Mit ‘Paid Content’ getaggte Artikel

Ist oder hat das Internet wirtschaftliche Zukunft?

Sonntag, 07. Februar 2010

Der Verband der Deutschen Internetwirtschaft „eco“ und die Beratungsgesellschaft Arthur D. Little haben Anfang des Jahres die Studie „“Die deutsche Internetwirtschaft 2009-2012. Überblick, Trends und Treiber“ vorgelegt. Demnach verbreiten die meisten Akteure innerhalb des Verbandes einen großen Optimismus, allen voran die Online-Händler und so genannte Transaktions-Dienstleister (Anbieter von Programmen, die in Rechenzentren und nicht auf privaten Computern laufen). Etwas großspurig klingt jedoch das Fazit der Zusammenfassung der Studie, wonach sie dokumentiere, „die wirtschaftliche Zukunft liegt im Internet“. Das Internet bietet sicherlich gute Wachtsumsaussichten für die Zukunft, ein allumfassendes, gänzlich umverzichtbares Medium ist es dagegen immer noch nicht.

FAZ, 02.02.2010, Titel: Internet-Wirtschaft erwartet stark steigende Umsätze

Am vergangenen Dienstag hat die FAZ in einer  Kurzfassung einer  Besprechung der Studie festgestellt, dass das Innovationstempo hoch bleiben werde, dominiert von mittelständischen Unternehmen. Infrastrukturanbieter dürften unter hohen Investitionen und sinkenden Preisen zu ächzen haben. Bislang entfällt ein Großteil der Umsätze von zuletzt 45,7 Milliarden Euro (2008) auf den elektronischen Handel und das Festnetz-Internet. Von besonderem Interesse für mich sind die Aussichten der Segmente Online-Werbung, Online-Plattformen und Internet-Inhalte.

Hierzu heißt es im Fazit der Studie: „Der Inhalte-Markt wiederum explodiert förmlich. Noch suchen die Anbieter nach nachhaltigen Geschäftsmodellen, nachdem sie lange Zeit den Trend „verschlafen“ haben. Hier wird die Frage zu klären sein, wie aus „Plain Content“ „Paid Content“ wird. Das mobile Internet könnte den Weg dazu weisen.“ Im Abschnitt „3.12 Internet-Inhalte“ heißt es dazu: „Web 2.0 hat das Angebot von User Generated Content im Netz massiv erhöht – auch wenn ein profitables Geschäftsmodell oftmals fehlt. Internet-Inhalte haben sich damit bei Medienkonsumenten etabliert und kosten die klassischen Print-, TV- und Radiomedien konstant Marktanteile und Werbeeinnahmen.“ In der FAZ wird ergänzend hierzu Harald Summa vom eco-Verband zitiert,  der als Wachstumstreiber neben der nächsten Version des Internetprotokolls (IPv6) soziale Netzwerke, das mobile Internet, berührungsempfindliche Bildschirme und Bewegtbilder benennt.

Statistik zur Medienentwicklung aus der Studie von Eco und A.D.Little, Januar 2010

Kompass durch die komplexe Medienlandschaft

Montag, 18. Januar 2010

Der 2. Deutsche Medienkongress Dienstag und Mittwoch in Frankfurt am Main warf bereits einen medialen Schatten voraus: In der Welt am Sonntag beschäftigte sich eine vierseitige Sonderausgabe mit den wichtigsten Fragen des Branchentreffs mit mehr als 60 Referenten. „Welche Marketing- und Mediastrategien werden zukünftig Erfog versprechend sein?“, wurde darin als Kernfrage benannt. In acht „Kongress-Modulen“ soll „die Zukunftsfähgkeit und -relevanz einzelner Mediengattungen beleuchtet“ werden.

WamS, 17.01.10, Titel: Verlage auf neuen Wegen

Im Beitrag „Antworten auf die digitale Herausforderung: Wie Unternehmen ihre Geschäftsstrukturen ändern“ (Untertitel zu obiger Überschrift) bezieht sich Ileana Grabitz eingangs auf die Münchner Medientage, die provokant durch Jeff Jarvis eröffnet wurden: Deutsche Verlagshäuser haben lange an den alten Geschäftsmodellen festgehalten, die hochwertigen journalistischen Inhalte sind meist kostenfrei im Netz abrufbar, daher das Jarvis’sche Mantra: „Do what you do best and link the rest.“

Als erfolgreiche Beispiele veränderter Geschäftsmodelle nennt die Autorin iPhone-Apps der Axel Springer AG (bereits 100.000 mal verkauft), sowie das von der englischen Times eingeführte und in Deutschland u.a. von der Welt und dem Handelsblatt adaptierte Tabloid-Format. Als weiteres Geschäftsmodell werden hochwertige Print- oder Filmeditionen wie von der Süddeutschen Zeitung genannt, die über die Verlagshäuser laufen. Allerdings erscheinen keine Paid Content-Modelle in dieser Aufstellung (auch nicht für Special Interest-Nischen), sondern lediglich Zusatzerlöse, die unmittelbar  aus dem Bereich „Qualitätsprodukt Print“ stammen, wie Corporate Publishing, Sonderbeilagen und Fachkongresse. All diese Zusatzerlöse könnte es auch ohne das Medium Internet geben; die „digitale Herausforderung“ wie eingangs benannt, scheint hier in mögliche neue Geschäftsmodelle (außer durch die iPhone-Apps) nicht mit einbezogen worden zu sein.

Der Medienberater Klaus Petersen hingegen überschreibt seinen Beitrag in der WamS-Sonderausgabe „Medienunternehmen können mehr tun“ und begründet die Notwendigkeit der Neuausrichtung, „weil die traditionellen Medienunternehmen sich nicht rechtzeitig aus ihrem Denken lösen konnten.“ Erneut der Jarvis’sche Vorwurf, verbunden mit der Idee, aus dem Kerngeschäft Print via paid content neue Erlösquellen zu erschließen.

Auch wenn das bisher nicht geklappt hat, sollten drei Punkte dabei hilfreich sein, so der Berater weiter: „Hohe Marktdurchdringung bzw. Kundenpotenziale, Qualitätsinhalte und Produktions-kompetenz.“ Damit sollte es Verlagshäusern gelingen, die Medienkunden zu Netzkunden und die bekannten Nutzerdaten zu passenden, mediengerecht aufbereiteten digitalen Produkten zu transformieren. Zusätzlich empfiehlt er Kooperationen auf allen Ebenen.

WamS, 17.01.10, Titel: Information ist kein Wert an sich

Wie der Welt-Chefredakteur Thomas Schmid in seinem Editorial „Was dem User nutzt“, rät auch Ulrich Clauß auf Seite 1 der Sonderbeilage dazu, die Realität der Neuen Medien wahrzunehmen, sie sich (als Zeitungsverlag) anzueignen und kostenpflichtige Inhalte anzubieten. „Denn werthaltige Ware kostet Mühe und Arbeit, und die kostet Geld.“ (Ulrich Clauß) – „Diese Qualität soll und muss etwas kosten“ (Thomas Schmid). Vier Trends macht ersterer aus: „immer individueller konfektionierte Angebote“, „immer voluminösere Massenplattformen mit hoch dynamischen Eigenleben“, „zunehmende Mobilität“ und „Utopien von Allgegenweart, Selbstermächtigung beliebiger Verfügbarkeit der Ressourcen“.

Falls dieser vierte Trend die Falle der Kostenloskultur umschreibt, sollte er langsam aber sicher bereits rückläufig sein. Jedenfalls ist es an den Verlagshäusern selbst, dafür zu sorgen, dass neue Erlösmodelle (Micro-Payment oder Nischen-Paid Content) ihre eigenen Inhalte vor den „Freibeutern des frühen Informationszeitalters“ schützen.  Der Autor in der Welt am Sonntag benennt jedoch wiederum nur das „iPhone“ als Hoffnungsträger eines funktionierenden Bezahlmodells. Dass User jedoch die Bereitschaft aufzubringen für nutzwertige Informationen künftig Geld zu zahlen, daran sollte kein Zweifel bestehen, das ist für die Zeitungsverlage ein überlebenswichtiger Erziehungsauftrag.

Insofern geht es bei dem Kongress eher um die Zukunftsfähigkeit der Verlagshäuser als um die der einzelnen Mediengattungen.

Das Anzeigengeschäft stützt den Journalismus

Mittwoch, 25. November 2009

Ein Plädoyer für das Beibehalten der Koexistenz von Anzeigengeschäft und Journalismus. Der Hamburger Kommunikationswissenschaftler Thomas Birkner sieht eine Abkehr von dem seit 100 Jahren bewährten Modell als Holzweg. Damit kritisiert er in der FTD vom vergangenen Montag sowohl Axel Springer-Konzerngeschäftsführer Christoph Keese als auch FTD-Redakteur Joachim Dreykluft.

FTD, 23.11.2009: Titel "100 Jahre Zweisamkeit" von Thomas Birkner

Christoph Keese setzte im Kommentarteil der FTD auf Paid Content-Lösungen, demgegenüber schlug Joachim Dreykluft ebendort den Vertrieb von mobilen Lesegeräten durch Verlage vor. Beiden ist laut Birkner gemeinsam, dass sie „die Anzeige als Financier des Journalismus“ für „unwiderruflich abgetreten“ halten. Zur Begründung seiner gegenteiligen These geht er in die Geschichte und beschreibt die Popularisierung von Zeitungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch das Anzeigenwesen. Durch Gratisauflagen etablierten die Verlage das Produkt „Zeitung“ am Markt und begannen erst danach, Bezugspreise zu erheben.

Mit diesen beinahe nur als Schutzgebühren zu verstehenden Kosten konnte jedoch allenfalls die materielle Produktion, nicht aber der dahinter stehende Journalismus finanziert werden. Birkners Worten zufolge ist „das Tolle an der Zeitung, dass sie von 1605 an ein Wirtschaftsprodukt war, welches dann in der Hochindustrialisierung von der Unternehmenswelt als Werbefläche entdeckt wurde.“ Darüber hinaus habe sich die Zeitung – anders als das Radio und das Fernsehen – als weitgehend unabhängig vom Staat erwiesen. Stattdessen ist die „Dialektik zwischen gesellschaftlichem Auftrag und kapitalwirtschaftlicher Unternehmung zu Recht Bestandteil aller medienkritischen Diskurse“, belegt vor allem durch den Nationalökonomen Karl Bücher, Begründer der Publizistik in Deutschland.

Interessanterweise wurde damit hierzulande dennoch „die finanzielle Grundlage für den unabhängigen Journalismus gelegt“. Diese Mischfinanzierung (etwa 65 Prozent Anzeigen- und 35 Prozent Vertriebserlöse) habe erst die Kontrollfunktion für den Staat ermöglicht, argumentiert Thomas Birkner weiter. Die neuerliche Erfolgsgeschichte des Journalismus in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg sei nun auf das Internet zu übertragen. Die Alternative von privaten Stiftungen  zur Finanzierung von Qualitätsjournalismus wie in den USA hält er hier nur unter staatlicher Beteiligung für realisierbar – was aber der Kontrollfunktion des Journalismus widerspricht.

Als sehr negativ („ein verheerendes Signal“) bewertet der Autor die Trennung der WAZ-Gruppe vom dpa-Angebot aus dem Grund, dass die Informationen doch kostenlos im Netz verfügbar seien. Positiv hingegen sieht er die Absicht der Bundeskanzlerin Merkel, auf journalistische Onlineprodukte wie im Printbereich ebenfalls den ermäßigten Merhwertsteuersatz von 7 Prozent anzuwenden. Die Fallstricke des neuen Leistungsschutzrechts für journalistische Angebote im Netz hat Stephan Zimprich ebenfalls in der FTD beschrieben. Dadurch könnten journalistische Qualitätsangebote entsprechend hervorgehoben werden, „sodass Anzeigenkunden als auch Leser gern dafür bezahlen“, so die Hoffnung, bei aller berechtigter Kritik. Also doch Paid Content – allerdings nur in Verbindung mit dem erlösreicheren Anzeigenumfeld.

Sollten Verleger bei den Bezahlinhalten im Netz scheitern, schließt Birkner, würde das das Ende des professionellen Journalismus in seiner heutigen Ausprägung bedeuten. Auch wenn er sich skeptisch gegenüber dem von „Apologeten des Web 2.0 herbeigesehnten Bürgerjournalismus“ zeigt, kann so ein Umbruch doch auch reinigende Kräfte entwickeln. Mehr noch als auf die normative Kraft des Faktischen sollten wir dabei auf die begeisternde Kraft des Phantasievollen und die bindende Kraft der Vertrauenswürdigkeit setzen.