Mit ‘Buzz’ getaggte Artikel

Der gläserne Netzwerker

Montag, 22. Februar 2010

Die Financial Times Deutschland hat aus Anlass ihres zehnjährigen Bestehens Anfang der Woche vier Ausgaben in einer verpackt. Zur Gestaltung traten vier Teams aus Politikern, aus Topp-Managern, aus Kreativen und aus Zehntklässlern an. Der von den Schülern gestaltete Teil hat mir am besten gefallen, vor allem der Beitrag in der Agenda-Serie: „Nackt im Netz“ und dazu der Kommentar der Hamburger Zehntklässlerin Theresa Lehmann: „Mausklick pflegt Freundschaft“.

FTD. 22.02.10, Titel: Nackt im Netz

Die Magazingeschichte problematisiert die technischen Standards des neuen Sozialen Netzwerkes „Buzz“ von Google, das automatisch alle früheren E-Mail-Kontakte von Gmail-Nutzern als Freunde hinzufügt sowie ungefragt den geografischen Aufenthaltsort und den Arbeitgeber bekannt gibt. Dies ist bei einer Frau, die sich zuvor von ihrem gewalttätigen Ehemann getrennt hat, besonders unverantwortlich. „Fälle wie dieser zeigen, dass es im Internet keine Garantie für den Schutz der Privatsphäre gibt“, schreiben Andrea Rungg aus Hamburg und Helene Laube aus San Francisco. Weiter heißt es: „Wer sich einmal bei Facebook, Myspace oder MSN angemeldet hat, kann seine Spuren kaum noch verwischen.“

Für den Großteil der weltweit rund 400 Millionen Facebook-Nutzer, die pro Monat mehr als drei Milliarden Fotos hochladen, offenbar kein Problem. Gründer Marc Zuckerberg wird zitiert, wonach „die Ära der Privatsphäre beendet“ sei. Dieser unverantwortliche Umgang Sozialer Netzwerke mit Nutzerdaten könnte aber auch methodisch missbraucht werden, etwa durch von totalitären Regimen beauftragten Hackern oder durch erwachsene Gmail-Nutzer, die ungefragt die für nicht sie bestimmten Chats von Kindern und Jugendlichen mitlesen können. Auch, wenn mittlerweile bereits eine neue, entschärfte „Buzz“-Version existiert, hat doch eine Jurastudentin bereits im Namen von 31,4 Millionen Gmail-Nutzern Sammelklage eingereicht.

Allerdings steht auch Facebook in der Kritik, weil seit vergangenen Dezember Nutzer die Sichtbarkeit ihrer Profile nur noch zwischen „für Freunde“ oder „für alle“ auswählen können. Die kanadische Datenschutzkomissarin Jennifer Stoddard konnte allerdings bei Facebook bereits Änderungen zum Schutz der Privatsphäre erwirken und pant dies nun auch für Buzz. Helen Nussbaum, Professorin für Medien, Kultur und Kommunikation an der New York University, glaubt daran, dass sich Netzwerke mit verbesserten Datenschutzstandards auch bei den Nutzern besser durchsetzen werden. Bis dahin bleiben Teilnehmer, die keine Lust mehr auf eine virtuelle Existenz in einem Onlinenetzwerk haben, auf so genannte „Selbstmordmaschinen“ angewiesen, die einen Großteil der dort hinterlassenen Spuren löschen können.

FTD, 22.02.10, Grafik zur Chatnutzung

In ihrem Kommentar „Mausklick schafft Freundschaft“ appelliert die Gymnasiastin Theresa Lehmann an die Eigenverantwortung der Nutzer. Als praktischen Tipp empfiehlt sie, eine Seite nur den eigenen Freunden zu zeigen. Ansonsten überwögen ihrer Ansicht nach die Vorteile, weltweit Kontakte pflegen und sich im direkten (Chat-)Kontakt mit Freunden austauschen zu können. Indem reale Treffen online angebahnt und durch das Austauschen von Fotos anschließend auch online geteilt würden, ergebe sich eine durchaus sinnvolle Nutzung und die Netzwerke im Internet ließen sich „wirklich als soziale betrachten“.

Wochenend-Presseschau 06-10

Montag, 15. Februar 2010

Die Süddeutsche Zeitung portraitiert am Samstag den Verlagserben Konstantin Neven DuMont, die Welt am Sonntag bringt einen Beitrag zu sozialen Netzwerken sowie im NRW-Teil einen über den Center-TV-Chef Andre Zalbertus.

Süddeutsche, 13.02.10, Titel: Der Mann am Pool

Mit diesem Mann ist kein Urlauber gemeint, sondern Konstantin Neven DuMont, dessen Image sich verfestigt habe, „ein Verleger-Sohn zu sein, der mehr Sohn als Verleger ist“. Dirk Graalmann portraitiert den Vorstand des Kölner Medienhauses DuMont Schauberg, der nach eigenen Angaben zu seinen Schwächen steht. Darunter zählten das Video seiner Rede, die er vor drei Monaten aus Anlass seines 40. Geburtstages gehalten hat, als auch die zahlreichen Einlassungen im Blog des Medienjournalisten Stefan Niggemeier. Der Titel mit dem Pool bezieht sich auf den neu gegründeten Reporterpool von Wirtschafts- und Politikjournalisten für die vier Zeitungen des Medienhauses, Berliner Zeitung, Kölner Stadt-Anzeiger, Frankfurter Rundschau und Mitteldeutsche Zeitung. Als Chef des mittlerweile drittgrößten Zeitungsverlagshauses Deutschlands muss er sich etwas einfallen lassen, um dem Medienumbruch zu begegnen. Er beschreibt ein Paid Content-Modell mit anfangs sehr geringen Gebühren für alle Titel seines Hauses. Dirk Graalmann resümiert: „Die neue Medienwelt bietet ihm womöglich die Chance aus dem Schatten seines Vaters herauszutreten, für dessen Größe er nichts kann.“

WamS NRW, 14.02.10, Titel: Zalbertus: Neue Zeitung für das Revier

Ein anderer Medienmacher in Nordrhein-Westfalen ist der „mehrfach ausgezeichnete Fernsehjournalist“ und Unternehmer Andre Zalbertus, über den im NRW-Teil der Welt am Sonntag steht, dass ab dem 22. Februar das neue Programm von Center TV Ruhr aus Bochum rund um die Uhr senden wird. Über die lukrativen Unternehmungen mit seinem „Heimatfernsehen“ hinaus –  an dem übrigens die „jeweiligen Medienplatzhirsche DuMont Schauberg (Köln) und Rheinische Post (Düsseldorf)“ beteiligt sind – wünsche er sich, zweimal in der Woche eine Zeitung für das Ruhrgebiet herauszubringen. Das Vorbild hierfür soll das Schweizer Unternehmen „Jungfrau Zeitung“ sein.

WamS, 14.02.10, Titel: Plappern auf allen Kanälen

Thomas Jüngling thematisiert in der Welt am Sonntag, dass, „wer überall dabei sein möchte, leicht den Überblick verlieren könnte“. Am Beispiel des neuen, von Google gegründeten sozialen Netzwerkes „Buzz“ wird die Bereitschaft vieler User kritisiert, pausenlos möglichst viel über sich preiszugeben. So sei bei „Blippy“ die Angabe der Kreditkarte Pflicht, um über alle daraufhin dargestellten Bestellungen über diese Karte mit anderen Nutzern diskutieren zu können. Um den Überblick zu behalten, bietet Buzz nun eine extra Funktion an, wonach Nutzer über die für sie relevanten Beiträge informiert werden – eine Art „Posting Alert“ also.

Zum Einstieg innerhalb der fast 180 Millionen Google Mail-Nutzer umfassenden potenziellen Erstkunden werden bereits alle einmal angeschriebenen E-Mail-Kontakte als Freunde registriert. Allerdings, so Thomas Jüngling, hätten auch die sozialen Netzwerksfunktionen der Maildienstleister Yahoo  und Hotmail keinen überzeugenden Erfolg gehabt. Immerhin handele es sich bei den Google Mail-Nutzern um eine durchschnittlich sehr junge Klientel – mehr als die Hälfte von ihnen soll jünger als 25 Jahre sein. Dies würde den Aufbau einer Plattform für Onlinespiele begünstigen. Hauptsache, Werbung lässt sich unterbringen. Das kann Google besser als alle anderen.

Ein Dienst für noch mehr Nutzerdaten

Donnerstag, 11. Februar 2010

Google hat aktuell seinen neuesten Dienst namens „Buzz“ vorgestellt. Dabei handelt es sich aber um keine Heldentat, wie sie Buzz Aldrin begangen hat (der zweite Mann auf dem Mond), sondern eher um eine verspätete Reaktion auf das bisherige Unvermögen im Bereich der sozialen Netzwerke Fuß zu fassen. Ähnlich interpretiert den Vorstoß auch Thomas Lindemann im Welt-Kommentar:

Welt, 11.02.10, Titel: Google will Twitter ersetzen

Der beliebte und gehypte Mitteilungs- oder besser gesagt Zwitscherdienst soll mit Zusatzoptionen à la Facebook kombiniert werden, damit sich Google so als Anbieter eines Social Media-Portals etablieren kann. Allerdings darf der Erfolg vorab bezweifelt werden, wie Thomas Lindemann schreibt: „Bei dem Portal Google Orkut, auf dem Freunde und Bekannte sich vernetzten können, haben sich etwa 20 Millionen Kunden angemeldet, vor allem aus Brasilien und Indien. Der große Konkurrent Facebook hat 400 Millionen Nutzer.“

Ähnlich beurteilt auch Helene Laube in ihrem Artikel „Google hechelt Konkurrenz hinterher“ in der FTD die Situation und ergänzt: „Andere Versuchsballons wie Dodgeball, Jaiku, Lively, Google Friend Connect oder Open Social wurden entweder eingestellt oder werden kaum genutzt.“ Im FTD-Kommentar wird  darauf abgehoben, dass die meisten der rund 150 Millionen Gmail-Nutzer sich bereits auf anderen Netzwerken tummeln. „Und anders als die meisten sozialen Netzwerke steht Google stets unter Verdacht, es mit dem Datensammeln zu übertreiben. Auch Buzz hat bereits Datenschützer auf den Plan gerufen.“ Die nachfolgende Grafik stammt aus dem Artikel im FTD-Wirtschaftsteil:

FTD, 11.02.10, Grafik: Verweildauer in Netzwerken

Damit zurück zum Welt-Kommentar, der den Google Mail-Service kritisiert: „Die Tatsache, dass Mails dort automatisch durchkämmt werden, damit der Benutzer auf ihn zugeschnittene Werbung bekommt, ist vielen nicht geheuer.“ Dabei eröffnet doch gerade Google mit seiner Unternehmens-Grundidee bezahlter Werbelinks die aktuelle Entwicklung hin zum Social Commerce, der gläsernen Klassifizierung von Nutzern sozialer Netzwerke.

„Ein paar Konzerne fechten aus, wie die Gesellschaft der nahen Zukunft kommuniziert.“, schreibt Thomas Lindemann. Dabei bezieht sich das „wie“ auch auf den Grad der Durchschaubarkeit der Nutzer. Überraschend aufgrund seiner Marktposition, schlussfolgert er weiter, dass Google im aktuellen „erbitterten Kampf um das soziale Netz“ zurzeit der große Verlierer ist.