Archiv für die Kategorie ‘Journalismus’

„Schildern aus Erzählungen“

Mittwoch, 11. Mai 2011

Die Aberkennung des diesjährigen Henri-Nannen-Preises in der Kategorie „Reportage“ wirft ein schlechtes Licht auf den Journalismus. René Pfister hatte für seinen Spiegel-Artikel „Am Stellpult“ die Auszeichnung in dieser Kategorie erhalten, obwohl er selbst im darin beschriebenen Hobbykeller von Horst Seehofer nie war. Dieses Veräumnis hatte er in seiner Dankesrede selbst eingestanden, nicht ahnend, dass er damit die Voraussetzung für den Erhalt des Preises nicht erfüllte. Der Sachverhalt wiegt um so schwerer, da die Reportage als wichtigste Preiskategorie gilt.

Kölner Stadt-Anzeiger, 11.05.2011, Titel: Auf dem falschen Gleis

Treffend, in Bezug auf den Inhalt des fraglichen Beitrags, beschreibt Anne Burgmer heute im Kölner Stadt-Anzeiger den Sachverhalt, der nach ihrer Unterüberschrift „Grundfragen des Journalismus berührt“. Laut Erklärung der Hauptjury erfordert aber die Glaubwürdigkeit einer Reportage, „dass erkennbar ist, ob Schilderungen durch die eigene Beobachtung des Verfassers zustande gekommen sind, oder sich auf eine andere Quelle stützen, die dann benannt werden muss.“ Das Guttenberg-Syndrom scheint hier wieder einmal zugeschlagen zu haben. Nur in einem anderen Zusammenhang.

Am Inhalt des Artikels „Am Stellpult“ gibt es nach Meinung der Jury nichts auszusetzen, nur an der Form. In der Tat sind Reportagen aktuell stark gefragt. Dabei sollen Journalisten von ihren Erfahrungen vor Ort berichten. Wenn sie nicht selbst vor Ort waren, müssen sie darauf hinweisen und nicht in einer Weise formulieren, die den Eindruck vermittelt, als seien sie dagewesen, so die. Denn dann beziehen sie die Eindrücke zweifellos von jemand anderem. Und diese Quelle müssen sie ebenso nennen wie ein Wissenschaftler die in seinen Arbeiten zitierten Quellen.

Der Spiegel selbst nahm die Entscheidung in einer Erklärung „mit Unverständnis zur Kenntnis“, weder sei René Pfister um eine Stellungnahme gebeten worden, noch habe René Pfister an irgend einer Stelle behauptet, selbst im Keller gewesen zu sein. Vielmehr habe er die Angaben aus „Gesprächen mit Seehofer, dessen Mitarbeitern sowie Spiegel-Kollegen, die den Hobbykeller selbst in Augenschein genommen haben“.

Hinzu kommt, dass es sich bei dem Artikel eigentlich nicht vorrangig um eine Reportage handelt, sondern eher um eine „szenische Rekonstruktion“ wie der Spiegel meint. Oder um ein „analsyiserendes Portät“, wie Anne Burgmer schreibt und schlussfolgert, die Jury des Henri-Nannen-Preises müsse sich fragen, „warum sie Pfisters Stück überhaupt in ihre Betrachtung einbezogen hat“. Kernfrage dürfte nun sein, ob die Aussage der Spiegel-Erwiderung stimmt: „Jede Reportage besteht nicht nur aus Erlebtem, sondern auch aus Erfragtem und Gelesenem.“

Zum einen ist die Frage, ob die Grundprinzipien der Reportage: Konkretisierung, Nähe, Emotionalität und eben Unmittelbarkeit sich auch aus Aussagen Dritter speisen lassen? Immerhin ist ein gebräuchliches Synonym von Reportage „Augenzeugenbericht“. Zum anderen erscheint die Frage erlaubt, ob die Mehrzahl der Journalisten den Zeitaufwand überhaupt leisten kann, sich für die häufig gefragten Reportagen ein eigenes Bild vor Ort zu machen.

Dies soll keine Entschuldigung für nachlässiges Arbeiten sein, sondern ein Appell für angemessene Bezahlung. Denn nicht nur Reportagen, sondern auch Interviews entstehen inzwischen häufig „mittelbar“, über Ecken, sprich über die Aussagen Prominenter in anderen Medien.

Verkaufserlös der Huffington Post im Visier

Donnerstag, 14. April 2011

Anfang des Jahres hatte Arianna Huffington, Mitbegründerin der Huffington Post, die Netzzeitung für 315 Millionen Dollar an den Internetkonzern AOL verkauft. Während der Verkauf anfangs für Überraschung sorgte – galt die Huffington Post doch als Paradebeispiel für die gelungene Einbindung kritischer Leser – klagt nun der politische Aktivist und Publizist Jonathan Tasini auf Schadenersatz. Ein Drittel des Erlöses solle unter den rund 9.000 dort aktiven Bloggern aufgeteilt werden.

Handelsblatt, 14.04.11., Titel: Blogger verlangen Millionen und klagen gegen die Huffington Post

Axel Postinett und Jens Kossmann beschreiben die Hintergründe und die geringen Aussichten der Klage heute im Handelsblatt. Demnach hatte Jonathan Tasini bereits 2001 erfolgreich gegen die New York Times geklagt und Geld für freie Autoren durchgesetzt. Hier liegt der Fall aber ein wenig anders. Den Schreibern bei der Huffington Post ist nie Geld in Aussicht gestellt worden, sondern lediglich eine Plattform zum Gedankenaustausch.

Allerdings habe die Huffington Post die Blogger mit der Aussicht auf eine größere Reichweite gelockt, habe dazu aber niemals die Abrufzahlen von Artikel oder von Autoren bekannt gegeben, begründet der Kläger. Zudem seien sie Blogger „über die wahren Gewinnerzielungsabsichten der Seite getäuscht“ worden, wie es weiter heißt. Jonathan Tasini verwendet den unüblichen Begriff der „unberechtigten Bereicherung“. Da es aber niemals Verträge zwischen der Huffington Post und den gewissermaßen „Bürgerjournalisten“ gab, blickt AOL dem Prozess vergleichsweise gelassen entgegen.

Zudem ist die Unterstützung durch andere HP-Blogger eher gering. Dabei möchte der Kläger noch den Status einer Sammelklage erreichen, um damit ein Zeichen gegen Internet-Unternehmen zu setzen, die ihren Gewinn auch durch Inhalte beziehen, die Nutzer kostenfrei einstellen (so genannter social content). Sollte er wieder Erwarten mit seiner Klage Erfolg haben, wäre das in der Tat weitreichend auch für viele andere Meinungsportale.

Ob AOL und sein neuer Unternehmensbereich „Huffington Media Group“ unter der Leitung von Arianna Huffington ohne Imageschaden aus dieser Nummer wieder heraus kommt, bleibt abzuwarten. Das Image von AOL dürfte sich nicht eben auf einem Rekordhoch befinden. Am besten kommt das Unternehmen vermutlich doch damit weg, wenn sich einige der zahlreichen Autoren zu anderen Portalen hinwenden. Immerhin macht AOL keinen Hehl daraus, dass mittels etwa 55.000 neuer Beiträge monatlich die eigene Reichweite erhöht und die Werbeerlöse angekurbelt werden sollen.

New York Times kostet online theoretisch Geld

Dienstag, 22. März 2011

Am vergangenen Wochenende kursierte allenthalben die Meldung, dass die New York Times erneut ein Online-Abonnement einführt, wonach die digitalen Inhalte nicht mehr kostenfrei zugänglich ein sollten. Wie die Rheinische Post berichtete, handelt es sich bereits um den dritten Versuch der drittgrößten Zeitung in den USA. Nachdem auch das Wallstreet Journal Gebühren von den Lesern der Website verlangt, scheint die Gratis-Ära der Nachrichten im Internet wieder einmal zu Ende zu gehen. Allerdings bestehen mehr als genug Schlupflöcher, dennoch gratis weiterzulesen.

Süddeutsche Zeitung, 19.03.11, Titel: "Times" verlangt Gebühren

Nicht nur für die Print-Abonnement der New York Times, sondern auch für die der Schwesterzeitung Herald Tribune bleiben die Internet-Nachrichten kostenfrei lesbar. Für alle anderen Besucher der Websote bleibt ab Ende März der Zugang auf 20 Artikel pro Monat beschränkt. Wer allerdings den Umweg über eine Suchmaschine wählt, kann täglich bis zu fünf Artikel der New York Times aufrufen. Wer aber Mitglied in einem Sozialen Netzwerk ist und von dort die Artikel ansurft, kann weiterhin ohne Kosten auf sie zugreifen.

visdp.de, 18.03.11: New York lässt die Rolläden herunter

Das visdp-Magazin zweifelt daran, dass das Bezahlmodell den Hoffnungen gerecht werden kann, die auf ihm ruhen. Je nach Endgerät zahlt der Nutzer nämlich unterschiedliche  Abopreise, wenn er unbegrenzten Zugriff auf die Zeitung haben möchte (15 Dollar monatlich fürs Smartphone, 20 Dollar füs iPad, 35 Dollar für Website, Smartphone und Tablet-PC). Obwohl der Verleger Arthur Sulzberger Jr. das Modell als „Investition in unsere Zukunft“ bezeichnete, dürfte es nicht viel mehr als ein Erfahrungswert sein, den der Verlag damit gewinnt. Es wäre nicht die erste bereichernde Erfahrung und bleibt sicher auch nicht die letzte.

„Intel Inside“ of 3D-Video Marketing

Mittwoch, 02. März 2011

Eines der größten Themen der diesjährigen Cebit in Hannover neben Cloudcomputing ist dreidimensionale Grafik. Die Besucher der weltgrößten Computermesse kommen um die 3D-Brille kaum herum und – geht es nach den Herstellern – künftig auch nicht die Nutzer zu Hause. Das dreidimensionale Erlebnis soll sowohl im Bereich Spiele als auch im Bereich Filme immwer stärker zum Einsatz kommen. Einem Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers zufolge, hat die Marketingchefin von Intel, Karen Regis, unter anderem angekündigt, dass „Intel Inside“ bereits im zweiten Halbjahr 2011 für Online-Filmdienste eingeführt wird.

Kölner Stadt-Anzeiger, 02.03.2011, Titel: Die digitale Spaßgesellschaft

Hintergrund ist, dass der Weltmarktführer von Prozessoren die neue „Core-i7“-Generation präsentiert  hat, die ruckelfreie Übertragung dreideimnesionaler Fimdaten in bester Farbe und sattenm Sound gewährleisten soll. Zwar gibt es derzeit demnach erst rund 20 verfügbare Streifen in 3D, doch soll diese Anzahl in den kommenden Jahren schnell wachsen, denn hier wartet der nächste Megatrend fürs Kinder- und fürs Wohnzimmer. Der Prozessor soll auch die berührungslose Technik ermöglichen, bei der mittels Gesten Musik, Videos und Spiele aufgerufen und gesteuert werden können. Laut nachfolgendem (qualitativ minderwertigen) Beitrag soll zu dem 3D-Trend künftig nicht einmal mehr eine Brille nötig sein.

Sportbusiness ist vom Fußball dominiert

Donnerstag, 10. Februar 2011

Diesen Eindruck gewinnt jedenfalls der flüchtige Interessierte, der über eine Zeitung auf Europas größten Sportbusiness-Kongress, SpoBis, in Düsseldorf aufmerksam wurde. Die Gästeliste, an der die Attraktivität der Veranstaltung gemessen wird, reicht vom Dortmunder Meistertrainer in spe Jürgen „Kloppo“ Klopp über den ehemaligen Nationaltorwart Jens Lehmann bis hin zu Schalke-Verteidiger Christoph Metzelder, der am Rande des Kongresses für sein Engagement in der Stiftung „Zukunft Jugend“ des CSR-Preis des Sports erhalten hat.

Rheinische Post, 01.02.2011, Titel: Sportkongress mit prominenten Gästen

Allerdings waren unter mehr als 1.500 Teilnehmern, 130 Referenten und über 50 aktiven Kongress-Partnern nach Veranstalterangaben auch eine große Anzahl an budgetverantwortlichen Sponsoren im CCD Congress Center Düsseldorf. Zudem ging es nicht im Zusammenhang mit Sportbusiness zentral auch um die Medien.  14 Foren zu Spezialthemen fanden statt; die größte (Medien-)Aufmerksamkeit genoss die Podiumsdiskussion u.a. mit Jürgen Klopp und Jens Lehmann zum Thema „Vermarktung versus sportliche Höchstleistung: Wie Top-Sportler den Spagat zwischen Kommerz und Profisport meistern.“

Kloppos Ex-Verein, der 1. FSV Mainz 05, holte sich gemeinsam mit Entega und einem nachhaltigen Konzept zum ersten klimaneutralen Verein im Profifussball den „Marketingpreis des Sports“ knapp vor dem FC Deutsche Post und LIGA total! der Deutschen Telekom. Weiterhin wurde die Aussage von Christian Seifert, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) kolportiert, dass er sich in naher Zukunft keinen Geldsegen durch den Einstieg von Internetgiganten wie Google, Yahoo oder Apple in den Bieterwettstreit um die TV-Rechte für die Deutsche Bundesliga erwarte. Sie hätten bis jetzt in Bezug auf Live-Sport noch kein einziges Kern-TV-Recht in Europa erworben, fuhr er fort.

Zudem kündigte David Taylor, Geschäftsführer der UEFA-Vermarktungstochter Events SA, auf dem Kongress an, dass die UEFA bis März über die Zentralvermarktung von Qualifikationsspielen für Welt- und Europameisterschaften entscheiden werde. Damit dürfte für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) die Nationalmannschaft bald noch wertvoller werden, wie die Süddeutsche Zeitung schlussfolgert, für ein Vierjahresprogramm prognostiziert der europäische Fußballbund einen Wert von bis zu einer Milliarde Euro. Eine letzte weitere Meldung aus dem SpoBis-Umfeld betrifft Guido Tognoni, einen ehemaliger Funktionär des Fußball-Weltverbandes Fifa, der erklärte, Deutschland habe die WM 2006 nicht zuletzt deshalb erhaltenm weil die Bundesregierung für das Gewinnen der Stimme eines saudi-arabischen Delegierten kurzfristig das Waffenembargo aufgehoben habe.

Neben all diesen sensationellen Nachrichten, die sich nur um den Fußball drehen und eindrucksvoll seine Marktdominanz im Sportgeschäft belegen, bleibt die besorgte Frage: Was ist mit all den anderen großartigen Sportarten, die ebenfalls Massen begeistern können? Es scheint ein Teufelskreis zu sein: Nur die Disziplin, die alle sehen wollen, erhält die meisten Sponsoren, erhält die besten Medienzeiten, erhält das meiste Geld. Dadurch erhalten die Zuschauer, Zuhörer und Leser auch die allermeisten Informationen nur von dieser Sportart. Schade eigentlich, aber offenbar regieren auch hier nur konsequent die Marktgesetze.

Zwischen Prophetie und Prognose

Samstag, 15. Januar 2011

Dass Vorhersagen wirtschaftlicher Entwicklungen nicht viel genauer sind als das Geraune von Wahrsagern, legt ein Gastbeitrag von John Kay im Handelsblatt nahe. Dazu erklärt Rolf Dobelli in seiner brillanten Reihe „Klarer Denken“ bereits Ende des vergangenen Jahres, welcher klassische Denkfehler sich in Hinblick auf Prognosen häufig einstellt.

Handelsblatt, 10.01.2011, Titel: An der Zukunft scheitern Experten wie Schimpansen

Voraussagen sind vor allem am Jahresanfang sehr beliebt und eigenn sich am Ende des Jahres (bzw. zu Beginn des kommenden) wieder dazu zu erkennen, wo wir überall daneben gelegen haben. Freilich ließe sich einwenden: Jede Entscheidung bedeutet das Verwerfen anderer Möglichkeiten und insofern machen wir uns immer schuldig. Aber halt! Prognostiker zwingt niemand dazu etwas zu behaupten, wozu es eigentlich keine Veranlassung gibt. Aktuelle Trends, meint John Kay, würden gewöhnlich mit übertriebenem Tempo fortgeschrieben.

Das ist einfach zu belegen und insofern gut und billig. Die allermeisten Leser dieser Vorhersagen werden sich in dieser naheliegenden Auffasung bestätigt sehen, weil sie ähnlich Lautendes bereits gehört oder gelesen haben. Ein US-Politologe namens Philip Tetlock jedoch hat 20 Jahre lang Prognosen über geopolitische Ereignisse gesammelt und dabei 30.000 Vorhersagen von 3.00o Experten überprüft. Das Ergebnis lag insgesamt noch unter „Naiven Extrapolationen“, wi es heißt;  das Wissen, das sich dabei als nützlich erwies, war eher selten anzutreffen. Sogar Schimpansen, die per Zufallsprinzip Auswahlen trafen, kamen im Durchschnitt fast an das Ergebnis der Experten heran.

FAZ, 06.12.10, Titel: Warum Sie Ihr Tagebuch zu einem besseren Prognostiker machen kann

John Kay führt weiter an, dass Leute, die mit unbequemen oder schlecht vorstellbaren Vorhersagen richtig liegen, sowohl im Vorfeld anecken, als auch im Nachhinein, wenn sie recht behielten – einfach, weil diese Vorstellung nicht ins Weltbild der „Normalbürger“ passt. Hierzu führt er das sehr plausible Beispiel eines Terrorexperten des Weißen Hauses an, der vor dem 11. September eindringlich vor den Gefahren des Islamismus gewarnt hatte. Die Conclusion des Artikels lautet, dass „handelsübliche“ Vorhersagen die Wirkung der kurzfristigen Veränderungen überschätzten und das Ausmaß des langfristigen (kaum absehbaren) Wandels unterschätzten.

Auf einen anderen Punkt zielt die Folge „Klarer Denken“ von Rolf Dobelli ab, Rückblickend ergibt sich für uns immer ein logisch nachvollziehbares Bild der Geschichte. Allerdings sehen die Prognosen vor einschneidenden Ereignissen meist ganz anders aus, sei es wenn der Autor die Tagebücher seines Großonkels von 1932 aus Frankreich oder die positiven Wirtschaftsprognosen von 2007 – ein Jahr vor der Finanzmarktkrise – liest. Dass sich aber in der späteren Betrachtung alles als äußerst wahrscheinlich erweist, das nennt er den „Rückschaufehler“.

Er bezeichnet ihn auch als das „Ich habs schon immer gewusst“-Phänomen, eine Einstellung, die den Lauf der Welt als möglichst einfach verständlich erscheinen lassen soll, was er aber in den seltensten Fällen ist. Als Beispiele hierfür führt er den CEO an, der durch glückliche Umstände zum Erfolg gekommen ist – er selbst betrachtet diese Entwicklung aber als ganz stringent. Weiter nennt er das Attentat von Sarajewo 1914, das zum Ausbruch des 1. Weltkriegs führte: Wer hätte sich damals eine solche Eskalation vorstellen können? Die Gefahr des omnipräsenten Rückschaufehlers liegt in der Überschätzung der eigenen Fähigkeit Entwicklungen vorherzusehen. Übrigens helfe laut Studien auch die Kenntnis dieses Fehlers nicht davor ihn zu begehen. Aus persönlicher Erfahrung könnte einzig helfen – so der Autor im Rückbezug auf die Tagebücher seines Großonkels – Tagebuch zu führen. Dies könne einem eindrucksvoll die  Unvorhersehbarkeit der Welt vor Augen führen.

Fernsehen führt nur selten zur Berufung

Freitag, 07. Januar 2011

Die Glotze flimmert, die Kiste läuft, der Apparat sendet. Was aber im Fernsehen den ganzen Tag über läuft, hat nur selten viel mit der Realität zu tun. Das gilt teils für Dokumentationen (die sich vor allem auf Extreme stürzen), das gilt aber vor allem für Fiktionales. So belegt eine neue Studie der Uni Münster, dass TV ein falsches Bild von der Berfuswelt vermittelt. Das ist natürlich besonders bitter für all diejenigen unentschlossenen Jugendlichen, die sich von einem erhöhten Fernsehkonsum tagein tagaus die Erleuchtung erhoffen, was sie denn mit ihrem Leben anfangen sollen.

Kölner Stadt-Anzeiger, 06.01.2011, Titel: Das Gesetz der Serie

Der witzige Titel des entsprechenden Beitrags im Kölner Stadt-Anzeiger von Christian Bos ließ sich auch darauf beziehen, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch morgen wieder die Daily Soap der Wahl angeschaltet wird, auch kommende Woche wieder die Lieblingsserie. Die Serien selbst liefern aber jenes Gesetz, wonach Ärzte, Rechtsanwälte und Designer deutlich überrepräsentiert sind in der schönen Welt des hochfrequenten Scheins (von Kriminalkomissaren mal ganz zu schweigen). Unter jungen Leuten dominieren in TV-Serien Angestellte in der Gastronomie, in der Medien- und Modebranche.

In der Pressemitteilung heißt es: „Dieses verzerrte Bild der Berufswelt wirkt sich nachhaltig auf die Berufsvorstellungen Jugendlicher aus: So steigt beispielsweise der Wunsch, im Gesundheitswesen zu arbeiten signifikant mit dem Konsum von gesundheitsbezogenen Serien an.“ Wir sollten uns ein Beispiel an anderen Ländern nehmen, meint Christan Bos. In England spielt die Serie „The IT-Crowd“ etwa im entsprechenden Milieu, während in den USA „The Big Bang Theory“ das Leben von Physikern und Luftfahrtingenieuren schildert. Sowohl Kölner Stadt-Anzeiger als auch die FAZ machen witzige Vorschläge wie neue Serien heißen sollten: „Verzweifelte Mechatroniker“, „CSI Änderungsschneiderei“ (KStA), „Gute Schnitte, schlechte Schnitte“ oder „Car’s Anatomy“ (FAZ). Die kurze Erwähnung in der Rubrik „In medias res“ bei der FAZ beginnt übrigens sehr überraschend:

FAZ, 06.01.2011, Titel: In medias res - Fernsehen bildet

während die Fortsetzung lautet: „sagen fernsehkritische Menschen gern, wenn sie das Gegenteil meinen.“ Zu einem Großteil verhält es sich doch aber so, dass sich Intelligenz meist vermehrt und Dummheit sich konserviert, egal welche Serien bevorzugt werden. Nur, um einen Job zu finden, sollte sich jedweder Kandidat doch einmal vorübergehend von der Glotze wegbewegen. Die Studie ist übrigens nur ein erstes Ergebnis aus einem neu gegründeten interdisziplinären Forschungszentrum für Berufsorientierungs- und Berufsverlaufsforschung.

Von Vorfahrt-Flaggen und Netzneutralität

Mittwoch, 05. Januar 2011

Vor Gott sind alle Menschen gleich. Im Internet sind aber nicht alle Kommunikatoren gleich. Dabei soll hier gar nicht von Kenntnissen der Kommunikationstechnik und von Hackern die Rede sein, die unerlaubt in gewise Dialogprozesse eingreifen. Das Stichwort der gleichberechtigten Datenübertragung lautet Netzneutralität, über die die „Federal Communications Commission“ in den USA wacht. Aktuelle Beiträge im Kölner Stadt-Anzeiger vermitteln, dass es mit der Gleichberechtigung in Zukunft, aber auch schon jetzt nicht mehr weit her ist (online noch nicht verfügbar).

Kölner Stadt-Anzeiger, 05.01.11, Titel: Wie surfen wir in Zukunft

Steffen Haubner fragt in der Magazin-Beilage, wie das Szenario der Zukunft aussehen könnte. Kürzlich hat die FCC bereits entschieden, dass Internetprovider Daten nach Menge und Herkunft unterscheiden dürfen. Hintergrund ist etwa der Vorrang von Datenströmen eines Videoportals, die bevorzugt transportiert werden können, um Übertragungsfehlern in Filmen vorzubeugen.  In der Konsequenz bedeutet das, dass Betreiber schon jetzt für datenintensive Dienste zusätzliche Gebühren erheben könnten.Vor dem Hintergrund des harten Kampfes mit Flatrates zu Dumpingpreisen droht damit das Ende der Netzneutralität. Eien Zweiklassengesellschaft wäre die Folge.

In Deutschland wünscht sich Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, dass die Bundesnetzagentur Mindeststandards an die Qualität von Datendiensten festlegt. Autor Haubner zitiert den Präsidenten der Netzagentur Matthias Kurth, wonach trotz des „nicht unerheblichen Diskriminierungspotenzials“ die Differenzierung von Datenströmen „ökonomisch sinnvoll und Spielräume für Innovationen und die Voraussetzung für neue Geschäftsmodelle schaffen“ könne. Beispiele bereits bestehender „Abweichungen von der Netzneutralität“ wären das Verbot von Handyherstellern Internettelefonie via Skype zu benutzen und höhere Kosten für das Streamen ein- und desselben Films im High Definiton-Format.

Kölner Stadt-Anzeiger, 05.01.11, Titel: Vom Kosmos zur Schildergasse

Zuletzt wird in dem Artikel der Aspekt angesprochen, dass „Netzneutralität nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein demokratisches Thema“ sei. Nach Ansicht des Chaos Computer Clubs werde dagegen bereits in dem Moment verstoßen, wenn der Inhalt eines Paket auch nur betrachtet, geschweige denn das Paket danach unterschiedlich bewertet werde. In einem Kommentar auf den Medienseiten des Kölner Stadt-Anzeigers meldet sich der Rechtsprofessor Rolf Schwartmann zu dieser Sache zu Wort. In Anspielung auf Deutschlands meistbesuchte Einkaufsstraße, vergleicht er das steigende Datenaufkommen mit dem dichten Drängen auf der Kölner Schildergasse.

Alleine in den Mobilfunknetzen verdoppelt sich das Datenvolumen derzeit alle acht Monate, hält er fest, um darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber das „freie und kreative Spiel der Kräfte“ beobachten und dann eingreifen muss, „wenn die Freiheit zum Spielball kommerzieller Interessen zu werden droht“. Die andere Frage ist, ob der Gesetzgeber das kann, auch wenn die EU-Universaldienstrichtlinie dies vorsieht. Die Internetdienste-Anbeiter sind jedenfalls nicht nur technisch dazu in der Lage, Daten mit Vorfahrt-Flaggen zu markieren, sondern sie tun es bereits.

Grenzgänger mit Geschäftsvisionen

Donnerstag, 30. Dezember 2010

Nicht nur der Grat zwischen Genialität und Wahnsinn ist ein schmaler, sondern offenbar auch derjenige zwischen erfolgreichem Geschäftsmann und Fiesling. Diese Vermutung legt jedenfalls ein Forumsbeitrag von Marlis Prinzing im Kölner Stadt-Anzeiger nahe über Menschen, die die Medien verändern (online leider nicht verfügbar).

Kölner Stadt-Anzeiger, 29.12.2010, Titel: Von schrägen Typen und genialen Ideen

Dabei vergleicht sie Johannes Gutenberg, der zu Beginn seiner Karriere Handschriftenvirkage imitierte und später mit der Erfindung der Druckerpresse eine mediale Revolution auslöste, mit Mark Zuckerberg, dem ebenso „Ideenklau, fiese Geschäftsbahren und Mühe mit Frauen unterstellt“ würde. Beiden (wie auch Julian Assange) sei gleich, dass sie Grenzen überschritten und Neuland betreten hätten. So wie Gutenberg heute als Denkmal in der Geschichtsschreibung erscheint, sei auch Zuckerberg erst jüngst durch die Times zur „Person of the Year 2010“ gewählt worden.

Zu Recht weist die Autorin darauf hin, dass zwischen den geschäftlichen Erfolgen und den privaten Misserfolgen strikt getrennt werden müsse. Das eine hat mit dem anderen wenig zu tun, beziehungsweise tut das Private nichts zur Sachem, wenn es um Geschäfte geht. Zumindest in der Theorie. Zum „bewussten Umgang mit der digitalen Zukunft“, wie es abschließend heißt, wird es in den kommenden Jahren nach wie vor ein Hauen und Stechen geben. Passend dazu ist nebenstehend auf der Medienseite der Zeitung ein dapd-Beitrag über den Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger (BDZV) zu lesen, der diesen Umstand lebhaft verdeutlicht.

Kölner Stadt-Anzeiger, 29.12.2010, Titel: Verleger: 2011 wird schwierig

Der „TV-Inhaltesauger“ Internet

Samstag, 20. November 2010

Eine neue Studie  des Adolf-Grimme-Instituts in Marl kommt zu dem Schluss, dass das Internet künftig immer mehr Inhalte des Fernsehens aufsaugen wird. Sie wurde in Folge der Abschlussveranstaltung des Projekts „Programmstrategien 2015“ als eins von vier möglichen Szenarien der Zukunft vorgestellt.

Kölner Stadt-Anzeiger, 20.11.10, Titel: Das Fernsehen wandert ins Netz

Ganze Teile des heutigen TV-Programms könnten demnach ganz verschwinden oder aber eben ins Netz abwandern. Als wichtige Tendenz wurde dabei die weitgehende Abkehr von linearen Programmen hin zum Herunterladen einzelner Sendungen und Beiträge bestimmt. In der Folge wird innerhalb der kommenden fünf Jahre ein Wegbrechen des Mittelsegments erwartet, sodass es nur noch einerseits hochwertige Sendungen und andererseits Billigproduktionen geben werde.

Die anderen benannten, drei möglichen Szenarien wären die friedliche Koexistenz beider Medien, wonach alles bliebe wie es ist, eine vollständige Konvergenz beider Medien, wobei zu jedem Film Zusatzprogramme wie Downloads, Spiele oder andere Fanartikel entwickelt würden, und eine Entwicklung hin zum „Stimmungsfernsehen“ – genannt „In the Mood“ – die einen Wandel hin zu TV-Spartensendern beschreibt, um nur noch vorherrschende Gefühlslagen zu bedienen.

Für die Untersuchung wurden rund 90 Autoren, Produzenten und Programmverantwortliche befragt, die im Zusammenhang damit auch einen Wandel der wirtschaftlichen Verhältnisse vorhersagen, wonach nur noch große Produktionsfiormen und kleine, flexible Anbieter überleben würden. Erstellt wurde die Studie vom Grimme-Institut in Kooperation mit dem MMB-Institut für Medien- und Kompetenzforschung. Auftraggeber waren die Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK), die Hessische Landesanstalt für den Privaten Rundfunk und neue Medien (LPR-Hessen) sowie die MFG Filmförderung Baden-Württemberg.