Mit ‘Netzeitung’ getaggte Artikel

Qualitätsjournalismus ohne Geschäftsmodell?

Montag, 07. Dezember 2009

Verleger Konstantin Neven DuMont im Kölner Stadt-Anzeiger und in der Welt am Sonntag. – Sören Kittel hat im Springerblatt den Verlegersohn befragt, der seit Januar des Jahres Vorstand der Mediengruppe DuMont ist und Herausgeber von Kölner Stadt-Anzeiger, Express und Mitteldeutsche Zeitung, seit diesem November auch Herausgeber der Frankfurter Rundschau. Der Titel „Kein Blogger schickt Reporter nach Afghanistan“ spricht mich als Blogger natürlich an. Die Aussage aus dem letzten Drittel des Gesprächs dient dem Befragten jedoch eher als Vergegenwärtigung seiner eigenen Position als Geschäftsmann.

Weitaus interssanter ist seine Stellungnahme zur Netzeitung, immerhin hatte die WamS dem Verlagshaus noch vor einem Monat vorgeworfen, die Netzeitung ruiniert zu haben (texthilfe.de hatte berichtet). „Das Geschäftsmodell hat einfach überhaupt nicht funktioniert“ wird Konstantin Neven DuMont zitiert, die Zweitverwertung wie beim Online-Auftritt einer Zeitung habe gefehlt. Die Online-Personalkosten zu refinanzieren habe die vergangenen Jahre über nicht geklappt, räumt er ein, zeigt sich aber zuvor überzeugt, das Problem fehlender Erlöse liege nicht am Internet: „Es ist ein Problem des fehlenden Geschäftsmodells.“

Hinlänglich bekannt ist, dass eigentlich erst das Anzeigengeschäft den Qualitätsjournalimus ermöglicht (vgl. texthilfe.de) und somit auch das qualitativ hochwertige Textumfeld im Internet qualitativ hochwertige Werbung ermöglicht. Bezahlmodelle im Internet funktionieren bisheriger Erfahrung nach nur in Special Interest-Bereichen, vielleicht auch im populärwissenschaftlichen. Über die Zahlungsbereitschaft der potenziellen Kunden scheint der Verleger jedoch keine genaue Vorstellung zu haben, aufgrund der vielen unterschiedlichen Studien: „Mal sind es zehn Prozent, mal 60 Prozent.“ Als Strategie seines Medienhauses gibt er „Qualität“ an und als Vision seiner verlegerischen Tätigkeit „gesellschaftspolitische Meinungsbildung“, „dazu brauchen wir Qualitätjournalismus“.

Köner Stadt-Anzeiger, 05.12.09, Titel: Wege aus der Krise

Auf das Gerücht aus der Süddeutschen Zeitung, dass der Verlag plane, Wirtschaft- und Politikressort seiner renommierten Tageszeitungen zusammenzulegen, wird er allerdings nicht angesprochen. Jedoch schreibt er tags zuvor selber in seinem Blatt Kölner Stadt-Anzeiger über „Neue Wege aus der Krise“ und plädiert dabei einmal mehr für investigativen Journalismus. Dieser setze „die Kräfte frei, die eine Gesellschaft zur Selbstreinigung benötigt.“

Dass der Umbruch der Medienlandschaft diesen wertvollen Journalismus gefährdet, stimmt, wenn das Geschäftsmodell fehlt. Dass aber der investigative Journalismus „immer mehr zwischen die Fronten eines wachsenden Kostendrucks bei bedrohten klassischen Erlösmodellen auf der einen und der Jagd nach Sensationen und sich stets erneuernden Schlagzeilen auf der anderen Seite“ gerate, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Zugegeben wächst der Kostendruck, zugegeben wächst auch die Zahl der Verbreitungswege. Aber befindet sich guter Journalismus nicht schon immer in dieser Gefahr?

Am Ende seines Beitrags in eigener Sache rückt Konstantin neven DuMont mit seinem Anliegen heraus: Sein Verlag entwickele „gerade Konzepte, den Anteil investigativer Reportagen in seinen Blättern zu erhöhen“. Zudem werde eine Vermarktungsplattform für Bezahlinhalte auf den Weg gebracht. „Damit soll die Möglichkeit geschaffen werden, hochwertige journalistische Inhalte nicht länger im Internet zu verschenken.“ Ohne die Zahlbereitschaft der Surfer einschätzen zu können, ein gewagtes Unterfangen. Da fürchte ich ja eher um den Einsatz. Wie hat es der Kollege Jürgen Oehler in derselben Zeitung vor sechs Wochen anlässlich des Münchner Print-Gipfels so schön auf den Punkt gebracht:

„Aber es gibt auch die Erkenntnis, dass der Bereich der zukünftigen Bezahlinhalte realistischer Weise klein ist. Denn keiner kann einfach einen Hebel umlegen und erklären, dass der Online-Nutzer ab sofort für all das bezahlen muss, was er bisher umsonst bekommen hat. Auf die Frage, ob er denn für Online-Inhalte Geld ausgeben würde, antwortete der Kölner Psychologe und Gastredner Jens Lönneker vom Rheingold-Institut. „Eigentlich nicht, aber vielleicht.“ Und das ist eben das Problem.“

The Spirit of Christmas 2009, Part 3

Samstag, 14. November 2009

Paradebeispiel für die unterschiedliche Rezeption derselben Agenturmeldung. Reuters veröffentlicht am 12. November die Meldung: „Einzelhandel sieht 2010 kaum Impulse durch Steuerentlastungen.“ Darin: „Für das diesjährige Weihnachtsgeschäft rechnen die Einzelhändler mit Umsätzen von 73 Milliarden Euro. Das wäre ein Minus von rund 1,5 Prozent zum Niveau des vergangenen Jahres.“ Eine weitere, ausführlichere Meldung bekräftigt diese Aussage.

Die Tagesschau greift das Thema am selben Tag auf unter der Schlagzeile: „Schlechter als 2008, aber besser als erwartet„, während die Deutsche Welle die Meldung aufbereitet als „Umsatzrückgang inm Weihnachtsgeschäft erwartet„. Die Netzeitung wiederum titelt: „Handel erwartet nur geringes Minus im Advent„, allerdings  mit dem Zusatz „Aber trüber Ausblick für 2010“ – was man für die Netzeitung selber so formulieren kann.

Titel des Handelsblatt-Artikels, 12.11.2009

Am kommenden Tag sind in den Zeitungen dann jedoch so unterschiedliche Meldungen zu lesen wie einerseits „Weniger Einkäufe vor Weihnachten“ im Handelsblatt und „Einzelhandel: Schwächeres Weihnachtsgeschäft erwartet“ in der Süddeutschen und andererseits „Einzelhandel erwartet passables Fest“ im Tagesspiegel und „Weihnachten wird nicht gespart“ im Kölner Stadt-Anzeiger. Hierbei ist allerdings anzumerken, dass der Zusatz lautet „Der Einzelhandel erwartet nur ein leicht schwächeres Geschäft“.

Titel des Artikels im Kölner Stadt-Anzeiger, 13.11.2009

Ein klassischer Fall von Ansichtssache: Ist das Glas halb leer oder halb voll? Und wie möchte meine Redaktion gewöhnlich die Sache betrachtet sehen? Daran lässt der Kölner Stadt-Anzeiger keinen Zweifel, im Kommentar schreibt Peter Hahne: „Gute Laune vor Weihnachten“. Dem möchte ich mich im Sinne des „Spirit of Christmas 2009“ nur anschließen. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Kommentar im Kölner Stadt-Anzeiger, 13.11.2009

Nachtrag: Höchstens noch, dass die Bild-Zeitung ankündigt: „Krise macht Weihnachten billig wie nie!“ Aber auch das kann mir die teuerste Zeit des Jahres nicht entwerten.

Änderungen in der Kölner Medienbranche

Montag, 09. November 2009

Lohnende Wochenendlektüre in Bezug auf unrentable Mediengeschäfte. Dass die Netzeitung ab 2010 nur noch als „automatisiertes Nachrichtenportal“ weiterlaufen soll, wurde schon verschiedentlich berichtet. Obwohl die Redakteure, denen betriebsbedingt gekündigt wird, in Berlin sitzen, gehört der Laden doch dem Kölner Medienhaus M. DuMont Schauberg (MDS), das die Netzeitung nach eigenen Angaben  „aus wirtschaftlichen Gründen“ einstellt.

Titel Menschen & Medien, WamS, 08.11.2009

Nachdem die Zeitung im Internet im Jahr 2000 gegründet worden war, übernahm 2007 der britische Investor David Montgomery das Ruder, ohne jedoch die für eine Weiterentwicklung erforderlichen Investitionen zu tätigen. Zu Beginn des Jahres sprang dann der Verlag M. DuMont Schauberg in die Bresche, dem jedoch laut Kommentar in der Süddeutschen die Verzahnung von Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau wichtiger war. In der Rubrik „Menschen und Medien“ der Welt am Sonntag wird der Vorgang sogar als Aufhänger benutzt, unter dem Titel: „Wie man es schafft, die „Netzeitung“ zu ruinieren“. Darin werden zwei Lehren gezogen: „Der angebliche Niedergang der Print-Branche ist reich an Scheinkorrelationen.“ Und: „So erbarmungslos zu sparen, dass sich die Leser abwenden, ist nicht abhängig vom Medium. Es kann Print wie Internet treffen.“

Im Carta-Blog schlussfolgert Daniel Leisegang: „Die Medienkrise verschärft die Arbeitsbedingungen der freien Journalisten und lässt den Unterschied zwischen unabhängiger Information und PR weiter schwinden. Damit verliert der Journalismus weiter an Glaubwürdigkeit und begibt sich in den freien Fall.“ Diese Einschätzung ergänzt die Video-Keynote von Jeff Jarvis beim Printgipfel auf den Münchner Medientagen : „The Future of Journalism is an entrepreneurial, collaborative process“. Alle Versuche, das alte Geschäftsmodell zu beschützen, werden scheitern.

Titel "Reporterfirma", Süddeutsche Zeitung, 06.11.2009

Die Süddeutsche Zeitung berichtet am vergangenen Freitag unter dem Titel „Reporterfirma“ jedoch auch davon, „DuMont plant offenbar, seine „Schreiberpools“ auszugliedern“. Im Rahmen des Umbaus der Print-Titel Kölner Stadt-Anzeiger, Berliner Zeitung, Frankfurter Rundschau und Mitteldeutsche Zeitung ist demnach geplant Ressorts zusammenzulegen (vor allem Wirtschaft und Politik) und in einer eigenen Gesellschaft  „Schreiberpools“ zu bilden. „Edelfedern“, so die weitergehende Vermutung, würden dann in dieser Gesellschaft beschäftigt, während die Journalisten vor Ort kleinere Brötchen backen müssten.

Noch eine Kölner Randnotiz, schon ein paar Tage älter: am 02. November 2009 berichtet der Kölner Stadt-Anzeiger über die Pläne des Sport-Informationsdienstes SID, bis zum Sommer 2010 von Neuss nach Köln umzuziehen, mit Sitz unmittelbar neben dem dortigen Hauptbahnhof, SID-Geschäftsführer Michael Cremer führt aus, dass für seine Unternehmen etwa 2.500 Reportertage pro Jahr anfallen, mit etwa 60 festen Mitarbeitern. Sicherlich werden auch hier einige freie Journalisten zuliefern. Jedoch handelt es sich beim (nach eigenen Angaben) konkurrenzlosen SID eben um einen Anbieter in einer Nische, mit Sport vermutlich sogar der denkbar größten im Nachrichtenmarkt, was für eine faire Entlohnung der festen und freien Mitarbeiter hoffen lässt.