Archiv für November 2009

The Spirit of Christmas 2009, Part 1

Mittwoch, 11. November 2009

Der Vorsitzende der Krefelder Werbegemeinschaft, Franz-Jospeh Greve, hat vorauseilenden Gehorsam geprobt und ist dabei – wie meist in solchen Fällen – auf die Nase gefallen. Wie zuerst die Rheinische Post berichtete, wollte er in diesem Jahr auf Weihnachtsbeleuchtung verzichten und stattdessen nur Winterbeleuchtung zum Einsatz bringen. Seine Begründung: „Religiöse Motive gehören in die eigene Wohnung oder in die Kirche, nicht aber in die Geschäfte.”

Ein Sturm der Kritik kam nicht nur von Einheimischen und von Katholiken bundesweit (allen voran der Kölner Weihbischof Rainer Maria Woelki und Augsburgs Bischof Walter Mixa), sondern auch von den Muslimverbänden, wie die Welt am Sonntag im NRW-Teil berichtete. Die Stadt Krefeld überstimmte nach der überwältigenden Kritik die Entscheidung und beschloss stattdessen, anstatt wie im vergangenen Jahr nur einen in diesem Jahr gleich sechs geschmückte Weihnachtsbäume in der Stadt aufzustellen.

Als Mitglied in einem Kirchenvorstand verteidigte er auf Nachfrage gegenüber der Rheinischen Post noch einmal die Lauterkeit seiner Motive:  „Symbole wie Krippe oder der Stern von Betlehem sind doch zu wichtig, um in der Werbung verwendet zu werden.“ und gitb als Beispiele für Städte, die das ähnlich handhaben, Paris, London und New York an. Ich schließe mich da aber doch eher der WamS-Meldung an, die das Vorgehen hierzulande als unangemessen gegenüber der „zumindest kulturchristlich geprägten Bevölkerungsmehrheit“ beurteilt.

Krefeld Hauptbahnhof, (c) 2004 by Kapitän Nemo

Ab Samstag, den 21. November, wird Krefeld nun allerdings doch auch eine Reise wert sein und weihnachtlich erstrahlen: das Motto des Einzelhandels  lautet „Einkauf bei Kerzenschein“. Im Übrigen sollen sich die Krefelder Straßenzüge mit der Weihnachtsbeleuchtung laut Stadt-Marketing Chef Ulrich Goos durchaus ein eigenes Profil geben. Die Gelegenheit ist günstig, da bis 2012 auf LED-Technik umgesteltl wird, weil danach auch in der Weihnachtsbeleuchtung Glühbirnen nicht mehr verwendet werden dürfen. Dazu dann mehr im „Spirit of Christmas 2012“.

Der vor 250 Jahren Geborene bleibt uns fern…

Dienstag, 10. November 2009

…muss er aber nicht. Das Jubiläum des 250. Geburtstages des Dichters Friedrich von Schiller wird mit nur wenigen Bühnenaufführungen begangen. Die WamS vom 09.11.2009 titelt über zwei Artikeln: „Friedrich Schiller, der schwierige Jubilar“. Und Alexander Kosenia stellt in der FAZ fest, nur vier Jahre nach den Feiern zum 200. Todestag: „Die Kalendersklaven schwächeln, auf dem Buchmarkt scheint das Pulver weitgehend verschossen.“

Titel des Schiller-Beitrags in der WamS am 08.11.2009

Die Biografie von Rüdiger Safranski „Goethe & Schiller – Geschichte einer Freundschaft“ wird hierbei nur als „glänzendes Doppelporträt der Dioskuren“ am Rande erwähnt. Helmut Weidhase, Mediävist in Konstanz, bespricht das Buch im Südkurier. Er lobt die „thematische Biografie“, in der Safranski „historische Lebenswege nicht am Sicherungsgeländer der Chronologie entlang, sondern zu den entscheidenden Ausblicken, Hinsichten, markanten Punkten“ führt.

Einige weitere Neuerscheinungen wären laut Alexander Kosenia dennoch zu nennen, die unter anderem die Bitt- und Bettelbriefe oder auch Parodien des großen Lyrikers, Dramatikers und Literaturtheoretikers gesammelt darstellen. Darunter befindet sich aber auch die Neuauflage einer selten veröffentlichten, comicartigen Bildgeschichte Schillers, die er 1786 für seinen Freund Gottfried Körner gezeichnet hat und das Soufflierbuch der „Räuber“-Uraufführung in Mannheim. Schließlich wird noch Rüdiger Görners Buch „Schillers Apfel“ erwähnt, das den von „Eckermann gestifteten Mythos von Schillers faulen Äpfeln“ aufgreift. „Angeblich sollen diese dem Dichter „als Urfrucht, als verfallende Versuchung“ zur sinnlichen Stimulation des Geistes gedient haben oder umgekehrt als Anker und Erdung beim erhabenen Höhenflug ins Intelligible.“ Sehr spannende Szenen, Gedanken und Bilder zu Schillers 250. Geburtstag.

Im Deutschland-Radio schließlich stellte Wolfgang Schneider am 6. November das Hörbuch von Uwe Ebbinghaus und Norbert Oellers vor: „Schiller. Höhepunkte aus Leben, Werk und Wirkung“. Darin so herrliche Vergegenwärtigungen wie die Vorwegnahme eines Brechtschen Bonmots, die Darstellung einer Reihe geflügelter Worte im „Wilhelm Tell“ und Ansichten zum Beispiel von Friedrich Nietzsche, der Schiller als „Moraltrompeter“, und von Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der den „Wallenstein“ als „Reich des Nichts und des Todes“ bezeichnet.

Vorspann des Schiller-Beitrags in der WamS am 08.11.2009

Wenn heute Bundespräsident Horst Köhler das Schiller-Nationalmuseum in Marbach nach dreijährigen Sanierungsarbeiten wiedereröffnet, wird er laut Eckhard Fuhr feststellen, dass die heutige Beschäftigung mit Friedrich Schiller zunächst „Kreuzschmerzen bedeutet“. Lediglich im „Schiller-Nordflügel“ des Museums ginge das Konzept einigermaßen auf, heißt es weiter, im Südflügel zur Literaturlandschaft des 18. und 19. Jahrhunderts jedoch sei der Besucher ohne vorherige Lektüre des umfangreichen Katalogs zur Ausstellung „ganz verloren“.

Schillers ausführliche Biografie sowie ein Schillerquiz gibt es bei Literaturwelt.com, dort sind auch Listen seiner wichtigsten Werke, wie „Die Räuber“ (1781), „Kabale und Liebe“ (1783), „Don Carlos“ (1787), die „Wallenstein-Trilogie“ (1799), „Maria Stuart“ (1800), „Wilhelm Tell“ (1804), sowie Abschriften der bedeutendsten Gedichte zu finden, z.B. „An die Freude“ (1785), „Das Ideal und das Leben“ (1795), „Das Lied von der Glocke“, „Der Ring des Polykrates“, „Der Taucher“  und „Die Kraniche des Ibykus“(alle 1797), „Die Bürgschaft“ (1798)

Kurzbiografie Friedrich von Schiller
(geboren am 10. November 1759 in Marbach, gestorben am 9. Mai 1805 in Weimar)

Bereits 17jährig beginnt der gebürtige Schwabe Friedrich Schiller unter dem Einfluss der Aufklärung seine Arbeit an „Die Räuber“ und erobert sich damit nach der Fertigstellung 1781 bereits einen Platz im „Sturm und Drang“. Zwischenzeitlich hat er die Militärakademie abgeschlossen und wird als Regimentsarzt in Stuttgart angestellt. Nach disziplinarischem Ärger taucht er erst in Mannheim unter und hält sich unter anderem in Frankfurt am Main versteckt, ehe er Ende 1782 auf einem Gut im thüringischen Bauerbach unterkommt. 1783 wechselt er als Theaterdichter für ein Jahr nach Mannheim, schließlich gelingt ihm 1784 mit „Kabale und Liebe“ der Durchbruch. Seine Antrittsrede zur Aufnahme in die Kurfürstliche Deutsche Gesellschaft wird 1802 unter dem Titel „Die Schaubühne als moralische Anstalt“ veröffentlicht.

Von 1785 und 1787 hält sich Schiller vorwiegend in Leipzig und Dresden auf, wo er in finanziellen Schwierigkeiten von seinem Verehrer und späteren Freund Christian Gottfried Körner aufgenommen wird. Zwischen Juli 1787 und Mai 1788 lebt er in Weimar und ist Mitarbeiter an Christoph Martin Wielands Zeitschrift „Der Teutsche Merkur“. 1788 lernt er Goethe kennen ein Jahr später wird er unbezahlter Professor für Geschichte an der Universität Jena. Im Winter 1788 lernt er bei einem Besuch in Süddeutschland Charlotte von Lengefeld kennen, die er am 22. Februar 1790 heiratet. Noch im selben Jahr erkrankt er an einer Lungenentzündung, von deren Folgen er sich nie mehr erholt. Seine Finanznot mildert eine jährliche Pension von Herzog Karl August von Weimar, ab 1791 für fünf Jahre eine Pension der dänischen Regierung. Die idealistische Philosophie Immanuel Kants beeinflusst seine Ästhetik stark. Für sein Drama „Die Räuber“ erhält Schiller 1792 die französische Ehrenbürgerschaft. 1793 wird sein Sohn Carl geboren, im selben Jahr gründet er die Zeitschrift „Die Horen“, für die er im darauf folgenden Jahr beim historischen Treffen am 20.07.1794 in Jena Goethe als Mitarbeiter gewinnt.

Im selben Jahr begegnet er unter anderem Friedrich Hölderlin, Johann Gottlieb Fichte und Wilhelm von Humboldt. Es entwickelt sich ein reger Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe, in den Horen erscheinen die Abhandlungen „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ (1795) und „Über naive und sentimentalische Dichtung“ (1795). Die Produktion aus dem „Balladenjahr“ 1797 ist ebenfalls auf den Einfluss Goethes zurückzuführen. Nachdem er 1799 mit seiner Familie nach Weimar übersiedelt, wird er Mitarbeiter des dortigen Theaters und schreibt zahlreiche Theaterstück. 1802 wird er geadelt. Er stirbt am 9. Mai 1805 infolge seiner Krankheit.

Änderungen in der Kölner Medienbranche

Montag, 09. November 2009

Lohnende Wochenendlektüre in Bezug auf unrentable Mediengeschäfte. Dass die Netzeitung ab 2010 nur noch als „automatisiertes Nachrichtenportal“ weiterlaufen soll, wurde schon verschiedentlich berichtet. Obwohl die Redakteure, denen betriebsbedingt gekündigt wird, in Berlin sitzen, gehört der Laden doch dem Kölner Medienhaus M. DuMont Schauberg (MDS), das die Netzeitung nach eigenen Angaben  „aus wirtschaftlichen Gründen“ einstellt.

Titel Menschen & Medien, WamS, 08.11.2009

Nachdem die Zeitung im Internet im Jahr 2000 gegründet worden war, übernahm 2007 der britische Investor David Montgomery das Ruder, ohne jedoch die für eine Weiterentwicklung erforderlichen Investitionen zu tätigen. Zu Beginn des Jahres sprang dann der Verlag M. DuMont Schauberg in die Bresche, dem jedoch laut Kommentar in der Süddeutschen die Verzahnung von Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau wichtiger war. In der Rubrik „Menschen und Medien“ der Welt am Sonntag wird der Vorgang sogar als Aufhänger benutzt, unter dem Titel: „Wie man es schafft, die „Netzeitung“ zu ruinieren“. Darin werden zwei Lehren gezogen: „Der angebliche Niedergang der Print-Branche ist reich an Scheinkorrelationen.“ Und: „So erbarmungslos zu sparen, dass sich die Leser abwenden, ist nicht abhängig vom Medium. Es kann Print wie Internet treffen.“

Im Carta-Blog schlussfolgert Daniel Leisegang: „Die Medienkrise verschärft die Arbeitsbedingungen der freien Journalisten und lässt den Unterschied zwischen unabhängiger Information und PR weiter schwinden. Damit verliert der Journalismus weiter an Glaubwürdigkeit und begibt sich in den freien Fall.“ Diese Einschätzung ergänzt die Video-Keynote von Jeff Jarvis beim Printgipfel auf den Münchner Medientagen : „The Future of Journalism is an entrepreneurial, collaborative process“. Alle Versuche, das alte Geschäftsmodell zu beschützen, werden scheitern.

Titel "Reporterfirma", Süddeutsche Zeitung, 06.11.2009

Die Süddeutsche Zeitung berichtet am vergangenen Freitag unter dem Titel „Reporterfirma“ jedoch auch davon, „DuMont plant offenbar, seine „Schreiberpools“ auszugliedern“. Im Rahmen des Umbaus der Print-Titel Kölner Stadt-Anzeiger, Berliner Zeitung, Frankfurter Rundschau und Mitteldeutsche Zeitung ist demnach geplant Ressorts zusammenzulegen (vor allem Wirtschaft und Politik) und in einer eigenen Gesellschaft  „Schreiberpools“ zu bilden. „Edelfedern“, so die weitergehende Vermutung, würden dann in dieser Gesellschaft beschäftigt, während die Journalisten vor Ort kleinere Brötchen backen müssten.

Noch eine Kölner Randnotiz, schon ein paar Tage älter: am 02. November 2009 berichtet der Kölner Stadt-Anzeiger über die Pläne des Sport-Informationsdienstes SID, bis zum Sommer 2010 von Neuss nach Köln umzuziehen, mit Sitz unmittelbar neben dem dortigen Hauptbahnhof, SID-Geschäftsführer Michael Cremer führt aus, dass für seine Unternehmen etwa 2.500 Reportertage pro Jahr anfallen, mit etwa 60 festen Mitarbeitern. Sicherlich werden auch hier einige freie Journalisten zuliefern. Jedoch handelt es sich beim (nach eigenen Angaben) konkurrenzlosen SID eben um einen Anbieter in einer Nische, mit Sport vermutlich sogar der denkbar größten im Nachrichtenmarkt, was für eine faire Entlohnung der festen und freien Mitarbeiter hoffen lässt.

Sparkassenfilialen werden geschlossen

Sonntag, 08. November 2009

Insgesamt 22 Filialen der fusionierten Sparkasse Köln-Bonn werden im Laufe des kommenden Jahres geschlossen. Betroffen sind 12 kleine Filialen in Bonn und 10 in Köln. Dabei handelt es sich um die Standorte Esch, Grengel, Lenauplatz, Longerich, Marsdorf, Müngersdorf, Sechzigstraße, Rudolf-Diesel-Straße, Stegerwald und Weiß. Vor allem den abgelegenen Außenvierteln geht damit ein weiteres Stück Autarkie verloren.

Aber warum überhaupt auf dem Dorf Geld abheben oder andere Geschäfte tätigen wollen, wenn man es dort doch auch nicht ausgeben kann? – könnten Kritiker fragen. Der Punkt liegt allerdings an anderer Stelle. „Kunden büßen für Fehler“ hat der Kölner Stadt-Anzeiger seinen Kommentar vom vergangenen Montag überschrieben. Und per se als Staatsbanken haben Sparkassen den Auftrag einer Grundversorgung der Bürger (der so genannten „Daseinsvorsorge“), ausformuliert als „angemessene und ausreichende Versorgung aller Bevölkerungskreise“. Allerdings wurde im vergangenen Jahr mal eben ein Verlust von 182 Millionen Euro gemacht. Doch durch die Schließung von Filialen – und seien es so genannte Kleingeschäftsstellen mit nur zwei bis drei Mitarbeitern – wird das Vertrauen in den Finanzpartner nicht eben gestärkt, egal ob im dörflichen Idyll wie in Köln-Esch oder im sozialen Brennpunkt wie Grengel.

Die Filiale der Sparkasse KölnBonn in Esch wird 2010 geschlossen

Hintergrund ist, dass die EU-Kommissarin Neelie Kroes zum einen an der Rechtmäßigkeit der Finanzspritzen der Städte Köln und Bonn (zusammen etwa 350 Mio. Euro stille Einlagen) sowie des Rheinischen Sparkassenverbandes (in Höhe von 300 Mio. Euro) für das Institut zweifelt, zum anderen aber auch gleichzeitig einen Restrukturierungsplan fordert. So sieht der jetzt also aus. Die Linksfraktion in Köln hat als einzige laut Kritik geübt, dass gerade in den sozialen Brennpunkten die Filialen der Sparkasse erhalten bleiben sollten.

Der Stadt-Anzeiger hat auf seiner Homepage mittlerweile eine Umfrage eingestellt, die danach fragt, ob „Das Ende der Sparkasse?“ bereits nahe sei. Auf die Frage, was Leser von der Schließung halten, sind die Antwortmöglichkeiten: Frechheit, Die Sparkassen sind Staatsbanken und sollen gefälligst bürgernah bleiben.  –

„Liberale Publizistik“: Dogma und Dementi

Samstag, 07. November 2009

Die NZZ hats mir angetan, ich habe es erst jüngst erwähnt. Vor allem der Blick aus dem Ausland auf die Kultur des deutschen Sprachraums empfinde ich als äußerst belebend, nicht nur im Feuilleton, sondern Anfang der Woche auch im Wirtschaftsteil. Gelegentlich erwacht aber doch ein Wille zum Widerspruch. Gerhard Schwarz, Leiter der Wirtschaftsredaktion und stellvertretender NZZ-Chefredaktor (wie es schweizerisch so schön heißt), hat am vergangenen Wochenende den Preis der Stiftung für abendländische Kultur und Ethik erhalten. Das war der NZZ im Wirtschaftsteil immerhin eine ganze Seite  wert. Das klingt schon ein wenig eitel oder rechtfertigend.

Zu lesen sind vier Spalten Auszüge aus der Rede des Geehrten und eine Spalte aus der des honorigen, aber doch wegen Steuerhinterziehung 1987 verurteilten und damit vorbestraften Laudators Otto Graf Lambsdorff. Seine Laudatio ist betitelt: „Schockresistent liberal“; darin beschreibt er Gerhard Schwarz als geradlinig und dergestalt, „dass er auf den Vorwurf des kleingeistigen Dogmatismus fast gekränkt reagieren kann“. Schwarzens Redebeitrag ist überschrieben:

Titel "Journalisten ohne Werte sind wertlos", NZZ, 02.11.2009

Fraglos basieren gute journalistische Texte auf gewissen tradierten Werten. Das sind Werte einer Grundordnung, denen sich vermutlich die Mehrzahl aller Journalisten gemeinschaftlich verpflichtet fühlen, wie Toleranz, Verantwortung und Rechtschaffenheit. Daneben stehen handwerkliche Werte wie etwa der Grundsatz einer neutralen – vorrangig nicht wertenden – Berichterstattung, das Prüfen von Aussagen, das Anhören einer Gegenseite und sicher auch das Ausrichten an einer Theorie.

Letzteres stellt die Neutralität der Berichterstattung jedoch bereits in Frage – sofern nicht auf die Möglichkeit hingewiesen wird, dass auch andere Theorien möglich sind, um einen Zugang zum Geschehen und eine Interpretation desselben zu erlangen.

Vorspann "Journalisten ohne Werte sind wertlos", NZZ, 02.11.2009

Was soll aber bedeuten, gegen den Liberalismus werde häufig die Ideologiekeule geschwungen? Liberalismus IST eine philosophische, ökonomische und politische Ideologie, die die individuelle Freiheit als normative Grundlage der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung anstrebt. Sofern Liberalismus im Sinne der aufklärerischen philosophischen Definition als Synonym zu einer pluralistischen Demokratie aufgefasst wird, bekenne ich mich auch zum Liberalismus, vor allem im Gegensatz zum Totalitarismus.

„Liberale Publizistik“ verschreibt sich damit vor allem dem Grundprinzip der Meinungsfreiheit. Wenn Kant in seiner Kritik der praktischen Vernunft die Ursprung der Moral im freien Willen verortet, so ist gerade das Moralische in einer liberalen Publizistik sicherlich angebracht. Vor allem im Feuilleton kommt dem Journalismus nach meiner Auffassung die „Kernkompetenz der Vernunft“ zu, Urteile zu fällen. Je nach Gesichtspunkt lassen sich für unterschiedliche Urteile zum selben Sachverhalt gute und bessere Argumente finden.

Liberale Publizistik findet als feststehender Begriff hauptsächlich Verwendung in historischen Zusammenhängern wie dem späten Kaiserreich,  der Weimarer Republik und im Zusammenhang mit einer Unterstützung der Wirtschaftspolitik Ludwig Erhards in der FAZ und der NZZ zwischen 1948 und 1957 . Doch das ist kein Grund, die liberale Publizistik auch heute als eine wertkonservative Einrichtung zu betrachten, wohl möglich mit der Absicht, nur ja den eigenen Status Quo zu erhalten.

Gerhard Schwarz schwankt zwischen einer Auffassung des Liberalismus als eine „positive Vision“, Zitat „wie Erhards <<Wohlstand für alle>> nach dem Zweiten Weltkrieg“ und der als „Grundprinzip“, das „für die Freiheit nie nur aus Gründen der Nützlichkeit“ eintritt.

Schlussabsatz, "Journalisten ohne Werte sind wertlos", NZZ, 02.11.2009

Die Rationalität des Liberalismus, so Schwarz, überfordere viele Menschen, gleichzeitig gebe er der Politik keine Werte vor – außer eben dem der Freiheit. Für einen Liberalen bedeutet in seinen Augen der Begriff Freiheit eine „Freiheit von…“ (z.B. Gewalt, Unterdrückung, Angst und Schrecken) und nicht als „Freiheit zu…“ (z.B. Selbstverwirklichung, Meinungsäußerung, Übernahme von Verantwortung und Engagement). Beides scheint mir aber unauflösbar miteinander verbunden, so wie in der Gesprächsführung das „Warum?“ nach den Gründen fragt und das „Wozu?“ nach den Lösungen.

Dass das „Ja zur Freiheit“, sprich das Bekenntnis zum Liberalismus einzig auf der „Erfahrung und dem Vertrauen (beruht), dass Freiheit per saldo mehr Kräfte zum Guten als zum Schlechten auslöst“, erscheint mir als Begründung etwas dünn. Wenn es eine Vision gibt, besteht da vielleicht doch auch ein Idealbild, auf das hinzuarbeiten es sich lohnen könnte? Ja sagen zum Unvorhersehbaren ist das Eine, das Andere aber auch Nein sagen zum Vorhersehbaren. Da verlangt die Publizistik Klartext, wie es jüngst zum Beispiel Rainer Hank in der FAZ mit seiner Analyse „Das Elend der FDP“ gemacht hat, in der er ihr „sozialdemokratischen Klientelismus“ vorwirft. En passant wird hier der Liberalismus als „kalt, herzlos und sozial ungerecht“ charakterisiert.

Genau das ist er auch in der Publizistik, wenn in der Berichterstattung lediglich Werte zur Anwendung gelangen, die der Tradition das Wort reden, wenn die Vorstellung einer gerechteren Gesellschaft in den Werten keinen Platz findet. Die Tatsache, dass sich Werte ebenso wie die Sprache und die Gesellschaft laufend fortentwickeln, ist für mich der Hauptgrund, warum ich mit wertkonservativen Liberalen wenig anfangen kann.

Philosophie, aus der Höhle auf die Fähre

Freitag, 06. November 2009

Neulich von einer 12.-Klässlerin befragt: „Worum geht’s eigentlich in der Philosophie?“, fiel mir die Antwort schwer. Dabei hab ich das gesamte Gebiet als ein Hauptfach studiert und abgeschlossen. Natürlich geht es im engeren Sinn um die „Freundschaft zur Weisheit“. Dann sind mir die bekannten drei großen Fragen nach Kant eingefallen: „Was soll ich tun (praktische Philosophie, Ethik)? Was darf ich hoffen (Sinnsuche in Anbetracht von Tod, im Zusammenhang mit Religion und Gesellschaftsutopien)? Was kann ich wissen (Erkenntnistheorie)?“

Zum ersten Punkt ist gleich Kants gerne zitierter Kategorischer Imperativ aus der „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ zur Hand: „Handle immer nur nach derjenigen Maxime, durch die Du zugleich wollen kannst, dass sie allgemeines Gesetz wird!“ Zum zweiten ist mir kein gängiger Einstiegstext geläufig. In der Beschäftigung mit Kant ist das Gegensatzpaar von Erkennen und dem Wissen zu Glauben und dem Geheimnis ein möglicher Zugang. Praktische Postulate sind der Glaube an die unsterbliche Seele, an die Existenz Gottes oder an den freien Willen. Darüber lässt sich trefflich streiten, ohne zu einem festen Wissen, aber doch zu einer festen Überzeugung zu gelangen.

Zum dritten Punkt fällt mir Platons Höhlengleichnis im Buch „Politeia“ ein, das Gespräch zwischen Sokrates und Glaukon, oft einer der ersten Texte in einer Philosophie-AG oder einem Grundkurs. Der Weg zur Erkenntnis ist beschwerlich und beginnt damit, die Dinge zu hinterfragen und den Blickwinkel zu ändern. Zuerst sehen Menschen in einer Höhle nur Schatten an der Wand, dann sehen sie die Dinge selbst, anschließend gelangen sie nach draußen und beginnen im zunächst schmerzenden Sonnenlicht Dinge wahrzunehmen. Die wahre Erkenntnis wäre nach Platon die „Idee des Guten“ im „Reich der Ideen“.  – Schließlich nicht zu vergessen, dass daran sich noch die vierte Frage anschloss: „Was ist der Mensch“, deren Antwort aus der Beschäftigung mit den drei vorgenannten sich ergeben kann.

Das Andere Ihrer selbst

Wir können auch bereits im Internet  ganze Bücher dazu lesen. Dann aber sah ich im Feuilletonteil der Neuen Züricher Zeitung vom vergangenen Samstag den Artikel „Über die Liebe zur Weisheit und andere Zustände – Über das geheimnis der Philosophie“. Darin behandelt Uwe Justus Wenzel drei Neuerscheinungen philosophischer Bücher: „Einführung in die Anti-Philospohie“ von Boris Groys im Verlag Carl Hanser, „Das Mich der Wahrnehmung“ von Lambert Wiesing im Suhrkamp-Verlag sowie „Theorien“ von Martin Seel im Verlag S. Fischer.

Spannend bereits der Einstieg, „Philosophie ist aus auf Nicht-Philosophie“, streng genommen. Denn sie strebt nach Weisheit und damit erstrebt sie etwas jenseits ihrer selbst Liegendes, ein „Anderes der Philosophie“. Lebensnah und lustig die Vergleiche von Uwe Justus Wenzel, dass es sich hierbei ebenso um Seelenruhe wie Revolution handeln könnte, um die Vereinigung mit einer Gottheit ebenso wie die mit  der Wissenschaft, oder aber auch um Politikberatung und die Ethikkommission. Sein Ausgangspunkt: „In sich selbst“ (durch Diskurs und Textarbeit) sich dem „Anderen ihrer selbst“ zu verschreiben, macht sie allenfalls zur „Anti-Philosophie“, nicht aber zur „Nicht-Philosophie“. Klar, so weit?

Anti-Philosophie auf der Fähre

Daraufhin wendet er sich den genannten Büchern zu und urteilt, Boris Groys, mit seiner Behauptung einer antiphilosophischen Wende seit Marx und Kierkegaard liege falsch, wenn er meine, philosophische Texte würden „zu Anweisungen für einen Leser, der aufgerufen wird zu handeln statt zu denken.“ Lambert Wiesing hingegen würde ein Programm eines Philosophierens ohne Hypothesen andeuten. Entsprechende Schriften gäben demnach dem Leser die Anweisung, die Erkenntnis des Schreibenden „aus eigener Kraft nachzuvollziehen“ Um Wenzels Anspruch einer „Anti-Philosophie“ gerecht zu werden (stets auf der Grenze, nach „dem Anderen ihrer selbst“ zu streben, ohne dies aber je erreichen zu können), könnte das Denken dabei eine Erfahrung machen, die selbst eine Wirklichkeit ist.

Schließlich rekurriert er auf Seels neues Buch, in dem in einem kurzen „Denkstück“ von Fähren in manchen Weltgegenden die Rede ist, auf denen der Passagier mit einem gelösten Ticket so oft hin und her fahren darf, bis er die Fähre verlässt. Vermutlich wäre in diesem Bild die Philosophie jedoch weder das Ticket (als, so Wenzel,  „Lizenz zur Kontemplation“) noch die Person (als, so Wenzel „rationale Mystikerin“), sondern – so mein Vorschlag, die Fähre selbst, die uns, laut Seel „für geringe Kosten bleiben lässt, wo wir sind, aber in einer Bewegung, die uns dahin mitnimmt, wohin wir früher oder später zurückkehren müssen.“

Ob wir dahin zurückkehren müssen, weiß ich nicht, möglicherweise im Sinne der abgeschlossenen Reflektion. Aber zum Feuilleton der NZZ werde ich als Alternative zu dem der Süddeutschen und der FAZ gerne wieder zurückkehren.

Was für ein Unterschied ein „z“ macht…

Donnerstag, 05. November 2009

… oder ein „r“. Witzigerweise sind mir heute gleich zwei Beispiele von Fehlern begegnet, die einem oder mehreren zuständigen Bearbeitern durchgegangen sind. Zuerst war da in der heutigen Printausgabe der Financial Times Deutschland eine seitenbreite Anzeige der Deutschen Bank, die das Thema Mittelstands-finanzierung aufgreift und für sich besetzen möchte.

Auschnitt der Deutsche Bank-Werbung in der FTD vom 05.11.2009

Da haben offenbar gleich mehrere geschlafen – wie es im Comic immer so schön verbalisiert wird: „Zzzzzz“. Es ist ja nun nicht so, dass die Deutsche Bank nicht das ganze Alphabet drauf hätte, ein „z“ ist ja im Wort dabei. Aber ausgerechnet eine Anzeige wie einen Lexikoneintrag gestalten, als hätte das Institut die Weisheit mit Löffeln gefressen – und dann so etwas!  Ein weiteres „z“ – und ich hätte nichts dagegen einzuwenden, aber so? Da hätte einer der Scheuklappen tragenden Verantwortlichen aus dem Hause Deutsche Bank oder der betreuenden Werbeagentur mal eines seiner Schlaf-„z“s abgeben sollen, dann hätte die Anzeige auch von a bis z gestimmt.

Die ganze Deutsche Bank-Werbung in der FTD vom 05.11.2009

Von wegen „Leistung aus Leidenschaft“ und „Die Deutsche Bank spricht die Sprache des Mittelstands seit 140 Jahren“. In Verträgen seit 140 Jahren lassen Verhandlungspartner dr Deutschen Bank doch hoffentlich auch nicht eben mal im wichtigsten Wort einen Buchstaben weg. Das könnte als knausrig ausgelegt werden. Und wohin führen die geöffneten Türen, die da symbolschwanger im Raum stehen – in ein Land der neuen Rechtschreibung?

Eine ganz böswillige Interpretation würde sagen, ach so, das bedeutet „fin“ an Zugang, sozusagen das Ende des Zugangs für den Mittlestand, eine ums Eck gedachte Umschreibung des Wortes „Kreditklemme“.  Oder aber nur der Herr Finan hat hier Zugang. Was, der Herr Finan ist noch gänzlich unbekannt? Na, der Tim Finan, der das berühmte Little Bobby-Bild geschossen hat, zu sehen auf der Seite der „Beach Ultimate Lovers‘ Association“ mit den Pressebildern:

"Little Bobby", (c) by Tim Finan

Aber was sollte Beach Ultimate schließlich mit der Mittelstandsfinanzierung zu tun haben? Dass viele Geschäftsideen auf Sand gebaut sind? Dass die aufgenommene Investitionssumme gewöhnlich wie Sand zwischen den Fingern verrinnt? Dass es manchem Geschäftsmann bei den aktuellen Kreditbedingugnen die Schuhe auszieht? Aber dann könnten wir ja wenigstens versuchen, bei BonPrix neue Schuhe zu kaufen. Und was benötigen wir unter den Schuhen, also darinnen? Nein, nicht Socken. Ach, Du weißt schon… 😉

Der Hinweis auf der Schuheseite von Bonprix.de

Taxi nach Langel

Donnerstag, 05. November 2009

Gespenstische Begebenheit aus dem herbstlichen Köln. Ende der vergangenen Woche machte die Geschichte des nächtlichen Taxitransports die Runde, der im dichten Nebel auf dem Weg vom Stadtteil Ehrenfeld nach Langel im Rhein landete. Wie über eine Schanze muss der Bus über den Fähranleger ins Wasser geschossen sein, sodass er am Ende etwa 20 Meter weit vom Ufer entfernt im Flussbett unterging!

Langel in der Ansicht einer Google-Earth-Karte von strassenfotos.de, links unten im Bild der Abzweig von der Neusser Landstraße

Sehr tief war das Wasser dort zwar nicht, doch tief genug, dass das Gefährt vollständig unter Wasser war. Dramatische Szenen müssen sich abgespielt haben, bis das Wasser den beiden Männern wortwörtlich bis zum Hals stand. Dem Fahrer gelang die Rettung in letzter Sekunde. Allerdings hat mich dieser Bericht nicht mehr los gelassen.

Aus der Beschäftigung mit dem Vorfall ist eine Art dramatische Ballade im 6/8-Takt entstanden mit dem nicht neuen 3-in-2-Effekt und einer Hookline, ganze 5:24 min lang. Wer sich die Zeit nehmen will, sei herzlich eingeladen, das Machwerk per Linksklick sich anzuhören oder per Rechtsklick es sich herunterzuladen (5 MB). Ein Stück, das ich mir auch op kölsch gut vorstellen könnte.

Taxi nach Langel.

Selbstverliebt oder durchgeknallt?

Mittwoch, 04. November 2009

Nachdem der Chefredakteur der Bild-Zeitung Kai Diekmann in seinem neuen Blog Gespräche mit sich selber führt – und dieser Umstand doch für einiges Aufsehen gesorgt hat – dachte ich mir: „Hey! Was solls? – Das machst Du jetzt auch!“

Jörg Benner im Spiegel der Reflektion

Hintergrund bei mir ist jedoch weniger die von Diekmann selbst ins Feld geführte Eitelkeit, sondern eher die Notwendigkeit, im Vorfeld der Jahreshauptversammlung des Deutschen Frisbeesport-Verbandes am 5.12. im Club Voltaire in Frankfurt einiges los zu werden, das ich sonst nicht so gut hätte unterbringen können.

Üblicherweise interview ich pro Monat aus aktuellen Anlässen jeweils zwei Sportler oder Funktionäre. In diesem Monat erscheint mir die Jahreshauptversammlung einfach als der wichtigste Anlass, daher diese vermutlich doch eher einmalige Vorgehensweise.  – Aber wer weiß was passiert, wenn mein Vorgehen ähnlich viele Rückmeldungen erhält wie die Aktion des Vorzeige-Boulevardmannes, der gemäß den Kommentaren bei Zeit.de aus seinen Defiziten an Aufmerksamkeit heraus vorgibt, selbstkritisch zu sein? ADS könnte in der Tat bei mir gegenüber der Leserschaft aus dem wachsenden Kreis der Frisbeesport-Aktiven in Deutschland auch der Grund sein.

Besonders schön hat mir jedoch der Kommentar eines Lesers gefallen, der einfach nur das Wilhelm Busch-Gedicht zitiert:

Kritik des Herzens

Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich:
So hab ich erstens den Gewinn,
Dass ich so hübsch bescheiden bin;

Zum zweiten denken sich die Leut,
Der Mann ist lauter Redlichkeit;
Auch schnapp ich drittens diesen Bissen
Vorweg den andern Kritiküssen;

Und viertens hoff ich außerdem
Auf Widerspruch, der mir genehm.
So kommt es denn zuletzt heraus,
Dass ich ein ganz famoses Haus.