Archiv für den 08. Dezember 2009

Wunsch-Angst-Spirale des Kontrollverlusts

Dienstag, 08. Dezember 2009

NZZ, 05.12.2009, Titel Schirrmacher-Besprechung

Besprechung von Frank Schirrmachers neuem Buch „Payback“ in der Neuen Zürcher Zeitung. „Erschöpftes Ich in Datenfluten„, so lyrisch der Titel des Feuilleton-Artikels, so gehaltvoll seine Ausführung. Dem Autoren Uwe Justus Wenzel gelingt es jeweils in wenigen Sätzen die Position des Mitherausgebers der FAZ klarzumachen („Kulturkritik (…) hält (…) Technikbegeisterung die Waage“, wenngleich der Pessimismus zu überwiegen scheint),  Schirrmachers Methode zu erläutern („unter Rückgriff auf neuere Untersuchungen aus Psychologie und Nerurobiologie“ – „Multitasking als Symptom“) als auch den Ursachenhorizont  des beschriebenen Phänomens zu beleuchten: „Er macht beiläufig, aber mehr als einmal ein Wunsch-Angst-Gespann verantwortlich für das, was geschieht: den Wunsch nach Kontrolle über unser Leben und die Angst vor Kontrollverlust.“

Demnach spielt sich – in den zu Grunde gelegten Fällen der Technik-Obessivität – eine Spirale des Kontrollverlusts ab: je stärker der Mensch in die Technik investiert, um sein leben zu kontrollieren, umso mehr gibt er die Kontrolle ab. Die Phänomene sind uns gut bekannt: Schon wenn die TV-Fernbedienung nicht mehr geht, wenn der Drucker ausfällt, wenn beim Surfen die Internetverbindung abbricht oder wenn das Navi eine Einbahnstraße nicht als solche gespeichert hat. Natürlich bestehen immer Alternativen, mit diesen Situationen umzugehen. Nur, dieser Zustand der machtlosen Abhängigkeit von der Technik nervt.

Der Ausgang aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit, sprich wie ich mich in dieser Situation verhalte, liegt meines Erachtens an jedem selbst. Immanuel Kant schrieb 1784 zur „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?„: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ Der Verstand ist der Schlüssel dazu, jedwede Information aus all den verfügbaren Kanälen zu eigenem Wissen zu verarbeiten.

Uwe Justus Wenzel versucht den von Schirrmacher dazu empfohlenen Perspektivwechsel mit einer Utopie zu verdeutlichen, die an Hermann Hesses „Glasperlenspiel“ angelehnt ist, „in der der Umgang mit Informationen nicht mehr vom nie zu stillenden Hunger geprägt wird, sondern vom Spiel“. Der Rezensent schreibt, dass das Buch „seiner – spielerischen – Machart nach bereits einen Vorgeschmack von ihrer Verwirklichung“ liefert (der der Utopie). Das Spielerische gefällt mir gut, auch wenn wir dabei Spuren im Netz hinterlassen. Heißt das Buch deswegen „Payback“, weil wir „die Rechnung erhalten“ für alles , was wir tun? Andere Spuren im Netz hierzu beim WDR- Jugendsender Eins Live: „Selber Denken!„, „Kein Kommentar“ bei WDR 5 von Uli Höhmann: „Planlos plan und so flat wie die rate“ sowie zahlreiche Rezensionsnotizen bei perlentaucher.de.

Das Cover von Frank Schirrmacher: Payback

Karl Blessing Verlag, München 2009
ISBN-10 389667336X
ISBN-13 9783896673367
Gebunden, 200 Seiten, 17,95 EUR

The Spirit of Christmas 2009, Part 14

Dienstag, 08. Dezember 2009

Nachdem wir das Nikolaus-Fest glücklich hinter uns gebracht haben, gilt die Konzentration nun ganz klar: Weihnachten. Allerdings machen es uns die Amts- und Würdenträger nicht gerade leicht mit dem Glauben. So hat laut Süddeutscher Zeitung von gestern der Münchner Erzbischof Reinhard Marx den Weihnachtsmann als kapitalistisch herabgewürdigt, wohingegen er den historischen resp. heiligen Nikolaus als segensbringend hervorhob. Wie Hans Holzhaider in der Rubrik „Mitten in Bayern“ bereits bemerkt, ganz zu unrecht, da der Weihnachtsmann vom angelsächsischen „Santa Clause“ abstammt, dem heiligen Nikolaus eben.

WamS, 06.12.09, Titel: Weihnachtsmann

Ganz zu schweigen von dem ebendort genannten Diplomtheologen Manfred Schnabel, der von den Eltern fordert, den Glauben nicht auf einer Lüge aufzubauen und ihren Kindern zu beichten, dass nicht das Christkind die Geschenke bringt. Einen Wunschzettel sollen sie dennoch schreiben und ihn auf die Fensterbank legen, damit ihn ein Engel mitnehmen kann. Da ist das Sinnbild, dass wir uns in Gedenken der Geburt von Christus als des Erlösers beschenken, doch weitaus realer. Zudem gibt es für die Wunschzettel acht Weihnachtspostämter bundesweit!

Lassen wir also all diese Glaubensfragen beiseite und postulieren wie die Welt am Sonntag: Da ist er, der Weihnachtsmann (s. eingescannter Titel)! Dr Schweizer Johann Wanner steht dem Basler Unternehmen „Weihnachsthaus“ vor, stellt Christbaumschmuck her und handelt damit. Warum er das Schmücken eines Weihnachtsbaumes für verantwortungsvoller hält als das Ankleiden einer Frau, hängt für ihn damit zusammen, dass es sich um eine „Opfergabe an die Natur“ handelt. Was man von einer Frau, außer in Zusammenhängen wie etwa bei King Kong nicht gerade sagen kann. Schöner Weihnachtsmann, der Geschäfte macht und sich als Couturier bezeichnen lässt.

Aber mit den australischen Weihnachtsmännern beispielsweise ist momentan gar nichts zu holen (bzw. zu bekommen). Sie sind nämlich aus Wut über neue Steuergesetze in den Streik getreten. Wer als Rentner im Weihnachtsmann-Kostüm sein Auskommen aufbessern möchte, dem drohen Kürzungen der Sozialleistungen! Aber auch dieses unerfreuliche Zwischenspiel auf dem Weg zum besinnlichen Fest kann uns den unerschütterlichen Glauben nicht nehmen! Die Engel, der Weihnachtsmann, das Christkind kommen und bringen die Geschenke. Hier der Lied-Klassiker in der Version der Supremes.