Archiv für die Kategorie ‘Internetkultur’

Katy Perry lässt die Puppen tanzen

Dienstag, 28. September 2010

Nach dem durchschlagenden Misserfolg des geplanten Auftritts der Sängerin Katy Perry in der Sesamstraße wird sie nun einen Gastauftritt bei den Simpsons haben. Das haben jetzt die New York Daily News berichtet. Das Duett als Sonderversion von „Hot & Cold“ zusammen mit Elmo musste aufgrund von Eltern-Protesten aus der Sesamstraße heraus geschnitten werden. Das auf Youtube veröffentlichte Video hat dagegen bereits locker die Marke von einer Million Klicks überschritten, die Diskussionen in Deutschland tendieren dazu, das gelbgrüne, knappe Outfit nicht unbedingt als zu gewagt zu betrachten. Immerhin wollte die Sängerin mit dem „Monster“ Elmo nur Verkleiden spielen. Er hingegen spielt lieber Fangen.

Katy Perrys Gastauftritt in der Sesamstraße ist nur im Internet zu sehen

Die 25jährige Perry, die mit den Vorbereitungen zur Hochzeit mit ihrem künftigen Mann Russel Brand eigentlich genug zu tun haben sollte, begegnete der Zensur durch prüde amerikanische Produzenten mit einem Kurzauftritt bei „Saturday Night Live„, über den unter anderem auch die Bild-Zeitung (mit Videoausschnitt) berichtete.

Katy Perry im Elmo-Shirt zu Gast bei Saturday Night Live

Im Schulmädchenlook mit prallem Dekolleté im Elmo-Look gibt sie den Moderatorinnen kleinlaut zu verstehen, dass sie sich über den Sommer wohl „entwickelt“ habe. Die Episode bei den Simpsons ist laut Bericht ebenfalls bereits aufgezeichnet und soll in den USA Anfang Dezember ausgestrahlt werden. Katy Perry wird dabei  angeblich die Freundin des mürrischen Barkeepers Moe spielen und auch singen.

Katy Perry unter den Simpsons-Figuren

Zu guter Letzt hier noch das Erfolgsvideo des vereitelten Auftritts bei der Sesamstraße.

Schweizerische Erläuterungen zum Zolltarif…

Sonntag, 26. September 2010

Der Schweizer Bundesrat Hans-Rudolf Merz wird derzeit als politisch-menschliches Vorbild gehandelt, weil er beim Verlesen eines Textes der Zollbehörde nicht mehr an sich halten kann und sich vor Lachen und Gackern die Tränen aus den Augen wischen muss. Andrea Seibel schreibt in einem Kommentar in der Welt am Sonntag, dass sich hierbei ein Politiker „vom Comment der eigenen politischen Rituale, ja der eigenen politischen Klasse“ distanziert.

Welt am Sonntag, 26.09.2010, Titel: Demokratie braucht Humor

Den Ausführungen in der WamS kann ich zu weiten Teilen folgen, so dass das befreiende Lachen ansteckend ist, vor allem weil Hans-Rudolf Merz auch unumwunden zugibt, dass er die vorgelesenen Ausführungen, „sogenannte Schweizerische Erläuterungen zum Zolltarif“, selber nicht verstanden habe. Demgegenüber schlussfolgert sie weiter, seien übliche politische Debatten stets geprägt von Ressentiment und fehlender Meinungsfreiheit. Zweifelnde Stimmen würden weggefegt, „gnadenlose Urteile“ der politischen Klasse lägen oft weit entfernt von der Wahrnehmung der Bevölkerung.

Über einen historischen Exkurs (Humor als integraler Bestandteil des städtischen Lebens in der Antike – ab dem Mittelalter Humor auch als staatsgefährdende Kritik) gelangt Andrea Seibel zu der Aussage: „Humor ist ein zivilisatorischer Fortschritt“. Zustimmung, dass Satire und Karikatur dem Bürgertum den Weg an die Macht ebneten. Zustimmung auch, dass „Demokraten gelassene, ja fröhliche Menschen“ sein sollten. Ein gelinder Einspruch jedoch gegen die Formulierung: „Ein Islamist kann nicht lachen, der Christ sehr wohl.“ Erstens halte ich die Gegenüberstellung von Islamist und Christ für nicht glücklich – nicht jeder Moslem ist Islamist – zweitens halte ich die Formulierung für nicht zutreffend. Lachen können Islamisten sicherlich auch, jedoch vermutlich nicht so gut über sich selbst. Diese Fähigkeit ist bestimmt auch nicht jedem Christen mitgegeben. Anders gesagt: Religiosität halte ich für überhaupt keine hinreichende Grundlage, um Humor und Selbstironie zu beweisen, ein politisches Bewusstsein hingegen schon.

Hier der auf Youtube hochgeladene Clip des Lachanfalls von Hans-Rudolf Merz, samt Wortlaut in den Anmerkungen:

Die Sorgen der Zeitungsverleger

Mittwoch, 22. September 2010

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV) hat in Essen seinen diesjährigen Zeitungskongress unter dem Motto „Die digitale Revolution und die Zeitung“ durchgeführt. Mehr als 500 teils hochkarätige Gäste waren zu der Veranstaltung geladen, neben BDZV-Präsident Helmut Heinen alleine beim Podiumsgespräch „Der Preis des Internets“, moderiert von Frank Plasberg, der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust, die Online-Journalistin Mercedes Bunz, der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG Matthias Döpfner, der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Frank Schirrmacher und der  Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium Max Stadler.

Kölner Stadt-Anzeiger, 21.09.10, Titel: Qualität kostet Geld

Im Kölner Stadt-Anzeiger wurde der erste Tag unter obiger Überschrift zusammengefasst (online leider nicht verfügbar). „Nicht viel Neues“, war ich aufgrund der Schlagzeile geneigt zu glauben. Diesem Credo folgend plädierte zunächst BDZV-Präsident Heinen an die regionale Stärke der Tageszeitungen, wiewohl aus deren ausgebauten Internetpräsenzen noch immer keine Erlöse zu erwarten seien. „Zeitungen sind der Kitt unserer Gesellschaft„, sagte Helmut Heinen, um daraus abzuleiten, dass sie eigentlich mehrwertsteuerfrei erscheinen müssten. Zum Verlauf der weiteren Diskussion über die geplanten ARD-Apps zwischen Mathias Döpfner („gebührenfinanzierte digitale Gratiszeitungen“) und Peter Boudgoust („gesellschaftlicher Auftrag der Meinungsbildung auf allen elektronischen Wegen“) siehe z.B. Horizont.net. Noch spannender jedoch fand ich die im Kölner Stadt-Anzeiger zitierten Bemerkungen des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) zu elektronischen Medien, die „die Rahmenbedingungen für die Printmedien“ dominierten. Er konstatierte einen…

Kölner Stadt-Anzeiger, 21.09.10, Ausschnitt aus "Qualität-kostet-Geld"

Das sind eher Tendenzen des Boulevards, die durch die Echtzeit-Möglichkeiten des Internets vielleicht noch unterstützt werden. Doch dominieren in meinen Augen elektronische Meiden Printmeiden keineswegs, gerade wenn es um Qualität geht! Dennoch würden Tageszeitungen, so Norbert Lammert weiter („systemrelevant für die Demokratie“ als Stichwort für Helmut Heinen), ein „komplexes und analytisches Informationsangebot“ bieten, gegenüber den Inhalten im Internet, die eher spezielle Interessen der Nutzer bedienten.

Die Leistungsmerkmale der Zeitungsbranche können sich fraglos dennoch sehen lassen (vgl. den letzten Absatz im obigen Link zum BDZV vom 20.09., „Kitt unserer Gesellschaft“): 20 Millionen täglich abgesetzte Zeitungen in Deutschland werden von rund 49 Millionen Menschen gelesen, das entpricht einer Reichweite von knapp 70 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung über 14 Jahren, mit Spitzenwerten bei Gutverdienenden (72,8 Prozent) und Gutausgebildeten (75,8 Prozent). Mehr als die Hälfte aller Internetnutzer greift regelmäßig auf Online-Zeitungsangebote zu.  Da sehe ich keine allgemeine Krise, sondern eher Anpassungsschwierigkeiten im Einzelnen, rund um das altbekannte Problem des Bezahlinhalts („Paid Content“).

Kölner Stadt-Anzeiger, 22.09.10, Titel: Verleger wollen junge Leser gewinnen

Dass der BDZV nun eine neue Gesellschaft gründet namens „Jule – Initiative junge Leser“, ist zwar verständlich, klingt aber wenig erfolgversprechend. Immerhin greifen immer noch  die Hälfte aller Jugendlichen und jungen Leute, für die das Internet eine sehr große Bedeutung hat, zur gedruckten Information. Aus der Erkenntnis heraus, dass „Kinder und Jugendliche heute nicht mehr automatisch zu Zeitungslesern“ werden (so BDZV-Vizepräsident Hans-Georg Schnücker im Kölner Stadt-Anzeiger, online leider nicht verfügbar), sollen nun „effiziente Maßnahmen zur Gewinnung neuer junger Leser“ identiziert werden.

Aber wurden Kinder und Jugendliche früher allesamt „automatisch zu Zeitungslesern“? Das wage ich zu bezweifeln. Das hat nicht nur etwas mit dem wachsenden Internetzugang, sondern vielmehr mit dem gelebten Vorbild im Elternhaus zu tun. Die Zeitungen (grob verallgemeinert) müssen in ihrer Aufmachung belebter und ihren Texten frischer sein und das Internet endlich als Bereicherung ihrer eigenen Möglichkeiten erkennen und behandeln.

Wünsche und Ängste in Statistiken verpackt

Donnerstag, 16. September 2010

Dienstag war mal ganz klar Umfragetag. Ich persönlich liebe Umfragen, vor allem die Auswertung, die dann am besten mit einer tollen Kuchengrafik daher kommt. Aber gleich zwei Hammer-Studien an einem Tag!? Mehr als ich erwarten würde. Doch diese Statistiken bieten so etwas wie Sicherheit in einer Welt voller Überraschungen.

Die Welt, 15.09.2010, Titel: Deutsche sehnen sich nach Sicherheit

Passend dazu sprang mir der Titel eines Welt-Berichts von Ilena Grabitz ins Auge, der sich auf die Verbaucheranalyse von Axel Springer und Bauer Media bezieht. Ausschnitte: 19 Prozent der 30.000 befragten geben an eine private Rentenversicherung abgeschlossen zu haben. Die Tendenz sich gegen alle Risiken versichern zu wollen nimmt ab, das Vertrauen der Deutschen in Geldanlagen ist gesunken. Kleine Randnotiz: Das Internet knockt den Zeitschriftenmarkt (dieses mal) nicht aus, das mobile Internet befindet sich vor dem Durchbruch (Kuchengrafiken inbegriffen). Aber was hat das mit Sicherheit zu tun? Vielleicht, dass ich mir sicher sein kann, das Wetter muss so sein wie es ist, weil mir die mobile Internetabfrage bestätigt, dass es so ist? Es muss doch noch einen anderen Grund geben!

Die Welt, 15.09.2010, Titel: Junge Leute glauben an Familie und Internet

Nachdem ich auf die Titelseite der Welt zurückgeblättert hatte, war mir klar, was das Internet (auch das mobile) mit Sicherheit zu tun hat: Es ist ein „Glaubensding“. In ihrem Nummer-eins-Thema erklärt Miriam Hollstein unter Berufung auf die Shellstudie, dass der Anteil der Optimisten unter den 12- bis 25Jährigen wächst. Das gefällt mir! – Dass bei ihnen traditionelle Werte hoch im Kurs stehen (gutes Verhältnis zu den Eltern, eine Familie ist wichtig zum wahren Glück). Da kann ich mit leben! – Dass sogar das politische Interesse wieder leicht gewachsen sei. Das kann ich kaum glauben!

Shell-Studie 2010, "Woran Jugendliche glauben: Drei religiöse Kulturen"

à propos „Glaube“: Der Glaube an die Allverfügbarkeit von Informationen (oder Zerstreuung) durch das Netz muss den in Westdeutschland herkömmlichen Gottesglauben bereits weitgehend ersetzt haben. Interessant bei dieser Grafik nicht nur der Unterschied zwischen Ost und West und der zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund, sondern vor allem, wie der Titel besagt, dass sich in der deutschen Jugend drei religiöse Kulturen ausgeprägt hätten (ganz abgesehen von der jeweiligen Religionszugehörigkeit): eine an einen persönlichen Gott gebundene, eine an „jenes höhere Wesen, das wir verehren“ aus Heinrich Bölls „Gesammeltes Schweigen des Murke“ gebundene und eine an keinen Gott gebundene!

Insgesamt schwindet die Bedeutung der Religion weiter, außer in der Gruppe junger Migranten. Bedenklich aber auch, dass Jugendliche aus „bildungsfernen Elternhäusern“ (wie es heißt) deutlich pessimistischer in die Zukunft blicken und die soziale Kluft wächst. Dabei heißt es doch, dasss der Glaube Berge versetzen könne. Insgesamt gilt aber auch für diese Studie: Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.

Soziale Netzwerke als Goldgruben

Donnerstag, 02. September 2010

Soziale Netzwerke verdienen ihr Geld längst nicht mehr nur mit schnöden Text- oder Bannerwerbungen. Der neueste Schrei der Werbung  sind Plakatwände in Online-Spielen. Im Welt-Beitrag aus dem August wird von Walt Disney, Electronic Arts und Google gesprochen, die bereits entsprechende Angebote platziert hätten. Als konkretes Beispiel werden Werbetafeln des Honda CR-Z im Facebook-Spiel „Car Town“ von Cie Games genannt.

Welt, 25.08.2010, Titel: Soziale Netzwerke als Litfass-Säulen im Internet

Nutzer eines Facebooks-Spiels würden einer solchen Werbetafel mehr Aufmerksamkeit schenken als Autofahrer einer realen Tafel an der Autobahn, so die logisch klingende Überlegung. Beim Dauerbrenner „Farmville“ von Zynga Inc. auf Facebook, das bereits mehr als 60 Millionen Menschen spielen, sind Werbetafeln von Microsoft, der Einzelhandelskette 7-Eleven und des Nahrungsmittelherstellers Cascadian Farm. Wer allerdings auf den holprigen Titel für diesen Artikel von Bloomberg kam, bleibt unklar.

Die Welt, 24.08.2010, Titel: Mehr Ungleichheit bitte

Tags zuvor hatte der Redakteur Ulrich Clauß dem Traum vom klassenlosen Internet eine Absage erteilt. Die so bezeichnete „Netzneutralität“ sei so unwahrscheinlich wie das Paradies auf Erden schickt er voraus, um darzulegen, dass sich die Internetbenutzer selbst „in verschiedene Verkehrsklassen aufgeteilt“ hätten. Online-Spiele und Internet-TV benötigen höhere Bandbreiten als „der Rest der Gemeinde“. Zudem differenzierten private Netzbetreiber ihre Angebote aus, was nur dort kartellrechtlich schwierig werden kann, wenn sie als Inhalteanbieter ihre eigenen Angebote bevorzugen.

Letztlich würden diese Entwicklungen der „Sonderwirtschaftszone“ Internet jedoch genausowenig schaden wie die Einführung von verschiedenen Billetklassen bei Zugfahrten. Das Internet ist demzufolge nur die Fortsetzung der Marktwirtschaft mit anderen Mitteln. Dort haben werbefinanzierte Spiele in Sozialen Netzwerken genauso ihren Platz wie besonders teure Zugangsmodelle zum Beispiel auch für Funkfrequenzen für den mobilen Internetzugang. In diesem Zusammenhang kündigt Ulrich Clauß auch wieder einmal das Ende der Kostenloskultur an. – Es sei denn, es finden sich in den Beiträgen die neuen Werbetafeln wieder…

TV und Internet-Reichweite gleichauf

Donnerstag, 12. August 2010

Vor wenigen Tagen erst die Meldung hinsichtlich der zunehmenden Computernutzung, jetzt die Nachricht, dass die Internetnutzung in Deutschland bereits den TV-Konsum einholt: Im Vergleich zum Vorjahr hat laut aktueller ARD/ZDF-Onlinestudie 2010 die Zahl der deutschen Internetnutzer um 5,5 Millionen auf fast 50 Millionen Nutzer zugenommen. Von diesen Testpersonen ab 14 Jahren sind 76 Prozent täglich im Netz. 

Die Welt, 10.08.2010, Titel: 60 % der Beschäftigten arbeiten am Computer

Zur ersten Angabe: 2003 arbeiteten vergleichweise erst 44 Prozent der Deutschen beruflich regelmäßig mit dem Computer. Inzwischen hat diese Kennzahl aber in fast allen Ländern die 50-Prozenthürde geknackt. wobei der Spitzenreiter Finnland auf stolze 71 Prozent Berufstätiger kommt, die regelmäßig Computer nutzen. Deutschland liegt dabei an der sechsten Stelle hinter Schweden, Norwegen, Niederlande und Belgien.

Ebenso stark wie den Berufsalltag hat der Computer und das durch ihn erreichbare Medium Internet bereits aber auch das Privatleben durchdrungen. Damit zur zweiten Kennzahl: Für den stellvertretenden Vorsitzende der ARD/ZDF-Medienkommission und den Intendanten des Hessischen Rundfunks Helmut Reitze ist sie ein Beleg dafür, dass „die Beteiligung an Onlinecommunitys für große Teile der Gesellschaft zur Selbstverständlichkeit geworden ist“. Ihm zufolge zeigt die ARD/ZDF-Onlinestudie 2010, dass es „keinen Verdrängungswettbewerb zwischen Fernsehen und Hörfunk einerseits und Internet andererseits gibt“.

Hoffnung schöpfen die Fernsehmacher der öffentlich-rechtlichen Kanäle daraus, dass Videos im Internt zu schauen weitaus beliebter ist als viele der klassisch als „Web 2.0“-Aktivitäten genannten Kommunikationsformen. Bei Interesse sind weitere Hintergründe zur Onlinestudie verfügbar, die ARD und ZDF seit 1997 jährlich herausbringen.

Keine zwei Maßstäbe, bitte!

Donnerstag, 12. August 2010

In einem interessanten Artikel in der Süddeutschen Zeitung beschäftigt sich Niklas Hofmann mit der Frage, ob „im Internet  stärkere Ablenkungskräfte walten als im Alltag?“ Am Beispiel der Orientierungsfähigkeit von Menschen in „Megalopolen“ (Mega-Metropolen) verdeutlicht der Autor, dass für den jeweiligen Besucher einer gigantischen Großstadt nur bestimmt Areale von Interesse sind und sich dort somit nach wenigen Tagen eine gewisse Vertrautheit einstellen kann.

Süddeutsche Zeitung, 07.08.2010, Titel: Überlesenstraining

Nicht anders verhält es sich im virtuellen Dickicht, behauptet Niklas Hofmann und bezieht sich damit auf Miriam Meckel, die in der FAZ „Abfuhrtermine für Informationsmüll“ forderte (und sich in einem Dutzend Kommentaren dafür teilweise herbe Kritik gefallen lassen muss). Die über das Bild der „Allmende“ genannten Gemeindeweise und in Anlehnung an die Parabel „Tragik der Allmende“ des Ökologen Garret Hardin von 1968 klagt Miriam Meckel über die Flut an unnützen und unerwünschten Daten. Niklas Hofmann spricht von einem „fraglos selbst verschuldeten“ Leiden und von einem vermutlich „akuten Ausfall aller eigenen Filter“.

Genauso wenig müsse man sich durch Boulevard-Zeitungen an Kiosken belästigt fühlen oder durch Gespräche an Nachbartischen im Kaffee: „Viel eher offenbaren sich hier die enttäuschten Utopisten, die sich vom Internet eine lebensreformerische Bereinigung aller Kommunikationsverhältnisse erwartet haben.“ Sehr schön formuliert, wie ich finde, mit dem ebenso stimmigen Ausblick: „Die Überweidung der Aufmersamkeits-Allmende wird nicht stattfinden“. Es ist Sache der Teilnehmer selbst, zu entdecken, was sie interessiert: Ablenkung und Unterhaltung oder Wissen und Information. In den Schulen läuft die Lehre des angemessenen Zugangs an neue Inhalte unter dem Schlagwort: „Das Lernen lernen!“

Die sieben Hüter der Geheimnisse

Samstag, 31. Juli 2010

Da haben sich Sven Winterschladen und Timo Schillinger im heutigen Kölner Stadt-Anzeiger aber mächtig ins Zeug gelegt, indem sie auf der Titelseite über die „sieben Geheminshüter“ als Retter des Internets berichten. Falls ein gigantishcer Cyberangriff das Internet zu Großteilen lahm legen sollte, müssen demzufolge fünf der sieben ausgewählten Personen zusammenkommen, um mithilfe digitaler Schlüssel mit einem Neustart wieder zum Laufen zu bringen.

Kölner Stadt-Anzeiger, 31.07.2010, Titel: Die Schlüssel der Macht

Was nach einer Verschwörungstheorie klingt, soll durchaus realen Hintergrund haben. Angeblich handelt es sich bei einem der sieben „Bewahrer“ um einen Engländer namens Paul Kane (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen irischstämmigen Maler aus Kanada). Zitiert werden Internet-Sicherheitsexperten der Untrnehmen McAfee und Kaspersky, die sich bei der Black-Hat-Konferenz in Los Angeles trafen. Der Chef des Viren-Analystenteams von Kaspersky Costin Raiu habe dort die „Geschichte von den Schutzbefohlenen“ bestätigt.

Sicherlich wäre durch einen Generalabsturz des Internets ein Großteil der Geschäftswelt schwer beeinträchtigt. Ob die Auswirkungen wirklich so weitreichend wären? Vermutlich. Ob sieben (oder fünf) Aufrechte bei einem ernsthaften Angriff den Neustart bewerkstelligen könnten? Möglicherweise. Ob es diese sieben Geheimnishüter tatschlich gibt? Offenbar. Klingt schwer anch dem „hohen Lied des Mutes und der Tapferkeit, der Treue bis in den Tod“…

Markenwelten schaffen starke Anreize

Montag, 26. Juli 2010

Ein sehr interessanter Artikel von Joachim Hofer im Meinungsteil des Handelsblatts befasst sich mit Markenwelten, denen es gelingt, einen festen Platz im Leben der Menschen zu erobern. Die Schlussfolgerung, die der Autor daraus zieht, steht in der Überschrift:

Handelsblatt, 26.07.10, Titel: Alle müssen so werden wie Apple

Es sind nicht nur die i-Familienmitglieder aus dem Hause Steve Jobs‘, die den Nutzern zum Alltagsgegenstand geworden sind, sondern vor allem die Inhalte machen den Unterschied. Zudem hat es Apple auch geschafft, strategische Bündnisse einzugehen, wie etwa mit Nike. Der Konzern verkauft auch nicht mehr nur Turnschuhe, wie Joachim Hofer bemerkt, sondern bietet in seinen wichtigsten Läden Lauftreffs an: „Zusammen haben sie das enmzige erfolgreiche elektronische System für Läufer auf den Markt gebracht.“ Die konkurrierende Allianz zwischen Adidas und Samsung ist noch nicht, Verzeihung,  ebenso lauffähig.

Der entscheidende Punkt jedoch ist, dass die erfolgreichen Markenkonzerne mit ihren Marken „ganze Konzepte anbieten und nicht nur einzelne Produkte“. Daher erschienen sie dem Käufer innovativer und könnten sich auch in Bereichen erfolgreich etablieren, die weit außerhalb ihrer ursprünglichen Kernkompetenz liegen. Als Unternehmen, das früher nur mit Computertechnologie und Softwareentwicklung zu Gange war, ist Apple inzwischen auch „Chipdesigner, Telefonhersteller, Händler und Makler.“ Gegenbeispiele für Unternehmen, die eine solche Erweiterung Ihres Angebots versäumt bzw. Ihr Angebot nicht einzigartig gehalten haben, sind einerseits Nokia, andererseits Sony.

Joachim Hofer schließt: „Viel zu viele, vom Erfolg vergangener Jahre verwöhnte Betriebe versuchen triotzdem anch wie vor, von ihrem Kernprodukt nach außen zu denken (…) und merken dabei gar nicht, wie sie von branchenfremden Konkurrenten überholt werden.“ Eine vermutlich nicht ganz neue, aber sehr berechtigte und nach wie vor aktuelle Beschreibung des Konsumentenverhaltens. Dennoch wäre der vermutlich richtige Vorschlag an jedwedes Markenunternehmen, seiner eigenen Marke gerecht zu werden und nicht unbedingt wie Apple zu agieren. Der Wahlspruch könnte demnach lauten: „Werde durch Metamorphose, wer du bist.“

Urlaub vom Internet

Freitag, 23. Juli 2010

Das wird ein Thema sein, das uns künftig zu jedem Sommerloch beschäftigen wird, da bin ich mir ganz sicher. Dazu bietet es jedenfalls  alles, was der Sommer als Urlaubszeit so mit sich bringt: Entschleunigung, Entspannung, Entsagung.

Welt, 23.07.2010, Titel: Digitales Fasten

 Die Relevanz wird alleine dadurch verdeutlicht, dass innerhalb von sechs Tagen die Welt und die Welt am Sonntag darüber berichten, zum einen Wieland Freund, der sich auf zwei Buchveröffentlichungen bezieht, Alex Rühle „Ohne Netz“ und Christoph Koch „Ich bin dann mal offline“, zum anderen Matthias Wulff, der ebenfalls auf  Alex Rühles Buch rekurriert. Wieland Freund verweist in der Welt auf entsprechende Artikel im Spiegel und Focus und erwähnt ein weiteres Buch, das im Oktober erscheint, von Nicholas Carr: „Wer bin ich, wenn ich online bin?“. Kein anderer, ist meine Überzeugung, nur in einer anderen Umgebung, einer anderen Wirklichkeit, dabei nicht weniger wirklich.

Alex Rühle, ein Feuilleton-Journalist für die Süddeutsche Zeitung, hat ein halbes Jahr offline gelebt, der freiberufliche Christoph Koch immerhin 40 Tage. Die Askese sollte dem Wort gemäß reinigende Funktion haben, aus der Vermutung herausder beiden Buchautoren, dass ihr Online-Verhalten an Sucht grenzt. Ich erfahre, dass Alex Rühle stattdessen wieder mehr fernsieht und Christoph Koch aus lauter Verzweiflung eine Zen-Meisterin besucht. Nachdem „Allerreichbarkeit“ kein Statussymbol mehr ist, wird „das gelegentliche Abschalten zum Herrschaftsprivileg“ findet Wieland Freund und streift zur Conclusio die Soziologen Hartmut Rosa (dessen Buch „Beschleunigung“ schon früh den „Effizienzdruck“ beschrieb) und Niklas Luhmann (der meist das „System“ dahinter bemühte), um auf Douglas Adams „Restaurant am Ende des Universums“ zu kommen: „Was nach unserem 30. Geburtstag erfunden wird, ist gegen die natürliche Ordnung der Dinge“ – bis wir uns nach etwa zehn Jahren damit anzufreunden begännen. Nicht erst nach zehn Jahren haben sich denn auch die Buchautoren – schon aufs Berufszwängen – längst wieder mit dem Online-Leben angefreundet.

WamS, 18.07.2010, Titel: Leben ohne Internet

Um auch noch zu Matthias Wulffs Beitrag in der Welt am Sonntag zu kommen: Er spricht von „Generationenschriften“ der Buchautoren, die als „letzte“ auch das analoge Zeitalter noch erlebt hätten. Auch er lobt ausdrücklich Rühles Buch, letztlich „fortschrittsfreundlich“ sei seine „zweigfelnde, selbstironisch, ständig abwägende Grundhaltung“ angenehm. Besonders interessant die Reaktionen der Außenstehenden, Kollegen mit mildem Spott, eine (immerhin!) bewundernde Leserin, seine Frau, die nach der Lektüre der ersten Seiten gesteht: „Ich hatte keine Ahnung, dass du dermaßen ein Rad ab hast!“