Mit ‘Erinnerung’ getaggte Artikel

In Stimmung zur Erinnerung

Mittwoch, 09. Mai 2012

Die Frage, ob Vergesslichkeit krankhaft ist, hat der Neurologe und Wissenschaftsautor Magnus Heier in der Kolumne „Aus der Praxis“ im Magazin des Kölner Stadt-Anzeigers behandelt. Das gute Gedächtnis wird demnach gefördert durch die zeitnahe Wiederholung. Ansonsten gilt der schöne Spruch „Use it or lose it“, der wohl auch bei der Evolution Pate gestanden hat. Was wir über lange Zeit nicht benötigen, vergessen wir in der Regel zuverlässig. Dennoch gibt es auch Stimmungen, die das Erinnern begünstigen: So merke ich mir zum Beispiel den Namen eines interessanten, beeindruckenden Menschen eher als den eines Gerichtvollziehers, wie der Autor schreibt.

Kölner Stadt-Anzeiger, 07.05.12: Die typischen Muster des VergessensGanz wichtig: Wir sollten uns nicht verrückt machen! Namen nicht zu erinnern kann einerseits daran liegen, dass das Gedächtnis schlecht oder ungeübt ist, andererseits kann es auch die Resignation vor der eigenen Unzulänglichkeit sein. À la: „Ich vergesse ja sowieso immer Namen, also mache ich mir gar nicht erst die Mühe sie mir zu merken.“ Das ist nicht krankhaft, das ist einfach nur bequem.

Daneben tendiert das Gedächtnis auch dazu, Dinge sich anders auszumalen als sie tatsächlich stattgefunden haben. Magnus Heier zieht hier das Beispiel von Hillary Clinton heran, die von einem Besuch 1996 in Bosnien erzählte, wo sie unter Beschuss von Heckenschützen gestanden habe. Tatsächlich  aber war die Ankunft ganz friedlich. Einer solchen Art von Fehlerinnerungen sitzen wir offenbar sehr häufig auf. Das ist vielleicht ganz gut sich ins Gedächtnis zu rufen, wenn wir darauf beharren, dass etwas so und so und nicht anders gewesen sei. Gesetzt den Fall, es fällt uns dann gerade ein…

Das ist schon ganz schön vertrackt mit dem Erinnerungsvermögen! Alten Menschen wird nachgesagt, sich wieder besser an ihre Jugendzeit erinnern zukönnen – oder ist das, was sie sich vorstellen, nur ein Zerrbild dessen, wie es doch gewesen sein müsste? Spannend finde ich jedoch den Aspekt, dass die richtige Stimmung mit entscheidend sein soll für die Fähigkeit sich an etwas zu erinnern. Das ist vermutlich mit einer der Gründe der Faszination des Weihnachtsfestes, weil durch Gerüche, Schmuck und Musik Erinnerungen geweckt werden. Das ist aber auch der Grund, warum Musikstücke in erinnerugn bleiben – weil wir mit ihnen eine gute Stimung (meist im  wahrsten Sinne des Wortes) verbinden.

Die Botschaft des Neurologen bleibt: Resignieren sollten wir auch im Alter nicht. Übung macht auch hier den Meister. Meist sagt das, was wie vergessen, vielmehr etwas darüber aus, was uns selber offenbar nicht so wichtig zu erinnern ist. Das erinnert an selektive Wahrnehmung und könnte vielleicht passender „selektive Erinnerung“ heißen.

Wenn das Jennifer-Aniston-Neuron aufblitzt…

Mittwoch, 04. April 2012

Der Neurochirurg Itzhak Fried von der Universität von Kalifornien hat Patienten eine Reihe von Bildern gezeigt und die neuronale Wirkung mithilfe eines Hightech-Scanners ausgewertet. Während bei vielen Bildern keine oder keine eindeutigen Reaktionen nachzuweisen waren, blitzte jedoch bei der Vorlage des Bildes von Jennifer Aniston bei vielen Patienten genau ein Neuron auf. Bei anderen Berühmtheiten entdeckt er in der Folge weitere einzeln nachweisbar aktivierte Nervenzellen. Das Phänomen hat er jedoch dem ersten Bild zufolge als „Jennifer-Aniston-Neuron“ bezeichnet.

Kölner Stadt-Anzeiger, 03.04.2012: Eine Freundin unterm Schädel

Diese Erkenntnis ist vielleicht nicht ganz neu, ich hab sie im Kölner Stadt-Anzeiger jedoch jüngst zum ersten Mal erfahren. Christian Bos kommentiert dort, „geschafft hat man es im Showgeschäft, wenn man sich als blinkbereite Nervenzelle in Millionen von Gehirnen verankert hat“. Etwas ernsthafter ist dahinter liegende Frage, wie Erinnerungen beschaffen sind, wie sie gespeichert und abgerufen werden (offenbar via Neuronen).

„Eine Freundin unterm Schädel“ – Das klingt ein wenig nach „Möchtegern-Freundin im Hinterkopf, die von ihrem Glück aber nichts weiß“ oder nach dem berühmten mittelalterlichen Gedicht: „Ich bin dîn, du bist mîn, des sollst du gewisse sîn. Du bist verslozzen in mînem Herzen, verloren ist das Slüzzelin.“ Ersteres passt gut zur ehemaligen „Friends“-Darstellerin, zweiteres nicht, denn sie ist ja nicht in unserem Herzen eingeschlossen, sondern in unserem Gehirn. Für die wahre Liebesbeziehung daher vermutlich wichtiger, mit Herz UND Hirn zu lieben… Vorsicht jedenfalls vor der Irreführung nur das Bild einer Person zu lieben!

Einzelne Internetfunde weisen in Bezug auf das Jennifer-Aniston-Neuron bereits auf das Jahr 2005 zurück (Nature) bzw. auf das Jahr 2008 (Telegraph). Aus diesem Jahr stammt auch ein launiges Video-Erklärstück von der Seite Brainrules.net zum Thema „Every Brain is wired differently“.

Neues aus der Tierwelt 18

Donnerstag, 07. Oktober 2010

Nachschlag vom vergangenen Wochenende: In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hat Georg Rüschemeyer im Wissenschaftsteil die Intelligenz von Tieren behandelt, in einem Auszug seines Buches „Menschen und andere Tiere“. Ausgehend vom Zitat Charles Darwins, der den Unterschied zwischen dem klügsten Tier und dem dümmsten Menschen als nur „graduell“ bezeichnet hat, bietet der Autor einen Überblick über die zahlreichen Fälle teilweise erstaunlicher Gedächtnisleistungen und anderer kognitiver Fähigkeiten von Tieren.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 03.10.10, Titelteil: Beim Denken...

Neben den sprichwörtlichen Erinnerungskünstlern Elefanten kommen Forschungsergebnisse an Vögeln zur Sprache, so das Vergraben von Kiefernsamen durch Kiefernhäher betreffend und die Zuordnung menschlicher Gesichter zu Futtergaben bei Tauben. Weiter heißt es, nicht nur Hunde, Affen und Kühe, sondern auch Frösche, Goldfische und Honigbienen wiesen Gedächtnis-Begabungen auf.

Mit Denken hat das alles allerdings genau so wenig zu tun wie das so genannte „Gewöhnungslernen, das schon Pantoffeltierchen oder Anemonen beherrschen (sie ziehen ihre Fangarme nach einer Weile nicht mehr zurück, wenn sie regelmäßig gekitzelt werden). Lernaufgaben wie wenn Ratten ein Labyrinth immer besser durchqueren, an dessen Ausgang Futter platziert ist oder das Drücken eines Hebels, um an Futter zu gelangen, sind ebenfalls einigen Tieren erfolgreich beizubringen. Aber auch das, bestätigt Georg Rüschemeyer, wird allgemeinhin nicht als Intelligenz bezeichnet.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 03.10.10, Titelteil: ... sind Tiere auch...

Typisch für Versuche mit Menschenaffen sind die Aufgaben, bei denen es um den erfolgreichen Einsatz von Werkzeugen geht (vgl. einen älteren Beitrag dieser Serie zum „Essen mit Stäbchen“ bei Krähen). In freier Wildbahn nutzen nicht nur Affen Werkzeuge, sondern zum Beispiel auch Seeotter (Steien zum Aufklopfen von Muscheln), Delfine (Schwämme zum Schutz der Schnauzen beim Gründeln) Elefanten (Äste zum Fliegenverscheuchen) und die in obiger Klammer genannten Krähen von der pazifischen Inselgruoppe Neukaledonien. Japanische Krähen lassen Nüsse sogar von vorüberfahrenden Autos knacken, und nicht nur das, zur Minderung der Gefahr teilweise sogar gezielt an Fußgängerampeln.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 03.10.10, Titelteil: ...nur Menschen

Im Weiteren kommt noch der so genannte Spiegeltest zur Sprache, bei dem Tiere  einen im Gesicht angebrachten Punkt registrieren sollen. Tun sie dies (Menschenaffen, Orcas, Delphine, Elefanten, Schweine und Elstern), wird eine Art Selbstbewusstsein unterstellt. Unter Bezug auf den amerikanischen BiologenMarc Bekoff werden drei Stufen der Metakognition benannt: 1. den eigenen Körper zu kontrollieren (das tun so gut wie alle Tiere), 2. eigene Dinge oder Bereiche zu verteidigen, und 3. „über sein eigenes Wissen Bescheid zu wissen“.

Das allerdings kommt im wesentlichen nur Menschen zu, denn – um dem irreführenden Titel kontra zu geben – sollte klar sein, dass Tiere nicht denken. Denn das Denken erfordert, dass Begriffe bestehen, mit denen operiert wird. Dies ist vielleicht allenfalls bei einzelnen Ausnahmetieren möglich, die bis zu 50 oder 100 verschiedene Schautafeln per Zuruf unterscheiden können. Aber selbst diese Tiere sprechen nicht. Sprechen ist der Bewusstseinsakt, der das Denken offenbart. Außer gegenüber vielleicht einem Franz von Assisi oder anderen Heiligen, die mit Tieren sprechen konnten, wurde uns Normalsterblichen jedoch noch keine begriffliche Sprache von Tieren bekannt. Treffend hingegen ist der Titel des Buches: „Menschen und andere Tiere – Vom Wunsch einander zu verstehen.“