gibt gute und ermutigende Beispiele innerhalb der Zeitungsbranche weltweit – wie die Huffington Post oder auch Le Monde in Paris Blogger einbinden, wie die Wochenendbeilage Unica der portugiesischen Wochenzeitung Expresso auf „Fusion-Journalismus“ setzt oder wie die „Times of India“ eine „Lead-India-Initiative“ gestartet hat, um das Land aus der Agonie zu ziehen. Das wars dann aber im Wesentlichen auch schon. Die Umfrage unter dem Titel „Leser wollen die Wahrheit…“ zeigt hingegen, ein Trendwechsel steht nicht bevor. Das kann auch nicht die Illustration eines Papier-Phönix aus der Asche zum o.g. Essay beschönigen.
Unterteilt nach USA und Europa, bzw. den fünf Ländern Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland, werden Antworten von 2009 mit denen von 2007 verglichen – jeweils aus repräsentativen Umfragen mit mehr als 1.000 Befragten in jedem europäischen Land, bzw. mehr als 2.800 in den USA. Bei der Frage nach der Nutzung verschiedener Nachrichtenquellen sind Online-News in den USA innerhalb zwei Jahren von 18 auf 22 % gestiegen (auf Platz 2 hinter TV-Nachrichten mit 26 %), in Deutschland von 16 auf 18 % (ebenfalls auf Platz 2 hinter TV-Nachrichten, neu aber vor dem Radio mit nur noch 16 %). Deutschland liegt bei der Frage nach Glaubwürdigkeit von Zeitungen ganz vorne mit 66 von 100 Punkten, europaweit liegt dieser Wert bei 57, in den USA bei 59 Punkten.
Die Gründe, warum manche Leute nicht regelmäßig die Zeitung lesen, sind noch weitgehend dieselben wie vor zwei Jahren: Zeitmangel, Umständlichkeit (es ist einfacher online zu gehen), zu einseitiger Standpunkt, bzw. nicht vertrauenswürdig, zu teuer, von zu schlechter Qualität (Mehrfachnennungen waren möglich). In Deutschland überwiegen dabei (übrigens ähnlich wie in Frankreich) die hohen Kosten mit 55 %, die Umständlichkeit im Vergleich zu Internet-News mit 51 % und der Zeitmangel mit 45 %.
Entscheidend ist aber die Tabelle 6 mit dem Titel „Nichtleser sind NICHT in der Mehrheit und Online ist NICHT die einzige Quelle.“ (s.o., gemeint sind Nicht-Zeitungsleser). Der Titel könnte auch lauten: „Nichtleser sind NOCH nicht in der Mehrheit, und Online ist noch nicht die WICHTIGSTE Quelle.“ Das ist am besten bei den Angaben zur untersten Option ersichtlich „Ich besuche Onlineseiten für Nachrichten und Infos nicht regelmäßig, sie sind keine wichtige Quelle für mich“. Im Vergleich zu 2007 hat die Zahl der Zustimmer in Deutschland von 32 % auf 25 % nachgelassen. In Italien ist sie von 31 auf 10 % gesunken, in Großbritannien von 40 auf 27 %. Das heißt, dass deutlich immer mehr Menschen jedenfalls gelegentlich auch zur Nachrichtenversorgung online gehen.
Insofern kann die Gesamtzahl in Bezug auf Europa von 2007 keinesfalls stimmen (in der Grafik ganz unten rechts außen). Wenn das jetzige Mittel von 2009 bei 20 % liegt, wird das von 2007 – den einzelnen Landeswerten zufolge – eher bei 30 % als wie angegeben ebenfalls bei 20 % gelegen haben. Das ist ein deutliches Indiz für die weitere schleichende Zunahme der Bedeutung von Online-Medien für die künftige Nachrichtenversorgung.
„Zeitungsinnovationen 2009 – Weltreport“ wendet sich an Journalisten, Chefredakteure, Verleger und Führungskräfte in Medienhäusern. Medienfachverlag Oberauer, Salzburg 2009, 86 Seiten, Paperback, 25,- Euro, Bestellung per Mail unter vertrieb@oberauer.com.