Archiv für Januar 2010

Google vs. China: Überzeugung oder Kalkül?

Samstag, 16. Januar 2010

Die Zeitungen waren Mitte der Woche voller Kommentare, vor allem habe ich mit denen der Financial Times Deutschland und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am Donnerstag beschäftigt. Die FTD sprach im Leitartikel von einer „Achse des Guten“, die das Unternehmen gemeinsam mit US-Außenministerin Hilary Clinton nun bilde. Auch wenn es den Konzern nicht viel koste, weil er in China bisher nur ein Nischendasein gefristet habe, sei dies doch ein mutiger und der richtige Schritt, sich vom größten Wachstumsmarkt der Welt zurückzuziehen.

In der Rubrik „Das Kapital“ wurde in derselben Zeitung dargelegt, dass es beiden Riesen (China und Google) um Nutzerdaten im großen Stil gehe: „China will, das Google will“. Noch vor zehn Jahren hätten sich die Geheimdienste die Finger nach den Daten geschleckt, heißt es dort, die die Nutzer heute dem Internetgiganten bereitwillig frei Haus liefern. Dass der Konzern Google, der sich durch rechtlich ungeklärtes Scannen von Büchern und ganzen Straßenzügen nicht eben als moralische Instanz erwiesen habe, nun aus moralischen Gründen aus China zurückziehe, sei unwahrscheinlich. Als wahrscheinlicherer Grund werden Signale aus Peking angegeben, dass Baidu als staatlich favorisierter Suchdienst favorisiert werde.

Überschriften der Google-Kommentare in FTD und FAZ am 14.01.10

Carsten Knop vermeint in der FAZ vom vergangenen Donnerstag zu erkennen, dass „Google doch nicht böse“ sei. Da der vermutliche Rückzug aus China im Westen gut ankomme, sei der Schritt als PR-Maßnahme sicherlich klug. Allerdings glaubt der Autor, dass es Verhandlungen zwischen Google und China geben werde udn Google sich dann doch kompromissbereit zeigen werde,. Immerhin dürfte es sich bei aktuellen Umsätzen in China von „nur“ 600 Millionen Dollar doch um einen Werbemarkt von 10 Milliarden Dollar handeln.

Peter Sturm bemerkt allerdings in derselben Zeitung, dass es bei dieser Reaktion eher um das weitere negative Schlaglicht geht, das auf Chinas Praktiken  geworfen wird. Als Hintergrund der Reaktion seien daher vielmehr die massenhaften chinesischen Hackerangriffe auch auf Google zu betrachten. Im schlimmsten Fall aber – sollte Google bei der angedrohten Blockadehltung gegenüber China bleiben – könnten die User in aller Welt daraus lernen, wie es auch ohne Google gehen kann.

Auch Joachim Rogge im Kölner StadtAnzeiger betonte („Moral und Markt“), dass Google „mehr als andere Unternehmen vom Vertrauen seiner Kunden“ lebe. Mit dem PR-Coup sei der wachsenden Kritikerschar der Wind aus den Segeln genommen worden. Das Handelsblatt vom Donnerstag brachte in seinem Leitartikel („Google und die Freiheit in China“) zusätzlich das gewichtige Argument des Diebstahls geistigen Eigentums in die Diskussion ein. Google könne es sich schlichtweg nicht leisten, von einem Land ausspinoniert zu werden (auch wenn China diese Beschuldigung von sich weist). Zudem wird auch hier betont, dass der Konzern mit dem spektakulären Signal kein wirtschaftliches Risiko eingehe.

FTD, 15.01.2010, Zwischenüberschrift aus "Wenn China die Welt regiert"

In der Wochenend-Ausgabe der FTD beschäftgit sich der Harvard-Wirtschaftsprofessor Dani Rodrik mit der Frage,w as passiert, „Wenn China die Welt regiert“. Die Globalisierung würde deutlich chinesische Züge tragen, mutmaßt er, Demokratie und Menschenrechte würden dann ihren Glanz als globale Normen verlieren. Aber „eine chinesische Weltordnung würde nationalen Souveränitäten und nationaler Vielfalt dann auch mit mehr Toleranz“ begegnen und „mehr Raum für Experimente mit verschiedenen Wirtschaftsmodellen“ lassen. Ein schwacher Trost vielleicht, doch vermutlich eine realistische Aussicht.

Reiseführer zu „Deutschlands Zukunftsmachern“

Freitag, 15. Januar 2010

Die Marketing für Deutschland GmbH hat im Rahmen ihrer Veranstaltungsreihe „365 Orte im Land der Ideen“ jetzt den DuMont Reiseführer „365 Orte – Eine Reise zu Deutschlands Zukunftsmachern“ herausgegeben. Unter den 365 Stationen, die in die Bereiche Umwelt und Energie, Bildung und Jugend, Wirtschaft, Kunst und Kultur, Wissenschaft und Technik, Gesellschaft und Soziales sowie Sport und Tourismus aufgeteilt sind, befindet sich auch der Eintrag zum Deutschen Frisbeesport-Verband und der Ultimate Frisbee-Junioren-WM vom 02. bis 07. August 2010 in Heilbronn. Der Pressetag der „365 Orte“-Veranstaltungsreihe ist Samstag, der 6. August.

Seite 348 des Reiseführers zu "365 Orte" 2010

Auf den aufklappbaren Innenseiten der Buchdeckel sind sämtliche Orte 2010 innerhalb Nord- und Süddeutschlands eingezeichnet. Die Junioren Ultimate -WM in Heilbronn läuft allerdings unter Köln, da hier die Geschäftsstelle des Deutschen Frisbeesport-Verbandes sich befindet. Den Auftakt zum 450 Seiten starken Buch bilden Grußworte der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, des Vorstandsvorsitzenden des Hauptsponsors Deutsce Bank AG, Dr. Josef Ackermann, und des Geschäftsführers der Marketing für Deutschland GmbH, Holger Lösch. Am Ende der jeweils einseitigen Darstellung sämtlicher Projekte sind Kalendarium, Stichwortverzeichnis und Fotonachweise angehängt, über die sich auch der DFV-Termin finden lässt (Stichwörter Deutscher Frisbeesport-Verband, Köln und Ultimate Frisbee-Junioren-WM). Laut Pressetext ist das Buch erschienen im DuMont Reiseverlag in Ostfildern und kostet im Buchhandel 14,95 Euro.

Der Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“ stellt seit 2006 unter der Schirmherrscahft von Bundespräsident Horst Köhler herausragende Beispiele für die Innovationskraft Deutschlands vor. Im Begleitschreiben heißt es: „Das Buch eignet sich hervorragend, um Geschäftspartner oder Förderer über ihre Auszeichnung zu informieren oder auch neue Partner zu gewinnen.“

Das Cover des DuMont Reiseführers zu "365 Orte" 2010

Cineastische Erlösungsgeschichte

Donnerstag, 14. Januar 2010

Der erste Eindruck, den ich nach dem 3D-Kinoerlebnis von „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ hatte, war: „Wow, was ein visuelles Erlebnis!“ Allerdings glaube ich nicht einmal, dass der Film von der 3D-Technik erheblich profitiert. Die milliardenschweren Erlöse profitieren sicherlich von den deutlich teureren Eintrittskarten. Was mich aber an dem Film noch stärker fasziniert als die Rekordmarken, ist das Avatar-Prinzip selbst: Mittels ausgefeilter Technik eine andere Identität anzunehmen.

Die Welt, 11.01.10, Leitartikel: Magie in einer technisierten Welt

Hanns-Georg Rodek bewertet im Leitartikel der Welt vom vergangenen Montag die Tricktechnik höher als die 3D-Effekte, er nennt die dank enormer Rechnerleistungen zusammengefügten Bilderwelten „die Verheiratung des Menschen mit der digitalen Domäne“. In der Anmutung wirken die meisten Bewegungsabläufe sowohl der Eingeborenen des Planeten Pandora, der Na’vi, als auch der üppigen Urwald-Flora und -Fauna erstaunlich echt. Das beflügelt die Phantasie. Lediglich bei Stürzen der drei Meter großen Ureinwohner fällt ein leichtes Stocken auf, wie Peter Stephan Jungk, im Kino mit Peter Henning, in der Literarischen Welt vom vergangenen Samstag bemerkt.

Literarische Welt, 10.01.2010, Zwischentitel aus der Avatar-Besprechung

Neben der thematischen oder genrebezogenen Einordnung spielen die beiden Kinobesucher im Beitrag der Literarischen Welt auch auf die moralische Dimension an: „im Moment, da der Mensch den Fuß ins Paradies setzt, ist alles vorbei“. Daran könne auch die schöne Utopie, dass sich die Ureinwohner nicht unterkriegen lassen, nichts ändern. Peter Henning meint abschließend, beide seien auf die Tricks hereingefallen, doch er habe sich gerne verzaubern lassen.

Nach der Kritik des Vatikans der „Naturverehrung als Religionsersatz“ und dem Plagiatsvorwurf russischer Kommunisten (Handlung und Figuren stammten aus dem Roman „Die Unruhe“ des sowjetischen Autors Boris Strugazki) bemängelt nun der konservative Kritiker David Brooks in der New York Times, der „Mythos vom weißen Messias“ bediene stereotypische Annahmen. Christian Bos zeigt im Kölner Stadt-Anzeiger das angeblich rassistische Erzählmuster auf, wonach die Weißen als rational und technokratisch, ihre eingeborenen Opfer dagegen als spirituell und athletisch dargestellt werden. Doch ohne den Erlöser wären sie dem Unheil hoffnungslos ausgeliefert.

Kölner Stadt-Anzeiger, 14.01.10, Titel: Die blauen Pocahontas

Zugegeben, die radikal neue Motion-Capture-Technik wird mit Hilfe einer oft erprobten Geschichte eingeführt. Allerdings sehe ich hierbei keine berechtigten rassistischen Vorwürfe. Der klischeehaft an den Rollstuhl gefesselte Marine nimmt den Zuschauer als Identifikationsfigur mit auf eine Reise, die ein außergewöhnliches Ende bietet. Dabei werden auch keine Klischees ausgespart bezüglich des einsetzenden Umdenkens eines ehemaligen Söldners, der dank eines Leihkörpers neue Freiheiten kennen und schätzen lernt.

Sehr sympathisch finde ich dabei insbesondere, dass in den Untertiteln der Na’vi-Dialoge der „Traumwandler“ (ein schlafender Mensch, zu einem parallelen Leben im Avatar-Körper aktiviert) als „Alien“ bezeichnet wird. Der eigentliche Unterschied – und das interessanteste Gedankenexperiment – ist jedoch, dass der Held am Ende des Films seinen menschlichen Körper aufgibt, um künftig dauerhaft als Na’vi weiter zu leben.

Um zum Anfang zurückzukommen, die Idee einen lebensechten Avatar aufsuchen zu können, erinnert mich stark an Matrix. Dabei spielen wir im Internet doch ebenso mit Avataren, nur mit dem kleinen Unterschied, dass diese niemals ihr wirkliches Leben gewinnen oder verlieren. Was aber, wenn die künstliche Person die echte ersetzt? Oder wenn wir erkennen, dass unser wirkliches Leben nur ein künstliches ist?

Zur Illustration der offizielle deutschsprachige Kinotrailer:

Das Netzwerk rund ums Netz

Mittwoch, 13. Januar 2010

„Wir sind das Netz“ beansprucht der neue Claim des Bundesverbands Digitale Wirtschaft. Mit seiner jüngsten Mitgliederbefragung macht er diesem Anspruch alle Ehre: „Mehr als 90 Prozent der Mitglieder würden den BVDW weiterempfehlen“, so die Überschrift der Pressemitteilung vom 11. Januar. Gleichzeitig ist er mit einer neuen Struktur ins neue Jahr gestartet. Für die Fachgruppen Agenturen, E-Commerce, Mobile, Performance Marketing, Online Vermarkterkreis (OVK) und Social Media – wurden Gremienleiter für die Dauer von zwei Jahren gewählt.

Logo des BVDW e.V.

Mit dem positiven Umfrageergebnis sieht der Verband seine neu eingeführte Struktur bestätigt. „Word-of-mouth-Marketing“ nennt man das wohl in der Branche. Indem seine thematische und übergreifende Arbeit ab sofort in Fachgruppen, Foren, Units und Labs geregelt wird, möchte sich der BVDW von traditionellen Verbandsstrukturen lösen und sich an der innovationsgetriebenen digitalen Branche orientieren. BVDW Vizepräsident Dirk Kedrowitsch von Pixelpark legt die Latte noch höher: „Als führender Branchenverband geben wir den Takt der digitalen Wirtschaft mit an.“ Insbesondere in den so genannten Labs (Projekte mit begrenzter Laufzeit) sollen Statistiken, Publikationen und Events für die Mitglieder als auch die gesamte Internetindustrie erarbeitet werden.

Der zuletzt genannte erweiterte Verteilerkreis bewahrt den Verband davor, dem weitaus niedrigeren Anspruch „Wir sind ein Netzwerk“ anheim zu fallen.  Hat er doch erst jüngst einen kostenlosen Leitfaden zum „Sicheren Einstieg in Soziale Netzwerke“ vorgestellt. Doch Spaß beiseite: mit solchen Services und Mitteilungen zur Preisentwicklung mobiler Internetnutzung liefert er jedenfalls bereits jetzt „News to use“. Hoffentlich löst er auch künftig das Versprechen ein, Taktgeber für eine Branche zu werden, die künftig sicher nicht nur durch ihre Innovationen, sondern auch durch eine einsetzende Konsolidierung von sich reden machen wird.

Die Selbstbeschreibung aus der Pressemitteilung: Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. ist die Interessenvertretung für Unternehmen im Bereich interaktives Marketing, digitale Inhalte und interaktive Wertschöpfung. Der BVDW ist interdisziplinär verankert und hat damit einen ganzheitlichen Blick auf die Themen der digitalen Wirtschaft. Er hat sich zur Aufgabe gemacht, Effizienz und Nutzen digitaler Medien transparent zu machen und so den Einsatz in der Gesamtwirtschaft, Gesellschaft und Administration zu fördern. Im ständigen Dialog mit Politik, Öffentlichkeit und anderen Interessengruppen stehend unterstützt der BVDW ergebnisorientiert, praxisnah und effektiv die dynamische Entwicklung der Branche. Die Summe aller Kompetenzen der Mitglieder, gepaart mit den definierten Werten und Emotionen des Verbandes, bilden die Basis für das Selbstverständnis des BVDW. Wir sind das Netz.

Geht Wham-O in die Offensive?

Dienstag, 12. Januar 2010

Anfang des Jahres hat der Spielwarenhersteller Wham-O mitgeteilt, dass er seine Frisbeeproduktion zu 50 Prozent zurück in den heimischen US-Markt verlegen wird. Bereits Ende Januar soll die Produktion mittels einer Partnerschaft mit Manufacturing Marvel America in den Staaten Californien und Michigan losgehen. Gemäß dem englischsprachigen Wikipedia-Eintrag liegt das Wham-O Hauptbüro für die USA seit 2007 im kalifornischen Emeryville. Nachdem der Konzern 2006 an das chinesische Unternehmen Cornerstone Overseas Investment Limited verkauft worden war, wechselte er 2009 an das Beteiligungsunternehmen The Aguilar Group. 

Flyin' Saucer von 1948, von www.flatflip.com/presskit.html

Die Geschichte des Unternehmens ist unter anderem mit dem Hula-Hoop-Reifen verbunden, neben vielen weiteren Freiluft- und Bewegungs-Spielsachen steht der Name auch mit dem Spiel-und Sportgerät Frisbee in engster Verbindung, da das Unternehmen die Markenrechte an dem Alltagsbegriff hält. Dieses Recht kann angezweifelt werden, wurde bisher jedoch gerichtlich nie strittig gemacht (angeblich wurde ein vor Jahrzehnten dazu angestrengtes Verfahren aufgrund mangelnder Relevanz nicht zugelassen). Die erste Produktionsreihe stammt nach Angaben des Erfinders Fred Morrison aus dem Jahr 1948 (Foto).

Der Pressetext von Wham-O zum Sportgerät Frisbee liest sich sehr poetisch. Allerdings gibt es ein paar Einwände dagegen zu erheben:

In seinen Wurzeln ist Frisbee reine Energie, Emotion und Aufregung verschmolzen mit dem Geist („spirit“) eines hochfliegenden Wettbewerbs. Seit den ersten Anfängen, wann immer eine erste Person ein diskusartiges Objekt geworfen hat, um seinen anmutigen Fug durch die Luft zu bezeugen, blieb das Wesen der Frisbee unbezwungen und selbstverwaltet. Es war dieser abtrünnige Geist („spirit“), der Walter Frederik Morrison anzog, um in den 1950er Jahren die ersten Plastikflugscheiben zu erzeugen. Wham-O begann Morrisons Erfindung als Pluto-Platter herzustellen, zu  bewerben und zu vertreiben, die nur wenige Monate später zum Markenzeichen Frisbee wurde. Erst 1964 fügte der konzernzugehörige „Steady“ Ed Headrick als Vater der modernen Frisbee konzentrische Kreise hinzu, verbesserte ihre Aerodynamik und revolutionierte den Flug der Plastikscheibe. Heute ist die Frisbee zu einem globalen Symbol des sorgenfreien und mutigen („spirited“) Wettbewerbs geworden. Seine einzigartigen Attribute hatten hunderte neuer, konkurrenzfähiger Individual- und Teamsportarten zur Folge.

Fred Morrison 1957 im Spacesuit, von www.flatflip.com/presskit.html 

Den ersten Einwand liefert der Erfinder Fred Morrison (Bild von 1957) im oben verlinkten Buch selber: Die ersten Plastik-flugscheiben wurden bereits seit 1948 hergestellt. Der zweite Einwand betrifft den Beginn der Vermarktung als Pluto Platter 1957. Richtig ist, ab diesem Jahr begann das Unternehmen Wham-O mit der professionellen Massenproduktion und -vermarktung des bereits 1955 entwickelten Folgemodells „Pluto Platter“. Angeblich schlug ein Fremder dem Erfinder in einem Park in Los Angeles vor, mit seiner Flugscheibe zu Wham-O zu gehen. Am 23. Januar 1957 unterzeichneten Morrison und seine Frau den Vertrag, während der „Pluto Platter“ sogar bereits zehn Tage zuvor, seit dem 13. Januar 1957, durch Wham-O vertrieben wurde.

Der dritte Einwand allerdings betrifft die fragliche Rechtmäßigkeit des eingetragenen Warenzeichens: Die Wham-O Geschäftsführer Richard Knerr und Arthur Melin setzten noch im selben Jahr, ab dem 8. Juli 1957, das Wort „Frisbee“ zusätzlich mit auf die Verpackung. Fred Morrison hielt den Namen für unbrauchbar und bezeichnete ihn als „schrecklich“ und „verrückt“. Zweifellos hängt dieser Begriff mit den historischen Kuchenblechen der Bäckerei „Ma Frisbie’s“ aus Connecticut zusammen, die Studenten umfunktionierten und zur Warnung beim Zuwerfen der „Frisbie-Pie“-Bleche sich „Frisbie!“ zuriefen. Dieser Ausruf wurde aller Wahrscheinlichkeit nach phonetisch falsch übertragen (es bestehen jedoch unterschiedliche Gerüchte über die Herkunft des Markennamens).

Tatsächlich war aber bereits vor dem handelsrechtlichen Eintrag des Markenzeichens auch die Schreibweise „Frisbee“ (mit Doppel-„e“, als Synonym für den „Pluto Platter“, u.a. in der Sports Illustrated-Ausgabe vom 13. Mai 1957) gebräuchlich. Daneben bestanden auch Schreibweisen wie „Frizby“, „Phrisbie“, „Frisbey“ und natürlich „Frisbie“. Dies belegt durch umfangreiche Recherchen Victor A. Malafronte in seinem „Complete Book of Frisbee“ (Oceanside, USA 1998, S. 205 ff.) und stellt damit die Legitimität des noch heute gültigen Warenzeichens für den umgangssprachlich gebräuchlichen Begriff „Frisbee“ in Frage.

Zuletzt bleibt festzuhalten, dass Wham-O aus dem Besitz der Markenrechte heraus bislang keinem Nationenverband wie dem Deutschen Frisbeesport-Verband e.V. das Führen des Begriffs „Frisbee“ im Namen untersagt hat, sondern lediglich aus Geschäftsinteressen anderen Herstellern.  Im Gegenteil hat sich das Unternehmen sogar sehr „sportlich“ verhalten, wie sich Fred Morrison in der St. Petersburg Times aus Tampa Bay erinnert: „Sie hätten ihr eigenes Modell formen können, es gab ja noch kein Patent, nichts. Das spricht für den Charakter der Leute.”

Wham-O beförderte auch den Sportgedanken. Die Los Angeles Times zitiert Arthur Melin, der 1998 gegenüber den Pasadena Star-News sagte: „Wir wollten es nicht als Spielzeug benutzt wissen. Wir wollten, dass es ein Sport ist.“ Daniel „Stork” Roddick, der seit 1975 für Wham-O arbeitet, übernahm bei dem Konzern die „International Frisbee Association”. Heute sagt er, die offizielle Sportbezeichnung „Flying Disc“ (etwa auch bei den World Games) sei gut dazu geeignet, den Sport vom Spielzeug zu unterscheiden. Hoffentlich behält der Konzern seine „sportliche“ Unternehmenspolitik bei.

Wochenend-Presseschau 02-10

Montag, 11. Januar 2010

WamS, 10.01.10, Titel: Wanderkarte für Verzagte

Zweimal Welt am Sonntag, einmal NZZ und einmal die Süddeutsche vom Samstag: Das Interview mit Neon-Chef Michael Ebert muss alleine wegen der lyrischen Überschrift erwähnt werden. „Wanderkarte für Verzagte“ ist als Titel umso erstaunlicher, als zwar das Wort „Wanderkarte“ im Zusammenhang mit dem Buch „Planen oder treiben lassen“ von Michael Ebert und Timm Klotzek erwähnt wird, das Wort „Verzagte“ hingegen im gesamten WamS-Interview von Laura Ewert nicht. Allerdings trifft es auf die avisierte Mainstream-Leserschaft zu, über die Ebert nach meiner Ansicht jedoch zu Unrecht urteilt: „Die jungen Erwachsenen in Deutschland gehören zu der ersten Generation, die sich den Luxus leisten kann, darüber nachzudenken, was sie mit ihrem Leben wirklich anfangen will.“ Bestand zuvor hierzulande kein Bewusstsein?

WamS, 10.01.10, Titel: Macht uns das Internet dümmer?

Eine Antwort auf die Frage, wohin sich die Menschheit in Sachen Intelligenz tendenziell bewegt, ist auch von Alan Posener wahrscheinlich nicht zu erwarten. Allerdings wirft er die Frage im Feuilleton der Welt am Sonntag erneut auf, nachdem sein Kollege Frank Schirrmacher – ganz in seinem Element oder vielleicht noch ein wenig im Taumel des Erfolgs seines Buches „Payback“ – vergangenen Freitag bereits den Feuilleton-Teil der FAZ diesem Thema gewidmet hatte. Um der Wahrheit zur Ehre zu gereichen: Anlass ist die Veröffentlichung von John Brockman, der 114 Peronen aus dem angelsächsischen Raum fragte: „Wie verändert das Internet die Art, wie Sie denken?“

Gegenüber den ausführlichen Antworten in der FAZ liefert Alan Posener eine Zusammenfassung, der zufolge sich Optimisten und Pessimisten in ihren Einschätzungen die Waage halten, ebenso wie das Internet die Gesellschaft gleichermaßen verbinden wie fragmentieren könne. Einerseits würden vorübergehende Moden vorübergehend gehypt, andererseits sei auf viele wissenschaftlichen Informationen selbst in Wikipedia erstaunlich oft Verlass. Entsprechend der Umstellung von mündlicher Tradition auf die Buchkunst verändere sich das Gedächtnis und die Erinnerungsfähigkeit des Menschen nun wieder, wird Gerd Gigerenzer vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin abschließend angeführt.

NZZ, 09.0110, Titel: Unterm Stilett

Akzeptanz von Informationen und von Geschriebenem hat immer auch mit der stilistischen Aufbereitung zu tun. Insofern von höchstem Interesse die Einlassungen des Professors für Kunstwissenschaft und Medientheorie Beat Wyss. Das Wort „Stil“ kann demgemäß sowohl vom lateinischen „instigare“ (zuspitzen, aufregen) als auch von „stilus“, dem Griffel abgeleitet werden. Dieser Wortgebrauch stammt wiederum vom spitzen Bolzen, der ein Opfer in der Falle aufspießt – keine schöne Vorstellung von schreiberischen Absichten. Allerdings sorge der Stil doch für eine Zuspitzung des Gesagten in Richtung großer Gefühle. „Es ist der spitze Griffel, der Stichel der Künstlichkeit, der uns die vollendete Form unter das träge Fettgewebe des nackten Lebens einschreibt“, so seine zugespitzte Conclusio, der ich nichts hinzuzufügen habe.

Süddeutsche Zeitung, 09.01.10, Titel: Humor-Berater

Zuletzt eine Anekdote über Erfolg, der ebenfalls mit Stilfragen zu tun hat, sowie mit psychologischer Bereitschaft zur Auseinandersetzung. Das überragende österreichische Skispringerteam leistet sich den Luxus eines Humor-Beraters. Der 49jährige Johnathan Briefs hat zweimal mit den Springern Improvisationstheaterkurse durchgeführt, um teaminterne Spannungen zu lösen, Perspektivwechsel vorzunehmen zu können und die für den Erfolg benötigte Leichtigkeit zurückzuerobern. Allerdings sieht er sich nicht als Geheimwaffe, auch wenn der Schweizer Olympiasieger Simon Ammann sichtlich verdattert war, nachdem sich ihm der Coach als Humor-Berater der österreichischen Mannschaft vorgestellt hatte.

Ultimate als Kino-Komödienstoff

Sonntag, 10. Januar 2010

Neue US-Komödie „Old Dogs“ mit Robin William und John Travolta nimmt auch den fairsten Teamsport der Welt aufs Korn (deutscher Kinostart 14.01.2010). Auf der Basisseite des Fimdienstes imdb.com wird als bemerkenswertes Zitat aus dem Trailer die Szene angegeben, als der Animateur aus dem Pfadfinderlager Barry (Matt Dillon) fragt:  „You ladies ready to play a little Ultimate Frisbee?“, worauf Dan (Robin Williams) antwortet: „I think so, Mr. Testosterone!“

Robin Williams und John Travolta in Old Dogs beim Aufwärmen zum Ulitmate Frisbee, Quelle: imdb.com

Als Kunstwerk kommt die Komödie in der Besprechung von Jens Hinrichsen nicht so gut weg, aufgrund einer Überorchestrierung und akustischer Effekthascherei und eines ruppigen Schnitts, der den unbestritten fähigen Hauptdarstellern den Raum zum Spielen nähme. Ohne auf die eigentliche Story genau einzugehen (es geht wohl um unverhoffte Vaterschaft und einen auszuhandelnden „Ausweg“ daraus), ist in meinen Augen doch bemerkenswert, dass Ultimate Frisbee als allgemein bekannte und weit verbreitete Sprotart in den USA ihren Weg in eine Mainstream-Komödie gefunden hat. Warum soll sie dabei nicht auch verballhornt werden? Jen Hinrichsen schreibt: „So finden sich die Männer mit Emily und Zach in einem Pfadfindercamp wieder, in dem die Erwachsenen Extrem-Frisbee spielen müssen, bis die alten Knochen knacken.“

Die Szenen im Trailer jedenfalls sehen eher nach einer Art unfreiwilligem Rugby aus. Komisch wird das erst dann, wenn man weiß, dass Ultimate als einziger Teampsort weltweit ohne Schiedsrichter auskommt. Die Spieler beider Teams unterbrechen auf der Basis von gerufenen Einwänden das Spiel („Freeze-Calls“), um daraufhin in etwa 30 Sekunden die monierten Verstöße zu klären und nach klaren Richtlinien das Spiel wieder aufzunehmen. Die Selbstregulierung der Sportler schlägt im Film offenbar ebenso fehl wie die Selbstbestimmung des eingefleischten Junggesellen, dargestellt von Robin Williams, als er von seiner ihm bsi dahin unbealnnten Vaterschaft erfährt.

Hier der Link zum original Trailer, in dem nicht nur die Ultimate-Szene im Pfadfinder-Camp angerissen wird, sondern auch ein wunderschöenr Rückhandwurf eines Gorillas mit einem alten Autoreifen zu sehen ist:
www.imdb.com/video/screenplay/vi752943641/. Und hier ist er auf deutsch:

Frisbeesport an den Konsolen

Samstag, 09. Januar 2010

Im Interview mit dem Deutschen Frisbeesport-Verband erklärt der neue Disc Golf-Abteilungsleiter Jens Schrader: „In den USA mit ca. 500.000 aktiven Disc Golfern und etwa 10 Mio. Menschen, die schon mal Disc Golf gespielt haben, ist es nachvollziehbar, dass die Unterhaltungsindustrie und andere Wirtschaftszweige Interesse am Disc Golf-Sport zeigen.“ Dabei hat der Frisbeesport nicht erst seit der Wii-Konsole (in Big Beach Sports, Wii Sports Ressort – mit Disc Golf und Hundefrisbee – und Tiger Woods 10) Einzug ins elektronische Daddeln gehalten.

Kurz vor dem Jahreswechsel ist auf der Portalseite videogameszone unter anderem das Spiel „Windjammers“ aus dem Jahr 1993 für die Sammler-Konsole Neo Geo vorgestellt worden. Autor Martin Koch moniert die Spielmöglichkeiten alleine: „Doch zu zweit offenbaren sich wahre Partyqualitäten. Jeder versucht, die Wurfscheibe möglichst fies hinter den Gegner zu platzieren, um zu punkten. „Raketenwurf“ ruft der deutsche Charakter des Spiels bei seinem Spezialwurf dabei. Grandios!“

Daneben gibt es auch Ultimate als Brettspiel, Disc Golf als ein Flash-Spielchen (auch hier), ein sehr simples Weitwurf-Spiel mit einzelnen Würfen oder eine Art Weitwurf-Contest Frisbee Fro (mit fünf Würfen und vereinzelten Schwierigkeiten bei der Weitenmessung). Aber natürlich alles nichts im Vergleich mit dem echten Erlebnis und dem viel besseren Gefühl, an der frischen Luft eine Scheibe zu schmeißen!

Medienkanäle wie Automarken

Freitag, 08. Januar 2010

Gleich zweimal hat sich die Neue Zürcher Zeitung in dieser Woche mit dem Journalismus befasst – unabhängig von den vielen Berichten über die Präsentation der neuen Tablet-PCs, die neuerlich auch eine Antwort auf den angeblich drohenden Tod des Mediums Zeitung geben sollen. Einmal geht es um die Einschätzung des schweizerischen Verlegerpräsidenten Hanspeter Lebrument, ein anderes Mal um die Industrialisierung der Medien durch die viel beschworenen „Newsrooms“.

NZZ, 07.01.10, Titel: Seid stolz, Journalisten!

Einen „pressepolitischen Patriotismus“ fordert der Präsident des Verbands Schweizer Presse anlässlich der Dreikönigstagung und bezeichnet die schweizerischen Medien als die besten der Welt (was im Falle der NZZ nicht einmal abwegig erscheint). Im Beitrag „Seid stolz, Journalisten“ wird beschrieben: „Er redete seinen Kollegen und insbesondere den Journalisten ins Gewissen: <<Zeichnen Sie ein anderes Bild unserer Medien.>> Er findet es verheerend, dass <<wir nicht mehr an unsere Zeitungen glauben>>. Eine masochistische Grundstimmung habe sich breit gemacht.“

Die Analyse ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Medien selber als nicht in der Lage erscheinen, ein besseres Bild ihrer eigenen Arbeitsbedingungen zu zeichnen. Ob die Glaubwürdigkeitskrise, wie von Lebrument behauptet von den Journalisten erfunden wurde, ist zu beweifeln, seine Anschuldigung, die Branche sei zu einer der „Abonnementverkaufsverhinderer“ geworden, ebenso. Denn es besteht doch ein gewaltiger Unterschied in der Denk-, Sprech- und Handlungsweise eines Journalisten und eines Verkäufers.

NZZ, 06.01.10, Titel: Der Journalist am Fliessband

Zudem steht dem schweizerischen Medienmarkt noch eine „schmerzhafte Konsolidierung“ bevor, die in Deutschland bereits im vollen Gange ist. Dazu übte der Präsident von Axel Springer International Ralph Büchi Kritik: „Die Ertragskraft der niesigen Zeitungen sei im vergleich zu deutshcland tief. Es gebe zu viele Zeitungen und zu große Redaktionen.“ In einem anderen Beitrag tags zuvor beschäftigt sich Norbert Neiniger-Schwarz mit dem neuen Trand zum Newsroom, weitläufige Großräume, bestrahlt von Neonlicht. Das Beispiel der Multimedia-Infozentraale des Axel-Springer-Verlags in Berlin dient auch schweizerischen Medien zur Nachahmung, wie bereits der Berner Espace Media Groupe, AZ-Meiden in Aarau und aktuell in Bau beim Ringier-Verlag.

Das Ziel ist, alle Kanäle zu jeder Zeit mit Content zu füttern, per Twitter, Video- und Podcasts. Allerdings lässt sich das traditionelle Geschäftsmodell des Zeitschriftenabonnements nicht einfach auf die Neuen Medien übertragen. Denn der Trend zu Newsrooms, die ungestörtes, konzentriertes Arbeiten schlecht ermöglichen, ist eine Folge der schwächelnden Medienbranche und von Einsparungen. Der Autor lässt die Geschichte des Newsrooms seit 1994 beim Philadelphia Inquirer über den kombinierten von New York Times und USA Today 2004 bis hin zum gegenwärtigen Alltag in Großbritannien und Skandinavien Revue passieren, um festzustellen, dass dabei mehr als die Hälfte aller Arbeitsstellen verloren gegangen sind.

Die dem entgegen gesetzte Antwort, die ressortübergreifende Hilfe untereinander würde steigen, die Mauern würden auch in den Köpfen eingerissen, lässt sich schnell als Schutzbehauptung enttarnen. Es gibt keine Alternative als sich helfen zu lassen, weil die Aufgaben gewachsen sind und die Grenzen der Zuständigkeit verschoben oder aufgehoben wurden. Willkommen in der industrialisierten Medienbranche, die Norbert Neiniger-Schwarz mit der Autoindustrie vergleicht, deren „verschiedene Marken sich nur noch in der Carrosserie, nicht mehr aber im Innersten unterscheiden“.

Frisbee-Quickie erregt Schweizer Gemüter

Donnerstag, 07. Januar 2010

Pius Segmüller von der schweizerischen CVP (Christliche Volkspartei) wettert laut „Blick“ gegen neue TV-Spots einer Stop-Aids-Kampagne. Sein Name scheint ihn zu verpflichten: Pius – dem Frommen – frommt die Sekundeneinstellung einer Sexszene nicht. Dabei geht es doch genau darum: Zum Beispiel lernen sich am Strand ein Frisbee spielender junger Mann und eine Frau kennen. Erst fällt er quasi über sie und anschließend beide übereinander her.

Jedenfalls gefällt mir genau an diesem Beispiel die Frisbeescheibe sehr gut, die für einerseits für Spaß und das Genießen des Lebens steht, andererseits für eine Mentalität der geistigen Offenheit und Spontaneität. Das bedeutet natürlich nicht, dass jeder Frisbeespieler grundsätzlich schneller einem Quickie zugetan wäre als das andere Sommerfrischler, Freizeit- oder Leistungssportler wären.

Zudem gefällt mir auch die Länge des Spots, der in fünf Sekunden alles auf den Punkt bringt: Bekanntschaft – Geschlechtsverkehr – Rückfrage. Das steht für ein stimmiges Konzept, in dem die Schlussfrage sowohl die Darsteller im Kurzfilm als auch die Zuschauer betrifft: „Gings zu schnell…?“ Auch die begriffliche Nähe zwischen dem „Gummi“ genannten Präservativ und dem „Plastik“ genannten Freuizeit- und Sportgerät passt in meinen Augen gut.

Am besten finde ich aber die vielen Worte, die zuerst dr Luzerner Nationalrat, danach mehrere Zeitungen (sogar in Österreich) und nun auch mich zu vielen Worten verleitet (und sei es nur, um das gelungene Video zu zeigen). Damit hat die Kampagne schon jetzt mehr erreicht, als sie erwarten durfte. Immerhin verweist sie am Ende auch sehr ernsthaft auf den Love-Life-Check-Link hin, von dem aus zur Hauptseite der Kampagne verwiesen wird. Wer sich in der Schweiz für den Teamsport Ultimate Frisbee interessiert, möge sich an die Swiss Ultimate Association wenden.