Archiv für Januar 2010

Stiftungs-Journalismus als US-Weg aus der Krise

Mittwoch, 06. Januar 2010

In der Welt vom Heiligen Drei-Königs-Mittwoch beschwört Hannes Stein die fragliche Zukunft des Journalismus, wenn er von privaten Stiftungen abhängig wird. Am Beispiel von Pro Publica, des „Paradies für Journalisten“, beschreibt er ein in den USA praktiziertes Geschäftsmodell, das investigativen Recherchen zu wettbewerbsfähigen Gehältern ermöglicht. Dabei werden exklusive Geschichten auch schon mal Agenturen oder lokalen Rundfunk- und Fernsehstationen zur Vorabveröffentlichung abgetreten.

Die Welt, 06.01.10, Titel: Die Zukunft des Journalismus

Der dortige Chefredakteur Paul Steiger könne auf 16 Jahre als Geschäftsführer des Wall Street Journal zurückblicken. Er hält laut Welt „Skandalberichterstattung für eine wesentliche Zutat der liberalen Demokratie“. Seine Prognose lautet demnach, dass etablierte Marken wie die New York Times oder starke Blogs wie die Huffington Post überleben werden, allerdings nach demselben Prinzip, das er vorgemacht hat, indem sich gemeinnützige Organisationen ihnen anschlössen (oder besser gesagt sie sich denen).

Dieser Vision steht die Auffassung des Hamburger Kommunikationswissenschaftlers Thomas Birkner entgegen, dass dieses Prinzip hierzulande nur unter staatlicher Aufsicht funktionieren könne, dies jedoch wiederum der Kontrollfunktion des Journalismus wiedersprechen würde (vgl. den 4. Absatz von texthilfe.de: „Das Anzeigengeschäft stützt den Journalismus„). Während ich vor gut sechs Wochen noch auf „die begeisternde Kraft des Phantasievollen und die bindende Kraft der Vertrauenswürdigkeit“ gesetzt habe, würde ich nun ergänzen, dass nur starker Content auch starke Anzeigenerlöse generieren kann und dass Paid Content in „Good old Europe“ vermutlich Special Interest Informationen vorbehalten bleiben wird.

Misstrauen gegen den Leistungssport

Dienstag, 05. Januar 2010

Im Leitartikel der FAZ vom ersten Samstag des Jahres hat Jörg Hahn gefragt, ob es ein Misstrauen gegen den Leistungssport gibt. Mit Sicherheit gibt es das, mehr oder weniger ausgeprägt, aufgrund von Doping, Lügen und Manipulationen. Er thematisiert die „ethische und moralische Krise des Sports“ am Beispiel des vergangenen Jahres.

FAZ, 02.01.10, Leitartikel: Der überfrachtete Sport

Zu bemängeln gibt es einiges: von gedopten Olympioniken und Fußball-Wettskandal über Absprachen bei Handball oder Formel 1 bis hin zur unrühmlichen Qualifikation Frankreichs zur diesjährigen Fußball-WM. Über die Randbemerkung, dass von Papst Benedikt XVI. eine umfangreiche Erklärung zum Sport erwartet werde, kommt der Autor zur Feststellung: „Sport ohne Fair Play ist überflüssig.“ Im Folgenden geht er auf die Überforderung des Sportapparates ein, das Doping effektiv zu bekämpfen oder der weiter zunehmenden Kommerzialisierung des Sports zu trotzen.

Aber ist Sport ohne Fair Play wirklich überflüssig? Ist es dadurch nicht eher ein ganz anderer Sport? Jörg Hahn spricht vom Phänomen, dass sich junge Leute von Olympia abwendeten, weil sie der Überzeugung sind, dass das Streben nach Medaillen ihren Sport kaputt mache. Diese Einstellung ist mir auch aus dem Deutschen Frisbeesport-Verband bekannt, den ich als Geschäfts-führer vertrete. Einige, durchaus leistungsorientierte Spieler möchten erst gar nicht olympisch werden. Dabei würde sich die Disziplin Ultimate Frisbee von seinem Ansatz her als wahrhaft olympische Disziplin eignen. Dem Sportsgeist des Fair Play ist Paragraf 1 des umfangreichen Regelwerks von Ultimate Frisbee zum Thema „Spirit of the game“ gewidmet. Demnach haben die Freude am Spiel und der Respekt vor dem Gegenspieler anstelle eines unbedingten Siegeswillen zu stehen.

Manifestiert wird diese Eigenart des Teamsports Ultimate durch die Selbstregulierung des Spiels durch die Spieler. Schiedsrichter sind nicht vorgesehen, selbst in den USA, als Mutterland des Frsibeesports nach wie vor das Maß der Dinge, sind allenfalls so genannte „Observer“ am Spielfeldrand zu sehen, die dem Zuschauer helfen, eine Fangszene als „in“ oder „out“ zu interpretieren oder etwaige Streithähne daran zu erinnern, dass sie selbst gefordert sind, nach einer Spielunterbrechung rasch zu einer einvernehmlichen Einigung und Fortführung des Spiels zu gelangen.

Unabhängig von dieser unbestreitbar reizvollen Variante des eigenverantwortlichen Handelns sogar unter Adrenalin, feiert der traditionelle Publikumssport dennoch weiterhin seine kommerziellen Erfolge – auch wenn die Spitzenathleten ihre Selbsteinschätzung von Resultaten abhängig machen, auch wenn das Internationale Olympische Komitee IOC eine ohnmächtige Organisation bleibt, unfähig ihre eigenen hehren Werte durchzusetzen. Der Erfolg neuer Bündnisse zwischen IOC und Human Rights Watch oder Amnesty International hinsichtlich der Durchführung Olympischer Spiele bleibt abzuwarten.

Denn, so die Conclusio des Leitartiklers: Die Lust an der Show ist stärker als jeder Zweifel. Es ist richtig, wenn die Fußball-WM Südafrika wirtschaftlich, sozial und politisch voranbringen soll, dann wird der Sport damit hoffnungslos überfrachtet. Ich setze dagegen auf den bewussten, den eigenen Grenzen angemessenen Sportbetrieb, der die Eigenverantwortung stärkt und im Spielerischen das Zusammenleben erprobt, wie es in allen alltäglichen Situationen funktionieren muss: Einander zuhören, aufeinander zugehen und einen Kompromiss im Sinne des Weiterspielens schließen. Check. Disc in. Play on. Play Ultimate.

Wochenend-Presseschau 01-10

Montag, 04. Januar 2010

„Da bin ich wieder“ – „Der Prothesenmensch“. Wie viele andere Zeitungen bringen FAZ und NZZ in ihrem Feuilleton einen Rückblick auf das abgelaufene Jahr, beziehungsweise auf die vergangenen zehn Jahre. Auch wenn Thomas Schmid im Editorial der Welt am Sonntag behauptet, dass die Dekade noch nicht vorbei sei (ich habe nicht verstanden, warum das Jahrzehnt erst am 01.01.2001 begonnen haben soll), können wir auf die „Nullerjahre“ zurück blicken.

NZZ, 02.01.10, Titel: Der Prothesenmensch

Roman Bucheli betrachtet im Feuilleton der NZZ die vergangenen zehn Jahre als eine Epoche der digitalen Revolution. Einer möglichen Schreckensbilanz angesichts neuer Terrordimensionen stellt er den „digital turn“ gegenüber. Die Veränderung der Lebenswirklichkeit ist allgegenwärtig: Wir machen uns abhängig von immer kleineren und leistungsfähigeren Geräten. Dabei stellte erst das Jahr 2000-Problem eine Bedrohung dar, dann platzte die Dotcom-Blase, doch tatsächlich hat sich in nur zehn Jahren sehr viel getan: „Wir hatten Ende der neunziger Jahre gerade das Wort >>surfen<< in den Grundwortschatz übernommen; heute googeln, twittern, downloaden, skypen oder bloggen wir auf Teufel komm raus.“ Die dazu verwendeten Techniken und Geräte betrachtet er offenbar als geistige Prothesen.

Zur Schlussfolgerung ist es dann nicht weit: Mit allen Interaktionen im World wide web mache sich der „Prothesenmensch“ als User zum gläsernen Menschen, „als Preis für den fast grenzenlosen Zugang zum Weltwissen“. Als Hoffnung zeigt sich dem Autor dabei der Verdacht, ebenso wie der einzelne Benutzer von der Informationsfülle oft überfordert scheint, könne das Netz selber dabei überfordert sein, die Einblicke in die Nutzerprofile in klingende Münze umzuwandeln. Immerhin, führt er an, waren nicht einmal die amerikanischen Geheimdienste dazu in der Lage, zwei Datenbanken abzugleichen, um einem Verdächtigen aus Nigeria die Einreise in die USA zu verweigern.

Allerdings verteidigt Roman Bucheli Kulturkritiker, auch wenn sie weithin als „Spielverderber“ oder „wirkungslose Bremser“ gälten: „Doch ihre Einwürfe sind Widerhaken kritischen Denkens“. Gemeinsam mit Umberto Eco (vor einigen Wochen in „le Monde“) betrachtet er es als offene Frage, ob durch das Internet das Verständnis zwischen den Kulturen oder der Identitätsverlust befördert würde. Zuletzt bezeichnet er es dann aber doch als „Treten an Ort“, schweizerisch für „auf der Stelle Treten“.

FAZ, 02.01.10, Titel: Da bin ich wieder

Sehr schön gefällt mir die Idee und Ausführung der FAZ, auf einer Feuilletonseite drei Geschichten von Comebacks nebeneinander zu stellen. Verena Lueken berichtet über die Wiederkehr von Mickey Rourke auf die Kinoleinwände, Rainer Hank über einen namenlosen Investmentbanker, der als „Master of the Universe“ tituliert wurde, seinen Ruf ruiniert hat, aber wieder blendende Geschäfte macht, Christian Eichler schließlich über Jupp Heinkes, nach zwei Jahren ohne Trainerjob erst zum Feuerwehrmann beim FC Bayern München und daraufhin zum Erfolgsbringer für Bayer 04 Leverkusen geworden. Das Thema des Zurückkommens wird in drei voneinander unabhängigen Beispielen durchgespielt und zeigt damit die Vielschichtigkeit eines solchen Phänomens auf, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, doch mit viel Stoff zum Nachdenken. Sehr sympathisch!

Zeitfragen in der Welt am Sonntag

Sonntag, 03. Januar 2010

„Was ist Zeit?“ fragte Udo Jürgens in der Zeichentrickserie „Es war einmal der Mensch“, die Rolling Stones verbreiteten die Gewissheit „Time is on my side“. Die Zeit hat ein flüchtiges Wesen – gemäß dem alten Witz der Frage nach Uhrzeit: „Das kann ich dir nicht sagen, es wird immer später“. Unabhängig von so wenig reflektierten Allgemeinplätzen thematisiert die Welt am Sonntag ausführlich das moderne wirtschaftliche Problem des Zeitmanagements, im Zusammenhang mit steter Erreichbarkeit und Spam-Flut.

WamS, 03.01.10, Titel: Stoppt die Zeitdiebe

Die Überschrift des Kommentars von Olaf Gersemann erinnert etwas an Michael Endes „Momo“ und die darin vorkommenden Grauen Herren der Zeitbank, die uns unseres Lebens berauben. Das Problem der Massenmails wird etwas aufgebauscht, um den Titel des Wirtschaftsteils anzukündigen: „Der Fluch der steten Erreichbarkeit„. Die Conclusio des Kommentators: Die Gesetzgebung muss klarere und empfängerfreundlichere Regeln für den elektronischen Postverkehr festschreiben.

WamS, 03.01.10, Titel: Die Kunst der Entschleunigung

Auch André Mielke, der regelmäßig auf Seite 1 der Welt am Sonntag seine Glose „Mielke murrt“ verfasst, widmet sich einem Aspekt der E-Mail-Kommunikation, dem für dieses Jahr angekündigten Online-Brief der Deutschen Post. Er skizziert das Zustellprinzip als den Versand eines Mail-Ausdrucks, der andernorts wieder eingescannt und dann per E-Mail verschickt wird. Neben dem Schmunzler über diese Vorstellung bleiben für mich drei Frage bestehen, erstens: Muss das Entfernen der unerwünschten Mails wirklich ein Zehntel der Arbeitszeit einnehmen? Ich bezweifle das, zum einen da sich ihre Zahl durch einige Kniffe deutlich reduzieren lässt, zum anderen da ihr Löschen unmittelbar nach dem Erfassen der Betreffzeile nur eine Sekunde in Anspruch nimmt.

Noch wichtiger jedoch, zweitens: Muss das Prinzip der steten Erreichbarkeit und der steten Leistungsbereitschaft wirklich notwendig Besitz von uns ergreifen? Auch hier gibt es verschiedene Techniken, dies zu verhindern: Handy ausschalten, sich am Wochenende zum Beispiel nicht an den PC setzen, aber vor allem: Prioritäten setzen (vgl. hierzu „Das Warten als Geschenk betrachten„). Und zuletzt, drittens: Was ist denn nun die Zeit?

Der Beantwortungsversuch von Udo Jürgens aus der Trickfilmserie klingt fast wie ein Abgesang auf den Menschen:

Dagegen könnte das moderne Momo-Märchen mit Einschränkung sogar dazu geeignet sein, ein bisschen Mut zu machen:

Verschuldungs- ohne Verschwörungstheorie

Samstag, 02. Januar 2010

Interesanter Neujahrsaufmacher im Wirtschaftsteil des Kölner Stadt-Anzeigers: „Wem gehört Deutschland?“ fragt Peter Hahne in Hinblick auf die neue Rekordverschuldung des Bundes, denn: siehe Untertitel:

Kölner Stadt-Anzeiger, 02.01.10, Titel: Wem gehört Deutschland?

Die Story liest sich spannend wie eine Kriminalgeschichte, die es mit Einschränkungen auch sein dürfte. Denn – soweit möglich von den politischen Notwendigkeiten einmal abgesehen – grenzt es nicht an ein Verbrechen, die Staatsverschuldung pro Sekunde um mehr als 4.000 Euro anwachsen zu lassen? Das bedeutet aktuell eine Pro-Kopf-Belastung (inklusive aller Babies und Senioren) von mehr als 20.000 Euro (vgl. aktuelle Angaben). Wer diese Staatverschudlung einmal zurück zahlen sollte? Dazu gibt es keine ehrliche Antwort, außer „die nachfolgenden Generationen“.

Die Ergebnisse der Recherche lauten zusammengefasst: Eine „Bundesrepublik Deutschland-Finanzagentur“ in Frankfurt am Main managt die Geldgeschäfte des Bundes, um z.B. für 2010 die von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble durchgesetzte Neuverschudlung von 357 Milliarden Euro zur refinanzieren. Die Eigentümer- und Schuldnerstruktur des Staates ist jedoch nicht bekannt. Peter Hahne hat nur in Erfahrung gebracht, dass im Prinzip jeder Bundesobligationen kaufen kann und dafür in einem Schuldbuchkonto vermerkt wird. Zudem präsentiert er die Zahlen der Bundesbank, dass aktuell Papiere für etwa 700 Milliarden Euro im Inland liegen (davon 400 Milliarden bei Geldinstituten und 300 Milliarden bei anderen Unternehmen), dazu Papiere für weitere 900 Milliarden Euro im Ausland.

Die Schlussfolgerung: die Banken profitieren von diesen sicheren Staatsanleihen, indem sie etwa für ein Prozent Geld bei der Notenbank leihen und es in diese Bundesobligationen investieren, die ein paar Prozent mehr abwerfen. Wohlgemerkt auf Kosten des Steuerzahlers. Diesen Aspekt greift auch Jörg Wagner im Kommentar in derselben Zeitung auf: diese langweiligen, aber sicheren Geschäfte ersetzen aktuell (in einem gewissen Umfang für eine gewisse Zeit) die hochspekulativen, die zuletzt zur Bankenkrise geführt hatten. Damit, so Jörg Wagner, profitierten die Banken zwar stärker als Privatanleger, aber zumindest bänden sie ihre Mittel in sicherere Anlageklassen.

Ansicht des Berliner Reichstagsgebäudes

Das eigentlich Erschreckende – weitab von Verschwörungstheorien, wem Deutschland denn gehöre, etwa den Illuminaten oder der Hochfinanz (sic!) –  ist der Gedanke, dass Deutschland  „Dem Deutschen Volke“ gehören sollte, gemäß der Inschrift auf dem Berliner Reichstagsgebäude, und dass dieser Sachverhalt nunmehr umgedreht ist: Die Deutschen gehören dem Staat, indem dieser sie samt Nachfahren mit stetig steigender Pro-Kopf-Verschuldung in die vernachlässigte Verantwortung nimmt.

Fristory, Part 2

Freitag, 01. Januar 2010

Der Momente in der Geschichte des Frisbeesports zweiter Teil dreht sich um die Verbreitung und Entwicklung hauptsächlich der World Games-Disziplin Ultimate in Deutschland anlässlich der Produktion zweier Wanderpokale für die Deutschen Meister im Open und im Mixed-Ultimate (vgl. „Meisterschaftspokale sind eingetroffen„). Natürlich nur ein kurzer, ungenauer Abriss, dennoch für viele eventuell eine Ergänzung ihres bisherigen Wissens.

Jörg Benner freut sich über die beiden neuen Ultimate-Meisterschaftspokale

Du bist genau einen Klick vom neuen auf Youtube hochgeladenen Video entfernt. Viel Spaß!

 

Mittlerweile sind die neu gefertigten Meisterschaftspokale Vertretern der amtierenden Deutschen Meister am Rande der Jahrshauptversammlung des Deutschen Frisbeesport-Verbandes e.V. übergeben worden, Philipp Haas für Sugarmix Stuttgart (l.) und Bernahrd Otto für die Feldrenner Mainz.

Übergabe der DFV-Pokale an Vertreter der amtierenden Meister im Mixed-Ultimate, Philipp Haas für Sugarmix Stuttgart, und im Open-Ultimate, Bernhard Otto für die Feldrenner Mainz