Mit ‘Internetängste’ getaggte Artikel

Digitale Überbewertung

Freitag, 19. März 2010

Welt, 19.03.10, Titel: Digitale Außenseiter

Was ist das denn für eine erschreckende Erkenntnis, die die Welt heute auf Seite 1 präsentiert? Die Deutschen seien in der Mehrheit nicht in der Internet-Gesellschaft angekommen, schreibt Frank Schmiechen unter Berufung auf eine Studie der Initiative D21: Demnach besäße nur etwa ein Viertel der Deutschen die nötige „Kompetenz, Nutzungsvielfalt und Wissen über digitale Medien“. Dabei hatte noch zum Start der Computermesse Cebit der IT-Branchenverband Bitcom behauptet: Für die Mehrheit der Deutschen ist das Internet ein fester Bestandteil des Alltags (texthilfe.de berichtete).

Im Wirtschaftsteil der heutigen Welt dann die ganze Wahrheit: „Die Deutschen sind immer noch Internet-Muffel„. Nils Lange führt aus, was das Deutsche Digitale Institut erforscht hat: Sechs Nutzertypen lassen sich qualifizieren, wobei die „digitalen Außenseiter“ mit 35 Prozent die größte Gruppe bilden, knapp gefolgt von den „Gelegenheitsnutzern“ mit 30 Prozent. Die weiteren Nutzergruppen – übrigens sehr süß illustiert auf der D21-Unterseite „Digitale Gesellschaft“ – sind „Digitale Profis“ (12 Prozent), „Trendnutzer“ (11 Prozent), „Berufsnutzer“ (9 Prozent) und die „Digitale Avantgarde“ (3 Prozent).

Die digitalen Außenseiter sind laut der Umfrage von TNS Infratest aus dem Dezember 2009 zu zwei Dritteln weiblich und haben vielfach sogar Angst vor den Computer. Ihr Durchschnittsalter beträgt 62 Jahre, das der Gelegenheitsnutzer dagegen 41 Jahre. Schockiert zeigte sich über das Ergebnis Ulrich Herrmann, Mitbegründer und Mitglied des Gesamtvorstands des gemeinnützigen Vereins D21, er befürchtet „eine Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auf dem globalisierten Markt“.

Ist es nun schlimmer, dass die Deutschen bislang offenbar nicht den international geforderten Stand der Internetnutzung erreicht haben  oder sollten wir uns nicht freuen, dass dem anhaltenden Internethype einmal ein Dämpfer verpasst wird? Tatsächlich wird jedoch nirgends ein internationaler Vergleich herangezogen. Und im Zusammenhang mit der Cebit wurden verschiedentlich die aktuell guten Chancen der deutschen Internetwirtschaft beschworen (vgl. texthilfe.de). Zudem muss nach meiner Einschätzung nicht unbedingt jeder im Internet und am Computer alles können. Die Grundfertigkeiten sind immerhin doch ganz schön weit verbreitet. Und da gibt es auch noch eine reale Welt da draußen. Vielleicht wird sie wieder stärker bemerkt, wenn der Frühling sich weiter durchsetzt.

Die Welt, 19.03.10, Titel: Datenschützer fordern Radiergummi für das Internet

Ganz lustig, aber auch bezeichnend finde ich in dem Zusammenhang einen weiteren Artikel aus der heutigen Welt unter obigem Titel. Vielleicht würden auch noch mehr Leute das Internet (noch) bedenkenloser nutzen, wenn es den digitalen Radiergummi gäbe , der das Auslöschen einmal eingetragener Datensätze beispielsweise in Sozialen Netzwerken einfacher ermöglicht. Denn die Ängste vor dem Internet und teilweise auch vor den großen, neuen Internetkonzernen mögen teilweise diffus sein, sie sind teilweise auch berechtigt (vgl. nochmals texthilfe.de).

Umfragen ohne Erkenntnisgewinn

Dienstag, 09. März 2010

Zwei Meldungen haben mich jetzt erreicht, deren Nutz- und Neuigkeitswert ich allerdings anzweifle. Zum einen blickt „Yahoo!“ aus Anlass seines 15-jährigen Bestehens nach eigener Aussage in die „digitale Kristallkugel„, zum anderen erklärt PR-Professional, dass Google der „meist gefürchtete Internet-Konzern der Deutschen“ ist.

„Das Web heute alltäglicher als eine Tasse Kaffee“ lautet die erste interessante Mitteilung der Yahoo!-Mitteilung. Statistiken der Umfrage zu täglichen Angewohnheiten unter Deutschen: 89 Prozent mailen, 78 Prozent suchen online, mehr als drei Viertel lesen online Nachrichten, dagegen trinken nur 73 Prozent Kaffee und nur noch 68 Prozent sehen fern. Mehr als 75 Prozent der Befragten könnten sich hierzulande ein Leben ohne Internet nicht mehr vorstellen, heißt es weiter. Bei der Bitcom-Studie vor einer Woche waren es dagegen nur 58 Prozent, die sich ein leben ohne Web nicht mehr vorstellen können (texthilfe berichtete). Für diese Aussage („absolut unverzichtbar“) findet sich bei Yahoo! dann noch eine überwältigendere Mehrheit von 90 Prozent (also was denn nun?)! Und wem soll ich nun mehr Glauben schenken? Ich tendiere mal zum Verband…

Die andere Meldung, die bisher einzig pr-professional.de zitiert, bezieht sich auf eine Kurzumfrage von Faktenkontor und Toluna. Demnach fürchteten sich die Deutschen laut einer repräsentativen Umfrage am meisten vor Google (38 Prozent), gefolgt von Facebook (23 Prozent) und Microsoft (15 Prozent). Befürchtet würden vor allem Viren, Datenmissbrauch und versteckte Zusatzkosten. Der glaubwürdige Informationsdienst leitet daraus ab, dass die PR-Verantwortlichen auf diese Ängste reagieren sowie bei der Zusammenarbeit mit bestehenden Internetplattformen auf die Seriosität achten sollten.  Zuletzt wird Bundesverbraucher-schutzministerin Ilse Aigner zitiert, teils in indirekter Rede: „Branchenriesen wie Facebook, Apple, Google oder Microsoft können im Internet ganze Persönlichkeitsprofile erstellen und niemand wisse, was genau gespeichert werde“.

Der Verweis auf die Quelle „Toluna Quick Surveys“ lässt mich allerdings ein wenig an der Seriosität zweifeln: die Community-Website für Meinungsäußerungen bietet offensichtlich für Konzerne kostenpflichtige „gesponsorte Umfragen“ unter den angeblich 400.000 Mitgliedern (deutschland- oder weltweit?) an. Allerdings gibt es keinen Pressebereich. Bei der PR-Agentur Faktenkontor, die einen durchaus seriösen Eindruck macht, ist das Ergebnis der Umfrage auch nicht im Pressebereich zu finden, allerdings die Ergebnisse einiger anderen, die ebenfalls zusammen mit Toluna erstellt wurden. Die vermutlich vorwiegend jüngeren Mitglieder können sich Punkte verdienen durch das Einstellen und Beantworten von „Quick Votes, Thematischen Umfragen oder regulären Umfragen“. Dafür erhalten sie Belohnungen, können an „Produkt-Tests“ teilnehmen und ihren „Level“ verbessern.