Mit ‘Online-Journalismus’ getaggte Artikel

USA: Paid Content vor dem Durchbruch

Montag, 24. Oktober 2011

Die renommierte US-Qualitätszeitung New York Times hat nach Angaben des Handelsblatts innerhalb von nur drei Monaten eine weitere sechstellige Menge zahlender Internetleser geworben. Damit beläuft sich die Summe der digitalen NYT-Abonnenten mittlerweile auf stolze 324.000!

Handeslblatt, 21.10.11, Titel: New York Times wirbt 100.000 neue digitale Leser

Somit lässt sich für die USA ein erster Durchbruch von qualitativ hochwertigen journalistischen Bezahlinhalten festhalten. Das Modell der New York Times sieht vor, dass Erstleser im Internet zwanzig Klicks frei haben und danach aufgefordert werden, ein Abo abzuschließen. Je nach Nutzungsart kostet das 15 bis 35 Dollar je Monat.

Bei der Verbreitung der Bezahlinhalte spielt auch das iPad (als Vorreiter vieler neuer Tablet-PCs) eine große Rolle. Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Quartalszahlen der New York Times-Gruppe gestand Geschäftsführerin Janet Robinson ein, dass sie bei den Umsätzen aus digitalen Abos „entscheidende Fortschritte gemacht“ hätten.

Neben den zahlenden Kunden erhalten weitere 100.000 Nutzer ihren Zugang von Ford gesponsort, was der Popularisierung sicherlich gute Dienste leistet. Zusammen mit den Print-Abonnenten, die ebenfalls über einen Online-Zugang verfügen, beläuft sich die Zahl der NYT-Netzleser nach Unternehmensangaben auf respektable 1,2 Millionen.

Vielen Zeitungsverlagen, egal ob in Deutschland oder in anderen Ländern, fehlt dagegen noch ein funktionierendes Modell für die Vermarktung journalistischer Qualitätsinhalte. Durchgesetzt haben sich Bezahlmodelle bislang lediglich bei Special Interest-Portalen oder den digitalen Ablegern von Fachzeitschriften, die ein gesondertes Interesse verfolgen, das anderswo nirgends bedient wird. Diese Geschäftsmodelle haben jedoch aufgrund der limitierten Zahl der (zahlungskräftigen) Nutzer ebenfalls Überlebensnöte.

Spannend zu beobachten, wann sich in Deutschland die erste überregionale Zeitung mit einem ähnlichen Modell in einen profitablen Bereich bewegt, und welche das wohl sein wird (ich tippe auf die FAZ, wo derzeit noch kostenpflichtige Beiträge einzeln abgerechnet werden).

Dauerthema Zukunft der Zeitung

Donnerstag, 23. Juni 2011

In Köln ist das 23. Medienforum NRW zu Ende gegangen. Der Kongress stand in diesem Jahr unter dem Motto „Von Medien, Macht und Menschen“. Im Kölner Stadt-Anzeiger hat sich Anne Burgmer vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung Sozialer Netzwerke mit der Diskussion um die künftige Relevanz und das Fortbestehen der Tageszeitung beschäftigt. Daneben war auch die Zukunft des Radios ein heiß diskutiertes Thema.

Kölner Stadt-Anzeiger, 22.06.2011, Titel: Die Bedeutung des Lokalen

Die Podiumsdiskussion stand unter dem Motto „Local Hero – Global Player“, was bereits die weit verbreitete These widerspiegelt, dass die lokale Berichterstattung genau die Kompetenz ist, mit der sich die Tageszeitung profilieren kann. Sowohl der Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeigers Peter Pauls als auch die ehemalige EKD-Vorsitzende und Professorin für Sozialethik in Bochum zeigten sich überzeugt, dass die Zeitung fortbestehen werde. Zusammen mit dem Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe Christian Neuhaus argumentierte Peter Pauls, dass sich deutsche Zeitungen stärker auf die regionale und lokale Berichterstattung konzentrieren müssten.

Während die NRW-Medienministerin Angelika Schwall-Düren eine Novellierung des Pressefusionsrechts ankündigte, „um den Verlagen zukunftssichernde Rahmenbedingungen zu garantieren“, appellierte der Musikproduzent und Autor Tim Renner an die Zeitungsverlage, „ein gewisses Maß an Kontrollverlust zuzulassen“. Leser seien eher dazu bereit, für einzelne selbst ausgewählte Inhalte in die Tasche zu greifen als für eine Zeitung, die ihnen in Gänze nicht zusagt. Deise Debatte wurde bereist vor gut einem Jahr sehr ausführlich geführt, in Hinblick auf Erlösmodelle des Online-Journalismus. An anderer Stelle habe ich die Diskussion auf die Formel verkürzt „Ohne Modelle keine Erlöse“. Demnach wäre die Lokalkompetenz der Zeitung  nur die eine Hälfte der zukunftsfähigen Positionierung und die andere Hälfte – daran führt kein Weg vorbei – ist das interessante Online-Angebot, gut durchmischt aus populären kostenfreien und kostenfplichtigen Special Interest-Beiträgen.

Die Debatte um Journalismus geht weiter

Donnerstag, 20. Mai 2010

Der Kölner Stadt-Anzeiger hat zur Debatte über die Zukunft des Journalismus aufgerufen, wenigstens sechs Personen haben sich bereits daran beteiligt: zuerst die Bloggerin Lena Reinhard, danach der Medienwissenschaftler Norbert Bolz, dann gestern der Vorstand der Kölner Mediengruppe M. DuMont Schauberg, Konstantin Neven DuMont (thematisch eher am Rande), und heute schließlich Dr. Hermann J. Roth aus Bonn und Erich-Günter Kerschke aus Köln (beide noch nicht online). Moment, das sind erst fünf! Achja, ich selbst habe auch einen Beitrag an die Redaktion gesandt, der (noch) nicht berücksichtigt wurde. Zweimal schrieb ich schon etwas zum Thema und ich beschäftige mich weiter damit…

Kölner Stadt-Anzeiger, 20.05.2010, Titel: Frei sein und frech bleiben

Hermann J. Roth beklagt den Niedergang der medialen Meinungsvielfalt, ablesbar auch an den vergleichbaren Schlagzeilen allerorten. „Kennst Du eine, kennst Du alle!“, möchte ich sein Statement bezogen auf Zeitschriften zusammenfassen.Vor diesem Hintergrund freut er sich besonders über den Zwischenruf Lena Reinhards, die einerseits individualisierte Zeitungen, andererseits mehr Herzblut im Journalismus fordert. Erich-Günter Kerschke dagegen geht einen Schritt weiter und fordert Journalisten dazu auf, „Gemeinsinn zu stiften“ anstatt sich zu „Komplizen von Erzeugern konfektionierter Meinungen und Haltungen“ zu machen. Als Aufgaben des Journalismus skizziert er „Wege aus der Sackgasse“ zu finden (auch in Anbetracht von politischer Ideenlosigkeit und Politikverdrossenheit). Zustimmung: Dem in Beziehung Setzen und Bewerten von Sachverhalten kommt eine wichtige Rolle zu.

Kölner Stadt-Anzeiger, 19.05.2010, Titel: Die Medienlandschaft gerät aus den Fugen

Der Beitrag des Verlegers vom Vortag erscheint dagegen reichlich ungeeignet, um Stichhaltiges zur Debatte beizutragen. Dass sich die Medienlandschaft verändert und konsolidiert, ist bekannt. Der Zusammenhang zwischen schlechter Wahlbeteiligung und dem Internet dagegen ebenso aus der Luft gegriffen wie der zwischen Demokratisierung und dem Internet. Joachim Losehand kommentiert auf der Internetseite treffend: „Schlapper Alarmismus gepaart mit lustlosem Stochern im Nebulösem. Intellektuelle Durchdringungsschärfe liest sich anders.“

FAZ, 20.05.2010, Titel: Multimillionenfrage 

Ein „Aus-den-Fugen-Geraten“ der Medienlandschaft kann ich nicht erkennen, der Titel online „die Medienlandschaft wird umgepflügt“ trifft den Kern schon besser. Aus den Fugen geraten eher die bisherigen Geschäftsmodelle, womit wir wieder beim Thema wären. Hierzu klingt der Satz „Viele Verleger sind gezwungen, Redaktionsetats den sinkenden Erlösen anzupassen.“ wie eine Rechtfertigung des Verlegers Neven DuMont. In der FAZ ist heute dagegen von Arthur Sulzberger jr., dem Verleger der New York Times zu lesen, der bei einem Vortrag in Frankfurt am Main Schlagworte wie „Courage, Innovationsfreude, Meinungsführerschaft“ bemühte und für eine multimedial stärkere Einbindung der Leser plädierte. Übrigens bekräftigte er ein weiteres Mal, dass es die Inhalte der New York Times nicht kostenlos gebe und beschrieb ein abgestuftes Bezahlsystem.

Vom Vorteil erzwungener Aufmerksamkeit

Mittwoch, 12. Mai 2010

Die Diskussion geht weiter: Nachdem der Kölner Stadt-Anzeiger mit einem Gastbeitrag der Bloggerin Lena Reinhard die Debatte um Online-Journalismus entfacht hatte (Texthilfe berichtete), meldet sich nun der Medienwissenschaftler am Institut für Sprache und Kommunikation an der TU Berlin, Norbert Bolz zu Wort. Sein Beitrag trägt den monumentalen Titel:

Kölner Stadt-Anzeiger, 11.05.2010, Titel: Orientierung in der Sintflut des Sinns

Grundaussagen des Medienwissenschaftlers: „Ein berühmter Journalist ist eine intellektuelle Marke, an der man sich in der Sintflut des Sinns orientieren kann.“, „Freie Presse ist immer schon als kostenlose Information über die Welt verstanden worden.“ und „Wir haben kein Informationsproblem, sondern ein Orientierungsproblem.“ In Bezug auf die Kernidee der Bloggerin Lena Reinhard, sich eine eigene Zeitung zu konfigurieren, gibt er zu bedenken, dass dies einerseits eine klare Orientierung voraussetzt, die oft nicht gegeben ist, und andererseits dem Leser die „Erfahrung des Neuen“ oft vorenthält, weil er sich dadurch „in einen Informationskokon einspinnt“.

Schließlich weist er als Vorteil der nicht interaktiven Massenmedien aus, Aufmerksamkeit zu erzwingen. Diesen Effekt könnten interaktive Medien niemals erreichen. Warum aber ein Blog, der 50.000 mal besucht wird, zum Massenmedium umschlägt und dann kein Blog mehr ist, leuchtet mir nicht ein. Anders gefragt: Warum sollen sich die Begriffe Blog und Massenmedium gegenseitig ausschließen? Dass sie das faktisch meist tun, steht außer Frage. Aber ich kann nicht erkennen, was die Interaktivität wie etwa bei Thomas Knüwer, der regelmäßig auf Anregungen seiner zahlreichen Leser eingeht, an der Marke des Journalisten und der möglichen Orientierung ändert (auch wen Thomas Knüwer mittlerweile auf die Beraterseite gewechselt ist).

Dass in jedem Blogger ein Journalist stecke – zugegeben! Dass jedoch jeder Blogger sein Massenmedium suche – angezweifelt! Meines Erachtens nach geht es bei der Orientierung sehr stark um die Special Interest-Kanäle, die sich ausdrücklich zu eingegrenzten Themengebieten äußern. Die Zeitung als Sammelsurium von Meldungen nach den bekannten Unterteilungen – Politik, Wirtschaft, Finanzen, Feuilleton, Medien, Menschen – ist in meinen Augen nicht ersetzbar. Nach der jüngsten Studie des BDZV (Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger) befinden sich die Zeitungen in Deutschland – jedenfalls im Vergleich zu denen in Amerika – in einer sehr guten Verfassung.

Die Anzahl der Titel ist hierzulande mit aktuell 351 weitaus konstanter (minus vier seit 1999, gegenüber minus 80 seit 1998 in den USA), die Reichweiten sind nach wie vor hoch. Auch sei die Abhängigkeit vom Werbemarkt in Deutschland weitaus geringer. An der schlechten Bezahlsituation von Journalisten und dem Buy-Out von Rechten für zusätzliche Online-Veröffentlichungen ändert dies jedoch nichts. Diesem Umstand sollte erzwungenermaßen die Aufmerksamkeit gelten! Daraus ergäben sich interessante Schlussfolgerungen für den Online-Auftritt von Zeitungen. Vielleicht sollte ich mich mit einem eigenen Beitrag an der Debatte beteiligen!