Archiv für den 16. März 2010

Neue Technik und alte Inhalte

Dienstag, 16. März 2010

Bei dem schwachen Medienecho des 4. Kölner Mediensymposiums fällt die Orientierung vergleichsweise leicht: Lediglich der Kölner Stadt-Anzeiger und die Mitteldeutsche Zeitung bringen heute einen Nachbericht von der gestrigen Veranstaltung der Landesregierung und der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht. Beide Artikel hat über weite Strecken wortgleich Thomas Kröter geschrieben. Bekanntlich gehören beide Zeitungen zum Kölner Verlagshaus Neven DuMont Schauberg.

Kölner Stadt-Anzeiger, 16.03.10, Titel: Überfordert von der Informationsflut

Immerhin weichen die Überschriften voneinander ab, auch sind zwei unterschiedliche Fotos des „Stargastes“ Frank Schirrmacher (FAZ) zu sehen. Über den Autor des Buches „Payback“ (texthilfe.de berichtete) gibt es jedoch nicht viel zu sagen, außer dass er mit seinem „Kulturpesimismus“ die Vorlage für den Philosophen Frank Hartmann von der Bauhaus-Universität in Weimar lieferte: Neue Techniken zwängten den Menschen zur Veränderung. – Dabei fällt mir der Feuervergleich aus dem Vorbericht im Kölner Stadt-Anzeiger wieder ein.

Der Münsteraner Kommunikationswissenschaftler Christoph Neuberger verdeutlichte hingegen, dass nach wie vor die klassischen Medien die Themen setzten, auf die sich auch Blogger bezögen(wie etwa der weitere Gast Markus Beckedahl von www.netzpolitik.org). Dennoch, so Thomas Kröter in beiden Artikeln abschließend mit der Medienpädagogin Helga Theunert, stehe neben dem Beherrschen der Technik (das Frank Schirrmacher offenbar schwerer fällt), notwendig das Nachdenken darüber, was das Netz mit den Menschen anstelle. Beim Feuer ist es klar: Es wärmt, kann aber auch alles niederbrennen. Beim Internet hieße die Analogie vielleicht: Es klärt auf, kann aber auch zu totaler Verwirrung führen.

Öffnung und Identität passen zusammen

Dienstag, 16. März 2010

Die Welt, 11.03.10, Titel: Deutsch hat Zukunft

Am vergangenen Wochenende ist ein neues Buch des Germanistik-Professors und Autors historischer Kriminalromane Karl-Heinz Göttert mit dem Titel „Deutsch. Biografie einer Sprache“ erschienen. Dazu hatte die Welt  bereits vorab einen Auszug unter obigem Titel gebracht. Tenor: „Solange unsere Sprache offen bleibt für Veränderungen, braucht sich keiner um ihren Fortbestand zu sorgen“.

Zum Auftakt des Essays wendet sich der Autor gegen die These des Sprachwissenschaftlers Jürgen Trabant, wonach Englisch (resp. „Globalesisch“) an die Stelle des Hochdeutschen trete und  – ähnlich wie in der Schweiz – der Dialekt vor allem im familiären Gebrauch an Bedeutung gewinne. Daraufhin lässt er Zahlen sprechen: Von den weltweit rund 121 Millionen Sprechern des Deutschen leben rund 110 Millionen in Europa. Damit behauptet Deutsch einen Platz unter den Top Ten der meistgesprochenen Sprachen weltweit, wenn auch freilich hinter dem Englischen (427 Millionen Sprecher weltweit, aber nur 61 Millionen in Europa). Zusammen mit den Fremdsprachlern überwiegen die des Englisch Mächtigen jedoch auch in Europa: 51 Prozent aller Europäer sprechen Englisch, Deutsch aber „nur“ 31 Prozent und Französisch sogar „nur“ 28 Prozent.

Darauf aufbauend rückt Karl-Heinz Göttert die Perspektive zurecht: Englisch, so seine These, ist das neue Latein als freie Sprache (lingua franca), wenn auch mit Abstrichen, denn Latein war im Gegensatz zum Englischen nie eine Muttersprache. Vor allem für Deutschland schlussfolgert er: „das Modell einer Übereinstimmung von Sprache und Nation im Sinne des 19. Jahrhunderts (…) wird immer wirklichkeitsfremder“. Deutschland müsse sich gerade in seiner Sprachpolitik auf Migranten und ihre deutschen Nachfahren einstellen („Deutsch lernen, ohne auf die Muttersprache zu verzichten“). Während das Deutsche von außen also Englisch bedrängt und es von innen im Wettbewerb mit zahlreichen anderen Sprachen steht, bestehe dennoch kein Anlass zur Sorge.

Am Beispiel des Einwanderungslandes Australiens verdeutlicht er mit dem neuseeländischen Germanisten Michael Clyne , dass eine „Wende zu Mehrsprachigkeit und Multikulturalität“ eine Nation in keiner Weise schwächen müsse: „Die Zukunft des Deutschen liegt darin, sich in einem vielsprachigen Europa und einer mehrsprachigen Deutschland zu behaupten.“ Einheit und Vielfalt müssten zusammengedacht werden, fordert er weiter, und: „Die Herausforderung ist nicht, die eigene Identität aufzugeben, sondern sie mit anderen zusammenzubringen.“ Heute ginge die Mehrsprachigkeit erstmals nicht von Gebildeten aus, sondern werde von der Globalisierung aufgezwungen. Abschließend urteilt er, wir müssten uns vor einer weiteren Öffnung Deutschlands nicht fürchten, insbesondere, wenn wir unsere Geschichte kennten. Richtig, zu beidem besteht keine Alternative: Die Geschichte zu kennen und sich weiter zu öffnen.