Archiv für die Kategorie ‘Internetkultur’

Mobile first vs. social targeting

Donnerstag, 18. Februar 2010

Der Machtkampf zwischen Google und Facebook aus Sicht der FAZ und des PR-Bloggers Christoph Bauer vom heutigen Tage. Die FAZ berichtet ausführlich über die Vorstellung des Google-Vorstandsvorsitzenden Eric Schmidt bei der Mobilfunkmesse in Barcelona. „Mobile first“ lautet demnach die Devise des Internetgiganten, der aktuell angeblich 60.000 der so genannten Android-Handies ausliefert (mit dem Google-eigenen Handy-Betriebsssystem). Dennoch sieht Christoph Bauer das Zuckerbergsche Facebook-Netzwerk deutlich im Vorteil gegenüber „der Maschine“ Google.

FAZ, 18.02.10, Titel: Google macht gegen den PC mobil

Eric Schmidt sieht laut FAZ die Verkäufe von Smartphones in spätestens drei Jahren diejenigen von PCs überholen. Als Kernkompetenz für mobile Internetdienste der Zukunft beschreibt er die Verbindung von Konnektivität, der Rechenleistung des eigenen Geräts und diese kombiniert mit der von hunderttausenden mit dem Datennetz verbunden Rechner (Cloud Computing). Ziele seien zum Beispiel, durch eine Simultan-Übersetzung via Cloud Computing mit Menschen anderer Sprachen zu telefonieren oder bei Angabe des Fotos eines Gebäudes zu erfahren, um welches es sich handelt (neuer Dienst „Google Googles“).

Demgegenüber führt der PR-Blogger die Vormachtstellung von Facebook nicht nur mit seinem sozialen Netzwerk, sondern auch mit dem Facebook Connect-Konzept (direktes Einloggen mit den Netzwerk-Kenndaten, bereits auf 80.000 Websiten integriert) und den schier unbegrenzten Möglichkeiten des Social Targeting (Werbungen erreichen Einzelnutzer auf der Basis ihres Sozialprofils). Schließlich hat Facebook bereits Google als Haupterzeuger von Traffic abgelöst. Das bedeutet auch, dass mittlerweile mehr Nachrichten über soziale Netzwerke angesteuert werden als über die Google-Newssuche. Dazu passt, dass Facebook alleine im vergangenen Januar die durchschnittliche Verweildauer der Netzwerknutzer gegenüber Vormonat um fast 10 Prozent steigern konnte.

FAZ, 18.02.10, Titel: Es gibt kein Logout

Ein weiterer Artikel in der heutigen FAZ befasst sich ebenfalls mit Facebook. Friederike Haupt kritisiert unter anderem, dass nach dem Relaunch der Netzwerkseiten das Feld zum Abmelden nicht mehr gut sichtbar, sondern versteckt ist. Facebook, so der Vorwurf, nutze die Naivität seiner Kunden aus. Als Konsequenz daraus lockten die kaum geschützten Daten auch Kriminelle an. Einen drastischen Fall des Identitätsdiebstahls hat vor einer Woche Tina Groll in der Zeit online dargelegt. Die weitere Argumentation im FAZ-Artikel lautet jedoch, die Betreiber der sozialen Netzwerke hätten kein Interesse daran, ihre häufig naiven und gutgläubigen Nutzer über die Gefahren der Cyberkriminalität aufzuklären.

Erst vor wenigen Wochen hätten Google-Forscher vor der Aushöhlung der Privatsphäre in Netzwerken wie Facebook und Myspace gewarnt, ehe dann mit „Buzz“ das nächste eigene Netzwerk präsentiert wurde, prompt wiederum von Datenschützern kritisiert. Der Software-Entwickler Marc Canter (ehemals Macro-media-Mitbegründer) sieht den Auftakt zur „Schlacht um die eigene Identität im Web 2.0“ erfolgt. Daher hat er bereits vor Jahren die Initiative „Identity Gang“ gegründet, die eine Aufklärung und Selbstkontrolle über die digitale Identität zum Ziel hat. Laut USA Today geht Facebook sogar juristisch gegen Internetseiten vor, die beim Ausstieg aus sozialen Netzwerken helfen. „Die Menschen müssen sich endlich klar machen, dass es auch anders geht“, wird Marc Canter zitiert.

Aspekte der Web-Beherrschung

Mittwoch, 17. Februar 2010

Hoch interessantes Interview mit dem Wiener Medientheoretiker, Internetaktivisten und Musiker Konrad Becker in der Welt. Zahlreiche Themenfelder werden in dem von Wieland Freund geführten Interview angeschnitten. Nachfolgend der Versuch die für mich wichtigsten Aspekte unter diesen Stichworten herauszufiltern: Googles Marktmacht, Ökonomie der Aufmerksamkeit und Pflege der Informationslandschaft.

Die Welt, 15.02.10, Titel des Interviews mit Konrad Becker

Googles Marktmacht – „Pro Tag werden im Internet etwa vier Milliarden Suchanfragen gestellt. 67 Prozent davon an Google“ (Wieland Freunds Einleitung zur ersten Frage). Aus Konrad Beckers Antwort: „Untersuchungen besagen, dass die Niederschrift eines wissenschaftlichen Papiers bei einer Mehrzahl der Geistesarbeiter heute mit einer Google-Anfrage beginnt.“ Dazu aus einer anderen Frage: „Googles Geschäftsmodell lautet: Tausche Suchergebnis gegen Konsumentenprofil. Googles zahlende Kundschaft sind die Werbetreibenden, nicht die Suchenden.“, sowie, aus einer anderen Antwort: „mittlerweile gehen Googles Bemühungen weit über die Suchmaschine und das Erstellen persönlicher Profile hinaus. Es geht um soziale Profile, soziale Netzwerke. Und denken Sie an das Google-Telefon in Verbindung mit Google Maps: Früher hat der Herr auch immer gewusst, wo sich sein Gscherr aufhält. Die Verknüpfung solcher Daten, insbesondere von Geomarker-Daten, ist hochproblematisch.“

Ökonomie der Aufmerksamkeit – Die Ordnung der Google-Anfrage nach dem Page-Rank-Prinzip wird von Konrad Becker als „sehr problematisch“ bezeichnet: „Informationslandschaften sind reich, wenn sie über Vielfalt, sozusagen über Biodiversität verfügen. Das Page-Rank-Prinzip aber nimmt dem Aufmerksamkeitsarmen und gibt dem Aufmerksamkeitsreichen. Das führt zu einer Verarmung. Es kommt zu Schleifenbildungen.“ Hierbei bemüht er den Begriff der „Folksonomie“ (eine Wirtschaftslehre der einfachen Leute) und erläutert: „Gemeint ist das Social Tagging im Web 2.0, die individuelle, oft recht willkürliche Verschlagwortung durch die Benutzer selbst, die an die Stelle einer von Experten definierten, hierarchisch festgelegten Kategorisierung tritt. Aufgrund der schieren Datenmenge spielt diese amateurhafte Wissens-organisation im Internet mittlerweile eine wichtige Rolle.“

Pflege der Informationslandschaft – Konrad Becker erläutert: „Google und andere Suchmaschinen pflegen den Mythos einer rein algorithmischen Maschinenlogik, die jenseits aller Beeinflussung läge. Man weiß aber inzwischen, dass an den Suchergebnissen durchaus gedoktert wird. Ganze Redaktionsteams arbeiten daran.“ In diesem Zusammenhang spricht er von einer Verschmutzung der Informationslandschaft. Auf der anderen Seite würde User-Content durch große Unternehmen ausgebeutet. Apple als „Gate-keeper“ (Torwächter zu Internet-Inhalten) sei nur bedingt mit der katholischen Kirche zu vergleichen (schöne Oberfläche ohne Blick dahinter mit der Möglichkeit sich mit einem einfachen Spendenmodell von seinen Sünden freizukaufen).

Konrad Becker sagt, er möchte nur ungern „vor die Wahl „große Gatekeeper oder Gratiskultur“ gestellt werden“. Gleichzeitig gehe es „nicht nur um Entertainment-Content, sondern auch um Bildung, um Zugang zu Behördendaten, Forschungsergebnissen und dem Kulturerbe.“ Im Sinne einer Landschaftspflege fordert er daher die „Regulierung öffentlicher, gemeinsamer Ressourcen. Frequenz-bänder etwa sind ein öffentliches Gut.“ Denn: „In einer nachhaltigen Informationslandschaft müssen Vielfalt, Zugang und Transparenz gewährleistet werden.“

Wochenend-Presseschau 06-10

Montag, 15. Februar 2010

Die Süddeutsche Zeitung portraitiert am Samstag den Verlagserben Konstantin Neven DuMont, die Welt am Sonntag bringt einen Beitrag zu sozialen Netzwerken sowie im NRW-Teil einen über den Center-TV-Chef Andre Zalbertus.

Süddeutsche, 13.02.10, Titel: Der Mann am Pool

Mit diesem Mann ist kein Urlauber gemeint, sondern Konstantin Neven DuMont, dessen Image sich verfestigt habe, „ein Verleger-Sohn zu sein, der mehr Sohn als Verleger ist“. Dirk Graalmann portraitiert den Vorstand des Kölner Medienhauses DuMont Schauberg, der nach eigenen Angaben zu seinen Schwächen steht. Darunter zählten das Video seiner Rede, die er vor drei Monaten aus Anlass seines 40. Geburtstages gehalten hat, als auch die zahlreichen Einlassungen im Blog des Medienjournalisten Stefan Niggemeier. Der Titel mit dem Pool bezieht sich auf den neu gegründeten Reporterpool von Wirtschafts- und Politikjournalisten für die vier Zeitungen des Medienhauses, Berliner Zeitung, Kölner Stadt-Anzeiger, Frankfurter Rundschau und Mitteldeutsche Zeitung. Als Chef des mittlerweile drittgrößten Zeitungsverlagshauses Deutschlands muss er sich etwas einfallen lassen, um dem Medienumbruch zu begegnen. Er beschreibt ein Paid Content-Modell mit anfangs sehr geringen Gebühren für alle Titel seines Hauses. Dirk Graalmann resümiert: „Die neue Medienwelt bietet ihm womöglich die Chance aus dem Schatten seines Vaters herauszutreten, für dessen Größe er nichts kann.“

WamS NRW, 14.02.10, Titel: Zalbertus: Neue Zeitung für das Revier

Ein anderer Medienmacher in Nordrhein-Westfalen ist der „mehrfach ausgezeichnete Fernsehjournalist“ und Unternehmer Andre Zalbertus, über den im NRW-Teil der Welt am Sonntag steht, dass ab dem 22. Februar das neue Programm von Center TV Ruhr aus Bochum rund um die Uhr senden wird. Über die lukrativen Unternehmungen mit seinem „Heimatfernsehen“ hinaus –  an dem übrigens die „jeweiligen Medienplatzhirsche DuMont Schauberg (Köln) und Rheinische Post (Düsseldorf)“ beteiligt sind – wünsche er sich, zweimal in der Woche eine Zeitung für das Ruhrgebiet herauszubringen. Das Vorbild hierfür soll das Schweizer Unternehmen „Jungfrau Zeitung“ sein.

WamS, 14.02.10, Titel: Plappern auf allen Kanälen

Thomas Jüngling thematisiert in der Welt am Sonntag, dass, „wer überall dabei sein möchte, leicht den Überblick verlieren könnte“. Am Beispiel des neuen, von Google gegründeten sozialen Netzwerkes „Buzz“ wird die Bereitschaft vieler User kritisiert, pausenlos möglichst viel über sich preiszugeben. So sei bei „Blippy“ die Angabe der Kreditkarte Pflicht, um über alle daraufhin dargestellten Bestellungen über diese Karte mit anderen Nutzern diskutieren zu können. Um den Überblick zu behalten, bietet Buzz nun eine extra Funktion an, wonach Nutzer über die für sie relevanten Beiträge informiert werden – eine Art „Posting Alert“ also.

Zum Einstieg innerhalb der fast 180 Millionen Google Mail-Nutzer umfassenden potenziellen Erstkunden werden bereits alle einmal angeschriebenen E-Mail-Kontakte als Freunde registriert. Allerdings, so Thomas Jüngling, hätten auch die sozialen Netzwerksfunktionen der Maildienstleister Yahoo  und Hotmail keinen überzeugenden Erfolg gehabt. Immerhin handele es sich bei den Google Mail-Nutzern um eine durchschnittlich sehr junge Klientel – mehr als die Hälfte von ihnen soll jünger als 25 Jahre sein. Dies würde den Aufbau einer Plattform für Onlinespiele begünstigen. Hauptsache, Werbung lässt sich unterbringen. Das kann Google besser als alle anderen.

Ein Dienst für noch mehr Nutzerdaten

Donnerstag, 11. Februar 2010

Google hat aktuell seinen neuesten Dienst namens „Buzz“ vorgestellt. Dabei handelt es sich aber um keine Heldentat, wie sie Buzz Aldrin begangen hat (der zweite Mann auf dem Mond), sondern eher um eine verspätete Reaktion auf das bisherige Unvermögen im Bereich der sozialen Netzwerke Fuß zu fassen. Ähnlich interpretiert den Vorstoß auch Thomas Lindemann im Welt-Kommentar:

Welt, 11.02.10, Titel: Google will Twitter ersetzen

Der beliebte und gehypte Mitteilungs- oder besser gesagt Zwitscherdienst soll mit Zusatzoptionen à la Facebook kombiniert werden, damit sich Google so als Anbieter eines Social Media-Portals etablieren kann. Allerdings darf der Erfolg vorab bezweifelt werden, wie Thomas Lindemann schreibt: „Bei dem Portal Google Orkut, auf dem Freunde und Bekannte sich vernetzten können, haben sich etwa 20 Millionen Kunden angemeldet, vor allem aus Brasilien und Indien. Der große Konkurrent Facebook hat 400 Millionen Nutzer.“

Ähnlich beurteilt auch Helene Laube in ihrem Artikel „Google hechelt Konkurrenz hinterher“ in der FTD die Situation und ergänzt: „Andere Versuchsballons wie Dodgeball, Jaiku, Lively, Google Friend Connect oder Open Social wurden entweder eingestellt oder werden kaum genutzt.“ Im FTD-Kommentar wird  darauf abgehoben, dass die meisten der rund 150 Millionen Gmail-Nutzer sich bereits auf anderen Netzwerken tummeln. „Und anders als die meisten sozialen Netzwerke steht Google stets unter Verdacht, es mit dem Datensammeln zu übertreiben. Auch Buzz hat bereits Datenschützer auf den Plan gerufen.“ Die nachfolgende Grafik stammt aus dem Artikel im FTD-Wirtschaftsteil:

FTD, 11.02.10, Grafik: Verweildauer in Netzwerken

Damit zurück zum Welt-Kommentar, der den Google Mail-Service kritisiert: „Die Tatsache, dass Mails dort automatisch durchkämmt werden, damit der Benutzer auf ihn zugeschnittene Werbung bekommt, ist vielen nicht geheuer.“ Dabei eröffnet doch gerade Google mit seiner Unternehmens-Grundidee bezahlter Werbelinks die aktuelle Entwicklung hin zum Social Commerce, der gläsernen Klassifizierung von Nutzern sozialer Netzwerke.

„Ein paar Konzerne fechten aus, wie die Gesellschaft der nahen Zukunft kommuniziert.“, schreibt Thomas Lindemann. Dabei bezieht sich das „wie“ auch auf den Grad der Durchschaubarkeit der Nutzer. Überraschend aufgrund seiner Marktposition, schlussfolgert er weiter, dass Google im aktuellen „erbitterten Kampf um das soziale Netz“ zurzeit der große Verlierer ist.

Wochenend-Presseschau 05-10

Montag, 08. Februar 2010

Digitale Datenfluten und das latente Unwohlsein in der virtuellen Welt sind Themen in der FAZ vom vergangenen Samstag und in der Welt am Sonntag. Im Leitartikel der Samstags-FAZ beschwört Carsten Knop anlässlich der Vorstellung von Apples iPad den technologischen Fortschritt.

FAZ, 06.02.10, Titel: Die digitale Evolution geht weiter

Beinahe schon selbstverständlich, dass er betont: „Kein Gerät (…) ist in der Lage, (…) eine kraftvolle Entwicklung (…) schon heute zu ihrem krönenden Abschluss zu bringen.“ Zudem führt er ins Feld, „dass wohl keine Branche unter einem derartigen Innovationsdruck wie die Informationstechnologie steht.“ So kommt er zu dem wenig überraschenden Schluss, dass die IT „so unübersichtlich und wechselhaft wie das Leben“ ist. Bleibt nur hinzuzufügen: und genauso gefährlich und stets endend mit dem Tod.

WamS, 07.02.10, Titel: Kann Twitter Journalisten ersetzen?

Die nächste interessante Fragestellung betrifft ein Experiment fünf französischsprachiger Journalisten, die sich auf einem Bauernhof zusammengesetzt haben, um einen Tag lang unter Verzicht aller traditionellen Medien nur auf Twitter und Facebook zurückzugreifen. Auf die am Sonntag in der WamS-Rubrik Menschen und Medien von Tim Ackermann gestellte, oben abgebildete Frage hatte die FAZ schon tags zuvor eine mögliche Antwort geliefert: „Da geht schnell mal die Welt unter“. Dabei meint Jürg Altwegg die altehrwürdige Welt, nicht die gleichnamige deutsche Tageszeitung.

Inhaltlich schließlich jedoch keine Überraschung: „Die sozialen Netzwerke sind im „global village“ das Gespräch über den Gartenzaun hinweg. Aber auch der spießige Blick aus dem Fenster.“ Die westschweizer Teilnehmerin Anna-Paule Martin wird zitiert: „Das Austauschen von Meinungen und lustigen Videos kann Spaß machen, aber mit irgendeiner Nachrichten-Relevanz hat das nichts zu tun.“ Demgemäß führt Jürg Altwegg auch den Pariser Mediensoziologen Dominique Wolton an, der Twitter und Facebook für „keine Konkurrenz, schon gar keinen Ersatz“ für traditionelle Medien hält. Mit ihrer Verbreitung werde „die Notwendigkeit des Qualitätsjournalismus (…) nur noch augenfälliger.“

WamS, 07.02.10, Titel: Mein Hirn gehört mir

Ebenfalls in beiden genannten Zeitungen sehr interessante Essays über die Auswirkungen des Internets auf das menschliche Denken. Jakob Augstein, der Verleger der Wochenzeitung „Freitag“ fragt im WamS-Feuilleton, warum es schwer fällt zu begreifen, dass der Computer unser Denken übernimmt (vielleicht genau deshalb?). Mit dem Bild uns verfolgender Software-Agenten stimmt er ein in das Klagelied Frank Schirrmachers, dass wir den Computern unser Denken, unsere Freiheit und unsere Zukunft opferten.

Allerdings verleiht er seinem Plädoyer Schirrmacher Gehör zu gewähren Nachdruck, indem er seine Forderung einer „dritten Kultur“ des öffentlichen Diskurses zur digitalen Revolution unterstützt. Mit Schirrmacher: „Die Informatiker müssen die Scripts erklären, nach denen wir handeln und bewertet werden (…) Wir brauchen Dolmetscher aus der technolgischen Intelligenz“. Ansonsten, so Jakob Augstein, bestehe die Gefahr, dass sich das Individuum „mit seiner Identität und seiner Zukunft im Digitalen aufzulösen droht“.

Noch mehr auf das Individuum bezogen behandelt Stephen Baker (aus dem Englischen von Michael Adrian) im Feuilleton der Samstags-FAZ die Bereicherung und Bedrohung des Internets für das menschliche Gehirn. „Während unsere Gehirne seit 40.000 Jahren mehr oder weniger gleich geblieben (…) sind, entwickelt sich unser externes Gehirn sprunghaft.“ Die vernetzte Welt als Gehirn, behauptet Stephen Baker, werde durch eine schier unfassbare Ansammlung von Daten immer klüger; daher müsse jeder für seinen eigenen Kopf eine Strategie entwickeln, was ich wissen möchte, was ich wissen sollte.

Er bemüht die Ökonomie der Aufmerksamkeit, wonach soziale Netzwerke ohne Nutzer zusammenbrechen. Ausgeliefert einem „Basar der Ablenkungen“ würden wir im schlimmsten Fall konfus, vielleicht auch dümmer, während die vernetzte Welt immer intelligenter würde. Insofern lokalisiert er die Frage, was wir in unsere Köpfe lassen und was wir darin behalten, als „die Frage unserer Generation“, ohne Antworten darauf anbieten zu können.

Für das tägliche Leben empfehle ich, einen Plan B bereit zu halten. Falls also die Internetverbindung einmal streikt, auch eine Enzyklopädie befragen zu können, oder falls sich eine Antwort auf eine Frage nicht durch Internetrecherchen ergibt, jemanden anzurufen, der sich damit auskennt. Reelle Gespräche, bei denen man sich gegenüber sitzt, haben oft weitaus erhellenderen Charakter als das Graben im virtuellen Trümmerhaufen der Schwarmintelligenz.

Ist oder hat das Internet wirtschaftliche Zukunft?

Sonntag, 07. Februar 2010

Der Verband der Deutschen Internetwirtschaft „eco“ und die Beratungsgesellschaft Arthur D. Little haben Anfang des Jahres die Studie „“Die deutsche Internetwirtschaft 2009-2012. Überblick, Trends und Treiber“ vorgelegt. Demnach verbreiten die meisten Akteure innerhalb des Verbandes einen großen Optimismus, allen voran die Online-Händler und so genannte Transaktions-Dienstleister (Anbieter von Programmen, die in Rechenzentren und nicht auf privaten Computern laufen). Etwas großspurig klingt jedoch das Fazit der Zusammenfassung der Studie, wonach sie dokumentiere, „die wirtschaftliche Zukunft liegt im Internet“. Das Internet bietet sicherlich gute Wachtsumsaussichten für die Zukunft, ein allumfassendes, gänzlich umverzichtbares Medium ist es dagegen immer noch nicht.

FAZ, 02.02.2010, Titel: Internet-Wirtschaft erwartet stark steigende Umsätze

Am vergangenen Dienstag hat die FAZ in einer  Kurzfassung einer  Besprechung der Studie festgestellt, dass das Innovationstempo hoch bleiben werde, dominiert von mittelständischen Unternehmen. Infrastrukturanbieter dürften unter hohen Investitionen und sinkenden Preisen zu ächzen haben. Bislang entfällt ein Großteil der Umsätze von zuletzt 45,7 Milliarden Euro (2008) auf den elektronischen Handel und das Festnetz-Internet. Von besonderem Interesse für mich sind die Aussichten der Segmente Online-Werbung, Online-Plattformen und Internet-Inhalte.

Hierzu heißt es im Fazit der Studie: „Der Inhalte-Markt wiederum explodiert förmlich. Noch suchen die Anbieter nach nachhaltigen Geschäftsmodellen, nachdem sie lange Zeit den Trend „verschlafen“ haben. Hier wird die Frage zu klären sein, wie aus „Plain Content“ „Paid Content“ wird. Das mobile Internet könnte den Weg dazu weisen.“ Im Abschnitt „3.12 Internet-Inhalte“ heißt es dazu: „Web 2.0 hat das Angebot von User Generated Content im Netz massiv erhöht – auch wenn ein profitables Geschäftsmodell oftmals fehlt. Internet-Inhalte haben sich damit bei Medienkonsumenten etabliert und kosten die klassischen Print-, TV- und Radiomedien konstant Marktanteile und Werbeeinnahmen.“ In der FAZ wird ergänzend hierzu Harald Summa vom eco-Verband zitiert,  der als Wachstumstreiber neben der nächsten Version des Internetprotokolls (IPv6) soziale Netzwerke, das mobile Internet, berührungsempfindliche Bildschirme und Bewegtbilder benennt.

Statistik zur Medienentwicklung aus der Studie von Eco und A.D.Little, Januar 2010

Praktische iPad-Kritik

Donnerstag, 04. Februar 2010

Zugegeben, ich bin – als bisheriger Nicht-Apple-Nutzer – von den Errungenschaft des Steve Jobs dennoch beeindruckt. Die Fähigkeit, topp designte, wohl geformte und durchdachte Produkte auf den Markt zu bringen, die eine ganze Glaubensgemeinschaft zusammenschweißen, nötigt durchaus Respekt ab. Und obwohl ich bisher weder einen Apple-Computer noch ein iPhone besitze, habe ich ernstlich mit der Idee geliebäugelt, mir einen iPad anzuschaffen. Allerdings hat mich ein kleiner, aber sehr praxisorientierter Artikel im Magazin des Kölner Stadt-Anzeigers wieder Abstand davon nehmen lassen.

KStA-Magazin, 03.02.10, Titel: Wer braucht das neue iPad?

Alleine die unternehmensübliche Charade vor der Präsentation – wie sollte das Gerät wohl heißen (iSlate hätte mir persönlich auch gut gefallen, in Anlehnung an die allgemein längst vergessene Schulschiefertafel), welche Funktionalitäten würde es beinhalten? – war dazu angetan den „Hype“ und den „Kult“ um die Neuerscheinung zu vergrößern. Dass der Name „pad“ auch „Damenbinde“ heißen kann – geschenkt!  Doch nun das: dem guten Brett fehlen Schnittstellen wie etwa eine USB-Buchse oder Kartenleser, es hat beim Browsen im Internet keine Flash-Unterstützung und vor allem: es verfügt nicht über Multitasking. Das heißt, wenn ich das richtig verstehe, der Nutzer kann jeweils nur ein Programm aufrufen, ähnlich wie bei Mobiltelefonen.

Das ist für mich ein echtes Manko – von dem Für und Wider eines Touchscreens einmal ganz zu schweigen. Natürlich wäre es toll, wie bei manchem anderen Geräten auch, sie direkt auf der Oberfläche nur mit dem Finger oder einem Stift zu bedienen. Diese haptische Verbundenheit verstärkt auf lange Sicht allerdings erwiesenermaßen die schon fast physische Abhängigkeit von solchen Geräten. Zudem stellt sich die nur grafisch abgebildete Tastatur als bei weitem nicht so reaktiv wie eine „echte“ Computertastatur dar. Über die Breite des Randes ließe sich sicherlich reden, vor allem da er dem sicheren Festhalten dient, ohne dabei versehentlich Funktionen zu aktivieren. Auch dass eine Kamera fehlt, ist mir persönlich nicht so wichtig. Aber dass das Gerät praktich nur als persönlicher digitaler Assistent (PDA) mit mobilem Internetzugang dienen soll, das reizt mich dann doch eher gar nicht.

Unerwartetes burdaesk verbinden

Donnerstag, 28. Januar 2010

„Connect the unexpected“ steht als Leitwort auf der Startseite des in München abgehaltenen Burda-Kongresses „Digital, Life, Design“. Unerwartet Verschiedenes verbanden die Berichterstatter von der Welt, Thomas Heuzeroth, und der FAZ, Detlev Borchers, mit der Veranstaltung. Rund 800 Unternehmer und Kreative nahmen kurz vor dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos daran teil, hauptsächlich um sich zu orientieren. Denn das Motto der Konferenz lautete „Map your future“, wobei es sich – nach der im FAZ-Artikel vertretenen Ansicht zweifellos um eine Google-Map gehandelt haben müsse.

FAZ, 28.01.10, Titel: Google hat ein Ohr für alles

Der Welt-Autor betont, dass es wieder einmal eine Konferenz der schönen Worte gewesen sei – so habe es sich um „Informavore“ gedreht, also Informationsfresser (von Carnivore, Fleischfresser), und auch Frank Schirrmacher beschwor wieder einmal die Informationsüberflutung. Daneben habe Hubert Burda in seinem Eingangsstatement sein letztjähriges Wort der „lousy pennies“ in Bezug auf die Ertragslage der Online-Werbung eingeschränkt. „Zusammen mit E-Commerce-Angebote jedoch könnten profitable Unternehmen entstehen.“, heißt es.

Weitere Bonmots werden zitiert, etwa von MySpace-Chef Owen Van Natta: „Man muss sich erneuern, bevor man merkt, dass man sich erneuern muss.“, oder vom Computerwissenschaftsprofessor David Gelernter von der Yale Universität: „Wozu sind wir eigentlich so gut informiert?“ Eine mögliche Antwort auf diese Frage könnte der Ansatz bieten, den der FAZ-Autor gewählt hat, um die Konferenz zu besprechen: „Der Kurs auf dem Kontinent Google wird von Google bestimmt und ist in einer Google-Map vorgezeichnet. Kein Wunder, dass der Internet-Konzern zum Schluss der Konferenz allen Teilnehmern ein Google-Nexus schenkte, ein schickes Mobiltelefon mit Sprachnavigation, die direkt von Google-Servern kommt. So kann Google fortlaufend überwachen,. was das bunte Trüppchen treibt.“

Die Welt, 26.01.10, Titel: Die Zeit der lausigen Pfennige ist vorbei

Diese durchaus nachvollziehbare Sicht der Dinge gibt der Überschrift aus der Welt eine ganz neue Relevanz. Um so mehr, wenn man bedenkt, dass Google allein in Deutschland jährlich rund 20 Milliarden Euro Umsatz mit seinem Anzeigengeschäft macht, während es die deutschen Zeitungsverlage auf gerade einmal 160 Millionen Euro Anzeigenumsatz im gleichen Zeitraum bringen (zitiert nach Ulrich Clauß in der Welt vom 22. Januar). Als nächste Stufe der Gewinnmaximierung von Google skizziert Detlev Borchers den „Social Commerce“, indem sich die Werbetreibenden direkt über die sozialen Netzwerke an ihre Kundengruppen wenden werden.

Das sieht dann etwa so aus, dass Wal-Mart in seinen Läden massenweise Netbooks installliert, über die entscheidungs-schwache Käufer sich Meinungen in den bevorzugten sozialen Netzwerken abrufen können. Tun sie das, greift Wal-Mart dabei auch Informationen über ihr Nutzerverhalten ab. Wenn sich am Ende der Konferenz schließlich die Teilnehmer um die Ausgabe der Nexus-Handies drängeln um ihre eigenes gläsernes Dasein noch schneller zu erreichen, dann erinnert mich das an die Vergnügungsinsel bei Pinocchio, auf der die kleinen Jungen mit Glücksspiel und Zigarren zu Eseln verwandelt werden.

Eine Übersicht der deutschen Magazintitel im Burda-Verlag sowie einige weiterführende Artikel zu weiteren Themen der DLD.

Kompass durch die komplexe Medienlandschaft

Montag, 18. Januar 2010

Der 2. Deutsche Medienkongress Dienstag und Mittwoch in Frankfurt am Main warf bereits einen medialen Schatten voraus: In der Welt am Sonntag beschäftigte sich eine vierseitige Sonderausgabe mit den wichtigsten Fragen des Branchentreffs mit mehr als 60 Referenten. „Welche Marketing- und Mediastrategien werden zukünftig Erfog versprechend sein?“, wurde darin als Kernfrage benannt. In acht „Kongress-Modulen“ soll „die Zukunftsfähgkeit und -relevanz einzelner Mediengattungen beleuchtet“ werden.

WamS, 17.01.10, Titel: Verlage auf neuen Wegen

Im Beitrag „Antworten auf die digitale Herausforderung: Wie Unternehmen ihre Geschäftsstrukturen ändern“ (Untertitel zu obiger Überschrift) bezieht sich Ileana Grabitz eingangs auf die Münchner Medientage, die provokant durch Jeff Jarvis eröffnet wurden: Deutsche Verlagshäuser haben lange an den alten Geschäftsmodellen festgehalten, die hochwertigen journalistischen Inhalte sind meist kostenfrei im Netz abrufbar, daher das Jarvis’sche Mantra: „Do what you do best and link the rest.“

Als erfolgreiche Beispiele veränderter Geschäftsmodelle nennt die Autorin iPhone-Apps der Axel Springer AG (bereits 100.000 mal verkauft), sowie das von der englischen Times eingeführte und in Deutschland u.a. von der Welt und dem Handelsblatt adaptierte Tabloid-Format. Als weiteres Geschäftsmodell werden hochwertige Print- oder Filmeditionen wie von der Süddeutschen Zeitung genannt, die über die Verlagshäuser laufen. Allerdings erscheinen keine Paid Content-Modelle in dieser Aufstellung (auch nicht für Special Interest-Nischen), sondern lediglich Zusatzerlöse, die unmittelbar  aus dem Bereich „Qualitätsprodukt Print“ stammen, wie Corporate Publishing, Sonderbeilagen und Fachkongresse. All diese Zusatzerlöse könnte es auch ohne das Medium Internet geben; die „digitale Herausforderung“ wie eingangs benannt, scheint hier in mögliche neue Geschäftsmodelle (außer durch die iPhone-Apps) nicht mit einbezogen worden zu sein.

Der Medienberater Klaus Petersen hingegen überschreibt seinen Beitrag in der WamS-Sonderausgabe „Medienunternehmen können mehr tun“ und begründet die Notwendigkeit der Neuausrichtung, „weil die traditionellen Medienunternehmen sich nicht rechtzeitig aus ihrem Denken lösen konnten.“ Erneut der Jarvis’sche Vorwurf, verbunden mit der Idee, aus dem Kerngeschäft Print via paid content neue Erlösquellen zu erschließen.

Auch wenn das bisher nicht geklappt hat, sollten drei Punkte dabei hilfreich sein, so der Berater weiter: „Hohe Marktdurchdringung bzw. Kundenpotenziale, Qualitätsinhalte und Produktions-kompetenz.“ Damit sollte es Verlagshäusern gelingen, die Medienkunden zu Netzkunden und die bekannten Nutzerdaten zu passenden, mediengerecht aufbereiteten digitalen Produkten zu transformieren. Zusätzlich empfiehlt er Kooperationen auf allen Ebenen.

WamS, 17.01.10, Titel: Information ist kein Wert an sich

Wie der Welt-Chefredakteur Thomas Schmid in seinem Editorial „Was dem User nutzt“, rät auch Ulrich Clauß auf Seite 1 der Sonderbeilage dazu, die Realität der Neuen Medien wahrzunehmen, sie sich (als Zeitungsverlag) anzueignen und kostenpflichtige Inhalte anzubieten. „Denn werthaltige Ware kostet Mühe und Arbeit, und die kostet Geld.“ (Ulrich Clauß) – „Diese Qualität soll und muss etwas kosten“ (Thomas Schmid). Vier Trends macht ersterer aus: „immer individueller konfektionierte Angebote“, „immer voluminösere Massenplattformen mit hoch dynamischen Eigenleben“, „zunehmende Mobilität“ und „Utopien von Allgegenweart, Selbstermächtigung beliebiger Verfügbarkeit der Ressourcen“.

Falls dieser vierte Trend die Falle der Kostenloskultur umschreibt, sollte er langsam aber sicher bereits rückläufig sein. Jedenfalls ist es an den Verlagshäusern selbst, dafür zu sorgen, dass neue Erlösmodelle (Micro-Payment oder Nischen-Paid Content) ihre eigenen Inhalte vor den „Freibeutern des frühen Informationszeitalters“ schützen.  Der Autor in der Welt am Sonntag benennt jedoch wiederum nur das „iPhone“ als Hoffnungsträger eines funktionierenden Bezahlmodells. Dass User jedoch die Bereitschaft aufzubringen für nutzwertige Informationen künftig Geld zu zahlen, daran sollte kein Zweifel bestehen, das ist für die Zeitungsverlage ein überlebenswichtiger Erziehungsauftrag.

Insofern geht es bei dem Kongress eher um die Zukunftsfähigkeit der Verlagshäuser als um die der einzelnen Mediengattungen.

Wochenend-Presseschau 03-10

Montag, 18. Januar 2010

Entschleunigung in der „Karrierewelt“, Interviews mit Jaron Lanier in der Samstags-FAZ und mit Jeremy Rifkin in der WamS. Um mit dem Letztgenannten zu beginnen, der Leiter der von ihm gegründeten Foundation of Economic Trends, Jeremy Rifkin, warnt im Interview mit Matthias Wulff in der WamS davor, dass die Menschheit trotz wachsender globaler Empathie zielstrebig auf ihre eigene Vernichtung zusteuert. Anlass des Gesprächs ist das heute im Campus-Verlag erscheinende neue Buch „Die empathische Zivilisation“.

Im Gespräch gibt der streitbare Wissenschaftler Energie- und Kommunikationsrevolutionen als Ursachen für einen Bewusstseinswandel der Menschheit an (Beispiel: obwohl der Buchdruck schon länger existierte, ermöglichte erst die kohlegetriebene Dampftechnik den Betrieb moderner Druckerpressen). Heute sieht er die dritte industrielle Revolution in Vorbereitung, wodurch die globale Menschheit zur erweiterten Familie jedes einzelnen werde. Gleichzeitig verringere sich aktuell erstmals bei einem Umbruch der Kommunikationstechnik der durchschnittlich verfügbare Wortzschatz der Kinder.

Als heutige Aufgabe skizziert Rifkin das „Empathie-Entropie-Paradox“ zu durchbrechen (wir kommen uns global zwar sehr viel näher, auch in unserem gegenseitigen Verständnis, aber dabei verbrauchen wir unglaubliche Mengen an Energie). Lösungsansätze sieht er im Hausbau (Umbau von Häusern zu „Kraftwerken“ mit positiver Energiebilanz) sowie im Anpassen der Denkgebäude von Kategorien des 18. Jahrhunderts („autonome, materialistische Individueen“) auf heutige Anforderungen („globaler Ziivilsation“). Allerdings sieht er einen echten Überlebenskampf der Menschheit bevorstehen.

FAS, 17.01.10, Titel: Warum die Zukunft uns noch braucht

Jordan Mejias führt in der Samstags-FAZ ein Interview mit dem Informatiker, Komponisten und Autoren Jaron Lanier, der den Begriff der „virtuellen Realität“ prägte, 1983 ein erstes Videospiel vorstellte, als Erster internetbasierte Computernetzwerke vorschlug und den ersten Avatar entwickelte. Sein neues Buch, deutsch im Alfred A. Knopf Verlag, heißt „You Are Not a Gadget: A Manifesto.“ Aufgrund der Datenlage im Internet konstatiert er (Buchauszug in der Sonntags-FAZ): „Die weltweite Vernetzung von Intelligenz produziert nicht Über-Intelligenz, sondern Banalität.“ Stattdessen plädiert er für einen kostenpflichtigen Zugang zu wertvollen Inhalten im Netz (bei moderaten Preise), um nicht fortwährend „unter dem Banner der Offenheit zu einem Verlust an Kreativität“ zu gelangen.

Als Scheininformationen bezeichnet er die Informationsflut der allermeisten Einträge, die dem einzelnen Nutzer (je nach genutzter Technik und angewöhntem Verhalten) keine Zeit mehr lassen, nachdenkende Individuen zu sein. Im Buchauszug in der FAS wird er noch deutlicher: „Unter dem Strich produziert die Blogosphäre leeres Gerede, wie es in den heute hochgejubelten flachen und offenen Systemen eigentlich immer geschieht.“ An anderer Stelle formuliert er: „Wenn Inhalte wertlos sind, dann werden die Menschen irgendwann hohlköpfig und inhaltslos.“ Er analysiert Werbung im Internet als entscheidend für die so genannte „Schwarmökonomie“ und schreibt: „Die Kultur soll sich in Werbung und nichts anderes verwandeln“, Autoren, Journalisten, Musiker und Künstler dagegen sollen ihr geistiges Eigentum als unbezahltes Fragment dem „Schwarmgeist“ überlassen.

Karrierewelt, 16.01.10, Titel: Die neue Lust auf Langsamkeit

Zu guter Letzt bezeichnet sich der im Interview befragte Lanier allerdings doch als optimistischer als viele seiner Kollegen, indem er das geistige Eigentum menschlicher Ausdrucksformen für schützenswert erklärt und freiwillige Änderungen des Gesellschaftsvertrags für möglich hält. – Auf einer ganz anderen Ebene beschäftigt sich die Karrierewelt vom vergangenen Samstag mit den geänderten Bedingungen der Arbeitswelt. „Zeitmanagement-Experte Lothar Seiwert gibt Tipps zur Entschleunigung“, so der Untertitel des Beitrags. Lothar Seiwert hat übrigens auch Bücher zum Thema geschrieben. Die Basistipps lauten: Dein eigenes Tempo leben, Unwichtiges streichen, sich bei unliebsamen Aufgaben hingegen durchaus Zeit nehmen (dann geht es schneller), und im größten Stress bewusst inne halten. Danke, ich werds versuchen.